Gründe für die Abschaffung der Monarchie

bcam

Neues Mitglied
Hallo,

die meisten Historiker (selbst anerkannte wie Heuss , Bengston) geben für die Abschaffung des Königtums um 500 v. Chr. nur sehr schwammige Gründe an wie "erstarken des Bürgertums".
Kennt ihr konkrete Gründe, welche Motive das Bürgertum hatte den König zu stürzen?

Bisher habe ich nur herausgefunden, dass die Aristokratie das Steuersystem selbst regeln musste, für die florierende Wirtschaft maßgeblich verantwortlich war, hohe Ämter im Sakralwesen übernommen hatte, innenpolitisch sowieso viel von ihnen geregelt wurde, da sich die Funktion des Königsweitgehend auf die Außenpolitkk beschränkte; die Aristokratie dabei aber keinerlei Mitspracherecht hatte.
 
Hi bcam!

Die Gründe jenseits aller Legenden...:

König Tarquinius war ETRUSKISCHER Abstammung und sein Sturz (legendenhalber!!! 510 v. u. Z.) fällt zeitlich mit der Auflösung des etruskischen Bundes zusammen.

Proklamiert wurde - neben anderen (wohl später erfundenen) Gründen die Befreiung von der "Fremdherrschaft".

Die anderen Sachen, Tarquinius sei "suberbus" (hochfahrend, arrgogant) gewesen, dürfte eine nachträglich in die Welt gesetzte Legende sein.

Auffällig ist, dass die Römer den Sturz ihres letzten Königs ausgerechnet im Jahr 510 ansiedeln, denn in diesem Jahr wurde - nachweislich - in Athen der Tyrann Hippias gestürzt.

In Wirklichkeit dürfte der Sturz des Königs erfolgt sein, als er 508/507 die latinische Stadt Ardea belagerte, also er selbst und mit einem Großteil der Truppen abwesend war.

Einen weiteren Grund nennst Du selbst.

Der Adel hatte keine außenpolitische Macht.

Meiner Auffassung nach wollte der Adel den "ganzen Laden" in die Hand bekommen und schlug in dem Moment los, wo ihr König nebst Militär nicht vor Ort war und zudem von seinen etruskischen Förderern keine Hilfe mehr erwarten konnte, weil die selbst in Schwierigkeiten waren.

Der Sturz der "Fremdherrschaft" dürfte dazu als populäres (populistisches!) Motiv gedient haben, damit die breite Masse "mitzog".

Die Jahreszahl 510 und der Beinahme "Superbus" dürfte unter "spätere Legenden zur Rechtfertigung" fallen.

Ebenso die gern kolportierte rustikale Sex-Affäre (ein Sohn des Königs soll angeblich eine Römerin namens Lucretia vergewaltigt haben, was den Aufstand angeblich ausgelöst haben soll), die auch später erfunden worden sein dürfte.

Gruß
 
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Vielen Dank Martin,

das war schonmal ziemlich hilfreich;
von der Theorie, dass der Sturz 507 rum war habe ich noch gar nichts gehört bisher; 474 v. Chr. verloren die Etrusker gegen Syrakus eine Schlacht, viele Historiker tendieren deshalb sogar zu diesem Datum, da die etruskische Herrschaft da ihren Tiefpunkt erreicht haben soll.
510 soll nur deswegen im Nachhinein angegeben worden sein, weil Rom sich damit zeitlich auf eine Ebene mit Athen und dessen Befreiung von Monarchie stellen konnte.

Nachtrag; die Theorie mit dem Angriff auf Ardea halte ich sogar eher für unwahrscheinlich, da Lucretia genau zu dieser Zeit vergewaltigt worden war; die Männer, die dann Rache nahmen, waren aber in der Schlacht. Somit muss die restliche Armee ja auch bereits wieder zu hause eingekehrt sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bins noch mal:

Diese Lucretia-Geschichte ist mit größter Wahrscheinlichkeit eine reine Erfindung!

Gruß
 
Um etwas in die Details zu gehen: in allen Quellen regiert der (zuerst latinische, später etruskische, aber nur im Falle der Tarquinier ansatzweise "dynastische") König neben einem Senat. Wenn man jetzt behauptet, dass dieser ein "erstarkendes Bürgertum" repräsentiert, hängt man den Begriff "Bürgertum" ganz schön hoch auf; wir hinsichtlich dieses Begriffs im sozial-marktwirtschaftlich geprägten Milieu operierenden Neuzeitler sehen das meistens etwas durchschnittlicher (jeder ist ein Bürger), noch Ende des 19. Jh. bis in die erste Hälfte des 20. Jhs. war Bürgerlichkeit Abtrennung gegenüber dem Proletariat - der Arbeiterschaft.
Für den frührepublikanischen Römer (dessen Bürgerrecht eine andere Konnotation hatte als die der heutigen Bürgerlichkeit) war die de facto herrschende Klasse nicht "bürgerlich", sondern nobilitas – Adel. Diese definierte sich in unverblümter Offenheit über den Besitz, Familiendynastische Adligkeit war erst eine Spätfolge gegen Ende der Republik, als das Wirtschaftssystem neue Reiche aufsteigen ließ. Man kann annehmen, dass das expansiv territoriale Rom in eine Konfliktsituation zwischen dem herrschenden Adel und den regierenden Königen kam; eine nationale oder ethnische Konfliktsituation von Art einer "Fremdherrschaft" war es sicher nicht, da auch der Senat einen gut Teil etruskischer Angehöriger hatte und etruskischstämmige Römer nie in irgendeiner Form verfolgt wurden.
Das frührepublikanisch-römische Republiksystem ist eine ausgeprägte Oligarchie, die sich offensichtlich in den weitesten Zügen an der etwa gleich alten karthagischen orientierte; mit zwei Konsuln (Suffeten) an der Spitze und einem Senat (Gerusia) als gesetzgebender Körperschaft. Einige der ältesten überlieferten römischen Verträge sind Handelsabkommen mit Karthago. Rom war immer sehr adaptiv, von frühester Zeit an; es wäre verwunderlich gewesen, wenn es den republikanisch-oligarchisch-aristokratischen Gedanken angesichts eines blühenden Vorbilds nicht aufgegriffen hätte.
 
Hallo, Mummius Picius,

interessanter Ansatz, aber für mich trägt diese "Story" nicht.

Man muss sich klarmachen, dass Rom zu der Zeit ein unbedeutendes Nest war und die blühenden Vorbilder ringsrum zu sehen waren:

Nicht Karthago, sondern Clusium, Volsinii oder Veji zum Beispiel, alles kleine Königtümer-Stadtstaaten, von Etrusker-Königen mehr oder weniger gut regiert und im Vergleich zum Rom blühend, zivilisiert, reich und mächtig.

Nein, bei Staatstreichen wird zwar laut und wortmächtig über Ideale geschwatzt, meist aber steht die gute alte "Machtfrage" im Hintergrund.

Klar, dem Volk wird man über ihren "bösen" König ziemlich viel Negatives aufgetischt haben, die "Fremdherrschaft" und die "Vergewaltigungs-Geschichte" beispielsweise und die Mär vom "Superbus".

Geschwätz für die Galerie.

In Wahrheit wird die machtbewußte - aber außenpolitisch geknebelte - Oligarchie schon länger einen Anlaß dafür gesucht haben, den Staat vollkommen in die Hand zu bekommen.

Und der ergab sich eben, als
- der etruskische Bund am Zusammenbrechen war, und nicht helfen konnte,
- der König "auswärts" einen Krieg führte
- die meisten "Truppen" (wohl eher Krieger) mit ihm abwesend waren.

Karthago als (fast schon) Großmacht wird für die Römer zwar bekannt gewesen, als Seevolk aber kaum ein Ideal dargestellt haben - zumal die "Doppelspitze" ihnen aus Sparta schon länger bekannt war.

Diese "Doppelspitze" wurde meiner Auffssung nach in Rom auch nicht deshalb installiert, um einem Ideal zu folgen, sondern um zu verhindern, dass ein Mann an der Spitze wiederum zu mächtig wurde. Deshalb dufte die Doppelspitze ja auch nur geweils für ein Jahr regieren.

Klassisches "divide et impera"!

So erlangte Rom seine Freiheit.

Aus ähnlichen Gründen nahmen übrigens Potentaten wie Idi Amin und der jüngere Ghaddafi ihren kompletten Regierungs- und Staatsapparat mit auf auswärtige Staatsbesuche - um sich gegen so etwas zu schützen.

Gruß
 
Die relativ zeitgleichen Entwicklungen (griechische Stadtstaaten mit Archon/Stratege, Karthago mit 2 Suffeten, Rom mit 2 Consuln) legen m. E. einen regen kulturellen Austausch unter den Stadtstaaten des Mittelmeerraumes nahe; dabei kam der Dominoprozess der Oligarchisierung wohl aus Griechenland, wo die Athener am frühsten mit demokratischen Strukturen experimentierten. Die nichthereditären Strukturen der ersten römischen Könige lassen ziemlich deutlich auch auf eine Königswahl in frühen Zeiten schließen.
Dass die Römer die Gelegenheit zur Entthronung der Tarquinier anlässlich deren Abwesenheit ergriffen, mag ich gar nicht bestreiten (Horst Keller, der allerdings Etrusker an jeder Ecke sieht, vermutet sogar "nur" einen inneretruskischen Familienzwist als Anlass der römischen Revolution).
Mir ist es wichtig, festzuhalten, dass die Römer in keiner Weise eine Republik im Eigenbau begannen, sondern sich an den umgebenden Modellen orientierten (den Erfolgsmodellen, wohlgemerkt: wenn du behauptetst dass der etruskische Städtebund geschwächt und am Zusammenbrechen, die einzelnen Städte aber blühende Vorbilder für Rom waren, sehe ich darin einen Widerspruch).

Wenn man den Austausch eines Herrscherhauses gegen eine herrschende Gesellschaftsschicht als "Freiheit" bezeichnen mag, wohl bekomm's. Die eigentlichen Bürgerrechte musste sich der Plebs Roms erst mit ein paar Generalstreiks verschaffen.
 
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