Hannibals Massaker im Tempel der Hera Lakinia an zurückbleibenden Italikern

Eichelhäher

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Aus humanitären Gründen allerdings wird Hannibal nicht vor einem solch darwinistischen Vorgehen zurückgeschreckt sein. Immerhin hatte er auch kein Problem damit, Teile derjenigen italischen Truppen, die ihm nicht nach Afrika folgen wollten, niedermetzeln zu lassen.
Mit der Episode wäre ich vorsichtig. Ich habe nun mehrfach gelesen, dass das vermeintliche Niedermetzeln von Italikern, das einige römische Quellen für 203 berichten, vermutlich "nur" auf viertausend Pferde zurückgeht, die nicht auf den Schiffen mitgenommen werden konnten und deswegen getötet wurden, damit die Römer sie nicht mehr "verwenden" konnten. Hannibaltreue Italiker hätten die Römer definitiv nicht mehr "verwendet". Die hatten vonden Römern erheblich mehr zu befürchten als von Hannibal (siehe Capua, Tarent).

[Gekürzte Kopie, das vollständige Original steht im ursprünglichen Thread, Link im Zitat folgen. El Quijote]
 
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Mit der Episode wäre ich vorsichtig. Ich habe nun mehrfach gelesen, dass das vermeintliche Niedermetzeln von Italikern, das einige römische Quellen für 203 berichten, vermutlich "nur" auf viertausend Pferde zurückgeht, die nicht auf den Schiffen mitgenommen werden konnten und deswegen getötet wurden, damit die Römer sie nicht mehr "verwenden" konnten.
Das steht so bei Appian. Das Massaker vor der Abreise aus Italien wird von Diodor, Livius und Appian berichtet.
Diodor schreibt, dass Hannibal seinen Verbündeten anbot, sie nach Afrika mitzunehmen. Diejenigen, die ablehnten, ließ er von seinen Truppen umstellen. Zunächst gestattete er seinen Soldaten, sich, wen sie wollten, als Sklaven auszusuchen, den Rest (ungefähr 20.000 Mann, 3.000 Pferde, außerdem Lasttiere) ließ er dann töten.
Appian (Hannibalischer Krieg 59) schreibt im Wesentlichen dasselbe, gibt bei den getöteten Soldaten aber keine Zahl an, nennt als Begründung jedoch, dass er die kampferprobten Krieger nicht den Römern überlassen wollte. Dann ließ Hannibal noch 4.000 Pferde und eine große Zahl Lasttiere töten, die er nicht nach Afrika mitnehmen konnte.
Livius (30,20) weicht etwas ab: Er nennt keine Zahlen, sondern schreibt nur, dass italische Truppen, die nicht nach Afrika mitwollten, in das Heiligtum der Hera Lakinia flüchteten und Hannibal sie ermorden ließ.

Die ca. 20.000 Mann bei Diodor dürften also zumindest arg übertrieben sein. Dennoch sehe ich keinen Grund, Hannibal komplett "reinzuwaschen". Dass Hannibal nicht unbedingt zimperlich war, sieht man auch an einem etwas späteren Vorfall in Afrika. Diodor und Appian berichten übereinstimmend, dass 4.000 Reiter, die zuerst unter Syphax gedient hatten und dann zu Massinissa übergegangen waren, nach Hannibals Rückkehr nach Afrika zu diesem überliefen. Da Hannibal sie aber für nicht vertrauenswürdig hielt, ließ er sie niedermachen und verteilte ihre Pferde unter seine Truppen.

Wenn die Massaker reine römische Propaganda gewesen wären, um Hannibal schlechtzumachen, dann hätten sie noch viel mehr Gelegenheiten gehabt, ihm im Laufe des ganzen Krieges etliche Kriegsverbrechen anzudichten. Außerdem halte ich es für fraglich, dass Diodor dafür eine römische Quelle verwendet hat. Großteils stützte er sich in seinem Werk auf Autoren aus Sizilien und dem hellenistischen Raum.

Hannibaltreue Italiker hätten die Römer definitiv nicht mehr "verwendet". Die hatten vonden Römern erheblich mehr zu befürchten als von Hannibal (siehe Capua, Tarent).
Objektiv gesehen vermutlich ja. Aber gerade wenn Hannibal tatsächlich ein "hellenistisch" denkender Feldherr gewesen sein sollte, könnte er es anders gesehen haben: In der hellenistischen Kriegsführung war es gang und gäbe, überlebende Truppen des besiegten Gegners ins eigene Heer zu stecken
 
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Argh, Katze hat die Verbindung gekappt. Kurzfassung:

[...][mod]Restbeitrag im Originalthread, Thema Alpenüberquerung[/mod]

Objektiv gesehen vermutlich ja. Aber gerade wenn Hannibal tatsächlich ein "hellenistisch" denkender Feldherr gewesen sein sollte, könnte er es anders gesehen haben: In der hellenistischen Kriegsführung war es gang und gäbe, überlebende Truppen des besiegten Gegners ins eigene Heer zu stecken.
Naja, in dem Falle ist gleichgültig, in wiefern Hannibal hellenistisch dachte - er wusste, dass es die Römer nicht taten (Tarent und Capua hatten da eine deutliche Sprache gesprochen)...
 
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Wenn die Massaker reine römische Propaganda gewesen wären, um Hannibal schlechtzumachen, dann hätten sie noch viel mehr Gelegenheiten gehabt, ihm im Laufe des ganzen Krieges etliche Kriegsverbrechen anzudichten. Außerdem halte ich es für fraglich, dass Diodor dafür eine römische Quelle verwendet hat. Großteils stützte er sich in seinem Werk auf Autoren aus Sizilien und dem hellenistischen Raum.

Zitat:
Eichelhäher
Hannibaltreue Italiker hätten die Römer definitiv nicht mehr "verwendet". Die hatten vonden Römern erheblich mehr zu befürchten als von Hannibal (siehe Capua, Tarent).


Objektiv gesehen vermutlich ja. Aber gerade wenn Hannibal tatsächlich ein "hellenistisch" denkender Feldherr gewesen sein sollte, könnte er es anders gesehen haben: In der hellenistischen Kriegsführung war es gang und gäbe, überlebende Truppen des besiegten Gegners ins eigene Heer zu stecken.

Die Römer machten aus Ihren Strafaktionen gegen Capua und andere (aus Ihrer Sicht) "Verräter" kein Geheimnis. Im Gegenteil, sie wollten ja auch eine abschreckende Wirkung damit erzielen. Man muss davon ausgehen, dass jedem von Hannibals aus Italien stammenden Soldaten das bekannt und klar war, dass zu den Römern überzulaufen keine Option war. Neben Hannibals Führungsqualitäten war das ein entscheidender Grund für die unbedingte Loyalität der zu Hannibal übergelaufenen Italiker. Ich sehe keinen Grund für Hannibal seine Soldaten abzuschlachten und keine Perspektive für die selbigen ohne Hannibal in Italien zu bleiben. Das Verbleiben in Italien wäre für diese der sichere Tod.
Die genannten Quellen halten auch viele moderne Historiker für sehr zweifelhaft.
 
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Die Römer machten aus Ihren Strafaktionen gegen Capua und andere (aus Ihrer Sicht) "Verräter" kein Geheimnis. Im Gegenteil, sie wollten ja auch eine abschreckende Wirkung damit erzielen. Man muss davon ausgehen, dass jedem von Hannibals aus Italien stammenden Soldaten das bekannt und klar war, dass zu den Römern überzulaufen keine Option war. Neben Hannibals Führungsqualitäten war das ein entscheidender Grund für die unbedingte Loyalität der zu Hannibal übergelaufenen Italiker. Ich sehe keinen Grund für Hannibal seine Soldaten abzuschlachten und keine Perspektive für die selbigen ohne Hannibal in Italien zu bleiben. Das Verbleiben in Italien wäre für diese der sichere Tod.
Die genannten Quellen halten auch viele moderne Historiker für sehr zweifelhaft.

Das sind wir mal einer Meinung, zumindest bzgl. des Umstandes, dass auch ich die Ermordung der zurückbleibenden Verbündeten (allerdings weniger ihr Zurückbleiben) für zweifelhaft halte. Überliefert wird sie nur bei späteren Historikern und ausgerechnet Appian ist nicht unbedingt glaubwürdig. Die Frage ist nun, woher Diodor seine Information nahm, ob er wirklich, wie hier angenommen, auf Sosylos zurückgriff?
Interessant ist doch, dass Polybios den Ort des Tempels zwar zwei Mal nennt, aber kein Mal das Massaker erwähnt. Das Tempelmassaker an den italischen Verbündeten ist auch unverständlich, wohingegen dass Massaker an den wiederholt wortbrüchig gewordenen Reitern zwar zu verurteilen aber aus der historischen Situation folgerichtig ist.
 
Die Römer machten aus Ihren Strafaktionen gegen Capua und andere (aus Ihrer Sicht) "Verräter" kein Geheimnis. Im Gegenteil, sie wollten ja auch eine abschreckende Wirkung damit erzielen. Man muss davon ausgehen, dass jedem von Hannibals aus Italien stammenden Soldaten das bekannt und klar war, dass zu den Römern überzulaufen keine Option war.
Menschen handeln nicht immer vernünftig. Wer von den Italikern Hannibal nach Afrika folgte, musste sich darüber im Klaren sein, dass er endgültig nie wieder nach Italien, in die Heimat, zurückkehren würde können. So mancher klammerte sich wohl an die verzweifelte Hoffnung, doch noch irgendwie in Italien Zukunft zu haben, und sei es auch nur als Räuber. Vielleicht hofften auch manche, dass die Römer, wenn erst genug Zeit vergangen war, gnädiger sein würden.

Dass Menschen im Krieg nicht immer vernünftig handeln, sieht man auch daran, dass römische Friedensverträge in der Regel auch die Auslieferung der Überläufer verlangten. Da die Römer lange Zeit fast alle Kriege (wenn auch oft erst nach anfänglichen Rückschlägen) letztlich gewannen, hätte eigentlich jedem römischen Soldaten oder Bundesgenossen, der überlief, klar sein müssen, dass höchstwahrscheinlich über kurz oder lang die Stunde der Auslieferung kommen würde. (Sogar im 3. Punischen Krieg kämpften auf karthagischer Seite noch 900 römische Deserteure!) Trotzdem gab es offenbar immer wieder welche, die aus welchen Gründen immer zum Feind überliefen, und sei es auch nur aus einer Kurzschlusshandlung heraus.

Oder war es etwa vernünftig, sich an einer Sklavenerhebung zu beteiligen? Der 1. Sizilianische Sklavenkrieg endete für die aufständischen Sklaven nicht gut, trotzdem versuchten ein paar Jahre später erneut Sklaven ihr Glück, obwohl sie auf Sizilien in der Falle saßen und ihnen eigentlich hätte klar sein müssen, dass sie sich nicht dauerhaft gegen die Römer, die nie einen unabhängigen Sklavenstaat auf Sizilien akzeptieren würden, würden halten können.

Ich sehe keinen Grund für Hannibal seine Soldaten abzuschlachten und keine Perspektive für die selbigen ohne Hannibal in Italien zu bleiben.
Rational gesehen vielleicht nicht. Aber auch Hannibal war nur ein Mensch und hatte Emotionen. Vielleicht konnte er nicht damit umgehen, wenn ihm manche Männer nach vielen gemeinsamen Jahren nicht folgen wollten, und empfand das als Verrat?
Vielleicht wollte er auch ein Exempel statuieren. Schließlich konnte er nicht ausschließen, dass nicht auch einige seiner afrikanischen Krieger nach der Überfahrt nach Afrika auf die Idee kommen könnten, ihren Abschied nehmen zu wollen und in die Heimat zurückzukehren. Dann hätte Hannibal sogar einen rationalen Grund für ein Massaker gehabt.

Überliefert wird sie nur bei späteren Historikern und ausgerechnet Appian ist nicht unbedingt glaubwürdig. Die Frage ist nun, woher Diodor seine Information nahm, ob er wirklich, wie hier angenommen, auf Sosylos zurückgriff?
Interessant ist doch, dass Polybios den Ort des Tempels zwar zwei Mal nennt, aber kein Mal das Massaker erwähnt. Das Tempelmassaker an den italischen Verbündeten ist auch unverständlich, wohingegen dass Massaker an den wiederholt wortbrüchig gewordenen Reitern zwar zu verurteilen aber aus der historischen Situation folgerichtig ist.
Allerdings ist der Teil von Polybios' Werk, in dem Hannibals Heimkehr behandelt wird, nur fragmentarisch erhalten. Wieso hätte Polybios das Massaker in Zusammenhang mit einer anderen Erwähnung des Tempels erwähnen sollen, wenn es sachlich gerade nicht dazu passte?
Im Übrigen wird das Massaker an den notorisch überlaufenden Reitern, wenn ich nicht etwas übersehen habe, nur von Diodor und Appian erwähnt; das Massaker an den Zurückbleibern ist somit allemal besser belegt.

Ganz generell sehe ich keinen Grund, Hannibal reinzuwaschen. Ich muss zugeben, ich bin durchaus auch von ihm und seinen Leistungen fasziniert (noch mehr allerdings von Alexander dem Großen), aber dennoch bin ich mir darüber im Klaren, dass nach heutigen Maßstäben so gut wie jeder antike Feldherr ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof gewesen wäre. Auch Männer, die Großartiges leisten, können dunkle Seiten haben. Man kann sie für ihre Leistungen bewundern, aber man muss nicht die Schattenseiten für erfunden erklären, nur weil sie nicht zum schönen Heldenbild passen.
 
Ganz generell sehe ich keinen Grund, Hannibal reinzuwaschen.

Das sehe ich ganz genau so. Dieses Spiel böse Römer, nette Karthager, welches manche Mitdiskutanten betreiben, nehme ich immer mit Verwunderung wahr. Dennoch müssen wir uns vor Augen halten, dass die römischen Quellen natürlich viel Propaganda betreiben. Das heißt nicht, dass alle Greuel erstunken und erlogen sind.
Ich halte es aber für einen ziemlichen Aufwand, die eigenen Verbündeten - immerhin 4000 Stück - ohne Not zu erschlagen: Hat sich von denen keiner gewehrt? Haben die eigenen Truppen, welche das Massaker schließlich würden ausführen müssen, dabei nicht an ihre eigene Zukunft gedacht?
 
Ich halte es aber für einen ziemlichen Aufwand, die eigenen Verbündeten - immerhin 4000 Stück - ohne Not zu erschlagen:
Bei dem Massaker an den Italikern wird es keine 4.000 Opfer gegeben haben, wenngleich Diodor sogar von 20.000 Toten schreibt. Aber viele Italiker folgten Hannibal ohnehin freiwillig, und vom Rest wurde der Großteil anscheinend versklavt. Realistischerweise werden es wohl nur einige Dutzend bis wenige Hundert gewesen sein, die wirklich getötet wurden.

Hat sich von denen keiner gewehrt? Haben die eigenen Truppen, welche das Massaker schließlich würden ausführen müssen, dabei nicht an ihre eigene Zukunft gedacht?
Das müsste man jeden Soldaten fragen, der sich - wenngleich auf Befehl - an der Erschießung von Kameraden wegen "Feigheit vor dem Feind" oder dergleichen beteiligte.

Es gibt durchaus vergleichbare Fälle. Ich erinnere z. B. an die Meuterei der griechischen Söldner kurz nach dem Tod Alexanders des Großen. Peithon besiegte und begnadigte sie, aber dann wurden sie von den erzürnten Makedoniern (die also auch vor Kurzem noch ihre Kameraden gewesen waren) - gegen Peithons Willen! - niedergemetzelt. Zwar spielte da wohl auch die Rivalität zwischen Makedoniern und Griechen hinein, aber auch in Hannibals Heer müssen sich die Afrikaner, Spanier und Italiker nicht unbedingt ganz grün gewesen sein. Aber auch die Italiker selbst können durchaus erbittert über diejenigen, die nicht folgen wollten, gewesen sein.
 
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Ich möchste hier noch einen anderen Aspekt aufwerfen. Wir kennen keine genauen Angaben wie sich Hannibals Heer im Jahr 203 bei seiner "Abreise" zusammensetzte.
Es gibt aber Erfahrungswerte, wieviel Soldaten Pro Jahr an allgemeinen Ursachen, hauptsächlich Krankheiten, ohne Einwirkung des Feindes sterben. Im Amerikanischen Bürgkrieg waren es bei der Potomac Armee etwa 6% pro Jahr. Das läßt sich natürlich nicht genau auf den zweiten punischen Krieg übertragen. Wir wissen auch, dass es ständig Kleinkrieg gab, der auf lange Sicht hohe Verluste verursachte.
Da schmilzt eine Armee auch ohne große Entscheidungsschlachten dahin, wenn es keine neuen Truppen gab.
Wir können daher sagen, dass von den mit Hannibal über die Alpen gekommenen Truppen die überwiegende Mehrheit nicht mehr am Leben gewesen sein kann. Da Hannibal fast keine Verstärkung aus Karthago oder Spanien bekam, muß seine Armee im Jahre 203 zur Masse aus von ihm rekrutierten Italikern bestanden haben.

Diese sind dann auch mit Hannibal nach Afrika gegangen. Ich glaube auch nicht, dass Hannibal ein Unschuldslamm war. Sicherlich hat er Deserteure oder solche, die er dafür hielt, mit dem Tode bestraft. Aber eine unsichere Quelle ist mir zuwenig um Hannibal des Massenmordes an den eigenen Soldaten zu beschuldigen!

Hannibal hatte keinen objektiven Grund für Massenmord an Soldaten, die für die Römer kein Rekrutierungspotential darstellten.
Die Römer hatten aber jeden Grund Hannibal zu diskreditieren. Nicht nur um dem Ansehen Hannibals zu schaden, sondern auch um Ihre grausame Vernichtung der Stadt Karthago im dritten punischen Krieg moralisch zu rechtfertigen.
 
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Die Römer hatten aber jeden Grund Hannibal zu diskreditieren. Nicht nur um dem Ansehen Hannibals zu schaden, sondern auch um Ihre grausame Vernichtung der Stadt Karthago im dritten punischen Krieg moralisch zu rechtfertigen.

Das sehe ich nicht so. Karthago war nun mal der Erzfeind Roms und sein härtester Gegner im Kampf um die Hegemonie im Mittelmeeraum.

Jürgen Klopp muss Borussia Dortmund sicherlich auch nicht erklären, weshalb man gegen Schalke oder die Bayern unbedingt siegen muss.

Feldherren haben ja eigentlich eher das Problem ihre Soldaten von den im Kriege üblichen zusätzlichen Grausamkeiten abzuhalten.

Caesar vor Corfinium bspw. lässt seine Soldaten trotz der Kapitulation der Stadt und der Flucht des gegnerischen Feldherrn nicht vor Tagesanbruch besetzen, weil er durch "die Disziplinzlosikeit die in den Nachtsunden einsetzt Plünderungen fürchtet".
 
Sieg und grausame Vernichtung ist aber schon ein Unterschied, auch in der Antike.
Und Karthago wurde im dritten punischen Krieg systematisch zerstört, nicht, weil der Feldherr zu schwach war, die plündernde Soldateska im Zaum zu halten.
 
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Zum Zeitpunkt des dritten punischen Krieges war Karthago als Konkurrent Roms entgültig ausgeschaltet. Es ist schon von besonderer Grausamkeit, dass man Karthago vernichtet und ihm nicht die weitere Existenz als römischer Klientelstaat erlaubte, wie vielen anderen besiegten Völkern auch, etwa die Samniten, welche ebenfalls erbitterte langwierige Gegner Roms waren.
Ohne das "Hannibal Trauma" vieler Römer lässt sich das kaum erklären.
 
Ohne das "Hannibal Trauma" vieler Römer lässt sich das kaum erklären.
Das sehe ich auch so. Der alte Cato, Wortführer derer, die Karthago vernichten wollten, war selbst noch Veteran des 2. Punischen Krieges.
Gerade deshalb aber würde ich nicht von "besonderer Grausamkeit" sprechen, sondern eher von Irrationalität, aus der heraus sich viele Römer immer noch vor Karthago fürchten zu müssen meinten.

Aber eine unsichere Quelle ist mir zuwenig um Hannibal des Massenmordes an den eigenen Soldaten zu beschuldigen!
Es sind drei Quellen (Diodor, Appian und Livius), wobei sich Livius von Diodor/Appian unterscheidet, er also nicht von Diodor (oder Diodors Quelle) abgeschrieben haben kann. Dass Diodor wohl auf keine römische Quelle zurückgegriffen haben dürfte, habe ich weiter oben schon ausgeführt. Appian ähnelt weitgehend Diodor, unterscheidet sich in Details (Motivation, Zahlen) aber auch von ihm. (Denkbar wäre aber, dass sie eine gemeinsame Quelle benützten.) Somit ist von zumindest zwei voneinander unabhängigen Quellen auszugehen.

Die Römer hatten aber jeden Grund Hannibal zu diskreditieren. Nicht nur um dem Ansehen Hannibals zu schaden, sondern auch um Ihre grausame Vernichtung der Stadt Karthago im dritten punischen Krieg moralisch zu rechtfertigen.
Zum einen halte ich das (zumindest zum Teil) für zu modern gedacht. Massaker an den eigenen Soldaten als Bestrafung kannten auch die Römer (decimatio), und Feldherrn der "guten alten Zeit", die ihre eigenen Söhne trotz heldenhaften Kampfes wegen Missachtung von Befehlen hinrichten ließen, wurden sogar positiv gewertet. Die Römer hätten also vermutlich Verständnis dafür gehabt, dass ein Feldherr Soldaten, die ihm die Gefolgschaft verweigern, hinrichten lässt. Wenn es ihnen darum gegangen ist, Hannibal schlecht zu machen, dann dadurch, dass laut Livius das Massaker unter Verletzung des Heiligtums der Hera Lakinia stattgefunden haben soll, es sich also um ein absolutes Sakrileg handelte. Genau dieses Detail fehlt aber bei Diodor und Appian. (Dass das Massaker im Heiligtum stattgefunden haben soll, reduziert nebenbei die Zahl der möglichen Opfer deutlich. Wenn es den Römern also darum gegangen wäre, Hannibal durch das Massaker an sich zu diskreditieren, wäre es sinnvoller gewesen, das Heiligtum unerwähnt zu lassen und stattdessen eine möglichst hohe Opferzahl zu nennen, während Livius keine Zahl angibt.)
Zum anderen entsprach es nicht römischen Gepflogenheiten, große Gegner einfach zu diskreditieren. Von den meisten wurde ein eher ambivalentes Bild gezeichnet - auch von Hannibal, siehe Livius' Charakterisierung zu Beginn des 21. Buches -, in dem sich gute und schlechte Eigenschaften mischten.
Drittens wurde die Vernichtung Karthagos nicht mit Hannibals Grausamkeit gerechtfertigt, sondern mit der Gefahr eines Wiederaufstiegs Karthagos. Ausgelöst wurde diese Angst vor allem dadurch, dass sich Karthago nach Kriegsende wirtschaftlich rasch erholte. Im Übrigen aber waren die Beziehungen zwischen Rom und Karthago zwischenzeitlich zeitweise anscheinend sogar gut, Karthago unterstützte Rom in einem Krieg sogar durch die Entsendung von Schiffen.

Mein Fazit: Falls die Römer an der Geschichte mit dem Massaker etwas erfunden haben, dann wohl nur das Detail mit der Entweihung des Heiligtums, aber nicht das Massaker an sich.
 
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Wie sehen das moderne Historiker?

Dazu Seibert auf Seite 450 seiner Hannibal Biographie wörtlich: "Die Soldaten der ersten Stunde kehrten mit nach Afrika zurück. Auch viele Italiker, denen als Überläufer die Todesstrafe von den Römern drohte schlossen sich an. Die römische Geschichtsschreibung nutzte die Gelegenheit, um nochmals das Bild eines habgierigen und blutrünstigen Feldherren zu zeichnen. Er habe die anderen Soldaten und die zurückbleibende Bevölkerung im Tempel der Hera Lakina auf grausame Weise umbringen lassen. " Seibert kommentiert, das Hannibal lediglich Soldaten mitnehmen konnte und Zivilpersonen einfach Ihrem Schicksal überlassen habe. Mit anderen Worten, wenn hier Leute ermordet wurden, dann von den Römern!
Seibert bringt 2 Fussnoten und nennt die Hinrichtung als "zu Recht als unhistorisch abgelehnt". In der ersten bezieht er sich auf de Sancits 1916 und Huss 1985 die als Argument bringen, Hannibal hätte Mittel und Wege gefunden um die Menschen zur Mitfahrt zu zwingen, falls er ausreichend Transportkapazität gehabt hätte.
In seiner zweiten Fussnote nennt Seibert Livius ( L30, 20 D 27,9 und APP Ann 244-259) "An anderer Stelle berichtet Livius (42,3,6), dass Hannibal das angesehene Heiligtum nicht verletzte."
 
Dazu Seibert auf Seite 450 seiner Hannibal Biographie wörtlich: "Die Soldaten der ersten Stunde kehrten mit nach Afrika zurück.
Dann geht Seibert also sehr wohl davon aus, dass noch eine nennenswerte Zahl von den über die Alpen gekommenen Truppen übrig war.

Er habe die anderen Soldaten und die zurückbleibende Bevölkerung im Tempel der Hera Lakina auf grausame Weise umbringen lassen.
Wo in den Quellen ist von einem Massaker an der "zurückbleibenden Bevölkerung" im Tempel die Rede?

"An anderer Stelle berichtet Livius (42,3,6), dass Hannibal das angesehene Heiligtum nicht verletzte."
Das ist eine Frage des Kontexts. Man kann das natürlich so lesen, dass Livius (bzw. seine Quelle) sich hier verplappert hätte. Allerdings geht es in der angeführten Stelle darum, dass der Censor Fulvius Flaccus das Marmordach des Hera Lakinia-Tempels teilweise abdecken ließ, um das Material für das Dach des Tempels der Fortuna equestris in Rom zu verwenden. Deswegen wurden ihm im Senat schwere Vorwürfe gemacht: Er habe den Tempel verletzt, den nicht einmal Pyrrhos und Hannibal verletzt hätten. Für das, was ich hier zweimal mit "verletzen" wiedergegeben habe, steht im lateinischen Text das Wort "violare", das von "vis" (Gewalt) abgeleitet ist und somit wörtlich etwa "Gewalt antun" bedeutet. Man könnte es auch als (durch ein Sakrileg) "entweihen" übersetzen, aber aus dem Zusammenhang heraus nehme ich an, dass in erster Linie das Abdecken und Berauben des Tempels gemeint ist. Derartiges wurde Hannibal tatsächlich nicht zur Last gelegt.

Im Übrigen habe ich oben selbst eingeräumt, dass das mit der Entweihung des Tempels eine Erfindung sein könnte. Davon ist aber die Frage nach dem Massaker an sich zu trennen, das sich auch beim nichtrömischen Autor Diodor findet.

Wie sehen das moderne Historiker?
Auch bei ihnen sollte man kritisch hinterfragen, ob sie das Massaker nur deshalb ablehnen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Wenn sich jemand jahrelang intensiv mit Hannibal oder auch den Karthagern generell beschäftigt, ist es nur natürlich, dass er Sympathie für ihn/sie entwickelt und dazu neigt, Schattenseiten zu verdrängen oder zu verleugnen.
 
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Dann geht Seibert also sehr wohl davon aus, dass noch eine nennenswerte Zahl von den über die Alpen gekommenen Truppen übrig war.>



Davon gehe ich auch aus, nur wird wohl die Mehrheit von Hannibals Armee zu dieser Zeit aus Italikern bestanden haben. Wenn die Zahl der Pferde ein Indiz für die Verluste ist, dann haben wir 3000- 4000 gegenüber 10 000 bei Cannae. Dann sind also etwa 30- 40% der Kavallerie übrig geblieben.

Auch bei ihnen sollte man kritisch hinterfragen, ob sie das Massaker nur deshalb ablehnen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Wenn sich jemand jahrelang intensiv mit Hannibal oder auch den Karthagern generell beschäftigt, ist es nur natürlich, dass er Sympathie für ihn/sie entwickelt und dazu neigt, Schattenseiten zu verdrängen oder zu verleugnen.

Bei aller Liebe zum Quellenstudium und Deinen bewunderungswürdigen Kenntnissen darin, muß man sich immer wieder vor Augen führen, dass die uns verbliebenen Quellen von römischer Siegergeschichtsschreibung massiv beeinflusst sind. Diese herauszufiltern und die noch verbliebenen historischen Fakten zu sichern ist die Aufgabe und Arbeit moderner Historiker. Diese haben mit wissenschaftlichen Methoden und viel Detailstudium diese Arbeit für uns bereits erledigt. Daher bevorzuge ich deren Ergebnisse vor total einseitigen Quellen.
Den Quellen einfach zu glauben, auch wenn es mehrere sind, greift zu kurz.

Seibert ist durchaus kritisch gegenüber Hannibal. Das habe ich an anderer Stelle bereits ausgeführt.
 
Bei aller Liebe zum Quellenstudium und Deinen bewunderungswürdigen Kenntnissen darin, muß man sich immer wieder vor Augen führen, dass die uns verbliebenen Quellen von römischer Siegergeschichtsschreibung massiv beeinflusst sind.
Leider wird die "Siegergeschichtsschreibung" auch gerne als Totschlagargument benützt: Wenn etwas nicht ins Wunschgeschichtsbild passt, wird es ganz einfach als Erfindung der Siegergeschichtsschreibung verworfen - Problem gelöst.
Wenn nur Livius über das Massaker berichten würde oder zwar auch Appian, aber exakt dasselbe wie Livius, könnte man ja darüber diskutieren. Aber mich würde interessieren, wieso der Grieche und hellenistische Autor Diodor ein Sprachrohr der römischen Siegergeschichtsschreibung gewesen sein soll - oder wieso sein Bericht von dem von Livius abweicht. Wie viele Versionen hat die römische Siegergeschichtsschreibung denn in Umlauf gebracht?

Diese herauszufiltern und die noch verbliebenen historischen Fakten zu sichern ist die Aufgabe und Arbeit moderner Historiker. Diese haben mit wissenschaftlichen Methoden und viel Detailstudium diese Arbeit für uns bereits erledigt.
Allerdings muss man bei Quellenkritik von einer gewissen Grundannahme ausgehen, auf der basierend man dann die Quelle analysiert. (Eine beliebte Grundannahme zur Geschichtsschreibung der römischen Kaiserzeit lautet, dass die Autoren die Kaiser bewusst und wider besseren Wissens schlecht gemacht haben und daher alles, was sie über die Kaiser Negatives schrieben, als erfunden zu verwerfen ist.) Im Fall von Hannibal lautet die Grundannahme offenbar, dass alles, was Negatives über ihn berichtet wird, eine Erfindung der Römer ist, die ihn damit schlecht machen wollten. Diese Grundannahme selbst sollte aber erst einmal hinterfragt werden - z. B. indem man hinterfragt, wieso die Ausführungen eines römischen Autors, obwohl sie erfunden sind, trotzdem zumindest in den Grundzügen mit denen des hellenistischen Autors Diodor, der kein Motiv zur Siegergeschichtsschreibung hatte, übereinstimmen. (Gerade Diodor scheute sich übrigens nicht, auch Dinge zu schreiben, die für die Römer nicht sonderlich schmeichelhaft waren und die ein Siegergeschichtsschreiber bestimmt unerwähnt gelassen hätte.) Oder wo eigentlich bei Livius all die anderen Massaker sind, die man Hannibal problemlos angedichtet haben könnte. Warum z. B. schreibt Livius, dass Hannibal nach Cannae die römischen Gefangenen gut behandelte und den Römern den Freikauf anbot, statt ausführlich zu schildern, wie Hannibal sie allesamt zu Tode quälen ließ?
Im Übrigen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Römer Massaker keineswegs so negativ werteten wie wir heute. Wir lesen z. B. bei römischen "Siegergeschichtsschreibern" auch von so manchem Massaker der siegreichen Römer an sämtlichen Einwohnern einer eroberten Stadt. Ich habe auch schon oben ausgeführt, dass die Hinrichtung ungehorsamer Soldaten durchaus römischem Denken entsprach. Als negativ werteten sie, dass das Massaker an den folgeunwilligen Italikern in einem Heiligtum stattfand. Das war in den römischen Augen die Untat, nicht das Massaker an sich.
Bei der Verletzung der Heiligkeit von Tempeln waren Griechen und Römer in hohem Grade empfindlich. In dieser Hinsicht haben sich die Werte seither gewandelt: In unserer säkularisierten Welt ist für die meisten Menschen eine Kirche einfach nur noch irgendein Gebäude, das höchstens kulturhistorischen Wert hat, aber keine transzendentale Bedeutung. Dafür sind wir aber bei Massakern empfindlich. In der Antike war es umgekehrt. Diesen Wertewandel sollte man bei der Quellenkritik mitbedenken.

Daher bevorzuge ich deren Ergebnisse vor total einseitigen Quellen.
Wobei sich der Vorwurf der "Einseitigkeit" wohl darauf beschränkt, dass Hannibal nicht nur positiv dargestellt wird.

Den Quellen einfach zu glauben, auch wenn es mehrere sind, greift zu kurz.
Sie zu verwerfen, bedarf aber schon einer besseren Begründung, als einfach zu argumentieren, dass, wenn etwas Negatives über Hannibal berichtet wird, das nur eine Erfindung der Siegergeschichtsschreibung gewesen sein kann - insbesondere dann, wenn wir in der glücklichen Lage sind, auch einen Bericht eines nichtrömischen Autors zu haben.

Seibert ist durchaus kritisch gegenüber Hannibal. Das habe ich an anderer Stelle bereits ausgeführt.
Allerdings beschränkt sich die "kritische Haltung" moderner Autoren anscheinend eher darauf, zu analysieren, was Hannibal falsch gemacht habe und was er tun müssen hätte, um doch zu gewinnen. Das ist etwas anderes als Hannibal wegen seiner dunklen Seiten kritisch zu sehen, stattdessen werden diese einfach weggeleugnet.
 
Wobei sich der Vorwurf der "Einseitigkeit" wohl darauf beschränkt, dass Hannibal nicht nur positiv dargestellt wird.

Allerdings beschränkt sich die "kritische Haltung" moderner Autoren anscheinend eher darauf, zu analysieren, was Hannibal falsch gemacht habe und was er tun müssen hätte, um doch zu gewinnen. Das ist etwas anderes als Hannibal wegen seiner dunklen Seiten kritisch zu sehen, stattdessen werden diese einfach weggeleugnet.

Das trifft so nicht zu. Seibert bespielsweise erwähnt dass sich Hannibal nach dem Krieg gegenüber dem Karthagischen Rat rechtfertigen mußte. Zu seiner Verteidigung führte Hannibal an, dass er mit seinem Heer über 300 000 Römische Soldaten getötet hätte und mehere hundert kleinere Städte und Dörfer in Italien zerstört habe.
Hannibal hat spätestens nachdem das Heer seines Bruders Hasdrubal am Metaurus vernichtet wurde Gebiet in Süditalien räumen müssen. Bespielsweise die Stadt Herdonia in Apulien wird hier ausführlich genannt. Hannibal hat nicht etwa die Bewohner massakriert, sondern die Stadtmauern geschleift und die Bevölkerung in von ihm noch kontrolliertes Gebiet zwangsweise deportiert.
Hannibals Methode bei Rückzügen war ZWANGSDEPORTATION nicht MASSAKRIEREN von Verbündeten!
Hätte Hannibal genug Schiffsraum gehabt, dann wäre er wohl ähnlich vorgegangen, weil alles andere gegen seine Interessen verstiess.

Ich halte Seibert's Beweis, dass Livius seine eigene Aussage entlarft hat, für stichhaltig und den Versuch, da was anderes hineinzuinterpretieren für schwach. Ich denke das Vorwürfe an mich oder moderne Historiker Hannibal einfach nur reinwaschen zu wollen unbegründet sind. Es gibt jede Menge objektiver Gründe (siehe verherige Beiträge) warum ein Massaker für Hannibal nicht nur keinen Sinn macht, sondern auch gegen Hannibals eigene Interessen ist.
Die hartnäckige Ignoranz gegen diese Argumente kann ich nur schwer nachvollziehen. Hundert Jahre Geschichtsforschung kann man doch nicht einfach ignorieren!

Einen weiteren Aspekt haben wir noch nicht beachtet. Hat Hannibal seine Pläne in Italien wirklich vollständig aufgegeben als er im Jahre 203 abzog?

Wenn er sich eine Option nach Italien zurückzukehren offenhalten wollte, wäre das Abschlachten von Verbündeten ein absolutes "no Go".
Es gibt keinen Beweis für derartige Absichten Hannibals aber ein klares Indiz. In seinem Exil nach dem Krieg diente Hannibal als Militärberater des Königs Antiochos in dessen Krieg gegen Rom.
Hannibal unterbreitete Antiochos einen Plan ihm ein Heer zu unterstellen. Mit diesem wollte er zunächst nach Karthago um dort eine von ihm kontrollierte Regierung einzusetzen und dann wieder in Süditalien landen. Diese Pläne wurden aber von König Antiochos nicht umgesetzt.
 
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Bei aller Liebe zum Quellenstudium, muß man sich immer wieder vor Augen führen, dass die uns verbliebenen Quellen von römischer Siegergeschichtsschreibung massiv beeinflusst sind. Diese herauszufiltern und die noch verbliebenen historischen Fakten zu sichern ist die Aufgabe und Arbeit moderner Historiker.
Den Quellen einfach zu glauben, auch wenn es mehrere sind, greift zu kurz.

Grundsätzlich können doch Historiker auch nichts anderes als wir: Nämlich die Quellen lesen.

Hundert Jahre Geschichtsforschung kann man doch nicht einfach ignorieren!

Das stimmt. Allerdings müsste sich Seibert nicht nur auf 100 Jahre Geschichtsschreibung zurückgreifen, sondern sich etwa auf den Anbeginn des Interesses an der Antike abstützen.

Die Rainessance mag noch kein historisches Interesse an der Antike gehabt haben, aber eigentlich müsste er mindestens ab der Aufklärung so ziemlich alles gelesen haben, was über Hannibal und die Römer geschrieben wurde.


Zudem müsste er auch immer noch quervergleichen, wer was unter welchem Umstand fabriziert hat.

Napoleon z.B. sah die Römer ganz anders als Napoleon III., der Vercingetorix ein Denkmahl errichten liess.

Wie soll man ab einem solch gigantischen Berg an Dichtung und Wahrheit einen besseren Blick erhalten, als wenn man einfach vorurteilslos die Quellen liest?
 
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Hannibal hat nicht etwa die Bewohner massakriert, sondern die Stadtmauern geschleift und die Bevölkerung in von ihm noch kontrolliertes Gebiet zwangsweise deportiert.
Hannibals Methode bei Rückzügen war ZWANGSDEPORTATION nicht MASSAKRIEREN von Verbündeten!
Hätte Hannibal genug Schiffsraum gehabt, dann wäre er wohl ähnlich vorgegangen, weil alles andere gegen seine Interessen verstiess.
Was hat das genau mit unserer Diskussion zu tun? Hannibal ließ die abtrünnigen Italiker doch nicht massakrieren, weil er verbrannte Erde hinterlassen wollte oder weil er nicht genug Schiffsraum für sie hatte, sondern weil sie ihm nicht folgen wollten. Diejenigen, die ihm folgten, nahm er mit. Er massakrierte nicht seine Verbündeten, er wollte sie nicht einmal nach Afrika zwangsdeportieren, sondern forderte sie auf, ihm zu folgen. Wer das nicht wollte, wurde nicht etwa in Ketten gelegt (außer vermutlich diejenigen, die von seinen Soldaten versklavt wurden), sondern getötet. Das waren allerdings keine Verbündeten mehr, sondern (zumindest aus seiner Sicht) Abtrünnige, Verräter, Deserteure.

Einen weiteren Aspekt haben wir noch nicht beachtet. Hat Hannibal seine Pläne in Italien wirklich vollständig aufgegeben als er im Jahre 203 abzog?

Wenn er sich eine Option nach Italien zurückzukehren offenhalten wollte, wäre das Abschlachten von Verbündeten ein absolutes "no Go".
Es gibt keinen Beweis für derartige Absichten Hannibals aber ein klares Indiz. In seinem Exil nach dem Krieg diente Hannibal als Militärberater des Königs Antiochos in dessen Krieg gegen Rom.
Hannibal unterbreitete Antiochos einen Plan ihm ein Heer zu unterstellen. Mit diesem wollte er zunächst nach Karthago um dort eine von ihm kontrollierte Regierung einzusetzen und dann wieder in Süditalien landen. Diese Pläne wurden aber von König Antiochos nicht umgesetzt.
Als Hannibal aus Italien abzog, konnte er doch noch nicht wissen, dass sich ihm Jahre später bei Antiochos eine neue Chance eröffnen würde. Insofern sind Hannibals Exil und Pläne bei Antiochos kein Argument dafür, dass er bereits bei seinem Abzug aus Italien seine baldige oder auch spätere Rückkehr plante. Er könnte auch erst bei Antiochos auf die Idee gekommen sein, den Krieg gegen Rom nicht in Griechenland auszutragen, sondern wieder ins Herz des Feindes zu tragen.

Aber grundsätzlich stimme ich Dir zu: Als Hannibal Italien verließ, ließ er ein paar Garnisonen zurück. Das könnte in der Tat darauf hindeuten, dass er einen Brückenkopf behalten wollte, um nach der Vernichtung Scipios zurückzukehren. Es könnte aber auch bedeuten, dass er bloß den Römern noch ein bisschen Arbeit hinterlassen wollte. Vielleicht wollte er auch einen Kleinkrieg in Süditalien anzetteln.

Trotzdem kann ich nur noch einmal betonen: Er schlachtete nicht Verbündete ab, sondern Abtrünnige. So etwas war durchaus nicht ungewöhnlich.
Im Übrigen hast Du selbst schon von ihm durchgeführte Zwangsumsiedlungen erwähnt. Er siedelte auch 3.000 karthagerfreundliche Bürger aus Thurioi und 500 weitere vom Land nach Kroton um, das er zum Hauptquartier ausbauen wollte. Solche Zwangsumsiedlungen sind auch nicht gerade die freundlichste Art, mit Verbündeten (und die genannten Thurier waren wirklich Verbündete, keine Abtrünnigen) umzugehen. Seine Beliebtheit wird er damit auch nicht gesteigert haben. Aber Du weist doch selbst gerne darauf hin, dass die Römer gnadenlos gewesen seien und Hannibals Verbündeten ohnehin keine Möglichkeit für einen erneuten Seitenwechsel offengestanden sei. Wenn man davon ausgeht, konnte es Hannibal egal sein, was seine verbliebenen Verbündeten von ihm hielten, weil sie ohnehin an ihn gebunden waren. Mit dem Abfall von Städten, die bislang den Römern treu geblieben waren, war ohnehin nicht mehr zu rechnen.

Ich halte Seibert's Beweis, dass Livius seine eigene Aussage entlarft hat, für stichhaltig und den Versuch, da was anderes hineinzuinterpretieren für schwach. Ich denke das Vorwürfe an mich oder moderne Historiker Hannibal einfach nur reinwaschen zu wollen unbegründet sind. Es gibt jede Menge objektiver Gründe (siehe verherige Beiträge) warum ein Massaker für Hannibal nicht nur keinen Sinn macht, sondern auch gegen Hannibals eigene Interessen ist.
Die hartnäckige Ignoranz gegen diese Argumente kann ich nur schwer nachvollziehen. Hundert Jahre Geschichtsforschung kann man doch nicht einfach ignorieren!
Dann erkläre mir doch bitte einmal, warum Diodor ein römischer Siegergeschichtsschreiber, der Hannibal diskreditieren wollte, gewesen sein soll.

Dann machen wir einmal ein Gedankenexperiment: Bekanntlich wurden etliche Einwohner von Tyros nach der Eroberung der Stadt durch Alexander den Großen massakriert, der Rest versklavt. Das wissen wir aus griechischen und römischen Quellen. Aber was wäre, wenn wir es stattdessen nur aus phoinikischen und persischen Quellen wüssten? Wie würden dann moderne Autoren das Massaker werten? Würden sie es dann nicht auch als gezielte Diskreditierung Alexanders durch den Feind verwerfen und behaupten, dass den Einwohnern nach der Eroberung ihrer Stadt in Wahrheit kein Leid zugefügt wurde? (Nicht auszudenken, wenn wir verschiedene Untaten Caesars in Gallien nicht aus seinem eigenen Werk, sondern aus gallischen Quellen kennen würden ...)
Bei Hannibals Massaker sind wir in der glücklichen Lage, zwar keine karthagische, aber zumindest eine nichtrömische Quelle dazu zu haben, trotzdem wird sie hartnäckig ignoriert.

Was nun die "objektiven Gründe" betrifft, kann ich nur noch einmal darauf hinweisen, dass die Ermordung Abtrünniger und Unwilliger gerade auch bei den Römern eine praktizierte Disziplinierungsmaßnahme war. Die Alternative wäre gewesen, dass Hannibal seinen Kriegern gestattet, zu tun und zu lassen, was sie wollen - und jeden, dem gerade danach war, seinen Abschied nehmen zu lassen. Das war bestimmt nicht in Hannibals eigenem Interesse.

Und was Livius' "Entlarvung" betrifft, erkläre mir doch einmal, was daran "schwach" sein soll, wenn ich vermute, wenn ein Censor den Heratempel ausraubt und ihn die Senatoren dafür kritisieren, indem sie sagen, er habe einen Tempel verletzt, den nicht einmal Pyrrhos und Hannibal verletzt hätten, dass sie dann damit meinten, dass ihn nicht einmal Pyrrhos und Hannibal ausgeraubt hätten, und nicht dass sie meinten, er habe einen Tempel verletzt, den Hannibal nicht durch ein Massaker entweiht hatte.
 
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