Insolvenzen im röm. Reich

Sehr geehrte Forenteilnehmer,

... der rege Handel der zw. ROM und den angeschlossenen Provinzen sich entwickelt hat ist mittlerweile sicherlich gut belegt. Aber worüber sich die
Geschichtsquellen ausschweigen ist die Frage, wie die römische Stadt mit
privaten Insolvenzen umging.

Sicherlich sind derartige Probleme
teilweise durch Bürgschaften kompensiert worden, aber dass haben wahr-
scheinlich längst nicht alle so hinbiegen können. Das es ein ordentliches
Finanzgericht gab halte ich für unwahrscheinlich, trotzdem muss es doch
hierzu auch gesetzliche Regelungen gegeben haben die für die Bürger ROMs
als Orientierung geeignet waren. Sind Quellen überliefert, die über diesen
Sachverhalt entsprechend Auskunft geben ...
 
Da müßte man die Instutionen des Gaius und das Corpus Iuris Civilis mal durchstöbern ; die wesentliche römische Rechtsgeschichte ist immer noch die von Max Kaser im Handbuch der Altertumskunde.
 
Die Möglichkeit der privaten Verbraucherinsolvenz ist erst einige Jahre alt; davor gab es in diesem Bereich mW auch keine gesetzliche Regelung.

Das Firmen-Insolvenzrecht ist zwar älter und recht komplex, klärt aber auch in erster Linie, wer die zahlungsunfähige Gesellschaft vertritt (Insolvenzverwalter) und welche Gläubiger in welcher Reihenfolge welche Beträge erhalten. Sicher nicht unwichtig, damit sich die Gläubiger nicht die Köpfe einschlagen (bzw. dem insolventen Unternehmer), aber auch nichtzentral für eine funktionierende Wirtschaftsverfassung.

Das entscheidende an einer Insolvenz: Irgend Schuldner kann seine Schulden nicht zurückzahlen, weswegen irgend ein Gläubiger nicht die Kohle kriegt, die ihm zusteht. Mit und ohne Insolvenzrecht.
 
Soweit ich mich erinnere, hat bereits ein frührepublikanisches Gesetz die Schuldknechtschaft verboten, als größere Anzahlen verschuldeter Kleinbauern in ebendiese gerieten.
Ich kann mich daran erinnern, bei mehreren antiken Autoren von Zwangsversteigerungen gelesen zu haben: da kam dann die gesamte mobile und immobile Habe unter den Hammer, um einen Ausstand zu beheben. Was eintrat, wenn damit der Ausstand noch nicht gedeckt war, weiß ich nicht.
 
"banca rotta" die Bank des Geldwechslers ist zerbrochen, leer, umgestürzt.

Für die Insolvenz interessiert sich heute übrigens kein Finanzgericht (das hat mit Steuersachen zutun) sondern schlicht der Staatsanwalt.

Internet-Recherche ist angesagt, Helmut. Lernt man doch inzwischen schon auf der Hauptschule.
Googel doch einfach mit den bekannten Schlagwörtern, Insolvenz, Pleite, Bankrott, ich bin überzeugt, Du wirst vieles finden.

Vermutlich mehr, als Du lesen willst.
 
Freikaufen

Man spricht beim römischen Reich in Filmen häufig von der Option des "Freikaufens" - das deckt sich teilweise mit einigen Anmerkungen. Es ist schon interessant, daß bei all den vielen TV-Dokus. diese Thematik noch nicht behandelt wurde; gerade weil das römische Reich sich doch einer prosperierenden Wirtschaft rühmte. Um hier weiter zu kommen müsste
man mehr über die römische Rechtsprechung wissen.

Ich vermute, dass hier nur die Möglichkeit des "freikaufens" griff. Da später im Mittelalter der Schuldtum noch gängige Praxis war müssen selbst in der Blütezeit ROMs noch das Problem der eigenmächtigen Schuldeintreibung vorgeherrscht haben. Aber es wäre schon sinnvoll, wenn man hierzu einen entprechenden zielführenden Link im Internet finden könnte.
 
Man spricht beim römischen Reich in Filmen häufig von der Option des "Freikaufens" - das deckt sich teilweise mit einigen Anmerkungen. Es ist schon interessant, daß bei all den vielen TV-Dokus. diese Thematik noch nicht behandelt wurde; gerade weil das römische Reich sich doch einer prosperierenden Wirtschaft rühmte. Um hier weiter zu kommen müsste man mehr über die römische Rechtsprechung wissen.

"Freikaufen" ist eine Option in der Sklaverei. Die Freilassung eines Sklaven war mit einer Steuer belegt, zwischen 5-10% des Wertes des Sklaven (Einkaufswert oder Nutzwert ist nicht bekannt). Wieviel der Sklave sparen musste - wenn er überhaupt in einer Situation war, Geld verdienen zu können - hing aber auch davon ab, wieviel der Herr als "Freikaufpreis" ansetzte. Bei Petronius z. B. klingt an, dass der Kaufpreis plus der Freilassungssteuer der "Freikaufpreis" war - zumindest bei einem Herrn, der nichts dagegen hatte.
Durch den Freikauf wurde man auch nicht frei, sondern war automatisch Familienangehöriger des Herrn und musste ihn unterstützen, hatte aber auch Anrecht auf sein "Patronat" z B. vor Gericht. Eine ernste Sache also, die nicht leichtfertig und per Handschlag gemacht werden konnte.
 
Soweit ich mich erinnere, hat bereits ein frührepublikanisches Gesetz die Schuldknechtschaft verboten, als größere Anzahlen verschuldeter Kleinbauern in ebendiese gerieten.
Ich kann mich daran erinnern, bei mehreren antiken Autoren von Zwangsversteigerungen gelesen zu haben: da kam dann die gesamte mobile und immobile Habe unter den Hammer, um einen Ausstand zu beheben. Was eintrat, wenn damit der Ausstand noch nicht gedeckt war, weiß ich nicht.

Am Monatsersten wurden in Rom auch die Mieten eingetrieben und wer nicht zahlen konnte, auf die Straße gesetzt, was Martial in seinen Epigrammen beschreibt. Die Mieten in der Ewigen stadt waren schon damals horrend. Die Wohnung war um so billiger, je höher sie lag. Sulla mußte als junger Mann 3000 Sesterzen und sein Nachbar über ihm, ein Freigelassener 2000 Sesterzen Miete im Jahr an den Hauswwirt zahlen.
 
Sehr geehrte Forenteilnehmer,

... der rege Handel der zw. ROM und den angeschlossenen Provinzen sich entwickelt hat ist mittlerweile sicherlich gut belegt. Aber worüber sich die
Geschichtsquellen ausschweigen ist die Frage, wie die römische Stadt mit
privaten Insolvenzen umging.

Sicherlich sind derartige Probleme
teilweise durch Bürgschaften kompensiert worden, aber dass haben wahr-
scheinlich längst nicht alle so hinbiegen können. Das es ein ordentliches
Finanzgericht gab halte ich für unwahrscheinlich, trotzdem muss es doch
hierzu auch gesetzliche Regelungen gegeben haben die für die Bürger ROMs
als Orientierung geeignet waren. Sind Quellen überliefert, die über diesen
Sachverhalt entsprechend Auskunft geben ...

Ja es gibt sie:
"Codex Iustinianus" oder "Justinianisches Digest" aus der Spätromzeit.
Früher "Gaii Institutiones"

Und aus den Anfängen Roms das "Leges duodecim tabularum" um 450 v.Chr. In deren Tabula III wird zum Schuldrecht folgendes vermerkt:
Einer Person die gesteht, Geld zu schulden, oder dazu verurteilt wurde, müssen 30 Tage gegeben werden um die Schuld zu bezahlen.
Danach kann ihn der Gläubiger festnehmen und vor Gericht stellen. Ist dieser mit dem Urteil nicht befriedigt und gibt es keine Bürgen für ihn, kann der Gläubiger den Angeklagten in 15 Pfund schwere Ketten legen, jedoch nicht schwerer, aber leichter, wenn er es wünscht. Der Schuldner darf leben wo er will. Ist er nicht auf sich selbst gestellt, hat der Gläubiger ihm einen Pfund Weizen pro Tag zu geben. Oder mehr, wenn er das wünscht.


Bücher dazu:
M. Kaser, Das Römische Privatrecht, 2 Bde., 1. Abschnitt: Das altrömische, das vorklassische und das klassische Recht, 2. Abschnitt: Die nachklassischen Entwicklungen, Handbuch der Alertumswissenschaft (HdA), München 1971 2 und 1975 2.
Bürge, Alfred, Römisches Privatrecht, Darmstadt 1999

Und wer ausgiebig Latein kann, schaut hier:
::: The Roman Law Library ( Last Update : February 4, 2008 )
 
Die Institutionen des Gaius sind Teil eines Lehrbuches, das Eingang in den Codex fand. Wie eigentlich fast alles aus dem Codex ist natürlich älter als selbiges. Das haben Codices meist so an sich.
Zum Kaser kann man dagegen getrost raten. Allerdings würde ich dann doch zu einer aktuelleren Fassung greifen. Die beiden genannten Quellen sind dann doch etwas alt.
 
Die Institutionen des Gaius sind Teil eines Lehrbuches, das Eingang in den Codex fand. Wie eigentlich fast alles aus dem Codex ist natürlich älter als selbiges. Das haben Codices meist so an sich.
Zum Kaser kann man dagegen getrost raten. Allerdings würde ich dann doch zu einer aktuelleren Fassung greifen. Die beiden genannten Quellen sind dann doch etwas alt.

Sind neuere Quellen besser als alte Quellen?
 
Unter Umständen ja. Es ist nicht so, daß die Wissenschaft vom römischen Recht zum Abschluß gekommen sei und seit den 70er Jahren keine neuen Erkenntnisse oder Bewertungen zu verzeichnen gewesen wären.
Die jüngste mir bekannte Fassung ist von Kaser/Knütel, wenn ich nicht irre.
 
Zuletzt bearbeitet:
ergänzende Hypothese

Die Erfahrungen im Laufe der Zeit zeigen deutlich, dass
Gesetzeseinführungen und spätere Novellierungen ein
Ergebnis von gesellschaftlichen Defiziten waren. Es ist
daher zu vermuten, das es auch im römischen Reich eine
Phase gegeben haben muss das "uneintreibbare Schulden"
überhand genommen haben müssten.

Gibt es vielleicht historische Quellen, die diese Vermutung
stützen. Es ist ohnehin auffällig, dass solche ALltagsprobleme
in der Fachliteratur sehr stiefmütterlich behandelt wurden.
Jedenfalls kenne ich keine QUelle die auf die von mir an-
gesprochene Thematik je konkret eingegangen ist.
 
Die Erfahrungen im Laufe der Zeit zeigen deutlich, dass Gesetzeseinführungen und spätere Novellierungen ein Ergebnis von gesellschaftlichen Defiziten waren. Es ist daher zu vermuten, das es auch im römischen Reich eine Phase gegeben haben muss das "uneintreibbare Schulden" überhand genommen haben müssten.

Entschuldige bitte, aber ich kann keinen kausalen Zusammenhang zwischen diesen Sätzen erkennen.
 
Es ist ohnehin auffällig, dass solche ALltagsprobleme in der Fachliteratur sehr stiefmütterlich behandelt wurden.
Jedenfalls kenne ich keine QUelle die auf die von mir angesprochene Thematik je konkret eingegangen ist.

In der Tat, zumal in den Fragen zum Wirtschaftssystem sind viele noch offen oder nur unklar beantwortet. Wie z. B. der Staat als Importeur von Getreide oder Öl auftrat im Zusammenhang der Tributzahlungen der Provinzen.
Was für eine Rolle Tauschwirtschaft einnahm merkt man daran, dass die Wirtschaftsmacht Karthago erst im Verlauf des 1. punischen Krieges allmählich ein Münzsystem einführte - offensichtlich, um die Söldner zu bezahlen (der folgende Söldnerkrieg stellt sich in diesem Kontext auch anders dar). Tacitus beschreibt Schwierigkeiten beim Tauschhandel mit Germanen, die silberne Gefäße so wenig achten wie tönerne. Also: richtige Probleme beim grenzüberschreitenden Geschäftemachen.
Und natürlich auch beim Abschätzen des "realen Werts" mancher Dinge; Sueton empört sich auch über "Verkäufe" der Cäsaren, bei denen wertloser Kram wehrlosen Leuten zu Irrsinnspreisen aufgedrückt wurde.
 
Im etwas älteren Werk von Rostovtzeff zu Gesellschaft und Wirtschaft im Römischen Kaiserreich wird darauf hingewiesen, dass der größte Besitz an gemünztem Geld in der Hand des Kaisers und seinem Fiskus gelegen hat. Die kaiserliche Kasse habe Geld gegen Zinsen verliehen, vergleichbar privaten Geldverleihern und Banken, sie war nach R. "die größte Bank im Reich".

Dabei muss es sich bei den Gläubigern in großem Umfang um Privatschulden gehandelt haben, in Zeiten dringender Not habe der Kaiser eine den Staatsbanken vergleichbare Rolle eingenommen. So werden die deponierte Pensionskasse, diverse Stiftungen eine Verwaltung und anlage der Gelder erfordert haben.

Die Schulderlasse des Fiskus und des Kaisers dürften daher eine wesentliche Rolle gespielt haben, wenn es um Insolvenzgefahren im Römischen Kaiserzeich gegangen ist, als Hauptgläubiger.

Rostovtzeff, Band 1. S. 150 mit Quellennachweisen.
 
Reden wir doch lieber von dem, was es auch wirklich gab: Konkurs.
@silesia
Für das Kaiserreich ist diese Darstellung zutreffend. Allerdings liegen zu diesem Zeitpunkt bereits einige hundert Jahre römisches Recht zurück, in denen es eine Entwicklung hin zu diesem Punkt gab.
 
Zur Ausgangsfrage, ob es in Rom schon eine Insolvenz des Schuldners gab: Auch das römische Recht kannte den Konkurs, den es wahrscheinlich von älteren Rechtsordnungen übernommen hat. Ein Konkursverfahren konnte nach den Regeln des etwa vom 3. Jahrh. v. Chr. bis zum 3. Jahrh. n. Chr. geltenden Formularprozesses aufgrund eines Urteils eingeleitet werden, das ein Gläubiger gegen den Schuldner erstritten hatte. Im Gegensatz zu modernen Insolvenzordnungen setzte der römische Konkurs keine allgemeine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung voraus; die Nichtzahlung einer Schuld aus einem Urteil genügte. Als Vollstreckungsmaßnahme war der Konkurs die Regel; die Einzelvollstreckung eines Gläubigers in einzelne Vermögenswerte des Schuldners kam eher selten vor. Das Konkursverfahren begann mit der Einweisung aller Gläubiger in den Besitz über das gesamte Vermögen des Schuldners. Die Einweisung erfolgte durch den Prätor bzw. den Statthalter. Die Gläubiger wählten daraufhin einen Vermögensverwalter, der notwendige Handlungen, wie den Verkauf verderblicher Güter und den Einzug befristeter Forderungen, zu erledigen hatte. Schließlich wurde das Schuldnervermögen insgesamt versteigert an denjenigen, der den Gläubigern die höchste Quote auf ihre Forderungen bot. Der Meistbietende erhielt das Vermögen und hatte den Gläubigern die gebotene Quote zu zahlen. Das verbleibende Vermögen war sein Gewinn. Anders als unter der heutigen Insolvenzordnung mit der Möglichkeit der Restschuldbefreiung blieben die durch die Quote nicht gedeckten Schulden bestehen; der Schuldner haftete dafür also weiter. Insgesamt betrachtet standen fast ausschließlich die Interessen der Gläubiger im Vordergrund, wie das römische Recht überhaupt in der Vollstreckung mit Schuldnern nicht zimperlich umging. Interessanterweise sind trotz jahrhundertelanger Forschung viele Details unklar oder umstritten.
 
Konkurs und Insolvenz ist nicht dasselbe.
Es ist wohl besser, wenn wir das sprachlich sauber auseinander halten. Ansonsten sind die Ausführungen soweit richtig.
 
Zu obigem Beitrag noch auf freundliche Anregung die Quelle:
Kaser/Hackl: Das römische Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1996, S. 388.
 
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