gesunkenes Militärpotenzial in der Spätantike

Werder

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Ich habe mal eine Frage an die Spezialisten:

Mir leuchtet nicht ganz ein, warum das römische Reich im Laufe der Jahrhunderte so viel an militärischer Stärke verloren hat und nach einer (!) Niederlage in Adrianopel schon in arger Bedrängnis war, wohingegen man beispielsweise im 2. Punischen Krieg gegen Hannibal Legion um Legion verlieren konnte und doch immer noch ein genügend hohes Rekrutierungspotenzial hatte, um diese Verluste aufzufangen.

Natürlich hat sich ja die römische Armee in diesem ewigen Zeitraum von Miliz- und Wehrpflichts- zu Berufsheer völlig verändert, aber hat dies auch zur Schwächung beigetragen und wenn ja warum?

Ich lese auch öfter, dass Rom in der Spätantike eigentlich auch zu weiten Teilen nur noch das Illyricum als Rekrutierungsbasis hatte, nur will mir das nicht ganz einleuchten. In diesem Argument hört sich das immer so an, als wenn z.B. die Bürger im Kernland Italien einfach durch den sehr langen Frieden nicht mehr wehrfähig waren und durch den Wohlstand zu „satt“ waren, um noch Militärpotential darstellen zu können. Aber es wird doch auch weiterhin eine breite arme Schicht in Italien gegeben haben, für die der Militädienst doch hätte weiterhin halbwegs attraktiv sein müssen (wie zu Zeiten des frühen Kaisertums). Oder ist das Rekrutierungspotential im Reich gesunken, weil die Verleihung des Bürgerrechts als Anreiz verloren ging?

Ich weiß, das ging jetzt ein wenig durcheinander und die generelle Frage ist wahrscheinlich nur sehr komplex zu beantworten, aber mich würden Eure Meinungen trotzdem sehr interessieren!
Danke schon mal für Feedback!
 
Schaue dir doch einmal die Karte um 218 v.Chr an und betrachte die Ausmaße und Grenzen des Römischen Reiches. Das machst du denn noch einmal mit einer Karte der Spätantike. Dir wird etwas auffallen.
 
Falls Du darauf hinaus willst, dass das römische Reich zu groß gewesen sei, weise ich darauf hin, dass es mit dieser großen Ausdehnung fast vierhundert Jahre lang ganz gut klarkam ...
 
Wenn ich mich korrekt erinnere, ich bin nicht der Spezialist für die Römische Spätantike, wurden doch immer wieder erhebliche militärische Ressourcen durch die Germanen , die Parther und in deren Nachfolge die Sassaniden gebunden.

Und das Römische Reich hat sich ja auch noch nach Christus Geburt gewaltig ausgedehnt, so das es schon ein Problem war, dieses Riesenreich vernünftig zu regieren. Und du meinst, die gewaltige, schiere Länge der Grnezen des Römischen Imperiums war für die antike Supermacht kein Problem diese wirkumngsvoll dauerhaft zu schützen?
 
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Ein sehr schwieriges Thema. Der Prozess zeichnete sich wohl schon früher ab. Aber ich versuche mal anhand deiner Fragen darauf einzugehen.

Schon in der Kaiserzeit begann sich die Rekrutierungsbasis in die Provinzen zu verlagern. Lange Zeiten wurden die nördlichen Provinzen für ihre schlagkräftigen Soldaten gerühmt, während Illyrien immer wichtiger wurde. Man beachte nur, dass es Kaiser aus Illyrien waren, die das Reich während der Soldatenkaiserzeit stabilisierten und in eine neue Richtung lenkten. Auch Konstatin d. Gr. stammte aus Illyrien.

Die attraktivität des Militärdienstes nahm immer mehr ab. Hinzu kamen Seuchen sowie "Pazifistische Strömungen", bedingt durch u. a. die lange Friedenszeit unter Hadrian und Antoninius Pius. So musste Marcus Aurelius z. B. während der Markommanenkriege eine Legion aus zwielichtigen Personen, vorsichtig forumliert, zusammenstellen.

Mit der Constitutio Antoniniana kam ein weiterer Faktor hinzu, da nun jeder freier Bürger das römische Bürgerrecht hatte, und es nicht mehr notwendig war, 25 Jahre im Heer zu dienen.

Die Soldatenkaiserzeit mit ihren Bürgerkriegen und Grenzkämpfen war ein weiterer Aderlass für die römische Armee. Es wird wohl kaum Verbände gegeben haben, die noch volle Sollstärke hatten, bedingt auch durch die um 250 grasierende Pest im Imperium. Diocletians Reform trug dann wohl u. a. auch diesem Zustand Rechnung. Nicht zu vergessen, die vielen Ansiedlungen von Germanen auf Reichsboden, die die Soldatenkaiser vornahmen, um verheerte Landstriche wieder aufzufrischen, und um neue Truppen zu erhalten.

Zwar war die Wehrpflicht nie außer Kraft gesetzt, doch weigerten sich immer mehr Bürger im Heer zu dienen. Nicht nur, dass Rekruten flüchteten während dem Weg zur Ausbildungskaserne, nein, es gibt Bereichte wonach viele sich selbst verstümmelten (Daumen abhacken z. B.), um keinen Militärdienst ableisten zu müssen. Beute war schon lange keine mehr zu machen, um seinen Sold aufzubessern, nachdem sich das Heer von einem Angriffs- in ein Verteidigungsheer gewandelt hat. Großgrundbesitzer schickten nicht mehr ihre besten Arbeiter ins Heer, sondern eher Untaugliche. Auch schwand im Laufe der Spätantike die Identifikation mit dem Gesamtreich als solches. Wieso sollte der Soldat am anderen Ende der Welt kämpfen, wenn seine Heimat bedroht ist? Julian wurde ja angeblich deswegen zum Augustus ausgerufen, weil Constantius II. von ihm Truppen für einen Perserfeldzug angefordert hat.

Nicht zu vergessen, dass viele Landstriche durch Einfälle der Germanen und Sassaniden verheert waren, und wieder instand gesetzt werden mussten. Auch das kostet - langfristig gebundenes - Geld, dass an einer anderen Stelle gespart werden musste.
Die Verluste aus Adrianopel konnte das Ostreich kompensieren, indem man mit den Goten eine Foedus schloss, jedoch hatte es sich Theodosius dann mit diesen nach der Schlacht am Frigidus verscherzt, als er diese als "Kanonenfutter" behandelte. Diese Schlacht war übrigens weit verheerender als die Schlacht von Adrianopel, gerade für den Westen, da ein Großteil der Truppen des Reiches auf dem Schlachtfeld blieb. Stilicho überführte danach nur zähneknirschend den verabredeten Teil des Heeres nach Osten, wie vom Ostreich gefordert.

Aber selbst unter Stilicho war das Heer noch schlagkräftig. Man konnte z. B. mehrfach Alarich besiegen. Die Anti-Germanische-Stimmung zu dieser Zeit jedoch, kostet nicht nur Stilicho das Leben, sondern sollen aufgrund von dessen Ermordung auch 30.000 Goten zu Alarich übergelaufen sein. Der Rheinübergang von 405/06 war ebenfalls ein Fanal für das Weströmische Reich. Das Land war verheert, die Steuereinnahmen gingen zurück, viele potentielle Rekruten blieben wohl als Opfer in den eroberten und gebrandtschatzten Städten zurück. Der Osten hatte es hier leichter, weil mit den Sassaniden Frieden an der Grenze im Orient einkehrte, während der Westen nun immer mehr unter Druck stand.
 
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@ Turgot:
Den Großteil seiner Ausdehnung erreichte das Reich unter Augustus. Danach kamen nur noch Britannien, Mauretanien, Thrakien (dessen Eingliederung zu einer Grenzverkürzung und Ausschaltung einer latenten Bedrohung führte) und Dakien (dessen Eingliederung zwar die Grenze ausdehnte, aber eine massive Bedrohung beseitigte) dazu, außerdem wurden im Osten ein paar Klientelstaaten in Provinzen umgewandelt. Die Bindung erheblicher militärischer Ressourcen durch Germanen und Parther bestand jedenfalls auch schon in der frühen Kaiserzeit.

Probleme mit der Regierung dieses Riesenreiches gab es in den ersten beiden Jahrhunderten der Kaiserzeit auch nicht.

Über die Gründe für den Untergang des römischen Reiches wurde auch in diesem Forum schon ausführlich diskutiert, und ich möchte die Diskussion hier nicht wiederholen. Es hat wohl vieles zusammengespielt, wirtschaftliche und soziale Probleme, schwache Kaiser, eine Veränderung der äußeren Bedrohungslage etc. Aber die Größe des Reiches würde ich nicht dazurechnen, dazu hat sich das Reich jahrhundertelang viel zu gut bewährt.
 
@ Turgot:
Den Großteil seiner Ausdehnung erreichte das Reich unter Augustus. Danach kamen nur noch Britannien, Mauretanien, Thrakien (dessen Eingliederung zu einer Grenzverkürzung und Ausschaltung einer latenten Bedrohung führte) und Dakien (dessen Eingliederung zwar die Grenze ausdehnte, aber eine massive Bedrohung beseitigte) dazu, außerdem wurden im Osten ein paar Klientelstaaten in Provinzen umgewandelt. Die Bindung erheblicher militärischer Ressourcen durch Germanen und Parther bestand jedenfalls auch schon in der frühen Kaiserzeit.

Probleme mit der Regierung dieses Riesenreiches gab es in den ersten beiden Jahrhunderten der Kaiserzeit auch nicht.

Über die Gründe für den Untergang des römischen Reiches wurde auch in diesem Forum schon ausführlich diskutiert, und ich möchte die Diskussion hier nicht wiederholen. Es hat wohl vieles zusammengespielt, wirtschaftliche und soziale Probleme, schwache Kaiser, eine Veränderung der äußeren Bedrohungslage etc. Aber die Größe des Reiches würde ich nicht dazurechnen, dazu hat sich das Reich jahrhundertelang viel zu gut bewährt.


Besten Dank für diese Informationen.:)
 
Aber die Größe des Reiches würde ich nicht dazurechnen, dazu hat sich das Reich jahrhundertelang viel zu gut bewährt.
Nicht als Ursache, keine Frage. Man könnte aber schon der Meinung sein, dass die Größe des Reiches dann zu einem Problem wurde, als all die anderen Faktoren, die du aufgezählt hast, zur Schwächung des Reiches beigetragen haben.
 
Nicht als Ursache, keine Frage. Man könnte aber schon der Meinung sein, dass die Größe des Reiches dann zu einem Problem wurde, als all die anderen Faktoren, die du aufgezählt hast, zur Schwächung des Reiches beigetragen haben.

Warum sollte das so sein? Ein größeres Reich bedeutet auch mehr Steuereinnahmen, und größeres Rekrutierungspotential. Und effektiv wurde Westrom mit jeder verlorenen Provinz schwächer, bis es schliesslich ganz unterging (bzw. in weitgehend autonome Teilstaaten unter germanischer Herrschaft und oströmischer formaler Oberhoheit transformiert wurde).
 
Ein großes Reich bedeutet aber auch viele Fronten, die viele Ressourcen benötigen. Man muss sich verzetteln, die Kräfte aufspalten, wenn man nicht einzelne Reichsteile aufgeben will. Und davor hat man ja sehr lange Abstand genommen.
Ein großes Reich bedeutet auch nur dann mehr Steuereinnahmen, wenn es eine funktionierende Wirtschaft gibt. Schaut man sich aber die Edelmetallgehalte der römischen Münzen insbesondere im 3. Jh. an, dann geht dieser massiv zurück. Und ob die Wirtschaft noch wirklich gut funktioniert hat, wäre auch die Frage.
 
[FONT=&quot]gesunkenes Militärpotenzial in der Spätantike[/FONT]
Das Militärpotential (das theoretische schon mal) war in der Spätantike wohl so groß wie kaum jemals zuvor, weil die Bevölkerung zugenommen hatte und damit so gesehen mehr Männer als potentielle Rekruten zur Verfügung standen. Aber letztlich glaube ich, dass es dir nicht um das Potential des Reiches, sondern um seine militärische Stärke selbst geht!
Werder schrieb:
Oder ist das Rekrutierungspotential im Reich gesunken, weil die Verleihung des Bürgerrechts als Anreiz verloren ging?
Da verwechselst du vermutlich etwas. Wer in der frühen/hohen Kaiserzeit in den Legionen dienen wollte, hatte vor Eintritt in die Armee bereits das römische Bürgerrecht zu haben – es war so etwas wie eine Einstellungs-Voraussetzung dafür. Das römische Bürgerrecht als Anreiz für einen Dienst in der Armee galt in der frühen/hohen Kaiserzeit nur für Peregrine (also Leute ohne römisches Bürgerrecht), die dann in den Auxilien dienen mussten. Das Bürgerrecht erhielten sie dann bei ehrenvoller Entlassung nach absolvierter Dienstzeit verliehen. Die genauen Regelungen schwankten dabei etwas, aber das ist wohl die Kernaussage, die in unserem Zusammenhang interessiert. Im Laufe der Kaiserzeit dienten auch mehr und mehr römische Bürger in den Auxilien und Peregrine oder „Vertrags-Ausländer“ (von Vertragspartnern Roms zu stellende Rekruten) dienten nicht mehr nur in Auxilien, sondern auch in verschiedenen Numeri-Einheiten.
Numerus (Hilfstruppe) ? Wikipedia
Auxiliartruppen ? Wikipedia

Zurück zum Thema: Zu Zeiten des Augustus verfügte das Reich über die erste reine Berufsarmee der römischen Geschichte von der wir wissen. Neben Auxiliartruppen und nur zeitweise aufgebotenen Hilfstruppen der Verbündeten bildeten die Legionen den Kern der Armee, auf den ich mich nun beschränken werde. Augustus formierte aus den etwa 60 aufgebotenen Legionen der Bürgerkriegszeit zuerst 18 Legionen Berufsarmee und hinterließ bei seinem Tode (trotz Untergang von 3 Legionen im Teutoburger Wald) deren 25 Legionen. Im Jahre 211 n.Chr. existierten 33 Legionen und auch die Zahl der Hilfstruppen war angestiegen. Mit der Reichskrise und noch mehr in der Spätantike wird die Zahl der Legionen zu einem unbrauchbaren Indikator für die Stärke des römischen Militärs. Spätestens seit der Tetrarchie gab es weitere, aber deutlich kleinere Legionen.
Römische Legion ? Wikipedia
Durch die Reform des Heeres (Spätestens von Diokletian bis Konstantin) in Limitanei und Comitatenses wurde die Armee in Grenztruppen und Bewegungsheer eingeteilt und gleichzeitig enorm vermehrt. Die einstige Schwerpunktbildung an Krisenregionen war nun Aufgabe des Bewegungsheeres zu dem neben den Comitatenses noch die Hofarmeen (oder Palatini) der Kaiser kamen. Zusätzlich schloss Rom Verträge mit Klientelstaaten und verbündeten Stämmen, die bei Bedarf zusätzliche Truppen stellen mussten (Foederati). Nach Beginn der Völkerwanderung hatten auch die sich auf römischem Boden bewegenden Völker, im Falle von Verträgen ebenfalls Truppen zu stellen, die ebenso als Foederati bezeichnet wurden (bei völlig anderen Vertragsregelungen…). Das Beste Beispiel für solche Völker sind mit Abstand die Westgoten, die als erstes in großem Maßstab solche Verträge erhalten hatten.

Die militärische Stärke Rom in Zahlen sowie Schlagkraft, ist daher bei Beginn der Völkerwanderung als ungleich größer einzuschätzen als jemals zuvor in seiner Geschichte! Die dafür aufzuwendenden Kosten wollten überlegt eingesetzt werden. Daher schonte Rom nach Möglichkeit die eigene Bevölkerung, damit diese ungestört ihrem Gewerbe nachgehen konnten und Steuern zahlten. Siehe auch den Beitrag von Germanicus zur Attraktivität des Militärdienstes für viele Bürger Roms. Man rekrutierte lieber Kämpfer aus benachbarten Völkern und Stämmen, deren Loyalität man sich durch die vergleichsweise guten Bedingungen in der Armee und einer soliden Bezahlung sicherte. Man konnte dadurch sicherstellen, dass nur in jeder Beziehung geeignete Rekruten zur Armee kamen. Gleichzeitig „fehlten“ diese Männer für das militärische Potential ihrer Herkunftsnationen – falls diese sich gegen Rom wenden würden und konnten in Notfällen sogar als eine Art „Geisel“ angesehen werden. Nach Adrianopel 378 wurden etwa mehrere Kohorten mit gotischen Rekruten in Anatolien durch andere römische Truppen heimtückisch abgeschlachtet, da man ihnen nicht mehr trauen zu können glaubte – obwohl sie keinerlei Anzeichen für Illoyalität gezeigt hatten! Mag sein dass es auch nur eine billige Rache für die Demütigung der Niederlage war und gut um die eigene Moral aufzubessern. Gleichzeitig war dies auch ein Signal an andere Völker! Die Bandbreite von Maßnahmen zu denen Rom zur Aufrechterhaltung seiner militärischen Stärke griff ist freilich noch größer gewesen, als ich es hier skizzieret habe!

Nun stellt sich die Frage, warum dieses gewaltige Heer letztlich den Untergang des Reiches nicht hat aufhalten können? Die Antwort ist nicht etwa mangelnde militärische Stärke Roms, sondern die gewachsene militärische Kraft seiner Nachbarn – um es überspitzt und kurz zu formulieren.^^
 
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Nun stellt sich die Frage, warum dieses gewaltige Heer letztlich den Untergang des Reiches nicht hat aufhalten können? Die Antwort ist nicht etwa mangelnde militärische Stärke Roms, sondern die gewachsene militärische Kraft seiner Nachbarn – um es kurz zu formulieren.
Teilweise hast Du sicherlich recht. Ich würde es aber etwas differenzierter sehen. Viele militärische Niederlagen der Spätantike waren ganz massiv auf Versäumnisse und Probleme bei den Römern selbst zurückzuführen. Valens schlug gegen die Goten los, ohne das Eintreffen seines Kollegen Gratian abzuwarten. Die Schlacht am Frigidus schwächte die römische Militärmacht nachhaltig. Stilicho verschonte aus nicht sicher bekannten Gründen (dazu hier: http://www.geschichtsforum.de/f28/herrschaft-der-theodosius-i-s-hne-37419/) mehrmals den besiegten Alarich. Der Rheinübergang 406 hätte letztlich vielleicht abgewehrt werden können, wenn die Truppen des Honorius nicht gerade damit beschäftigt gewesen wären, gegen den Usurpator Konstantin III. zu kämpfen. Die Rückeroberung des für den Westen wichtigen Afrika von den Wandalen durch eine gemeinsame Militäroperation des Ostens und des Westens scheiterte mehr am Feldherrn Basiliskos als an den Wandalen. Ricimer sabotierte den eigentlich ganz kompetenten Maiorianus. Das nur als einige Beispiele.
Ich würde also sagen: Die Antwort ist nicht etwa mangelnde militärische Stärke Roms, sondern die innerrömischen Rivalitäten und Intrigen, die ein effizientes Vorgehen gegen Bedrohungen von außen verhinderten.
 
Ein größeres Reich bedeutet auch mehr Steuereinnahmen, und größeres Rekrutierungspotential.
Aber konnten die Bewohner wirklich rekrutiert werden? Eine Dienstpflicht gab es wenn überhaupt nur auf dem Papier. Und die Geldmittel wurden für Freiwillige und "Barbaren" verwendet. Truppen konnten höchstens lokal ausgehoben werden und dann helfen einem die vielen Provinzen nichts wenn es an einer Grenze kneift...

Solwac
 
Ein Problem war auch, dass den Römern durch die fortschreitende Romanisierung (bzw. im Osten Hellenisierung) die "barbarischen" Provinzen abhanden kamen. Illyrien war bis ins 3. Jhdt. wohl deswegen so ein gutes Rekrutierungsgebiet für tüchtige Soldaten, weil es noch vergleichsweise "barbarisch" war, während z. B. Gallien und Spanien bereits romanisiert waren, und von den Bergstammeskriegern Italiens wie den Samniten war ohnehin längst nichts mehr übrig. Aber auch vor Illyrien machte die Romanisierung nicht halt. Ostrom griff im 5. Jhgdt. dann verstärkt auf Isaurier zurück, eines der wenigen Völker auf seinem Gebiet, die noch "barbarisch" geblieben waren.
 
@ Turgot:
Den Großteil seiner Ausdehnung erreichte das Reich unter Augustus. Danach kamen nur noch Britannien, Mauretanien, Thrakien (dessen Eingliederung zu einer Grenzverkürzung und Ausschaltung einer latenten Bedrohung führte) und Dakien (dessen Eingliederung zwar die Grenze ausdehnte, aber eine massive Bedrohung beseitigte) dazu, außerdem wurden im Osten ein paar Klientelstaaten in Provinzen umgewandelt.

Seine größte Ausdehnung erreichte das Reich unter Trajan, Du hast ja selbst geschrieben, was noch alles dazukam, und ich würde den Osten nicht vernachlässigen, die "paar Klientelstaaten" sind nicht wenig gewesen, das ging ja auch in Anatolien los, das Nabatäerreich, Trajan richtete kurzzeitig ja sogar die Provinz Mesopotamia ein.
Und die Ruhe war nur von kurzer Dauer, denn schon Marc Aurel war lange gezwungen, Grenzkriege zu führen. Wenn man also grundsätzlich werden will, dann begann schon kurz nach dem Ende der Expansion der Abwehrkampf.
 
Mesopotamien und Armenien blieben nur wenige Jahre römisch.
Die Klientelstaaten standen schon vor ihrer Umwandlung in Provinzen unter römischer Vorherrschaft, teilweise wurden ihre Herrscher von den Römern eingesetzt, ein paar Mal wurden sogar Provinzen wieder in Klientelstaaten verwandelt und dann wieder in Provinzen, außerdem intervenierten die Römer immer wieder, auch militärisch. Gerade bei den östlichen Klientelstaaten mussten die Römer außerdem verhindern, dass sie das Lager wechselten und zu Klientelstaaten der Parther wurden (siehe z. B. Kommagene, wo sie militärisch intervenierten, als das Gerücht aufkam, Antiochos IV. führe Unterhandlungen mit den Parthern). Sie beanspruchten also durchaus die Kräfte der Römer.
Die einzigen nach Augustus dauerhaft eroberten Gebiete, die nicht schon zu seiner Zeit unter römischer Vorherrschaft standen, waren Britannien und Dakien.
 
Mir leuchtet nicht ganz ein, warum das römische Reich im Laufe der Jahrhunderte so viel an militärischer Stärke verloren hat und nach einer (!) Niederlage in Adrianopel schon in arger Bedrängnis war, wohingegen man beispielsweise im 2. Punischen Krieg gegen Hannibal Legion um Legion verlieren konnte und doch immer noch ein genügend hohes Rekrutierungspotenzial hatte, um diese Verluste aufzufangen.

Gute und wichtige Frage. Ungenügende Mannschaftsstärke gilt als das Problem der spätrömischen Armee schlechthin (neben der zunehmenden Mobilisierung der Randvölkern durch die Reiterei). Mit dem eklatanten Bevölkerungsrückgang in der Spätantike alleine läßt sich das allerdings nicht erklären, denn auch zum Zeitpunkt von Adrianopel dürfte das Reich noch mehrere Dutzend Mio. Einwohner als Rekrutierungsbasis gehabt haben. Deswegen dürfte vielmehr die Frage des staatlichen Zugriffs auf das Menschenpotential entscheidend sein. Die negative Rolle der Großgrundbesitzer und Patrone wurde ja schon angesprochen.

Es fällt auch auf, daß die ganze Ausrüstung des Heeres immer einfacher wurde und sich dem niedrigeren Niveau der germanischen Stämme annäherte. Ausnahme war natürlich die Kavallerie, die in ihrer Funktion als Feuerwehrmann immer wichtiger wurde, und das Ingenieurkorps. Aber der einfache Fußsoldat trat nun oft ohne Rüstung oder Kettenhemd auf, nur mit Waffe, Helm und Schild bewaffnet.
 
Gute und wichtige Frage. Ungenügende Mannschaftsstärke gilt als das Problem der spätrömischen Armee schlechthin (neben der zunehmenden Mobilisierung der Randvölkern durch die Reiterei). Mit dem eklatanten Bevölkerungsrückgang in der Spätantike alleine läßt sich das allerdings nicht erklären, denn auch zum Zeitpunkt von Adrianopel dürfte das Reich noch mehrere Dutzend Mio. Einwohner als Rekrutierungsbasis gehabt haben. Deswegen dürfte vielmehr die Frage des staatlichen Zugriffs auf das Menschenpotential entscheidend sein. Die negative Rolle der Großgrundbesitzer und Patrone wurde ja schon angesprochen.

Es fällt auch auf, daß die ganze Ausrüstung des Heeres immer einfacher wurde und sich dem niedrigeren Niveau der germanischen Stämme annäherte. Ausnahme war natürlich die Kavallerie, die in ihrer Funktion als Feuerwehrmann immer wichtiger wurde, und das Ingenieurkorps. Aber der einfache Fußsoldat trat nun oft ohne Rüstung oder Kettenhemd auf, nur mit Waffe, Helm und Schild bewaffnet.

Was die Ausrüstung der Infanterie betrifft, so könnte es damit zusammenhängen, dass man auf schnelle Einsatztruppen und Kavallerie umgestellt hatte. Eine schwer gepanzerte Infanterieeinheit (Lorica Segmentata) unter Mitführung eigener Pallisaden und Schanzwerkzeug kann da nicht mithalten.

Der Abbau der Infanterieausrüstung kann damit erklärt werden, dass die Infanterie nur noch unterstützend eingesetzt wurde, aber trotzdem rechtzeitig ankommen musste. Das ging natürlich nur mit minimaler Ausrüstung, d. h. Waffe, Helm und Schild.

Was die Rekrutierungsmöglichkeiten betrifft spielt die wirtschaftliche Ausrichtung des Römischen Reiches sicher auch eine Rolle. Verschuldete Gemeinden wurden z.B. an Großgrundbesitzer verkauft. Da hatte der Staat keinen direkten Zugriff mehr, die verkauften Bewohner hatten aber auch kein Interesse Eigentum zu verteidigen, das nicht mehr ihres war.

Letzlich ist es Rom gelungen die Bürgerschaft abzuschaffen, die noch bis zum Letzten gegen Hannibal gekämpft hatte.
 
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Ich habe mir einmal die personelle Stärke der römsichen Armee herausgesucht:

31 v.Chr. 15 Legionen in einer Gesamtstärke von 160.000

14 n.Chr. 25 (23?) Legionen in einer Gesamtstärke von 240.000

23 n.Chr. 25 Legionen in einer Gesamtstärke von 240.000

ca.161 n.Chr. 28 (+5) Legionen in einer Gesamtstärke von 315.000

211 n.Chr. 33 Legionen in einer Gesamtstärke von 456.000

Quelle: Le Bohec, Die römische Armee, S.35

Interessant wäre jetzt doch die weitere Entwicklung. Hat jemand hierzu die Zahlen parat?
 
Da kann etwas nicht stimmen: In der "Gesamtstärke" müssen wohl auch Auxiliareinheiten enthalten sein, denn sonst hätten die Legionen teilweise einen Mannschaftsbestand von über 10.000 Mann.

Letztlich können aber auch die von Dir genannten Zahlen nur Schätzwerte sein (da man meist nicht so genau weiß, wie der Mannschaftsstand der Legionen in der Realität tatsächlich aussah). Ich bin auch skeptisch, ob man wirklich halbwegs genau die Gesamtstärke berechnen kann. Zu den Legionen kamen schließlich noch die Auxiliareinheiten und die Numeri, außerdem konnten die Römer insbesondere bei ihren Kriegen im Osten auch auf Truppenkontingente von Vasallenstaaten zurückgreifen, wovon insbesondere die Bogenschützeneinheiten (z. B. aus Osrhoene) wertvoll waren.
 
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