Grundsatzfrage zur Chronologie

Mike der Ritter

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Diese Frage schwirrt mir schon seit einiger Zeit im Kopf herum: Wie gelangen Historiker zu den scheinbar präzisen Datierungen von Personen, Texten, Realien etc.?

Die Frage bezieht sich zwar so nicht ausschließlich auf die Antike oder Rom, aber die Beispiele, die mir einfallen, stammen aus dieser Epoche. Wie kann man z. B. dem Konsulat des Primus Secundus Tertius das Jahr XYZ zuordnen? Woher weiß man, dass ein Textfragment, vielleicht mehrfach abgeschrieben und 15hundertirgendwas im Kloster sowieviel aufgetaucht, tatsächlich aus dem Zeitraum 110-120 n. Chr. stammt?

Ist da nicht immer ein caveat? Bei einem Puzzle fange ich meist mit den Ecken an, aber die sind ja durch die Form bestimmt - was also sind die Ecken, was bestimmt die Form der Chronologie und Datierung? Was ist der objektive Maßstab, die Basis? Gerade vor dem Hintergrund der zufälligen Überlieferungsgeschichte, Zerstörungen, Zweitverwertung, der vielen Brüche in der Archivierung etc. scheint mir das unglaublich kompliziert zu sein.

Das gleiche ist mir auch z. B. in der Numismatik ein Rätsel. Da hat man eine Münze mit einem Kopf drauf und das ist jetzt Publius im Jahre x. Für mich sehen viele Köpfe aber fast gleich aus, und wenn da kein Name drauf steht, frage ich mich, wie geht sowas?
 
Diese Frage schwirrt mir schon seit einiger Zeit im Kopf herum: Wie gelangen Historiker zu den scheinbar präzisen Datierungen von Personen, Texten, Realien etc.?

Die Frage bezieht sich zwar so nicht ausschließlich auf die Antike oder Rom, aber die Beispiele, die mir einfallen, stammen aus dieser Epoche. Wie kann man z. B. dem Konsulat des Primus Secundus Tertius das Jahr XYZ zuordnen?

Es gibt mehrere parallel nebeneinander stehende Kalender bzw. Jahreszählungen, etwa der christliche Kalender, die hispanische Ära, die Zählung ab urbe condita, den jüdischen Kalender, den muslimischen Kalender und natürlich die Übernahme von Ämtern durch die römischen Kaiser, die auch alle gezählt werden. Diese Kalender kann man miteinander korrelieren. So kommt man zu einigermaßen präzisen Datierungen von Einzelereignissen oder Amtszeiten. Es gibt dazu auch Hilfsmittel, etwa für die Zeit des römischen Prinzipats die Kaisertabellen von Kienast.

Woher weiß man, dass ein Textfragment, vielleicht mehrfach abgeschrieben und 15hundertirgendwas im Kloster sowieviel aufgetaucht, tatsächlich aus dem Zeitraum 110-120 n. Chr. stammt?

Da gibt es mehrere Methoden. Zum einen die Paläographie, die allerdings zur Datierung nur den terminus post/ante quem (tpq/taq) filtern kann, es sei denn, man hätte einen Autographen. Was nun die Datierung von Texten angeht, von denen man nur Abschriften besitzt (dein Beispiel klingt ein wenig nach den Tacitus-Texten), dann geht das z.B. über die inhaltliche Kritik. Was wusste der Verfasser, was wusste er nicht? Macht er Selbstaussagen etc. Aber auch die Frage, wer den Text wiederum benutzte. Z.B. benutzt Sueton Flavius Josephus.

Ist da nicht immer ein caveat? Bei einem Puzzle fange ich meist mit den Ecken an, aber die sind ja durch die Form bestimmt - was also sind die Ecken, was bestimmt die Form der Chronologie und Datierung?

Unsere Ecken sind im Prinzip die noch gültigen Kalender, die Paläographie, die Selbstaussagen usw., das muss man im Einzelfall prüfen.


Das gleiche ist mir auch z. B. in der Numismatik ein Rätsel. Da hat man eine Münze mit einem Kopf drauf und das ist jetzt Publius im Jahre x. Für mich sehen viele Köpfe aber fast gleich aus, und wenn da kein Name drauf steht, frage ich mich, wie geht sowas?

Wenn es keine Umschrift gibt, die uns Auskunft erteilen kann, dann muss man hier Typenbestimmungen vornehmen, die eine Grobdatierung ermöglichen. Das ist freilich für die Kaiserzeit einfacher, als für die Republik. Weitere Datierungsmöglichkeiten sind natürlich Horte, die Schlussmünzen können uns einen tpq liefern, also ein Datum nachdem der Schatz in die Erde kam, die statistische Auswertung über die Häufigkeit bestimmter Münzen kann uns einen Näherungswert anbieten, in welchen Jahren der Münzschatz zusammengetragen wurde. Nun gibt es Münzschätze, in denen Münzen aus mehreren Jahrhunderten zusammenkommen, etwa mit Münzen aus dem 2. oder 3. Jahrhundert und Schlussmünzen aus dem 9. Jhdt. I.d.R. sind dann aber die älteren Münzen vereinzelt, während die Schlussmünze sich altersmäßig nur wenig von dem Gros der Münzen abhebt, so dass man eine Zeitspanne von wenigen Jahren als Datierung des Zusammenkommen des Hortes festlegen kann. Einzeln undatierbare Münzen können dann, wenn sie ebenfalls in signifikanter Zahl auftauchen, in diesen zeitlichen Rahmen datiert werden, anhand von Typen lässt sich das dann wiederum prüfen. Auch Münzformeln unterliegen immer wieder gewissen Moden oder der Edelmetallgehalt wirtschaftlich mehr oder weniger prosperierenden Phasen.
 
Super, vielen Dank, das geht schon in die Richtung!

Es gibt mehrere parallel nebeneinander stehende Kalender bzw. Jahreszählungen, etwa der christliche Kalender, die hispanische Ära, die Zählung ab urbe condita, den jüdischen Kalender, den muslimischen Kalender und natürlich die Übernahme von Ämtern durch die römischen Kaiser, die auch alle gezählt werden. Diese Kalender kann man miteinander korrelieren. So kommt man zu einigermaßen präzisen Datierungen von Einzelereignissen oder Amtszeiten.

Okay...ich versuche, mir das praktisch vorzustellen: Ich habe einen Text, da steht als Zeitangabe, alles nur mal so für den Papierkorb gesprochen, "im Jahr, als Publius Konsul war". Dann würde man, wenn man bei Null anfängt, einmal in die Konsulsliste schauen, der wievielte das war (sagen wir der 100.). Dann schaut man, wo sich die auc-Zählung mit dem christlichen Kalendar kreuzt, was weiß ich, Jahr 0 = 754 auc und dann habe ich 654 v. Chr.?

Dann braucht man also "nur" halbwegs vertrauenswürdige Quellen, die die verschiedenen Kalendar miteinander verknüpfen, richtig? Welche sind das etwa für unseren und den römischen, die Bibel ("als Augustus Kaiser war")?

Es gibt dazu auch Hilfsmittel, etwa für die Zeit des römischen Prinzipats die Kaisertabellen von Kienast.

Ah, sehr schön.

Da gibt es mehrere Methoden. Zum einen die Paläographie, die allerdings zur Datierung nur den terminus post/ante quem (tpq/taq) filtern kann, es sei denn, man hätte einen Autographen. Was nun die Datierung von Texten angeht, von denen man nur Abschriften besitzt (dein Beispiel klingt ein wenig nach den Tacitus-Texten), dann geht das z.B. über die inhaltliche Kritik. Was wusste der Verfasser, was wusste er nicht? Macht er Selbstaussagen etc. Aber auch die Frage, wer den Text wiederum benutzte. Z.B. benutzt Sueton Flavius Josephus.

Interessant. Ich hatte niemand spezielles im Blick, die Zahlen sind alle ganz willkürlich gewählt. Vielleicht ist das eine dumme Frage (ja, sowas gibts), aber ist denn der Kontext immer bekannt bzw. zeitlich zuverlässig datiert?

Bei den Münzen gehe ich vielleicht auch zu naiv dran. Ich stelle mir vor, ich greife ins Portemonnaie, ziehe eine Münze raus und sehe da ein Gebäude...das ist deutlich filigraner geprägt als ein Solidus, aber welches Gebäude das ist, weiß ich jetzt ja noch nicht. *Ich* kann natürlich ins Internet gehen und einen fragen, der das kennt - nur von den Römern treibt sich ja keiner mehr im Internet rum, jedenfalls von den Zeitgenossen unseres fiktiven Publius. ;) Ich habe auch mal gesehen, dass selbst in der Frühen Neuzeit Fürsten hingehen und wieder CAES AUG hassenichgesehen auf ihre Münzen prägen...
 
Zu El Quijotes Ausführungen möchte ich noch ergänzen, dass heutzutage auch die Astronomie Anhaltspunkte für Datierungen bietet. Wir sind in der Lage, den Zeitpunkt bestimmter astronomischer Ereignisse exakt zu berechnen, ohne uns dabei auf die überlieferten Chronologien stützen zu müssen. Z. B. können wir berechnen, wann wo in den letzten Jahrtausenden eine totale Sonnenfinsternis stattfand. Wenn also z. B. in einem historischen Text eine Sonnenfinsternis in einer bestimmten Gegend erwähnt wird, können wir nachschauen, wann in der fraglichen Region eine Sonnenfinsternis stattfand. Wenn in diesem Text dann weiter erwähnt wird, dass die Sonnenfinsternis zur Zeit eines bestimmten Ereignisses oder im 11. Regierungsjahr eines bestimmten Herrschers stattfand, können wir somit das Ereignis exakt datieren bzw. ausrechnen, wann die Regierung des Herrschers begann.
Ein besonders bekanntes Beispiel ist eine Sonnenfinsternis in Kleinasien, die der Philosoph Thales von Milet vorherberechnet haben soll und während der eine Schlacht zwischen Lydern und Medern stattfand. Da wir berechnen können, dass diese Sonnenfinsternis am 28. Mai 585 v. Chr. stattfand, können wir somit auch die Schlacht exakt datieren. In weiterer Folge wissen wir somit auch, wann die damaligen Könige der Konfliktparteien, nämlich Alyattes und Kyaxares, ungefähr regiert haben. Da die Schlacht nicht zwischen zwei Konfliktparteien stattfand, die abgeschottet vom Rest der Welt auf einer einsamen Insel lebten, können wir auch andere Ereignisse, von denen wir aus den Quellen wissen, dass sie sich etwa zur Zeit dieser Schlacht ereigneten, halbwegs exakt datieren.
 
Die Frage bezieht sich zwar so nicht ausschließlich auf die Antike oder Rom, aber die Beispiele, die mir einfallen, stammen aus dieser Epoche.

Ja, weils lange her ist. :)

Wie kann man z. B. dem Konsulat des Primus Secundus Tertius das Jahr XYZ zuordnen?

Das ist noch relativ sicher möglich in vielen Fällen. Die Jahre wurden ja nicht numeriert, sondern nach Konsulaten benannt. Es gibt dann überlieferte Steintafeln, wo die Konsuln nacheinander aufgezählt werden und die man dann auch datieren kann (weil z.B. doch mal ein Jahr daneben steht, z.B. wie lange nach der Stadtgründung das war oder dazwischen werden Geburtstage von Kaisern erwähnt usw...). Und dann gibts ja in den schriftlichen Quellen auch Jahreszählungen, wo z.B. auch die Konsuln genannt werden und dazu wieder Ereignisse. Wenn das vielfach übereinstimmt: Bingo.

Woher weiß man, dass ein Textfragment, vielleicht mehrfach abgeschrieben und 15hundertirgendwas im Kloster sowieviel aufgetaucht, tatsächlich aus dem Zeitraum 110-120 n. Chr. stammt?

Oft sind Fragmente vom gleichen Text überliefert, die älter sind. Durch die Feststellung von Abschreibfehlern kann man dann mehrere Texte in eine Art Stammbaum einordnen. Außerdem werden häufig Textfragmente in anderen Texten zitiert. Und da gibt es eine immer geltende Regel: was zitiert wird ist älter (oder mindestens gleich alt), als der Text, in dem es zitiert wird. Man kann somit zumindest relativ datieren.

Ist da nicht immer ein caveat? Bei einem Puzzle fange ich meist mit den Ecken an, aber die sind ja durch die Form bestimmt - was also sind die Ecken, was bestimmt die Form der Chronologie und Datierung? Was ist der objektive Maßstab, die Basis? Gerade vor dem Hintergrund der zufälligen Überlieferungsgeschichte, Zerstörungen, Zweitverwertung, der vielen Brüche in der Archivierung etc. scheint mir das unglaublich kompliziert zu sein.

Ja, ist es auch. Mir ist eigentlich in der Antike noch nie eine Datierung, untergekommen, die wirklich 100%ig sicher wäre. Glaubwürdig, fast logisch... aber man findet eigentlich bei fast jeder Datierung auch Gegenargumente. Ähnlich ist es beim Mittelalter eigentlich auch. Das einzige, wo ich der Datierung einigermaßen traue, ist vielleicht Dendrochronolgie (naturwissenschaftliches Baumringzählverfahren der Archäologen). Das geht aufs Jahr genau. Aber auch dafür ist eine ziemlich große Datenmenge (viele Bäume) nötig und ich weiß nicht, ob sowas jemals 100%ige Sicherheit erreichen kann. :grübel:

Das gleiche ist mir auch z. B. in der Numismatik ein Rätsel. Da hat man eine Münze mit einem Kopf drauf und das ist jetzt Publius im Jahre x. Für mich sehen viele Köpfe aber fast gleich aus, und wenn da kein Name drauf steht, frage ich mich, wie geht sowas?

Naja, oft steht ja ein Name drauf und auch ein Datierungshinweis ("sein 27. Konsulat bla bla"). Grade die Münzbilder dienen oft zur Datierung eines "Gesichts". Und wenn nichts dransteht, dann geht man z.B. davon aus, wie die Gesichter von Statuen aussehen, die man vielleicht datieren kann. Anhand dessen, wo sie auftauchen (also Kaiser X stellt wahrscheinlich keine Statuen von sich in eine Provinz, die er noch nicht erobert hat z.B.) oder anhand bestimmter anderer Merkmale, wie z.B. Gesichtsausdruck, Körperhaltung etc...
Letztendlich kann man Statuen auch datieren, weil bei den Römern ja oft noch eine Inschrift dazugehörte, wo dann mehr zu der Staue erklärt wird...
Auf der anderen Seite vieler Münzen sind z.B. auch Götter oder irgendwelches Zeugs abgebildet... z.B. Triumphwagen oder Sterne oder irgendwelche Gebäude und wenn man dann aus Schriftquellen weiß, dass der Typ im Jahr XY einen Triumph gefeiert hat und sonst nie, dann ist die Münze zeitlich wahrscheinlich nah an diesem Ereignis zu vermuten, da das Bildchen in der Regel dazu diente, allen im Reich zu zeigen, dass ein Triumph gefeiert wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zu El Quijotes Ausführungen möchte ich noch ergänzen, dass heutzutage auch die Astronomie Anhaltspunkte für Datierungen bietet.

Ah, stimmt, davon habe ich schon mal gehört. Ich nehme an, dass das für die Datierung eines Fragments oder einer Münze nicht soviel hilft.

Das ist noch relativ sicher möglich in vielen Fällen. Die Jahre wurden ja nicht numeriert, sondern nach Konsulaten benannt. Es gibt dann überlieferte Steintafeln, wo die Konsuln nacheinander aufgezählt werden und die man dann auch datieren kann (weil z.B. doch mal ein Jahr daneben steht, z.B. wie lange nach der Stadtgründung das war oder dazwischen werden Geburtstage von Kaisern erwähnt usw...).

Diese Steintafeln, das sind die fasti consulares?

So ganz erschließt sich mir das noch nicht. Wenn da Lucius steht und vielleicht 318 auc, dann weiß ich doch nicht, ob das nun 436 v. Chr. oder 211 ist. Und wieso hilft ein Geburtstagsjahr? Hatten die Kaiser denn nicht jedes Jahr Geburtstag?


Und dann gibts ja in den schriftlichen Quellen auch Jahreszählungen, wo z.B. auch die Konsuln genannt werden und dazu wieder Ereignisse. Wenn das vielfach übereinstimmt: Bingo.

Aber weiß ich dann nicht nur, dass Ereignis x im Jahr des Lucius war?


was zitiert wird ist älter (oder mindestens gleich alt), als der Text, in dem es zitiert wird. Man kann somit zumindest relativ datieren.

Das leuchtet mir ein.

Ja, ist es auch. Mir ist eigentlich in der Antike noch nie eine Datierung, untergekommen, die wirklich 100%ig sicher wäre. Glaubwürdig, fast logisch... aber man findet eigentlich bei fast jeder Datierung auch Gegenargumente. Ähnlich ist es beim Mittelalter eigentlich auch.

Oh, okay.

Das einzige, wo ich der Datierung einigermaßen traue, ist vielleicht Dendrochronolgie (naturwissenschaftliches Baumringzählverfahren der Archäologen). Das geht aufs Jahr genau.

Sehr interessant. Wie geht das? Ich schneide ein Schiff auf, zähle die Ringe und weiß, wie alt der Baum war? Wie weiß ich dann, wann er gefällt bzw. verarbeitet wurde?

Spannende Sache, jetzt habe ich erstmal eine Menge zum Nachdenken, vielen Dank!
 
Falls du dein Interesse in einem Buch vertiefen willst: B. Bäbler, Archäologie und Chronologie. Eine Einführung ²(Darmstadt 2012). Kann man sich ja selber zu Weihnachten schenken. ;)
 
Diese Steintafeln, das sind die fasti consulares?

So ganz erschließt sich mir das noch nicht. Wenn da Lucius steht und vielleicht 318 auc, dann weiß ich doch nicht, ob das nun 436 v. Chr. oder 211 ist. Und wieso hilft ein Geburtstagsjahr? Hatten die Kaiser denn nicht jedes Jahr Geburtstag?


Mit dem Jahr 318 auc ist das Jahr 436 v. Chr. gemeint. Warum sollte es denn das Jahr 211 sein, das wäre 543 auc, und da ist gar kein Lucius Konsul.
Außerdem würde in einem antiken Text in der Regel keine Zahl stehen, sondern die Namen beider Konsuln, also nicht nur Lucius Papirius Crassus, sondern auch Marcus Cornelius Maluginensis. Damit ist die Verwechslungsgefahr schon sehr eingeschränkt.

Und was soll denn ein Geburtstagsjahr sein? Jeder Mensch hat nur ein Geburtsjahr, aber jedes Jahr Geburtstag.


Wenn also Sueton schreibt:

"Caius Caesar wurde am 31.8. geboren als sein Vater und Caius Fonteius Capito Konsuln waren..."

dann ist klar, die beiden waren Konsuln 765 auc, und das wäre nach unserer Zählung 12 n. Chr. Da wir auch wissen, wann der Vorgänger Tiberius starb, nämlich, wieder nach Sueton
"im achtundsiebzigsten Lebensjahr, im 23. Jahr seiner Regierung, am 16. März, im Konsulatsjahr des Cnaeus Acerronius Proculus und des Caius Pontius Nigrinus."
können wir auch sagen, das Caius im Jahre 37 Kaiser wurde, als er also 24 Jahre alt war. "Er wurde 29 Jahre alt; Kaiser war er drei Jahre, zehn Monate und acht Tage."
Da sind wir dann im Jahr 41 n. Chr. Das ist doch schon mal ein gutes Gerüst.


Sehr interessant. Wie geht das? Ich schneide ein Schiff auf, zähle die Ringe und weiß, wie alt der Baum war? Wie weiß ich dann, wann er gefällt bzw. verarbeitet wurde?

Hast Du Dir mal den Wikipediaartikel zur Dendrochronolgie angeguckt, der gibt einen brauchbaren Einstieg.
Ein Schiff brauchst Du nicht aufzuschneiden, und das Zählen der Ringe hilft Dir auch nicht bei einer Altersbestimmung. Die Jahresringe sind wie bei Fingerabdrücken individuell, jedes Jahr hinterläßt durch seine speziellen klimatischen Verhältnisse einen Ring eigener Dicke. Man legt also, ausgehend von einem Baum bekannten Alters, Proben von Bäumen wie Schablonen übereinander, und kann dann immer weiter zurückgehen und die Jahre datieren.

Dendrochronologie funktioniert also über Masse und braucht viele Vergleiche. Mit einem einzelnen Brett kann man nur sehr eingeschränkt etwas anfangen. Und die Datierungen sind natürlich für den Baum exakt, nicht für seine Verarbeitung. Wenn man also die Jahresringe aus der Mitte eines Baumstammes erwischt und nicht weiß, wieviele sich noch außen anlagerten, weiß man natürlich nicht, wann er gefällt wurde, sondern hat nur einen Teilzeitraum seines Wachstums. Und wenn man das Holz erst einmal ein paar Jahre einlagert, bevor man es verarbeitet, verfälscht es auch die exakte Datierung eines Dachstuhles zum Beispiel oder einer Brunneneinfassung.

Wichtig ist, daß die Reihe an Vergleichen, die man heranzieht, aus derselben Region stammt und möglichst vom gleichen Holz ist. Man kann also eine libanesische Zeder und eine japanische nicht übereinanderlegen, eine libanesische Zeder und eine libanesische Pappel ist aber auch problematisch. Na, und bei Tropenholz, das mangels Jahreszeiten keine derartigen Ringe aufweist, wird es auch schwierig.
 
Und wenn man das Holz erst einmal ein paar Jahre einlagert, bevor man es verarbeitet, verfälscht es auch die exakte Datierung eines Dachstuhles zum Beispiel oder einer Brunneneinfassung.

Hier kommen wir zu einem Problem , welches vielleicht nicht sehr bekannt ist .

Das Ablagern von Holz geschieht fast innerhalb aller Verwendungszwecke von Holz - mal von Faser - , Gerbstoff - und Farbstoffgewinnung abgesehen.

Ziel ist die Absenkung der Holzfeuchte , die Reduzierung von Spannungen
und damit die bessere Verarbeitung allgemein unter Verringerung
der Schrumpfungspotentiale ( das berühmte " Arbeiten " von Holz )...
Je nach Holzdicke setzt man da 2-5 Jahre an und falls man in
Gebäuden lagern kann , dann weniger .


Ich kann mir nicht vorstellen , das irgendein solider Schiffbauer mit
Holz losgelegt hätte , auf dem gestern noch die Drossel sang ...
Das gilt auch für alle Konstruktionsarbeiten in Holz an Land -
wie Fachwerke , Dachstühle etc.

Die von dir aufgeführte " Verfälschung " der Werte durch Einlagerung
muss de facto also so gut wie alle zu datierenden " historischen "
Holzfunde betreffen .

Da könnte man jetzt vermuten - genau deshalb gleichen sich Referenz-
werte und Untersuchungswerte wieder an ?
 
Was Ravenik über die Bedeutung der Astronomie für die Erstellung der absoluten Chronologie gesagt hat, ist zu unterstreichen. Nicht unbedingt jede Erwähnung einer Sonnen- od. Mondfinsternis bei den antiken Schriftstellern ist hilfreich, aber es gibt Erwähnungen von Finsternissen, die ganz bestimmte Merkmale aufweisen: z. B. soll laut den Alten zur Regierungszeit des Kaisers Claudius unter den Konsuln M. Vinicius und T. Statilius Taurus Corvinus am 1. August des julain. Kalenders eine Sonnenfinsternis stattgefunden haben. So häufig ist dieses Himmelsereignis ausgerechnet an einem 1. August nicht, weshalb man gut das Jahr 45 n. Chr. ausmachen kann (theoretisch mögl. wäre noch 26 n. Chr.). Es gibt auch Erwähnungen wie, dass im Konsulatsjahr X innerhalb von 15 Tagen eine Sonnenfinsternis und eine Mondfinsternis stattgefunden haben. Auch das ist nicht sehr häufig. Die Astronomie kann solche Finsternisse exakt berechnen. Mit Hilfe der Konsulatslisten/ fasti consulares (die zumindest ab der Zeit der späten Republik verlässlich rekonstruiert zu sein scheinen) kann man auf solcher Grundlage sehr schnell eine absolute Chronologie der frühen Kaiserzeit entwickeln. Und so ist es auch gemacht worden.

Aber was ich da über die Dendrochronologie lese, ist für mich hochspannend. Man kann bei Plinius d. Ä. z. B. lesen, dass im Jahr der Schlacht bei Actium (traditionell auf 31 v. Chr. datiert) die Sonne fast für ein ganzes Jahr an Leuchtkraft verloren haben soll. Das kann mit einer Sonnenfinsternis, die ja nur ein paar Stunden dauert, nichts zu tun haben. Falls Plinius' Behauptung aber in irgendeiner Weise den histor. Tatsachen entspricht (vielleicht ein paar Wochen od. Monate Asche von einem Vilkanausbruch i. d. Luft? oder Staub aus der Sahara i. d. Luft? ich kenne mich da nicht so aus), dann stellt sich für mich die Frage, ob die Dendrochronologie solch ein "dunkles" Jahr an der Beschaffenheit des Jahresringes von 31 v. Chr. ablesen kann? (wenn es wirklich existiert hat). Denn es gibt ja einige lückenlose Jahresringlisten, die bis weit vor Christi Geburt reichen (Müsste für unseren Fall allerdings eine Liste für italische, im besten Fall Stadt-römische Bäume sein; ob's sowas gibt, weiß ich natürlich nicht).
Würde mich ungeheuer freuen, wenn sich die "Dendrochronologen" unter Euch hierzu mal äußerten. Danke im Voraus.

Liebe Grüße
robert
 
Mit Hilfe der Konsulatslisten/ fasti consulares (die zumindest ab der Zeit der späten Republik verlässlich rekonstruiert zu sein scheinen) kann man auf solcher Grundlage sehr schnell eine absolute Chronologie der frühen Kaiserzeit entwickeln. Und so ist es auch gemacht worden.

Der letzte Satz klingt ja fast biblisch. Für die frühe Kaiserzeit allerdings ist die Chronologie auch ohne die Hilfe der Astronomie schon sehr gut fixiert.


ob die Dendrochronologie solch ein "dunkles" Jahr an der Beschaffenheit des Jahresringes von 31 v. Chr. ablesen kann? (wenn es wirklich existiert hat). Denn es gibt ja einige lückenlose Jahresringlisten, die bis weit vor Christi Geburt reichen (Müsste für unseren Fall allerdings eine Liste für italische, im besten Fall Stadt-römische Bäume sein; ob's sowas gibt, weiß ich natürlich nicht).

Warum muß es denn stadtrömisches Holz sein? Ich weiß nicht, wieviel Bauholz in der frühen Kaiserzeit wirklich noch in der stadtrömischen Umgebung geschlagen werden konnte.
 
Hallo Hjwien,

danke für Deine Antwort. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob die Chronologie der frühen Kaiserzeit auch ohne Astronomie fixierbar gewesen wäre (denn Petavius, Scaliger & Co. haben die Chronologie, die wir heute kennen, ja in erster Linie mittels der astronomisch errechneten Finsternisse erst erstellen können; seitdem verwenden wir sie), aber darüber will ich mich gar nicht streiten.
"Stadtrömisches Holz" ist natürlich Blödsinn. Da hast Du recht. Ich hatte mir nur gedacht, dass die Überlieferung von jenem "dunklen" Jahr 31 v. Chr., die Plinius ausschrieb, gut aus Rom stammen könnte, in dieser Gegend also die Leuchtkraft der Sonne womöglich durch irgendetwas gemindert wurde und deshalb auch die Bäume dort wenig Licht bekommen haben könnten. Wie gesagt, ich weiß ja gar nicht, wie viel Glauben Plinius' Aussage überhaupt verdient. Klar kann man heute kaum mehr wissen, wo genau dieses oder jenes verarbeitete Holz gewachsen ist. Ist mir jetzt auch klar.
Aber mal ganz theoretisch: Hätte man z. B. einen Baum aus Pompeji, aus der Zeit des Vesuv-Ausbruchs (79 n. Chr.), könnte man dann dieses Naturereignis am entsprechenden Jahresring ablesen, oder eher nicht?
 
Ich bin mir zwar nicht sicher, ob die Chronologie der frühen Kaiserzeit auch ohne Astronomie fixierbar gewesen wäre (denn Petavius, Scaliger & Co. haben die Chronologie, die wir heute kennen, ja in erster Linie mittels der astronomisch errechneten Finsternisse erst erstellen können; seitdem verwenden wir sie), aber darüber will ich mich gar nicht streiten.


Weißt Du, per se ist ja ein Streit nichts Negatives, wenn man ihn als Ringen der Argumente um die Lösung eines Problems versteht. Man kann sich ganz freundschaftlich streiten, und für einen Gentleman ist es ganz selbstverständlich, daß man nicht persönlich oder beleidigend wird, weil es dann ja klar ist, daß es nicht mehr um die Sache, sondern um die Durchsetzung der eigenen Eitelkeit geht.
Lange Rede, kurzer Sinn: Laß uns ruhig darüber streiten. Ich meine, daß wir für die römische Kaiserzeit eine solche Fülle an literarischen, epigraphischen, numismatischen und archäologischen Quellen haben, daß der Abgleich mit astronomischen Daten allenfalls ergänzend herangezogen werden muß. Die Regierungszeiten der Kaiser, die Eckpunkte der römischen Chronologie, kann man so jedenfalls nicht erstellen.

"Stadtrömisches Holz" ist natürlich Blödsinn. Da hast Du recht. Ich hatte mir nur gedacht, dass die Überlieferung von jenem "dunklen" Jahr 31 v. Chr., die Plinius ausschrieb, gut aus Rom stammen könnte, in dieser Gegend also die Leuchtkraft der Sonne womöglich durch irgendetwas gemindert wurde und deshalb auch die Bäume dort wenig Licht bekommen haben könnten. Wie gesagt, ich weiß ja gar nicht, wie viel Glauben Plinius' Aussage überhaupt verdient. Klar kann man heute kaum mehr wissen, wo genau dieses oder jenes verarbeitete Holz gewachsen ist. Ist mir jetzt auch klar.
Aber mal ganz theoretisch: Hätte man z. B. einen Baum aus Pompeji, aus der Zeit des Vesuv-Ausbruchs (79 n. Chr.), könnte man dann dieses Naturereignis am entsprechenden Jahresring ablesen, oder eher nicht?

Nun bin ich kein Dendrochronologe, sondern nur ein Lockenzähler, deshalb kann ich allerhöchstens auf der Grundlage einer allgemeinen historischen Logik argumentieren.
Wenn man also davon absieht, daß die Möglichkeit besteht, daß Plinius, um ein besonderes Jahr zu charakterisieren, einen Topos benutzt, und davon ausgeht, daß es sich wirklich um eine reale Naturerscheinung handelt, stellen sich doch einige Fragen.

Sonnenaktivitäten sind ja meist zyklisch und richten sich nicht nach unserer Umlaufbahn von 365 Tagen und ein paar gequetschten Minuten. Ob sich also die beschriebene Sonnenintensität nun wirklich auf das Jahr 31 eingrenzen läßt oder vielleicht auch die Jahre davor oder danach verändert war, läßt sich aus der Aussage nicht herauslesen.
Davon abzuleiten ist die Frage nach dem Sinn einer Datierung. Das Ereignis wird ja nicht durch das Holz datiert, sondern man könnte umgekehrt ein hölzernes Fragment in diese Zeit setzen. Archäologische Datierungen sind aber in der Regel nicht an einzelnen Jahren, sondern an Kontextualisierungen interessiert. Ob man also einen Dachstuhl (fiktives Beispiel) nun in das Jahr 32, 30 oder 28 datieren kann, ändert an der Bewertung des Bauwerkes nicht allzuviel.

Bei der Frage nach dem stadtrömischen Holz ist noch ein weiteres Argument notwendig. Wenn Plinius sagt, daß die Sonne nicht so toll geschienen hat und damit nicht einfach nur einen bewölkten Sommer meinte, scheint die Sonne in Rom genauso wie in Ravenna, man könnte also einen solchen klimatischen, veränderten Wert generell im Holz von Mittelmeerbäumen ablesen.

Und zur letzten Frage:

Einem Baum aus Pompeji würde man den Vesuvausbruch wohl weniger am Jahresring ablesen können, der ja nur bis zum 24. August Zeit gehabt hätte, sich auszubilden und dann auch noch dem Verbrennen hätte entkommen müssen. Es sind zwar hölzerne Gegenstände in Herculaneum erhalten geblieben, ob man da aber entsprechende Untersuchungen vorgenommen hat, weiß ich nicht.
Da man aber anderseits Vulkanausbrüche bis ins Grönlandeis verfolgen kann, muß es nicht ein Baum aus Pompeji sein, der in seinen Baumringen dieses Ereignis festgehalten hat.

Und noch ein letzter Punkt. Die Dendrochronologie funktioniert ja durch das Übereinanderlegen von Ringen bei jeweils älteren Exemplaren. Man kann also nicht sagen, dieser Ring ist zu dünn, daß muß der Vesuvausbruch gewesen sein, sondern man zählt runter, weiß, dieser Ring ist aus dem Jahr 79 und sieht dann, der Ring ist verändert und weiß, warum, weil man ja die literarische Überlieferung hat. Das bekannte Ereignis erklärt den Ring, es ist nicht der Ring, der das Ereignis zeigt.
 
Hallo hjwien,

Deine Ausführungen zur Dendrochronologie und dem Vesuv-Ausbruch haben mir i. d. Tat etwas weitergeholfen, die "Dendro-Materie" ein wenig besser zu durchschauen. Aufrichtigen Dank für die Mühe. Finde das Gebiet auf jeden Fall ziemlich interessant und muss mich mal einlesen; bin da nämlich bisher leider absoluter Laie. Vielleicht findet sich ja in einer "Mittelmeer-Jahrensringliste" tatsächlich etwas Auffälliges, das mit Plinius' Aussage zu 31 v. Chr. irgendwie in Bezug gesetzt werden könnte. Vielleicht werden meine Hoffnungen auch zerschmettert. Mal sehen.

Was desweiteren Dein Angebot anbelangt, über unterschiedliche Wege zur Erlangung einer absoluten Chronologie der frühen Kaiserzeit zu "streiten": Angebot ist angenommen!
Ich habe ja oben bereits ein Beispiel vorgebracht, wie man mit Hilfe der Astronomie ein bestimmtes Konsulatsjahr absolut datieren kann: Cassius Dio: hist. 60, 26, 1ff sagt, dass unter den Konsuln M. Vinicius und T. Statilius Taurus Corvinusam am Geburtstag des Kaisers Claudius eine Sonnenfinsternis stattfand. Sueton: Claud. 2 und Cass. Dio: hist. 60, 5, 3 sagen, dass der 1. August der Geburtstag des Claudius war. Die Astronomie sagt, dass am 1. August 45 n. Chr. eine Sonnenfinsternis stattgefunden hat. Damit ist obiges Konsulatsjahr auf den Zeitraum vom 1. Jan. bis zum 31. Dez. 45 n. Chr. begrenzt.
Nun nenne mir irgendein Konsulatsjahr, welches Du ohne Astronomie absolut datieren kannst. Bin gespannt, denn man lehrnt ja nie aus.

Gruß
Robert
 
Zuletzt bearbeitet:
Was desweiteren Dein Angebot anbelangt, über unterschiedliche Wege zur Erlangung einer absoluten Chronologie der frühen Kaiserzeit zu "streiten": Angebot ist angenommen!
Ich habe ja oben bereits ein Beispiel vorgebracht, wie man mit Hilfe der Astronomie ein bestimmtes Konsulatsjahr absolut datieren kann: Cassius Dio: hist. 60, 26, 1ff sagt, dass unter den Konsuln M. Vinicius und T. Statilius Taurus Corvinusam am Geburtstag des Kaisers Claudius eine Sonnenfinsternis stattfand. Sueton: Claud. 2 und Cass. Dio: hist. 60, 5, 3 sagen, dass der 1. August der Geburtstag des Claudius war. Die Astronomie sagt, dass am 1. August 45 n. Chr. eine Sonnenfinsternis stattgefunden hat. Damit ist obiges Konsulatsjahr auf den Zeitraum vom 1. Jan. bis zum 31. Dez. 45 n. Chr. begrenzt.
Nun nenne mir irgendein Konsulatsjahr, welches Du ohne Astronomie absolut datieren kannst.

Nun, dann wollen wir doch mal sehen. Ich finde eine solche Diskussion vor allem deswegen anregend, weil sie mich dazu bringt, über Dinge nachzudenken, die ich sonst für selbstverständlich halte und unbedacht als Voraussetzung verwende.

Da die Konsulatslisten ja überliefert sind, kann ich eigentlich jedes Konsulatsjahr absolut datieren. Ich kann sagen, daß Claudius im Konsulatsjahr Iullus Antonius und Fabius Africanus geboren wurde, das ist nach den Listen 744 auc, also 10 v. Chr., wir wissen, daß er im Jahr 41 Kaiser wurde – indem man die Regierung des Caligula ja abzählen kann (siehe Beitrag #8) – und man weiß, daß er „am dreizehnten Oktober unter den Konsuln Asinius Marcellus und Acilius Aviola in seinem vierundsechzigsten Lebensjahr, im vierzehnten Jahr seiner Regierung“ starb; also 807 auc, nach unserer Zählung 54 nach Christus. Das sind alles absolute Daten nach der antiken Literatur.

Die Frage hat aber natürlich noch eine weitere Dimension. Zunächst ist nochmal kurz zu definieren, was der Unterschied zwischen einer relativen und einer absoluten Datierung ist.
Relativ ist eine Datierung zwischen zwei Ereignissen oder, archäologisch gesehen, die Abschätzung des chronologischen Abstandes zwischen zwei Objekten, wenn ich nur sagen, dies ist davor, dies ist danach. Auf der historischen Ebene ist klar, daß ein Ereignis, welches einen römischen Statthalter in Syrien erwähnt, nicht vor, sondern erst nach Pompeius geschehen sein kann, auch wenn ich nicht weiß, wer der Statthalter war und ob das Ereignis nun 20 v. Chr. oder 40 n. Chr. stattfand. In der Archäologie weiß man, daß ein Objekt, daß in einer höheren Schicht liegt, jünger sein sollte als das, welches in einer tieferen Schicht liegt (wenn man alle Begleitumstände korrekt beobachtet und weiß, daß diese Regel eher für Keramik gilt als für Goldmünzen.)

Absolut dagegen ist eine Datierung, wenn man sie auf ein Jahr oder auch nur auf einen Zeitraum genau eingrenzen kann. Die Aussage, daß ein Kapitell augusteisch ist, kann auch als absolut verstanden werden.

Kommen wir zur Sonnenfinsternis des Jahres 45 n. Chr. Wenn die Astronomie die Sonnenfinsternis auf dieses Jahr fixiert, folgt sie demnach bereits einer Jahresangabe, die also vorgegeben sein muß. Dabei sind zwei Wege möglich: der erste ist der, der römischen Chronologie zu folgen, welche mir also sagt, daß wir im Jahr 798 auc sind. Der zweite Weg ist die Möglichkeit, dieses Ereignis von unserer Zeit aus rückwärts zu berechnen, wir können also sagen, daß diese Sonnefinsternis vor exakt 1967 Jahren geschah. Um diesem Naturschauspiel aber eine Jahreszahl zu geben, es absolut zu datieren, müssen wir ja wieder unsere Zeitrechnung bemühen, und die beruht wieder auf der römischen.
Und was ist unsere Zeitrechnung? Es ist eine Konvention, also eine Einigung darauf, daß man ab einem bestimmten Moment angefangen hat zu zählen. Dieser Moment ist willkürlich, wie jede Zeitrechnung. Wir wissen, daß Rom nicht 753 v. Chr. gegründet wurde, sondern daß es eine Legende ist, und 776 v. Chr. fanden auch nicht die ersten olympischen Spiele statt, auch dies ist einfach eine Festlegung.
Unsere Jahreszahl und damit auch die astronomisch überprüfte Jahreszahl 45 ist also auch nur eine Relation, um ein historisches Ereignis in einen Bezug zu unserer Zeit zu setzen.

Ich hoffe, dies war nicht allzu durcheinander argumentiert. Meiner Meinung nach kann man eine absolute Datierung also auch ohne eine astronomische Fixierung erstellen. Erst gibt es den Zeitstrahl, und dann kann ich die Sonnenfinsternis dort einhängen.
 
Ich hoffe, dies war nicht allzu durcheinander argumentiert.

Überhaupt nicht. Das war sogar sehr gut argumentiert.
Und ich glaube, jetzt beginne ich, Dich auch zu verstehen. Die Sache ist aber auch verzwickt; und ich hoffe meine Argumentation wird nicht zu durcheinander. Gemessen daran, dass wir uns beide aus gutem Grund an die herkömmliche Chronologie der frühen Kaiserzeit halten (uns geht es ja nicht um irgendwelche Umdatierungen oder so), könnten meine gleich folgenden Ausführungen albern und haarspalterisch wirken. Aber mir geht es ähnlich wie Dir. Ich mache mir durch diese Diskussion Gedanken zu den Hintergründen von Dingen, mit denen ich sonst immer wie selbstverständlich gearbeitet habe. Und ich muss mittlerweile auch zugeben, dass ich dank dieser Diskussion meine Meinung, die Astronomie sei unablässig für die Erstellung einer absoluten Chronologie, revidieren muss. Dazu, wie diese Revision im einzelnen aussieht, komme ich unten natürlich noch. Jedenfalls: 1:0 für Dich!

Ich bin mit Deinen Definitionen zu relativer und absoluter Chronologie einverstanden:
Wenn man aus den Quellen z. B. herausfindet, das Ereignis X liegt zeitlich vor dem Ereignis Y, dann ist das relative Chronologie. Diese macht Aussagen über das Vorher und das Nachher, ohne aber den historischen Ereignissen genaue Jahre bzw. einen genauen Platz in einer/unserer Zeitrechnung zuweisen zu können.
Die absolute Chronologie hingegen kann einem histor. Ereignis einen genauen Platz in der Zeitrechnung zuweisen, das genaue Jahr feststellen.

Wenn Du nun sagst:
Da die Konsulatslisten ja überliefert sind, kann ich eigentlich jedes Konsulatsjahr absolut datieren. Ich kann sagen, daß Claudius im Konsulatsjahr des Iullus Antonius und Fabius Africanus geboren wurde, das ist nach den Listen 744 auc, also 10 v. Chr., wir wissen, daß er im Jahr 41 Kaiser wurde – indem man die Regierung des Caligula ja abzählen kann (siehe Beitrag #8) – und man weiß, daß er „am dreizehnten Oktober unter den Konsuln Asinius Marcellus und Acilius Aviola in seinem vierundsechzigsten Lebensjahr, im vierzehnten Jahr seiner Regierung“ starb; also 807 auc, nach unserer Zählung 54 nach Christus. Das sind alles absolute Daten nach der antiken Literatur.
, dann hat das unzweifelhaft für jeden Historiker Hand und Fuß, übrigens auch für einen Hobby-Historiker wie mich.

Ich hatte die Ausgangsfrage von „Mike dem Ritter“ allerdings (jetzt mal in Bezug auf unser Beispiel) so verstanden: Woher weiß man, dass das Konsulatsjahr des Iullus Antonius und Fabius Africanus (744 a. U. c.) = 10 v. Chr. ist? Ich hoffe, ich habe Mike da richtig verstanden, dass seine Frage nicht war, nach welchen Regeln der Historiker heute Konsulatsjahre und Jahre unserer christlichen Ära in Beziehung setzt, sondern dass seine Frage war, wie diese Regeln aufgestellt werden konnten bzw. woher man weiß, dass diese Regeln korrekt sind. Ist blöd zu formulieren, aber ich hoffe, meine Aussageabsicht wird verstanden.
Wir sind heute 2022 Jahre vom Jahr 10 v. Chr. entfernt. Das ist, ganz unabhängig davon, was vor 2022 Jahren tatsächlich passiert ist, eine einfache mathematische Konsequenz unserer heutigen Zeitrechnung. Woher wissen wir aber so genau, dass wir auch 2022 Jahre vom Konsulat des Iullus Antonius und Fabius Africanus entfernt sind. Dass wir das heute wissen, bezweifle ich nicht. Aber die Frage ist doch: Auf welchem Wege ist die Geschichtswissenschaft zu diesem Wissen gelangt: 744 a. U. c. = 10 v. Chr.? In der frühen Kaiserzeit hat ja niemand nach unserer heutigen Zeitrechnung (v. Chr./ n. Chr.) gezählt. Woher weiß man dann, wie die Konsulatslisten oder andere antike Ären mit unserer Zeitrechnung ins rechte Verhältnis zu setzen sind?
Es hilft ja nicht weiter, zu sagen: 744 a. U. c. ist gleich 10 v. Chr., also ist 807 a. U. c. gleich 54 n. Chr. usw. Wie kommt man denn überhaupt darauf, dass 744 = 10 v. Chr. ist? Das – so dachte ich zumindest – ist doch die Frage, sowohl die von Mike als auch die der absoluten Chronologie.

Das Wissen um den genauen Zeitabstand zwischen einem historischen Geschehen und uns Heutigen ist durchaus ein ganz wesentlicher Bestandteil der absoluten Datierung! Überhaupt ist das Wissen um den Zeitabstand zum Jetzt ja gewissermaßen das Rückgrat aller wissenschaftlichen Chronologie. Alle naturwissenschaftlichen Datierungsmethoden finden streng genommen nichts anderes als den Zeitabstand zum Heute heraus. Die Radiokarbon-Methode z. B. findet heraus, der Zerfallsprozess des 14C-Isotops in dem Material X begann vor so und so vielen Jahren. Die Dendrochronologie musste sich ebenso vom Jahresring der Gegenwart ausgehend in die Vergangenheit „herunter arbeiten“; sie gibt letztlich auch an: dieses Holz wuchs vor so und so vielen Jahren. Die Astronomie macht es ebenso. Sie pfeift auf jedes Datierungs-System der Römer oder Christen, schaut sich nur die zyklischen Bewegungen der Himmelskörper an, um herauszufinden, dass gemessen am Heute und Jetzt vor so und so vielen Tagen, Stunden, Minuten und Sekunden bspw. eine Sonnenfinsternis stattgefunden hat. Dass die Astronomie tatsächlich ziemlich unabhängig von jeder bürgerlichen Zeitrechnung rechnet, erkennt man z. B. an den der Astronomie eigenen Zeitrechnungssystemen wie z. B. dem „Julianischen Datum“ des Joseph Justus Scaliger, welches ein Datum nur in Tagen und Tagesbruchteilen angibt, weil der Astronom damit viel einfacher rechnen kann. Deshalb halte ich zumindest die Aussage
Erst gibt es den Zeitstrahl, und dann kann ich die Sonnenfinsternis dort einhängen.
für zweifelhaft. Natürlich übersetzen alle die genannten Wissenschaften ihre Ergebnisse dann schleunigst in die uns vertraute Zeitrechnung (julian. oder gregorian. Kalenderdatum und Jahr der christl. Ära). Sie tun das unter anderem aus dem Grunde, weil das Heute ja schnell zum Gestern wird und somit die in Jahren und Tagen gemachte Angabe eines Zeitabstands fortwährend, nämlich von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr, aktualisiert werden müsste. Dieses „Aktualisierungs-Problem“ der Angabe hat man schließlich nur, wenn man sagt, vor so und so vielen Tagen hat eine Sonnenfinsternis stattgefunden (morgen stimmt die Aussage schon nicht mehr); man hat dieses Problem aber nicht, wenn man sagt, die Finsternis hat am 1. Aug. 45 n. Chr. stattgefunden. Das ist eine absolute Datierung (die um den Zeitabstand jenes Himmelsereignisses zum Heute weiß).
Ein Zeitgenosse des erwachsenen Claudius wusste unter welchem Konsulat er sich selbst gerade befand. Wenn dieser Zeitgenosse außerdem wusste, Claudius ist im Konsulatsjahr des Iullus Antonius und Fabius Africanus geboren worden, dann genügte ihm ein Blick in die zu Rom öffentlich zugänglichen fasti consulares, um festzustellen wie lange das her war. Dieser Zeitgenosse konnte auf Basis der Zeitrechnung nach Konsulaten die Geburt des Claudius also absolut datieren. Unsere heutige Zeitrechnung ist aber eine andere als die damalige (Gemeinsam ist dem heutigen Historiker und dem Römer der frühen Kaiserzeit wenigstens die Verwendung des julianischen Kalenderjahres, warum sich glücklicherweise die Jahre unserer Ära mit den damaligen römischen Jahren immer ganzjährig überschneiden). Auch wenn man heute die fasti genauso kennt wie der Zeitgenosse des Claudius, kann man als Heutiger anders als jener Zeitgenosse nur über „Umwege“ den Zeitabstand vom Jahr 744 a. U. c. zum Heute feststellen. Dass man 744 a. U. c. = 10 v. Chr. setzt (und damit dann den Zeitabstand von 744 a. U. c. zum Heute benennen konnte), ist ja nicht selbstverständlich. Denn unsere Zeitrechnung wurde erst Jahrhunderte nach Claudius „erschaffen“ und angewandt und die röm. Zeitrechnung, wie sie zur Zeit des Claudius bestand, wurde irgendwann nicht weiter fortgeführt und wird heute seit über einem Jahrtausend nicht mehr angewendet.
Selbstverständlich, das bezweifle ich gar nicht, ist dieses Problem, wie die Konsulate in unsere Zeitrechnung exakt zu übersetzen sind, längst gelöst worden. Aber wie?


Um diese Frage zu beantworten, wähle ich um der Vereinfachung willen die Form der Erzählung:

Da ist ein Historiker, der weiß, dass alle anderen Historiker den Tod des Iulius Caesars ins Jahr 44 v. Chr. setzen, oder die Schlacht bei Actium ins Jahr 31 v. Chr. oder die Geburt des Claudius ins Jahr 10 v. Chr. usw. Er sagt sich – ähnlich wie Mike der Ritter –: „Es kann ja sein, dass es stimmt, aber in den Quellen steht nirgends schwarz auf weiß: 'Claudius wurde im Jahr 10 v. Chr. geboren'. Ich will das den anderen Historikern nicht länger einfach nachplappern, sondern ich will mich daran machen, mir selbst zu beweisen, dass Claudius tatsächlich 10 v. Chr. geboren wurde“. So breitet sich der Historiker alle Schriftquellen der frühen Kaiserzeit, auch alle Münzen, Inschriften usw. auf seinem Schreibtisch aus (er hat einen riesigen Schreibtisch). Er durchforscht das gesamte Material. Aber in keiner Quelle findet er einen Hinweis auf irgendein bestimmtes Jahr der christlichen Ära. Ja, aus all den Quellen, die er gerade studiert hat, könnte man noch nicht einmal auf die Existenz dieser Ära schließen. Wenigstens konnte er aus Sueton erfahren, dass Claudius an einem 1. August unter den Konsuln Iullus Antonius und Fabius Africanus das Licht der Welt erblickte, und außerdem, dass die Konsulatsjahre damals vom 1. Januar des julianischen Jahres an liefen. Das notiert er sich auf einen Zettel, den er zusammen mit den fasti consulares auf dem Schreibtisch liegen lässt. Alle anderen Quellen räumt er erstmal weg.
Mhh … 10 v. Chr., denkt er sich, das ist die gleiche Zeitrechnung, nach welcher ich jetzt im Jahr 2012 n. Chr. lebe. Ich bräuchte eine Art Brücke zwischen den Konsulatslisten und unserer christlichen Jahrrechnung. Er forscht weiter, sucht nun nach solch einer „Brücke“, bis ihm endlich die schriftlichen Hinterlassenschaften des christlichen Mönches Dionysius Exiguus in die Hände fallen. Interessant, denkt er sich, Exiguus ist der Erfinder der christlichen Zeitrechnung, hat dazu in einer Zeit gelebt, in welcher die Datierungen nach Konsulaten noch Verwendung fand. Wäre doch gelacht, wenn das nicht die entscheidende „Brücke“ wäre. Der Historiker bekommt tatsächlich heraus, dass Exiguus seine Schrift selbst sowohl in das Konsulatsjahr des Probus Iunior als auch in das Jahr 525 n. Chr. datierte. Jetzt nimmt der Historiker schnell die fasti consulares zur Hand und zählt vom Konsulat des Iullus Antonius und Fabius Africanus bis zum Konsulat des Probus Iunior 534 Jahre. Zweitens vertraut der darauf, dass seit Exiguus die Jahre der christl. Ära ununterbrochen und kontinuierlich bis heute fortgezählt worden sind, und zählt von 525 n. Chr. bis 2012 n. Chr. 487 Jahre. Er summiert diese 487 Jahre (von ihm zu Exiguus) zu den 534 Jahren (von Exiguus zu Claudius), kommt insgesamt auf 1021 Jahre, die seit der Geburt des Claudius bis heute vergangen sein müssen. Und wenn der Historiker heute im Jahr 2012 n. Chr. lebt, dann muss Claudius im Jahre 10 v. Chr. geboren sein. Hura! Er hat die Geburt des Claudius tatsächlich absolut datiert, und das wirklich ausschließlich mittels der Kaiserbiographie des Sueton, der Schrift des Dionysius Exiguus und der fasti consulares!
Allerdings kommt dem Historiker das alles viel zu einfach vor. Denn Wer weiß schon, wie verlässlich die Konsulatsfasten sind, die ja in der Form, wie er sie vorliegen hat, aus vielen verschiedenen Inschriften und Notizen bei antiken Geschichtsschreibern rekonstruiert worden sind. Ungefähr wird sein Ergebnis auf jeden Fall stimmen, aber auch aufs Jahr genau? Er grübelt, holt die anderen Quellen noch einmal auf seinen Schreibtisch und findet die Nachricht von der Sonnenfinsternis am Geburtstag des Claudius unter den Konsuln X & Y. Laut der Konsulatsliste liegen 54 Jahre zwischen dem Konsulat, in welchem Claudius geboren wurde, und diesem späteren Konsulat X & Y. Der Historiker ruft sofort seinen Freund den Astronomen an und bittet ihn mal nachzuschauen, ob irgendwo zwischen 35 und 55 n. Chr. eine zu Rom sichtbare Sonnenfinsternis auf den 1. August gefallen ist. Der Astronom sagt: „Das rechne ich mal eben nach; muss mir nur Papier und Stift holen“ (In Wirklichkeit schaut der Astronom auf der sehr zu empfehlenden Homepage der NASA, die alle Sonnen- u. Mondfinsternisse nach dem julianischen Kalender, mit genauer Uhrzeit usw. angibt). „Ja“, sagt er zum Historiker: „Ich habe ausgerechnet, dass am 1. Aug. 45 n. Chr. eine Sonnenfinsternis stattgefunden hat“. Der Historiker knallt den Hörer auf und rechnet schnell noch einmal: Zwischen den beiden Konsulaten liegen 54 Jahre, genauso zwischen 10 v. Chr. und 45 n. Chr. Das kann alles kein Zufall mehr sein. Mein Ergebnis stimmt! Ich habe mir selbst bewiesen, dass Claudius am 1. Aug. 10 v. Chr. geboren wurde.


DARAUS LERNE ICH:
1.) Ja, es stimmt, wir können die Ereignisse der frühen Kaiserzeit ohne die Astronomie absolut datieren.
2.) Dass diese absoluten Datierungen aber auch wirklich korrekt und exakt sind, beweist uns erst die Astronomie.

Liebe Grüße
Robert

PS: Nur damit man nicht glaubt, ich hielte die Astronomie im Hinblick auf die absolute Chronologie als einziger für so wichtig: Der Astronom und Chronologe Johann Friedrich Wurm sagte: „Chronologie in ihren wesentlichsten Theilen ist nichts anders, als angewandte Astronomie“.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nur so nebenbei:
Gemeinsam ist dem heutigen Historiker und dem Römer der frühen Kaiserzeit wenigstens die Verwendung des julianischen Kalenderjahres, warum sich glücklicherweise die Jahre unserer Ära mit den damaligen römischen Jahren immer ganzjährig überschneiden
Das ist ein Punkt, den man gar nicht hoch genug schätzen kann - vor allem, wenn man sich mit griechischer Geschichtsschreibung befasst. Das attische Jahr begann ca. (nicht einmal die Monatsanfänge stimmten genau überein) im Juli und endete ca. im Juni, wenn also in einem Werk, das zur Datierung das attische Kalenderjahr verwendet, steht, dass ein bestimmtes Ereignis im Jahr des Archonten X (denn statt nach Konsuln datierten die Athener nach dem Archon eponymos) stattfand, dann ist es ohne nähere Angabe oder sonstige Hinweise (z. B. auf die Jahreszeit), wie schnell oder nicht schnell nach Jahresbeginn das Ereignis stattfand, oft kaum möglich zu sagen, ob das Ereignis vor oder nach dem Jahreswechsel unserer Zeitrechnung stattfand. Man kann es also oft nur näherungsweise z. B. auf 357/356 datieren, wenn man zwar den Archonten kennt, unter dem es stattfand, aber nicht weiß, ob es in der Zeit von Juli-Dezember 357 oder Januar-Juni 356 stattfand. Übrigens wurde mitunter auch nach dem spartanischen Ephoren (anscheinend fungierte also in Sparta einer der fünf jährlich gewählten Ephoren als eponymos) datiert, wobei das spartanische Jahr anscheinend ca. im Oktober begann. Insofern war man mitunter unpräzise, indem ein Archontenjahr mit einem Ephorenjahr gleichgesetzt wurde (indem ein Autor also z. B. schrieb: "im folgenden Jahr, unter dem Archonten X und dem Ephoren Y"), obwohl sie nicht deckungsgleich waren.
 
Man kann es also oft nur näherungsweise z. B. auf 357/356 datieren, wenn man zwar den Archonten kennt, unter dem es stattfand, aber nicht weiß, ob es in der Zeit von Juli-Dezember 357 oder Januar-Juni 356 stattfand.
Das ist auch mies. Andererseits ist es nicht exakter zu sagen: das Ereignis fand 10 v. Chr. zwischen Jan.-Dez. statt, als zu sagen: das Ereignis fand 357/356 v. Chr. zwischen Juli-Juni statt. Letzteres sieht nur umständlicher aus, ist aber genauso eng oder weit datiert wie das erstere.
Aber ich glaub, die Griechen hatten ja zu allem Überfluss auch noch einen Mondkalender, mit gleich ganzen Schaltmonaten, deren genaue Lage wir nicht mehr kennen. Dadurch kann sich ja nochmal alles um 29-30 Tage verschieben. Kann auch sein, dass mir meine Erinnerung hier einen Streich spielt. Aber sollte das mit dem Mondkalender stimmen, kann ich auch in dieser Hinsicht die Homepage der NASA empfehlen: Dort kann man sich auch für die Zeit der alten Griechen alle Neumonds-Daten anzeigen lassen (denn 1-3 Tage nach dem wahren Neumond begann ja der Monatsanfang mit der Sichtung der ersten schmalen Mondsichel; so war es zumindest bei den Juden).

Nur so nebenbei:
Wie schafft man es fast 4500 - soweit ich reingeguckt habe, auch noch qualitative - Beiträge zu verfassen?
 
... und zählt von 525 n. Chr. bis 2012 n. Chr. 487 Jahre. Er summiert diese 487 Jahre (von ihm zu Exiguus) zu den 534 Jahren (von Exiguus zu Claudius), kommt insgesamt auf 1021 Jahre, die seit der Geburt des Claudius bis heute vergangen sein müssen.
Hab mich lediglich:pfeif: um 1000 Jahre verrechnet. Gemeint sind natürl. 1487 und 2021 Jahre.
 
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