Man sollte nicht in eines der beiden Extreme (ganz furchtbar oder lockeres Wellness-Leben) kippen, aber auch nichts schönreden.
Die medizinische Versorgung der Gladiatoren war zwar recht gut - aber sie brauchten sie natürlich auch, um die Verletzungen, die sie beim Training und im Kampf erlitten, zu kurieren, und somit war sie primär im Interesse des Lanista bzw. Besitzers, die ihre Gladiatoren, in deren Ausbildung sie viel investierten, einsatzfähig erhalten wollten.
Was die Lebenserwartung betrifft, sollte man sich nicht von einigen wenigen Stars, die Dutzende Kämpfe überlebten, täuschen lassen. Auch wenn Gladiatoren in der Regel anscheinend nur ein paar Mal im Jahr auftreten mussten, waren die Zukunftsaussichten für die meisten wohl eher begrenzt und trübe.
Auch Ruhm und Vermögen erwartete nur wenige Stars - ganz so wie es auch heute im Profi-Sport der Fall ist. Die meisten Profi-Sportler ruinieren auch heute zwar ihre Gesundheit, kommen aber nie groß heraus. Bei den Gladiatoren hieß das, irgendwann an einem Haken aus der Arena geschleift zu werden. Man sollte aber auch nicht vergessen, dass auch die Gladiatoren, die reich und berühmt wurden und ihre Freiheit erlangten, trotzdem sozial geächtet blieben. Das mag heutzutage weniger schlimm erscheinen als im Römischen Reich, als, wer auf sich hielt, nach Ansehen, Einfluss und Würde strebte. Ein erfolgreicher Gladiator mochte ein schönes Haus haben, aber die Chance, Decurio oder gar Duumvir zu werden, hatte er nicht, niemand hätte einen Gladiator gebeten, ihn in einer Rechtsangelegenheit zu vertreten, und wohl kein Bürger hätte seine Tochter einem Gladiator zur Frau gegeben. Für ihn waren nur Liebschaften drin.
Und, wenn gerne auf die gute Versorgung und die vergleichsweise seltenen Einsätze verwiesen wird, sollte man trotzdem nicht vergessen, dass Gladiatoren einer harten Disziplinargewalt im Alltag unterworfen waren.
Vor allem letzterer Punkt lässt es mir unmöglich erscheinen, heutzutage "das Leben eines Gladiators im Selbstversuch nachzuempfinden". Ich bezweifle mal arg, dass sich jemand brennen und anketten lassen will. Mit Waffenrepliken zu hantieren und gladiatorentypisches Essen zu konsumieren, macht noch nicht das Leben eines Gladiators aus.