Hatten Legionäre Anspruch auf Urlaub?

Lukullus

Aktives Mitglied
Legionslager Mogontiacum, März 68, Gesprächsfetzen aus Conterbinum IX in Baracke VII der Legio Primigenia XXII:
"Hey Marius, in der Colonia Claudia Ara Agrippinensium soll's demnächst richtig tolle Spiele geben, mit allem Brimborium, Gladiatoren, Löwen, und ne Menge andere exotische Viecher. Ich hab noch zwölf Tage Urlaub, kommst du mit?"
"Die Richtung ist völlig falsch! Gaius, schlag dir Spiele vorerst mal aus dem Kopf! Beim Praetorium haben sie gerade gesagt, dass der Vindex in Gallien richtig Ärger macht. Verginius Rufus lässt uns zum Hauen und Stechen nach Vesontio marschieren wo wir erst mal die Sequaner verprügeln sollen. Da wird's sicher was zum Plündern geben, dann hab ich auch die nötige Kohle für den Centurio, und dann wär absolut nichts einzuwenden gegen einen feinen Urlaub."


Beim Lesen zu Otho bin ich bei Tacitus zum Thema Urlaub grad auf folgendes gestoßen:
"Eine der damaligen Forderungen war, daß die gewöhnlich an die Centurionen gezahlten Gelder für die Gewährung von Dienstbefreiungen abgeschafft würden; der gemeine Mann hatte nämlich diese Gelder wie eine ständige Abgabe zu entrichten. Es kam vor, daß sich ein Viertel eines Manipels auf Urlaub entfernte oder sogar im Lager herumlungerte, wenn es nur den Centurio dafür entlohnte."

Dieses Bestechungssystem muss recht skurrile Auswüchse angenommen haben:
"Gelegentlich verschafften sich die Leute durch Straßenraub, Plünderung oder Knechtdienste das Geld, mit dem sie sich Freiheit vom militärischen Dienst erkauften. Außerdem setzte man allen wohlhabenden Soldaten mit Strapazen und harter Behandlung zu, bis sie sich einen Urlaubsschein kauften."

Im Dilemma zwischen dem Unmut der Legionäre und den Pfründen der Centurionen reagiert Otho:
"Um sich jedoch nicht durch Spenden an die Gemeinen die Herzen der Centurionen zu entfremden, versprach Otho, es werde seine kaiserliche Privatschatulle alljährlich die Urlaubsgelder bezahlen: eine zweifellos nützliche, in der Folge von trefflichen Fürsten festgehaltene militärische Dauereinrichtung."
(Tacitus, Historien, I 46)

Daraus ginge hervor, dass "Urlaub machen" im Vierkaiserjahr zumindest schon mal nicht verboten war. Das bei Tacitus erwähnte Erkaufen von Urlaubsbewilligungen wäre als alleinige Möglichkeit an Urlaub zu kommen allerdings eine Handhabung, die auf reiner Verhandlungssache zwischen Legionär und Centurio fußen würde, stark von Wesen und Willkür des Letzteren geprägt, bzw. der vorherrschenden Praxis in der jeweiligen Legion.

Im Wiki-Artikel "Militärrechtswesen im antiken Rom" steht, dass für leichtere Dienstvergehen (ich glaube ab der Kaiserzeit geltend) neben zusätzlichen Arbeits- wie Wacheinsätzen und Soldkürzungen auch Urlaubssperren verhängt werden konnten. Das könnte dafür sprechen, dass man damit jemand in seinen Rechten beschneiden konnte.

Meine Frage an Euch:
Gab es für Legionäre einen grundsätzlich verbürgten Anspruch auf Urlaub?

Ich denke dabei weniger an ein oder zwei freie Tage, die ein Legionär wohl eher in der Therme oder Canabae verbrachte, sondern an mehrtägige oder mehrwöchige Urlaube die es ermöglichten, auch mal die Eltern zu besuchen oder einfach mal in ... die Füße hoch zu legen.

Gruß Lukullus
 
Hier ist einmal von vacationes (~ 'Leerzeit') und einmal von otium die Rede:
flagitatum ut vacationes praestari centurionibus solitae remitterentur; namque gregarius miles ut tributum annuum pendebat. quarta pars manipuli sparsa per commeatus aut in ipsis castris vaga, dum mercedem centurioni exolveret, neque modum oneris quisquam neque genus quaestus pensi habebat: per latrocinia et raptus aut servilibus ministeriis militare otium redimebant.
In den romanischen Sprachen und im Englischen haben die Fortsetzer von vacationes tatsächlich den semantischen Gehalt von Ferien, otium ist die Freizeit. Unser deutsches Wort Urlaub ist ja durchaus ein ursprünglich militärsprachliches Wort, das die Erlaubnis, sich von der Truppe zu entfernen bezeichnet. Einen Urlaub in unserem Sinne hatten die Contubernia sicher nicht. Und ich spreche von Contubernia, weil ein Contubernium nur funktionierte, wenn es eine Mindestanzahl an Leute aufwies, wenn es also Urlaub im Sinne einer Erlaubnis, sich von der Truppe zu entfernen gab, dann sicher nicht für ein Individuum sondern dann eher für größere Einheiten. Davon unterscheiden würde ich die Freizeit im Sinne von Dienstfreizeit (otium), wenn Soldaten zum caupo (Schankwirt) in der nahegelegenen canaba gingen, dort eine Prostituierte aufsuchten oder sich um ihre inoffizielle(!!!) Familie kümmerten.

Tacitus spricht hier imho ein Einreißen der soldatischen Disziplin an, einen Missstand in der Armee, zumindest im Westen des Reiches. Er meint hier sicher mit otium und vacatio dasselbe, eben das Freikaufen von ungeliebten Einsätzen im Lager (etwa Wachdienst), um in die canaba zu kommen, sicher keine wochenlangen Ferien.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nur, El Quijote, dass in der Übersetzung eindeutig von "auf Urlaub entfernen" im Gegensatz zu dienstfrei im Lager gebraucht wird. Und das lateinische "sparsa per commeatus" geht noch weiter. 'sparsa' bedeutet in diesem Fall zerstreut. Und 'commeatus' ist nicht einfach Urlaub, sondern bedeutet sonst auch 'Verkehr', 'Transport', mitunter 'Reise'. Da ist die Übersetzung zurückhaltender. Man kann spekulieren, dass Tacitus mit der Formulierung übertreiben wollte. Aber zunächst steht es einmal so da.

Welche Möglichkeiten haben wir das zu beurteilen, ohne uns auf unser ablehnendes Gefühl zu verlassen?

Ich denke zunächst, wenn man von Urlaub "wie heute" spricht, hat man anachronistische Vorstellungen. Man wird eben an solche Dinge wie die inoffizielle Familie oder Geschäfte denken müssen. Aber auch für die Legionäre gab es, natürlich mit den z.B. vom Wachdienst geforderten Einschränkungen und mit Hinblick auf die Sicherheitslage die zahlreichen freien Festtage des Römischen Kalenders. Da ist man schnell bei einem längeren Urlaub. Und Otium war im Rom auch den Proletariern nicht unbekannt.

Damit ist dann hier aber von zusätzlicher Freizeit die Rede. Und damit geht es schon ein ganz klein wenig in die Richtung unseres Urlaubs. Aber ein Legionär in Germanien wird sicher nicht monatelang frei bekommen haben, um seine Eltern in Süditalien zu besuchen. Vieles was man heute tun würde, war auch der Oberschicht vorbehalten, und vieles wurde an größeren Standorten organisiert. Und da wir hier von Legionen reden, waren diese Vergnügungen auch erreichbar.

Auch war die Dienstauffassung, um es modern auszudrücken eine andere. Der Dienst war eine Pflicht, die neben anderen stand, und die -im Gegensatz zur Neuzeit- das Individuum nicht austilgte. Wenn es also die Erlaubnis gab, sich zu entfernen, wird es egal gewesen sein, wie weit, solange der Miles rechtzeitig wieder da war. Nur muss man sich in einen damaligen Miles hineinversetzen: Einen Tempel besuchen, vielleicht dem in der nähe wohnenden Bruder aushelfen, oder Reparaturen für die illegale Familie, oder ein paar ungestörte Tage sind eine Sache. Aber eine regelrechte Urlaubsreise liegt für den miles wohl außerhalb der Vorstellung, auch wenn er vielleicht an einem leicht erreichbaren Badeort ein Zipperlein behandeln lies.

Und ein Großteil der Zenturionen entstammte den Mannschaftsstand. Wenn es sich allmählich einbürgerte ist vieles denkbar. Es scheint ja um das Kassieren möglichst hoher Geldbeträge gegangen zu sein. Ein Viertel zu beurlauben gefährdet die Einsatzfähigkeit. Das Herumlungern im Lager die Moral. Erpressung und Verbrechen werden direkt angesprochen. Und ich denke, diese Punkte sind es, die Tacitus kritisiert.

Den Urlaub an sich, wie immer er zu verstehen ist, kann er nicht meinen, da er die Institutionalisierung und freie Gewährung durch Otho und der späteren "trefflichen Príncipes" lobt. Ich spreche hier von Institutionalisierung. Und dies wird der tiefere Sinn der Maßnahme Othos gewesen sein. Wenn der Princeps zahlt, legt er auch die Bedingungen fest. Es wird zumindest die Zahl der Urlauber begrenzt worden sein. Genauso nahe liegt die Forderung nach einem möglichst gleichen Anspruch der Milites.

Und schon sind wir bei regelhaftem Urlaubsanspruch, und der angesprochenen Strafmöglichkeit.

EDIT: Und dann ist da natürlich die Frage, inwieweit unter 'im Lager' vielleicht 'in der Garnison' zu verstehen ist.
 
Vielen Dank EQ,
gerade auch auf Deinen Blick in die Quelle hatte ich gehofft!
Denn ich hätte damals gar nicht erst in die Verlegenheit geraten können, mit dem Centurio über otium und vacationes für mein contubernium, für welche Form der Freizeitgestaltung auch immer, verhandeln zu müssen/dürfen, da sie mich schon bei der probatio wegen unterirdischer Lateinkenntnisse aussortiert hätten. ;)

Tacitus spricht hier imho ein Einreißen der soldatischen Disziplin an, einen Missstand in der Armee, zumindest im Westen des Reiches. Er meint hier sicher mit otium und vacatio dasselbe, eben das Freikaufen von ungeliebten Einsätzen im Lager (etwa Wachdienst), um in die canaba zu kommen, sicher keine wochenlangen Ferien.

In diese Richtung gehend hatte ich diese Tacitus-Stelle auch vermutet. Auch dass sich das Gros der Freizeit, wie Du anführst, eher in standortnahen Distanzen (Kneipe, inoffizielle Familie, usw.) abgespielt haben dürfte.

Eine Reise zu den Eltern sollte aber gelegentlich auch mal drin gewesen sein. Es musste ja nicht gleich alle zwei Wochen sein damit Mama mal wieder die Wäsche machen kann, aber auch nicht nur im Todesfall eines Elternteils. Aber da und dort mal eingestreut in die langen Jahre der Dienstzeit. Auf diese Art familiärer Bande muss doch irgendwie Rücksicht genommen worden sein. Oder liege ich mit so nem Gedanken völlig neben einstigen Realitäten?

EDIT: Dir auch mein Dank Rhiothamus! Muss Deine Antwort erst noch mal in Ruhe lesen. Doch mir scheint, der Stein beginnt zu rollen... ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir können da lange diskutieren. Daß es Urlaub gab in der römischen Armee, im Sinne eines erlaubten Entfernens von der Truppe für einen bestimmten Zeitraum, scheint anhand der Quellenlage sehr naheliegend. Ich meine auch in Tagesberichten auf einigen Tablets und Ostraka sind Urlauber verzeichnet.

Wie lange dieser Zeitraum war, ob er weiters beschränkt war, und ob es einen Anspruch auf Urlaub gab ist unbekannt. Alles dazu wäre Spekulation.
 
Zumindest können wir uns die Quellen anschauen und sie interpretieren und versuchen mittels heuristischer Verfahren weitere Quellen aufzutun. Du selbst nennst Ostraka als mögliche Quellen für die Lösung der Frage. Unser Ergebnis wird immer nur so valide, wie die Quellen sein, aber auf die Suche nach validen Quellen dürfen wir uns schon noch machen.
 
Meine Frage an Euch:
Gab es für Legionäre einen grundsätzlich verbürgten Anspruch auf Urlaub?
erst mal ein :) für den blauen Text!

Die Frage ist schwierig, vermutlich lässt sie sich gar nicht erschöpfend beantworten.

Das erste Problem: "Urlaub", "Ferien" wie wir das heute verstehen, gab es in der Römerzeit bestenfalls für die oberste Oberschicht, welche im heißen Sommer auf ihre idyllischen Landgüter/Sommersitze vor der Hitze auszuweichen pflegte. Diese (überwiegend senatorische) Oberschicht allerdings hatte keine "Arbeitszeiten" und auch keinen "bezahlten Urlaub", sondern pflegte aufgrund ihres Reichtums einen Lebensstil, der sich selbst mit heutigen besten Angestelltenverhältnissen nicht vergleichen lässt.
Salopp gesagt: Strandurlaub - nicht im Club mediterrane, nicht im Hotel, sondern in der eigenen Villa mit dem eigenen Bedienstetenheer - gab es damals nur für die Reichsten, und diese konnten sich derartige Ferienaufenthalte ohne Arbeitgebervorschriften halt einfach leisten.

Das zweite Problem: Urlaubszeiten zur Rekreation in Angestelltenverhältnissen wie wir das heute als üblich kennen, gab es damals nicht; ebensowenig gab es "Tourismus" (ausgenommen die extrem reiche, zahlenmäßig statistisch geringe superreiche Oberschicht: die kannten und praktizierten sowas, dann aber in einem Ausmaß, welches sich mit heutigen Angestelltenverträgen nicht vergleichen lässt - wie auch: die waren nirgendwo "angestellt")

Man muss sich, so schwer es auch fällt, gründlich von heutigen Vorstellungen lösen (und das wohl auch beim Problem der Übersetzung von Quellen). Der Legionär hatte mehr oder weniger schwankende dienstfreie Zeiten - aber mit "Urlaub" im heutigen Sinn hat das nichts zu tun. Unsere heutigen freien Wochenenden, Tarifverträge, gewerkschaftlichen Arbeitnehmerschutz, Anspruch auf 30 (?) freie Arbeitstage pro Jahr (bezahlte Ürlaubszeit) kannte man damals nicht.

Mag sein, dass in Friedenszeiten die dienstfreie Zeit des Legionärs aufgrund der vielen Feiertage recht angenehm war, aber das dürfte nur für Garnisonen in unmittelbarer Nähe der ganz großen Städte (Rom, Trier, Arles, Antiochia usw.) gegolten haben, sicher nicht für Garnisonen in Grenzregionen.

Und dann stellt sich zuletzt die Frage, was der Legionär mit seinen dienstfreien Zeiten anstellen konnte - sicher nicht 14 Tage am Stück Badeurlaub auf den Kanaren...
 
Der "Urlaub" dürfte auch auf praktische Grenzen gestoßen sein was die räumliche Entfernung von der Truppe betrifft, Legionen sind oft sehr weit weg verlegt worden und wie hätten weit entfernte "Urlauber" dann nachkommen solllen?
 
Eine Reise zu den Eltern sollte aber gelegentlich auch mal drin gewesen sein. Es musste ja nicht gleich alle zwei Wochen sein damit Mama mal wieder die Wäsche machen kann, aber auch nicht nur im Todesfall eines Elternteils. Aber da und dort mal eingestreut in die langen Jahre der Dienstzeit. Auf diese Art familiärer Bande muss doch irgendwie Rücksicht genommen worden sein. Oder liege ich mit so nem Gedanken völlig neben einstigen Realitäten?

Nein, gar nicht. In bestimmten Fällen wie zum Beispiel einem Todesfall haben Familienangehörige religiöse Pflichten, denen sie nachkommen müssen, und darauf mußte man - so es ging - wohl Rücksicht nehmen. Genau das mag ja auch der Ansatzpunkt für die Geldgier einiger Centurionen gewesen sein, wenn man wirklich weg mußte, hatte man halt zu zahlen.


Das erste Problem: "Urlaub", "Ferien" wie wir das heute verstehen, gab es in der Römerzeit bestenfalls für die oberste Oberschicht, welche im heißen Sommer auf ihre idyllischen Landgüter/Sommersitze vor der Hitze auszuweichen pflegte. Diese (überwiegend senatorische) Oberschicht allerdings hatte keine "Arbeitszeiten" und auch keinen "bezahlten Urlaub", sondern pflegte aufgrund ihres Reichtums einen Lebensstil, der sich selbst mit heutigen besten Angestelltenverhältnissen nicht vergleichen lässt.

Und dann stellt sich zuletzt die Frage, was der Legionär mit seinen dienstfreien Zeiten anstellen konnte - sicher nicht 14 Tage am Stück Badeurlaub auf den Kanaren...

Man sollte dabei aber auch bedenken, daß der Lebenstil der Oberschicht einen gewissen Vorbildcharakter hatte - man versuchte stets, soweit es ging, sich diesem Lebenstil anzunähern. Das Verhalten der Senatoren beeinflußte also auch den Lebensrhythmus der unteren Klassen.
Auch Senatoren konnten nicht, wie sie wollten. Es gab in der regel eine Anwesenheitspflicht in Rom bzw. als Regulativ dazu im Sommer die Senatsferien, nur dann durften sie sich auf ihre Landgüter zurückziehen.
Diese Wertvorstellungen wurden dann "nach unten" transporteiert. Für den Legionär ist es also nicht einfach nur erstrebenswert, mal die Füße hochzulegen, sondern daß er der sozialen Kontrolle, der Aufsicht und der Disziplinierung entkommen kann.

Wir müssen uns auch fragen, in welchen Zeiteinheiten wir rechnen dürfen. Man kommt in 14 Tagen innerhalb des römischen Reiches recht weit, wenn so ein römischer Soldat also wirklich Urlaub - nicht einfach nur dienstfreie Tage - hatte, dann kann ein sagen wir mal sechswöchiger Urlaub schon einiges bringen.
 
Nein, gar nicht. In bestimmten Fällen wie zum Beispiel einem Todesfall haben Familienangehörige religiöse Pflichten, denen sie nachkommen müssen, und darauf mußte man - so es ging - wohl Rücksicht nehmen. Genau das mag ja auch der Ansatzpunkt für die Geldgier einiger Centurionen gewesen sein, wenn man wirklich weg mußte, hatte man halt zu zahlen.

Wie viele Tage sollte denn der Leichnam liegen, bevor er endlich kombustiert wurde?
Nein, das kann ich mir nur schwer vorstellen (das ist freilich kein Argument für oder gegen etwas), auch weil ja quasi das Contubernium der Familienersatz der Soldaten war.
 
Das Thema Feiertage würde ich nicht überbewerten. Klar hatten die Römer über 100 Feiertage. Aber rechnet man unsere Wochenenden mit je 2 freien Tagen und unsere Feiertage sowie den Urlaubsanspruch, sind das auch weit über 100 freie Tage.

Es ist aber keinesfalls gesichert, daß die Feiertage in Rom auch arbeitsfrei waren. Es gab keine Tarifverträge und mir ist auch kein Gesetz zu den Feiertagen bekannt. Der normale Bürger konnte sich wohl kaum leisten, die Arbeit laufend einzustellen. Und für den Sklaven war außer den Saturnalien wohl kaum ein Tag ein Feiertag.

Es gab zwar Festivitäten, an denen man teilnehmen konnte, aber die Teilnahme daran war wohl nur selten verpflichtend. Und selbst wenn. Von den Spielen in der Arena wissen wir, daß der interessante Teil erst am späten Nachmittag stattfand. Auch Theatervorstellungen fanden wohl eher nach der heissen Mittagssonne statt. Und da war der Arbeitstag für den antiken Menschen, der bei Sonnenaufgang sein Tagwerk begann, schon vorbei.

Was den Besuch zu Hause angeht, das wird schwierig. Ein Bataver, der in Nordengland stationiert ist, braucht ohne Pferd bis an den Niederrhein mindestens 14 Tage für die einfache Strecke. Da müsste er schon 6 Wochen dienstfrei bekommen, daß sich das lohnt. Von Spanien oder Italien gar nicht zu reden.

Zunehmend wurden Soldaten allerdings aus der Provinz selbst rekrutiert. Auch ihre sicher nahen illegitimen Frauen und Kinder wurden schon erwähnt. Das war dann schon eher erreichbar.
 
Hallo, und Danke für Eure Antworten!

Mein Umgang im Eingangspost mit dem Begriff "Urlaub" war recht salopp. Ergo, die "warnenden" Hinweise bezüglich (m)einer Eins-zu-Eins-Übertragung unseres heutigen Verständnisses von "Urlaub" sind voll berechtigt.
Andererseits halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass Interesse und Motivation zu gelegentlicher Pflege familiärer Bande, aber auch Entspannung, Vergnügung, Gammelei, usw. in seiner individuellen Ausprägung ähnlich groß gewesen sein dürfte wie heutzutage.

In "Soziale Aspekte des römischen Heerwesens in der Kaiserzeit" behandelt Welsch-Klein das Thema "Urlaub" (commeatus). Neben den schon erwähnten Bestechlichkeitsproblemen führt sie weitere Aspekte im Umgang mit commeatus an.
Commeatus habe bei schriftlichem Vorbringen entsprechender Gründe allen Truppengattungen, vom einfachen Mann bis zum Offizier zugestanden. Schriftliche Genehmigungen die zugleich als Passier- und "Urlaub"-Schein galten seien vom Truppenkommandeur oder einem von ihm beauftragten Tribun erteilt worden. Vermerkt wurden in Truppenbüchern dann Datum und Dauer eines bewilligten commeatus, bei exakter Trennung der eigentlichen "Urlaubstage" von der veranschlagten Zeit für Hin- und Rückreise.
Interessant im Zusammenhang mit der Frage, ob Legionäre auch mal weiter weg durften, sind Welsch-Kleins Ausführungen über den Umgang mit Überschreitungen von gewährten "Urlaubszeiten". Eine Überschreitung des commeatus konnte, musste aber nicht zwangsläufig zu einer Einstufung als emansor oder desertor führen, Straffreiheit sei möglich gewesen. Ursachen verspäteter Rückkehr seien festzustellen gewesen, ein unkorrektes Verhalten müsse dem "Urlaubenden" nachgewiesen werden. Verlängerung durch Krankheit oder Unterbechung durch höhere Gewalt seien entschuldigend, bei letzterem sei die Art benutzter Fortbewegungsmittel und ob eine Reise zu Land und/oder zu Wasser erfolgt zu berücksichtigen.
* (S. 96ff)

Das sagt zwar nichts darüber aus welche Inhalte ein genehmigungswürdiger Antrag auf commeatus umfassen konnte, auch nicht wie oft so was möglich war, aber es scheint jedenfalls auch mal über längere Zeiten und Distanzen was möglich gewesen zu sein. In den Fußnoten sind etliche Verweise auf Quellen, sicher lässt sich da noch einiges finden.

Zumindest können wir uns die Quellen anschauen und sie interpretieren und versuchen mittels heuristischer Verfahren weitere Quellen aufzutun. Du selbst nennst Ostraka als mögliche Quellen für die Lösung der Frage. Unser Ergebnis wird immer nur so valide, wie die Quellen sein, aber auf die Suche nach validen Quellen dürfen wir uns schon noch machen.

Ich "urlaube" nur gelegentlich in meiner Freizeit bei den ollen 'Öme', Quellen dann sowieso in Übersetzung, schon eher mal in Sekundärliteratur, und immer noch liebend gerne in Asterix-Heftchen. ;)
Und somit grüße ich alle und besonders die historisch ambitionierter Reisenden hier,
Lukullus


* https://books.google.de/books?id=TG...v=onepage&q=vindolanda urlaubsanträge&f=false

EDIT: In Fußnote 40 werden als Antragsinhalte u.a. angeführt: Bewerbung in Rom, Augenleiden, Hoffnung auf Familienbesuch.
Zu tieferem Einstieg habe ich heute leider keine Zeit mehr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie viele Tage sollte denn der Leichnam liegen, bevor er endlich kombustiert wurde?
Nein, das kann ich mir nur schwer vorstellen (das ist freilich kein Argument für oder gegen etwas), auch weil ja quasi das Contubernium der Familienersatz der Soldaten war.

Nun, ich denke da vornehmlich an gewisse Totenopfer, die auch noch nach der Beerdigung gebracht werden mußten. Auch Erbschaftsfragen mußten sicher persönlich geklärt werden.
 
Auch Erbschaftsfragen mußten sicher persönlich geklärt werden.
Was hatte ein regulärer Legionär da wohl zu erwarten? Ich möchte meinen - lasse mich aber gerne argumentativ vom Ggt. überzeugen - dass die Entscheidung, Legionär zu werden, in erster Linie auch eine sozioökonomische war, dass es also mit einem möglichen Erbe nicht allzuweit her gewesen sein dürfte.
 
Was hatte ein regulärer Legionär da wohl zu erwarten? Ich möchte meinen - lasse mich aber gerne argumentativ vom Ggt. überzeugen - dass die Entscheidung, Legionär zu werden, in erster Linie auch eine sozioökonomische war, dass es also mit einem möglichen Erbe nicht allzuweit her gewesen sein dürfte.

Vielleicht erwartete den Legionär da nicht unbedingt was Erbauliches. Eine Herkunft aus ökonomisch ärmeren Verhältnissen könnte schon mal gegeben gewesen sein. Ich habe keine Ahnung wie das rechtlich bei den Römern gehandhabt wurde, aber heutzutage hat man auch Schulden zunächst mal zu erben, und muss sich bei Ausschlagung eines solch unerfreulichen Erbes zumindest schon mal zum Notar bewegen.
 
Legionäre wurden vorzugsweise aus ländlichen Verhältnissen und vergleichsweise unziviliserten Gegenden rekrutiert (z.B. Illyrien). Man bevorzugte den Naturburschen. Weil er harte Arbeit gewohnt war und die Legion für ihn noch eine Perspektive bieten konnte.

Bei den Auxilia gab es noch oft Zwangsrekrutierungen, das meint eine Civitas musste ein bestimmtes Kontingent stellen; egal wie (z.B. Bataver).

Der römische Soldat war also im Regelfall keineswegs der zweite Sohn der im Streit vom väterlichen Hof floh, weil er ohnehin Nichts zu erwarten hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
(kleine Digression zum senatorischen Lebensstil, also eher o-t)
Man sollte dabei aber auch bedenken, daß der Lebenstil der Oberschicht einen gewissen Vorbildcharakter hatte - man versuchte stets, soweit es ging, sich diesem Lebenstil anzunähern.
... das dürfte für 99% der Bevölkerung des römischen Imperiums schlichtweg ein unerfüllbarer Traum gewesen sein...

wir sind dank des Testaments der heiligen Melanie (Erbin eines senator. Vermögens) über die Dimensionen eines reichen, aber nicht superreichen senatorischen Vermögens informiert: die Senatorenclans der römischen Kaiserzeit waren finanziell sozusagen die Krupps und Gates ihrer Zeit.

in gewissem Sinn ist die Anwesenheit im Senat, die seit der römischen Kaiserzeit infolge des gesunkenen Machteinflusses dieser (Adels)Institution eher dekorativen Charakter hatte, eine Art Understatement, denn die Senatoren trugen dort ihren immensen Reichtum nicht zur Schau.

(hätten die spätantiken Kaiser die gesamten senatorischen Vermögen nur zu 10-20% konfisziert (was diese superreiche Oberschicht kaum gemerkt hätte), hätten sie damit eine Riesenarmee mehrere Jahre finanzieren können und damit die Grenzen gegen Hunnen & Co. sichern können und vermutlich wäre es zu keiner Teilung des Imperiums gekommen)

eine interessante Frage ist, ob damals das Ausmaß des Reichtums der senator. Oberschicht allgemein bekannt war (ich weiß es nicht)

genug o-t, retour zum Thema
 
Was hatte ein regulärer Legionär da wohl zu erwarten? Ich möchte meinen - lasse mich aber gerne argumentativ vom Ggt. überzeugen - dass die Entscheidung, Legionär zu werden, in erster Linie auch eine sozioökonomische war, dass es also mit einem möglichen Erbe nicht allzuweit her gewesen sein dürfte.

Das würde ich nicht so sehen, und es ist auch schwer, hier eine gruppendefinierende Aussage über einen größeren Zeitraum hinweg zu machen. Es wird sicher, wie in jeder menschlichen Gemeinschaft, individuelle Unterschiede gegeben haben, neben Habenichtsen auch eine ganze Reihe von Leuten, die aus gesellschaftlichen Schichten stammten, die heute als "Mittelstand" fungieren. Handwerker, Händler, Kleinbauern, auch ein kleiner Landbesitz ist ein Erbfall. Meines Erachtens deutet das in dieser Richtung sehr explizit ausgebaute römische Rechtswesen doch darauf hin, daß es offensichtlich einen großen Bedarf an der Klärung rechtlicher Fragen gegeben hat, die demnach nicht nur für 1% der Oberschicht von Bedeutung waren.

Daneben steht die Frage, inwieweit die Entscheidung, Legionär zu werden, im Ermessen des jeweils Betroffenen lag. Soziale Zwänge können da neben ökonomischen (Du hattest sozioökonomisch geschrieben) eine bedeutende Rolle spielen - wenn der Vater entscheidet, daß sein Sohn Legionär wird, weil er entweder dadurch Aufstiegschancen hat oder der Vater innerhalb seines sozialen Gefüges eine Rolle hat, bei der er einen Gesichtsverlust zu befürchten hat. Ich könnte mir vorstellen, daß ein Ratsmitglied in einer italischen Kleinstadt (und wir müssen uns immer vor Augen halten, daß die meisten Menschen in solchen kleineren Orten lebten und nicht im Moloch Rom) Wert darauf gelegt hat, daß sein Sohn eine militärische Karriere macht, die ihm Ruhm und Anerkennung einbringt.

Ich verweise mal auf den Berliner Feldherrensarkophag, der in der hohen Kaiserzeit die beiden Höhepunkte im Leben eines sicherlich hochgestellten Römers zeigt - die Hochzeit, also Sicherung und Fortführung der Familie, des Namens, der Totenverehrung usw., und das Opfer nach der siegreichen Schlacht, also der militärische Ruhm.


Legionäre wurden vorzugsweise aus ländlichen Verhältnissen und vergleichsweise unziviliserten Gegenden rekrutiert (z.B. Illyrien).

Dabei muß man aber die Zeit beachten. Ich bin kein Militärexperte, glaube aber zu wissen, daß bis in die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. hinein Legionäre stets aus Italien rekrutiert wurden, und das wurde dann sukzessive ausgweitet.


(kleine Digression zum senatorischen Lebensstil, also eher o-t)

... das dürfte für 99% der Bevölkerung des römischen Imperiums schlichtweg ein unerfüllbarer Traum gewesen sein...

Das ist gar nicht außerhalb des Themas, denn es zeigt doch, wie sich eine Leitkultur entwickelt hat, die in der antiken Welt immer aristokratisch geprägt war. Es geht ja nicht darum, daß sich jeder den gleichen Luxus leisten konnte, sondern daß die meisten versucht haben, diesen Stil nachzuahmen, so daß bestimmte Wertvorstellungen und Verhaltensweisen sich durchgesetzt haben.
Nun ist unser Bild aus der Literatur zwar recht einseitig geprägt, aber einige Punkte können wir ja abschätzen.
Das geht los bei freigelassenen Sklaven, die sich auf ihren Grabreliefs als römische Bürger in der Toga zeigen, die Frauen mit Ringen am Finger und mit der Modefrisur der Zeit, die ab dem ersten Jh. fast immer von der Kaiserin vorgegeben wurde, und endet bei Trimalchio, der, weil er kein Senator ist und deswegen keinen reingoldenen Ring tragen dürfte, diesen mit eisernen Sternchen verziert, um sich trotzdem so aufzuführen, als ob.
Die Klientel, die ihre Patrone umkreiste wie die Schmeißfliegen und sich bemühten, wenigstens Reste vom Essen zu bekommen, wußte sicher ganz gut, welchen Reichtum die Senatoren hatten, und das Mindestvermögen eines Senators von 1000 000 Sesterzen war ja bekannt. Es gab Fälle, wo Senatoren ihren Stand verloren, genauso, wie der Kaiser manchmal aushalf, damit Senatoren nicht verarmten.
Ich würde das nicht als Understatement verstehen, das Leben der römischen Oberschicht spielt sich - metaphorisch - auf einer Bühne ab, und das, was dort gezeigt wird, prägt die Wertvorstellungen der Zuschauer. Und um den Bogen zum Thema zurückzukriegen: Wenn der Gang zum Militär Aufstiegschancen bietet, dann auch für Römer mittlerer Schichten (bzw. gerade für die), die sich dann auf ihren Grabstelen damit brüsten, bei welchen Truppen sie überall stationiert waren und wo sie Primopilo oder gar Centurio waren, was ihnen nach dem Militärdienst in ihren Heimatstädten oft den Weg in die Honoratiorenschaft sicherte. Und diese Leute hatten sicher auch während ihres Militärdienstes familiäre und wirtschaftliche Interessen, die es für sie erstrebenswert bis notwendig machten, hin und wieder einen Urlaub vom Dienst zu bekommen. Nicht alle und nicht regelmäßig, aber doch wohl so häufig, daß es als ein Problem wahrgenommen wurde, das eine Regelung erforderte.
 
So wie ich römische Verwaltung und Justiz einschätze haben die sicher ein Verfahren gehabt wo der einzelne Legionär Erbserklärungen oder ähnliches in der Schreibstube der Kompanie abgeben hat können.
 
Dabei muß man aber die Zeit beachten. Ich bin kein Militärexperte, glaube aber zu wissen, daß bis in die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. hinein Legionäre stets aus Italien rekrutiert wurden, und das wurde dann sukzessive ausgweitet.

Ja das entwickelte sich mit der Zeit. Mitte des 1.Jhdts kamen aber bereits kaum mehr als 50% der Legionäre aus Italien sofern ich mich recht an die Analysen dazu erinnere. Anfangs füllten (Neu-)Römer aus Spanien und Gallien die Lücke, später zunehmend die Illyrer.

In den östlichen Legionen sind noch weniger Italiker zu finden. Allerdings ist hier die Quellenlage etwas dürftig. Man vermutet jede Menge römische Bürger der Provinz Asia und viele, die bis zum Tag der Rekrutierung noch Griechen waren.

Und Africa war die Domäne der Gallier. Irgendwie muß sich hier eine Tradition entwickelt haben. Nunja, die Provence und Nordafrika hatten damals ein vergleichbares Klima.

Italisch blieben eigentlich bis Severus nur die Praetorianer und selbst hier sank der Anteil der Italiker stetisch, weil eben zu viele Honoratioren aus den Provinzen ihre Söhne hier unterbringen wollten.
 
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