Herrschaft der Theodosius I.- Söhne

Irrlicht

Neues Mitglied
Hallo, liebe Forenuser!
Kurz vorweg, ich bin neu hier, 19 Jahre alt, stamme aus NRW und habe doch gleich direkt zu Beginn eine Frage bzgl. dem Inhalt einer Textpassage aus dem Buch "Das Ende der Antike" von Hartwin Brandt.
Es geht um das Kapitel "8. Von Theodosius I. zu Thedorich (395-526): Das Ende des Westreiches" (Vielleicht besitzt ja einer das Buch und kann dort ggf. nachschlagen).
So, zur Sache: Soweit ich das verstanden habe, hinterlässt Theodosius I. 395 seinen beiden Söhnen die Herrschaft über das Reich. Arcadius bekommt den Osten, Honorius den Westen als Zuständigkeitsbereich, so weit, so bekannt. Nun kommt aber der Gotenkönig Alarich hinzu, dessen Rolle ich irgendwie nicht ganz begreife: Einerseits wird gesagt, er war seit ~391 König der Goten, andererseits wird er als Heermeister der Römer beschrieben, der dennoch immer wieder gegen die selbst Römer vorgeht. Dabei steht er in ständiger Konkurrenz zu Stilicho, dem General des Honorius, der aber trotzdem die Invasion des Alarich in Griechenland (also im Osten) stoppen möchte. Dazu werden ständige Ost-West-Spannungen in Rom beschrieben.

Ich glaube irgendwie (das obige Buch ist meine erste Fachlektüre), dass es sich bei dem Buch nur um einen kurzen Abriß handelt, der die Komplexität der Spannungen und Vorfälle garnicht richtig abhandeln kann. Vielleicht wäre einer von euch so nett, meinem Verständnis dort ein wenig auf die Sprünge zu helfen oder mir ein paar Webtipps zu geben.


Viele Grüße,
Irrlicht!

PS: Achja, wie aus anderen Foren bekannt, habe ich schon die Suchmaschine bemüht ;-)
 
Tja, in einem solchen Fall ist es meist unerläßlich, verschiedene Überblickswerke mal nebeneinander zu lesen. Hast Du Dich mal mit dem Amt des Heermeisters beschäftigt? Und kennst Du folgendes:

Mischa Meier, Alarich und die Eroberung Roms, Beck, 2007

Ist der als Einstieg gar nicht so schlechte Wikipediaartikel zu Alarich unverständlich hinsichtlich der Rolle zwischen Ost und West?
 
In der Spätantike kam es im Gefolge der Völkerwanderung immer wieder zum Auftreten autonomer, nicht-römischer Heereskörper, die sich dauerhaft auf römischem Gebiet aufhielten. Manchmal gelang es den Römern, diese feindliche Truppen zu bekämpfen, oftmals legalisierte man jedoch deren Stellung, indem man den jeweiligen Feldherrn zum magister militum ernannte.

Auch Alarich wurde zum magister militum ernannt, die Spannungen waren jedoch zu groß, sodass Alarich gegen Rom zog und es 410 plünderte, was einen großen Schock in der antiken Welt bewirkte. Stilicho, in kaiserlichen Diensten, war ebenfalls barbarischer Herkunft und wurde 408 getötet, weil man ihm ein Paktieren mit Alarich unterstellte.

Gibt da auch ne interessante im Öffentlich-Rechtlichen oft gezeigte Dokumentation.
 
So, zur Sache: Soweit ich das verstanden habe, hinterlässt Theodosius I. 395 seinen beiden Söhnen die Herrschaft über das Reich. Arcadius bekommt den Osten, Honorius den Westen als Zuständigkeitsbereich, so weit, so bekannt. Nun kommt aber der Gotenkönig Alarich hinzu, dessen Rolle ich irgendwie nicht ganz begreife: Einerseits wird gesagt, er war seit ~391 König der Goten, andererseits wird er als Heermeister der Römer beschrieben, der dennoch immer wieder gegen die selbst Römer vorgeht. Dabei steht er in ständiger Konkurrenz zu Stilicho, dem General des Honorius, der aber trotzdem die Invasion des Alarich in Griechenland (also im Osten) stoppen möchte. Dazu werden ständige Ost-West-Spannungen in Rom beschrieben.
Alarich war einfach nicht wirklich kontrollierbar. Mit seinen Westgoten trieb er sich am Balkan herum und plünderte Städte. Da es den Römern nicht gelang, ihn militärisch zu vernichten oder sonstwie loszuwerden, versuchten sie sich mit ihm zu arrangieren, indem sie ihn in ihre Dienste nahmen und zum Magister Militum Illyriens machten. Er sollte sich in Illyrien niederlassen und fortan selbst an der Verteidigung des römischen Reiches mitwirken. Alarich nahm zwar den Titel und auch die sonstigen Vorteile an, ließ sich aber nicht einschränken, sondern tat weiter, was er wollte.
Stilicho (Sohn eines Wandalen und einer Römerin) war der Heermeister des Honorius und spielte eine eher zwielichtige Rolle. Er bekämpfte zwar einerseits immer wieder erfolgreich die Westgoten, sowohl am Balkan als auch bei Invasionen in Italien, ließ sich aber andererseits mehrmals die Chance entgehen, sie endgültig zu schlagen. Vermutlich wollte er sie als Bedrohung für die Römer beibehalten, um selbst für sie unentbehrlich zu bleiben und seine Macht nicht zu verlieren.
Bei den Ost-West-Spannungen ging es vor allem um Illyrien, das sowohl von Honorius als auch von Arcadius beansprucht wurde. Dem Alarich als Magister Militum Illyriens kam da natürlich eine Schlüsselrolle zu. Deswegen suchten sowohl der Westen als auch der Osten trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen mit ihm zwischendurch immer wieder das Bündnis mit ihm.
 
Stilicho (Sohn eines Wandalen und einer Römerin) war der Heermeister des Honorius und spielte eine eher zwielichtige Rolle. Er bekämpfte zwar einerseits immer wieder erfolgreich die Westgoten, sowohl am Balkan als auch bei Invasionen in Italien, ließ sich aber andererseits mehrmals die Chance entgehen, sie endgültig zu schlagen. Vermutlich wollte er sie als Bedrohung für die Römer beibehalten, um selbst für sie unentbehrlich zu bleiben und seine Macht nicht zu verlieren.

Wenn Stilicho so negativ wegkommt, muss ich doch intervenieren.
Da nach der Schalcht am Frigidus nicht viel von der weströmischen Armee übrig geblieben war, hatte er wenig Spielraum.
Zwar versuchte er zunächst, die Westgoten in Schranken zu halten, doch spätestens nach dem Rheinübergang der Alanen, Sueben & Wandalen 406/07 war er auf Hilfstruppen angewiesen, wozu er ein Bündnis mit Alarich suchte, auch gegen die oströmischen Ansprüche auf Illyrien.
Woher sonst hätte er die dringend benötigte Verstärkung bekommen sollen?
Allerdings wurde ihm dies kurz darauf zum Verhängnis.
 
Alarich war alles andere als ein zuverlässiger und berechenbarer Verbündeter, darüber musste Stilicho sich wohl im Klaren sein. Trotzdem ließ er sich schon VOR dem Fall der Rheingrenze und BEVOR der Konflikt mit Ostrom um Illyrien sich zuspitzte dreimal eine gute Chance entgehen, Alarich endgültig auszuschalten, zuerst in Griechenland und dann nach den Schlachten von Pollentia und Verona, als er die Westgoten jeweils unbehelligt abziehen ließ. Im Gegenteil, indem sich die Römer mit Alarich herumschlagen mussten, wurden ihre Kräfte gebunden, die sie an anderen Fronten benötigt hätten.
 
Alarich war alles andere als ein zuverlässiger und berechenbarer Verbündeter,

Sind solche Wertungen nicht etwas zweifelhaft?

Ebenso ist mehrfach überliefert, dass die Römer den versprochen Hilfstruppenlohn nicht zahlen wollten oder konnten. Wer hier also unzuverlässig oder unberechenbar war, liegt im Auge des Betrachters.

Zum Bündnis Stilichos mit Alarich schrieb ich oben schon, spätestens 06/07 konnte er gar nicht mehr auf ihn verzichten. Dass er das wohl stärkste militärische Kontingent schon vorher auf seiner Seite sehen wollte verwundert nicht. Zudem wissen wir zu wenig über die Abläufe. Ob Stilicho wirklich in der Lage gewesen wäre, Alarichs Trupp zu vernichten, ist recht zweifelhaft. Dass ihm das nun später vorgeworfen wurde, ist doch mehr im Rahmen der Palastintrige gegen ihn zu sehen.
 
Sind solche Wertungen nicht etwas zweifelhaft?

Ebenso ist mehrfach überliefert, dass die Römer den versprochen Hilfstruppenlohn nicht zahlen wollten oder konnten. Wer hier also unzuverlässig oder unberechenbar war, liegt im Auge des Betrachters.
Um Wertungen geht es mir überhaupt nicht. Klar war das Verhalten der Römer auch nicht immer von der feinsten Sorte. Es geht mir nur darum, ob es für Stilicho Sinn machen konnte, Alarich als Verbündeten zu gewinnen, oder ob man mit einem Verbündeten Alarich nicht mehr Sorgen als Nutzen hatte. Alarichs Verhalten zeigte, dass er als Verbündeter oder gar römischer Amtsträger unzuverlässig war. Immerhin hatte er als Foederatus den Balkan verwüstet und ihn dann sein Amt als Magister Militum nicht von einem Einfall und Plünderungszug durch Norditalien abgehalten. Doch selbst wenn: Stilicho verschonte ihn dreimal, und jedesmal wurde Alarich erneut zur Bedrohung. Hoffte Stilicho, dass Alarich sich nach der zehnten Verschonung anders verhalten würde?

Zum Bündnis Stilichos mit Alarich schrieb ich oben schon, spätestens 06/07 konnte er gar nicht mehr auf ihn verzichten. Dass er das wohl stärkste militärische Kontingent schon vorher auf seiner Seite sehen wollte verwundert nicht.
Es ist doch reine Spekulation, dass Stilicho schon vor dem Fall der Rheingrenze 407 das Bündnis mit Alarich gesucht hätte, oder hast Du irgendwelche Belege?

Zudem wissen wir zu wenig über die Abläufe. Ob Stilicho wirklich in der Lage gewesen wäre, Alarichs Trupp zu vernichten, ist recht zweifelhaft.
Er hat es erst gar nicht versucht. Dreimal ließ er den tief im römischen Gebiet stehenden, arg angeschlagenen Feind mitsamt seiner Beute entwischen. Mit Radagaisus hingegen machte Stilicho kurzen Prozess.

Dass ihm das nun später vorgeworfen wurde, ist doch mehr im Rahmen der Palastintrige gegen ihn zu sehen.
Nur weil es ihm vorgeworfen wurde, ist es nicht automatisch unwahr. Die Römer hatten durchaus Grund, Stilichos Verhalten eigenartig zu finden.
 
Um Wertungen geht es mir überhaupt nicht. Klar war das Verhalten der Römer auch nicht immer von der feinsten Sorte. Es geht mir nur darum, ob es für Stilicho Sinn machen konnte, Alarich als Verbündeten zu gewinnen, oder ob man mit einem Verbündeten Alarich nicht mehr Sorgen als Nutzen hatte. Alarichs Verhalten zeigte, dass er als Verbündeter oder gar römischer Amtsträger unzuverlässig war. Immerhin hatte er als Foederatus den Balkan verwüstet und ihn dann sein Amt als Magister Militum nicht von einem Einfall und Plünderungszug durch Norditalien abgehalten. Doch selbst wenn: Stilicho verschonte ihn dreimal, und jedesmal wurde Alarich erneut zur Bedrohung. Hoffte Stilicho, dass Alarich sich nach der zehnten Verschonung anders verhalten würde?

Es ist doch reine Spekulation, dass Stilicho schon vor dem Fall der Rheingrenze 407 das Bündnis mit Alarich gesucht hätte, oder hast Du irgendwelche Belege?

Weiß jetzt nicht mehr, ob es Pohl oder Heather war, hab jetzt hier nix zur hand. Aber selbst der Wiki-Artikel schreibt von einem Bündnis.

Alarich war zwar oft Gegner, aber eben auch oft Verbündeter. Schon am Frigidus, er war offizieller Magister Militum für Illyrien - eine ganz andere Position als Radagaisus. wer zu dieser Zeit wen wann und warum angriff, bleibt doch öfters unklar. Claudian ist da nicht unbedingt eine Hilfe.
Irgendwo hab ich auch das Gerücht gelesen, Alarichs Einfall in Norditalien sei mit Billigung Konstantinopels erfolgt.
Stilicho manövrierte zwischen den rivalisierenden Kaiserbrüdern, zwischen verschiedensten Heermeistern, Goten im eigenen Heer, Goten als Feinden und Gegnern. Da sollte man mit Interpretationen sehr vorsichtig sein.

Allein die große Zahl gotischer Truppen unter seinem Kommando dürfte ein brutales Vorgehen gegen Alarich unmöglich gemacht haben. Nach Stilichos Ermordung lief der Großteil dieser Truppen zu Alarich über.
 
Aber selbst der Wiki-Artikel schreibt von einem Bündnis.
Ja, nach dem Fall der Rheingrenze.
Zur Chronologie:
397 verwüstete Alarich Griechenland. Stilicho ließ ihn entkommen.
402 Schlacht bei Pollentia. Stilicho ließ ihn entkommen.
403 Schlacht bei Verona. Stilicho ließ ihn entkommen.
407 Zusammenbruch der Rheingrenze, Bündnis zwischen Stilicho und Alarich.

Alarich war zwar oft Gegner, aber eben auch oft Verbündeter. Schon am Frigidus, er war offizieller Magister Militum für Illyrien - eine ganz andere Position als Radagaisus. wer zu dieser Zeit wen wann und warum angriff, bleibt doch öfters unklar.
Am Frigidus war Alarich Foederatenführer. Trotzdem fiel er danach in Griechenland ein. Dann wurde er Magister Militum Illyriens, trotzdem fiel er in Italien ein (wobei er obendrein eventuell den Radagaisus unterstützte). Wer da der Angreifer war, ist doch relativ offensichtlich. Mag sein, dass Alarich in seinen Augen "Grund" für sein Verhalten hatte, weil ihm die Römer nicht genug zahlten oder nicht genug Siedlungsland gaben, aber das ändert doch nichts daran, dass er eine Bedrohung war. Aus römischer Sicht wäre es doch das Vernünftigste gewesen, ihn zu vernichten, statt sich immer wieder mit ihm herumzuärgern.

Irgendwo hab ich auch das Gerücht gelesen, Alarichs Einfall in Norditalien sei mit Billigung Konstantinopels erfolgt.
Dann wäre es für Stilicho als weströmischem Heermeister umso mehr die Pflicht gewesen, den Oströmern dieses Werkzeug aus der Hand zu nehmen.

Allein die große Zahl gotischer Truppen unter seinem Kommando dürfte ein brutales Vorgehen gegen Alarich unmöglich gemacht haben.
In der Schlacht bei Faesulae gegen den hauptsächlich aus Goten bestehenden Haufen des Radagaisus hatte Stilicho auch viele Goten in seinem Heer. Das hielt Stilicho nicht davon ab, den Feind teils zu vernichten, teils zu versklaven, teils ins eigene Heer zu stecken. Die Goten in seinem Heer hatten anscheinend kein Problem damit.
Außerdem meinte ich auch nicht, dass Stilicho die Westgoten hätte abschlachten sollen. Er hätte sie nur endgültig zu schlagen brauchen und die Überlebenden vor die Wahl stellen: Entweder sie treten in sein Heer ein oder sie landen auf dem Sklavenmarkt. Alarich hätte er dann in irgendeinem Kerker verschwinden lassen können.
 
Zur Chronologie:
397 verwüstete Alarich Griechenland. Stilicho ließ ihn entkommen.
402 Schlacht bei Pollentia. Stilicho ließ ihn entkommen.
403 Schlacht bei Verona. Stilicho ließ ihn entkommen.

Du gehst hier wie selbstverständlich von der These aus, Stilicho hätte diese Möglichkeiten gehabt. Außer den Vorwürfen seiner Gegner haben wir dafür keinen Beleg.
In allen diesen Schlachten gelang den Goten die Flucht, Stilicho verzichtete wohl auf die Verfolgung.
Die weströmische Armee hatte sich zwischen 395 und 407 in etwa halbiert,
darunter immer mehr Hilfstruppen. Ob wirklich eine großangelegte Verfolgungsaktion möglich gewesen wäre, wissen wir nicht.
Es wäre auf alle Fälle äußerst riskant gewesen.

Heather geht in seinem Buch "Invasion der Barbaren" davon aus, dass der Sieg Stilichos über Radagaisus nur durch das Überlaufen seiner Unterführer zu den Römern möglich wurde. Nach enttäuschten Versprechen schlossen sich diese dann später Alarich an.
Radagaisus hatte nicht die dominierende Stellung bei seinen "Goten" (oder wie immer man sie nennen will) inne wie Alarich.
 
In "Der Untergang des Römischen Weltreichs" bleibt Heather auf S. 244 jedenfalls sehr vage: "Wie bereits erwähnt, wurden einige seiner Gefolgsleute versprengt und viele in die Sklaverei verkauft, während an einem bestimmten Punkt der Handlung seine führenden Offiziere von Stilicho ins Römerheer übernommen wurden. Davon erfahren wir nur durch ein kurzes Fragment in der Geschichte Olympiodoros', das uns von Photios überliefert worden ist, und es bleibt unklar, wann das geschah. Es könnte ein Teil der Abwicklung gewesen sein, aber auch - und das ist vielleicht wahrscheinlicher - ein beachtlicher diplomatischer Geniestreich, der Radagaisus in drastischer Weise seiner Stützen beraubte und ihm jede Chance nahm, Stilichos Heer standzuhalten." Sehr überzeugt scheint Heather also von seiner eigenen Theorie nicht zu sein. Und durch die Quellen wird sie ohnehin nicht gerade untermauert.
Negativ fällt mir dort auch auf, dass er Radagaisus als "Gotenkönig" bezeichnet, eine doch etwas fragwürdige Titulatur - vor allem, wenn Radagaisus in seinem Haufen nicht einmal eine dominante Stellung innehatte, wie Du meinst. Jedenfalls ist mir nichts darüber bekannt, dass Radagaisus von seinen Leuten zum König erhoben worden wäre.

Was nun die Verfolgung der Goten Alarichs betrifft: Gerade die Hunnen in Stilichos Heer hätten für solche Einsätze gut geeignet sein müssen, um den Abziehenden nachzusetzen und sie zu zermürben.
 
Die Beschreibung Pollentias bei Herwig Wolffram klingt nun nicht gerade nach einem überwältigenden Sieg:

<<<...Und bei Pollentia hält Alarich den Frontalangriff der römischen Alanen nicht bloß auf, sondern schlägt ihn erfolgreich zurück. Da aber die Goten zunächst flohen, waren wohl Alarichs Fußkrieger für das drohende Debakel verantwortlich. Ganz anders wirkte damals noch die römische Infanterie. Mit ihrer Hilfe gelang es Stilicho, die für ihn verloren geglaubte Reiterschlacht wiederherzustellen und danach das Feld zu behaupten. Mehr allerdings nicht: denn Alarich zog sich, "umgeben von den Reitscharen mit den übrigen Streitkräften unversehrt in die Berge zurück." >>>
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, die Römer hatten Anfangsschwierigkeiten. Aber immerhin konnten Stilichos Truppen in dieser Schlacht sogar Alarichs Frau gefangennehmen und einen Teil seiner Schätze erbeuten. Das klingt nicht danach, als hätte sich Alarich gut behauptet.
 
Zurückführend auf die Eingangsfrage lässt sich also vor allem die Ambivalenz der Beziehung zwischen "den beiden Kaisereichen" (offiziell getrennt waren sie ja erst später) und Alarich festhalten. Alarich wurde durch Verträge und dem Amt des pontifex maximus versucht, still zu halten, doch gelang es den Römern nicht, ihn wirklich dadurch zu binden (ob dies an den unzuverlässigen römischen Subsidienzahlungen liegen mag oder nicht). So kam es, dass Alarich sich ganz dreist nahm, was er kriegen konnte.
Doch inwiefern war die Spaltung des Römischen Reiches damals schon vorangeschritten? Ich finde es ganz schwer zu unterscheiden, ob und in wie weit Konstantinopel und Navenna die gegenseitigen Interessen beachteten, weil eigentlich war die Herrschaft Arcadius´ und Honorius´ ja von Theodisianus I. nur als Machtverteilung geplant und nicht als Dyarchie oder gar als Spaltung beabsichtigt gewesen.
 
Beziehung zwischen "den beiden Kaisereichen" (offiziell getrennt waren sie ja erst später)
Offiziell getrennt wurden sie nie. Als es z. B. 465-467 im Westen keinen Kaiser gab, galt eben wieder der Kaiser des Ostens als Kaiser des Gesamtreiches.

Alarich wurde durch Verträge und dem Amt des pontifex maximus versucht
Wie kommst Du denn darauf? Alarich war doch nicht Pontifex maximus. Er wurde Magister militum für Illyricum.

Doch inwiefern war die Spaltung des Römischen Reiches damals schon vorangeschritten? Ich finde es ganz schwer zu unterscheiden, ob und in wie weit Konstantinopel und Navenna die gegenseitigen Interessen beachteten, weil eigentlich war die Herrschaft Arcadius´ und Honorius´ ja von Theodisianus I. nur als Machtverteilung geplant und nicht als Dyarchie oder gar als Spaltung beabsichtigt gewesen.
Stimmt, und in der Theorie blieb das auch bis zum Untergang des Weströmischen Reiches so. Aber das schloss natürlich nicht aus, dass die Kaiser des Ostens und des Westens (bzw. deren Heermeister, die oft die wahre Macht innehatten) nicht trotzdem miteinander rivalisierten. Ein Zankapfel war vor allem, ob Illyrien zum Herrschaftsbereich des Ostens oder des Westens gehörte. Außerdem war einfach jedem Kaiser das eigene Hemd das nächste, daher versuchte er, Bedrohungen möglichst auf das Gebiet des anderen Kaisers umzulenken. In späteren Jahrzehnten beanspruchte dann der Kaiser des Ostens eine Art Oberherrschaft über den des Westens, was dem langjährigen westlichen Heermeister Ricimer gar nicht schmeckte.
 
Offiziell getrennt wurden sie nie. Als es z. B. 465-467 im Westen keinen Kaiser gab, galt eben wieder der Kaiser des Ostens als Kaiser des Gesamtreiches.....

Selbst Theoderich und sogar Chlodvig sahen sich in der römischen Tradition und akzeptierten zumindest ideell die Oberhoheit Konstantinopels.

Die Anerkennung durch den Kaiser als "Rex" - im Falle Theoderichs zum Beispiel durch Übersenden diverser Prunkkleidungstücke - spielte für das
Prestige der neuen Herrscher eine ungeheure Rolle.

Eine reale Macht konnte Byzanz natürlich zumindest in Gallien nicht mehr ausüben, aber die Problematik wird ja noch bei der Kaiserkrönung des großen Karl deutlich.

Genaugenommen ist es etwas problematisch, vom Untergang Westroms im 5. Jhd. zu sprechen, da sowohl die Goten als auch die Franken sich lange Zeit bemühten, sich innerhalb des Imperiums zu bewegen und erst allmählich eigene Strukturen einbrachten.
 
Ravenik schrieb:
Wie kommst Du denn darauf? Alarich war doch nicht Pontifex maximus. Er wurde Magister militum für Illyricum.
Entschuldige bitte. Ich lese mich, wie gesagt, erst gerade in die Materie ein und versuche mir erst ein gewissen Gesamtüberblick zu verschaffen, bevor ich in die Tiefe gehe(n werde).
Ich werfe, glaube ich, die ganzen Titel ziemlich durcheinander. Also war Alarich magister militium, okay, das halte ich mal so fest. Mit meinen, leider nur noch sporadischen, Lateinkenntnissen würde das übersetzt Heermeister bedeuten oder? Wäre dieser Titel ungefähr gleichzusetzen mit unserem heutigen Verständnis eines Generals?
 
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