Kartographie und geographische Orientierung im Römischen Reich

Agricola

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Kartenmaterial? Meinst du so etwas wie die Tabula Peutingeriana? Oder Ptolemaios' Atlas? Das waren keine Werke für den militärischen Gebrauch, für einen Marsch durch's Gelände wären diese völlig unbrauchbar gewesen.


Die Frage ist, ob die Römer überhaupt so etwas wie militärisch brauchbare Karten hatten. Und seien sie nur regionaler Natur gewesen. Oder ob man sich grundsätzlich auf ortskundige Führer und deren Beschreibungen verlassen hat.

Auch diese Analyse zeigt, daß römische Heere größer 3 Legionen ein Problem bekamen: Der letzte Legionär kam erst nach Sonnenuntergang im neuen Camp an.
http://www.bandaarcgeophysics.co.uk/arch/roman_legionary_marching.pdf
 
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Die Frage ist, ob die Römer überhaupt so etwas wie militärisch brauchbare Karten hatten. Und seien sie nur regionaler Natur gewesen. Oder ob man sich grundsätzlich auf ortskundige Führer und deren Beschreibungen verlassen hat.

Hatten wir hier nicht schon einmal so etwas im Forum: Hilfsmittel zur Orientierung im militärischen Bereich bei den Römern?

Edit:
http://www.geschichtsforum.de/f28/k...ht-zweifelhaft-22738/index163.html#post676820
 
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Die Frage ist, ob die Römer überhaupt so etwas wie militärisch brauchbare Karten hatten.

Das war meine Aussageabsicht. Hier wird eine Annahme gemacht, dass es das gegeben hätte, diese Annahme als feststehende Sicherheit dargestellt und auf dieser Grundlage dann diskutiert. Und das stört mich.
 
Richtig, was Germanicus möglich war, sollte Drusus in einem gewissen Umfang auch möglich gewesen sein. M. E. nicht in vollem Umfang, einfach aus dem Grund, weil Drusus noch nicht das gleiche Kartenmaterial zur Verfügung stand, wie das bei Germanicus nach einer 20-jährigen Erkundung und Kartographierung Germaniens der Fall war, und die Bewegung der Legionen für Drusus daher etwas schwieriger zu koordinieren war als für Germanicus.
Da überschätzt Du die Möglichkeiten der antiken Kartographie bzw. auch Geographie ohnehin. Man muss sich nur ansehen, wie völlig voneinander abweichende Angaben antike Geographen sogar zu bekannten Gegenden machten, vor allem was Entfernungen betrifft. (Um nur ein simples Beispiel zu nehmen: Eratosthenes gab die Entfernung von Epidamnos bis Thessalonike mit 900 Stadien an, Polybios mit 2000. In Wahrheit sind es etwa 1500.) Da kann man nicht erwarten, dass die Römer nach 20 Jahren ein exaktes und zuverlässiges Bild von Germanien - sei es in Form von Karten, sei es in Form von Beschreibungen - hatten.
 
Ich denke nicht, dass der römische Militärapparat sich bezüglich der geographischen Orientierung auf mündliche Überlieferungen verlassen hat, Beweise für eine römische Militärkartographie habe ich freilich nicht.
 
Da überschätzt Du die Möglichkeiten der antiken Kartographie bzw. auch Geographie ohnehin. Man muss sich nur ansehen, wie völlig voneinander abweichende Angaben antike Geographen sogar zu bekannten Gegenden machten, vor allem was Entfernungen betrifft. (Um nur ein simples Beispiel zu nehmen: Eratosthenes gab die Entfernung von Epidamnos bis Thessalonike mit 900 Stadien an, Polybios mit 2000. In Wahrheit sind es etwa 1500.) Da kann man nicht erwarten, dass die Römer nach 20 Jahren ein exaktes und zuverlässiges Bild von Germanien - sei es in Form von Karten, sei es in Form von Beschreibungen - hatten.

Wie gesagt, das ist alles eher meine persönlich Abschätzung, ich denke aber schon, dass es den Römern möglich war, Orte und die Entfernungen bzw. Marschzeiten zwischen diesen Orten zueinander in Relation zu setzen.
 
Ich denke, wir sollten hier unterscheiden, zwischen der Geographie im Großen, etwa eine Europakarte, und im Kleinen, wie das Rhein-Main-Gebiet.

Römische Kartographen konnten den Breitengrad ganz gut vermessen, aber mit dem Längengrad hatten sie ein massives Problem. Genaue Uhren für diese Messung gab es erst im 18ten Jhdt. und auch Mondtabellen hätten wohl mangels genauer Instrumente wenig genutzt.

Ganz anders sieht es auf kurze Entfernungen aus. Die Römer haben den Limes in Deutschland teilweise kerzengerade über 50km und mehr durch die Wälder gezogen mit einer Abweichung von unter 1 Meter von der Ideallinie. Ähnliche Leistungen haben sie mit ihren Aquaedukten und Strassen vollbracht. Es wäre ihnen also sehr wohl möglich gewesen eine Region auf den Meter genau zu vermessen. Die Amerikaner haben nach dem Bürgerkrieg mit fast gleichen Mitteln Meter für Meter ihre Nordgrenze von den großen Seen bis zum Atlantik vermessen.

In Feindgebiet, haben sie das sicher nicht gemacht. Aber Germanien war lange Zeit kein Feindgebiet. Zumindest das Gebiet der Lippe und Andere könnten sehr genau kartographiert gewesen sein.

Andererseits waren römische Kataster, etwa in Gallien, nach meinem Verständnis keine maßstabsgerechten Karten sondern hatten eher den Charakter von Listen. Da schlug wohl der römische Pragmatismus zu: nicht mehr machen als notwendig.

Römische Landvermesser, hätten etwa von Antiochia die Küste entlang nach Tingis laufen können und unterwegs die Längen und Breiten quasi Meter für Meter bestimmen können. Aber wozu hätten sie das tun sollen?
 
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Ich denke nicht, dass der römische Militärapparat sich bezüglich der geographischen Orientierung auf mündliche Überlieferungen verlassen hat, Beweise für eine römische Militärkartographie habe ich freilich nicht.

Man möge mich berichtigen, aber m. W. ist die einzige, in einer ma Abschrift überlieferte "Karte" aus der Antike die Tabula Peutingeriana ? Wikipedia. Allerdings auch keine Karte im heutigen Sinne, sondern eine schematische Darstellung, die man am ehesten mit heutigen U-Bahn-Plänen vergleichen könnte.

Ansonsten gibt es einiges an Itinerar ? Wikipedia, die auf bekannte Strecken bezogen, die Entfernungen zwischen einzelnen Stationen angeben, erinnert mich ein wenig an die Streckenpläne von Buslinien mit den Fahrtdauern in Minuten zwischen den Haltestellen.



Andererseits waren römische Kataster, etwa in Gallien, nach meinem Verständnis keine maßstabsgerechten Karten sondern hatten eher den Charakter von Listen. Da schlug wohl der römische Pragmatismus zu: nicht mehr machen als notwendig.

Da beziehst Du Dich wahrscheinlich auf die Römische Katasterpläne von Orange ? Wikipedia (da habe ich selbst vor vielen Jahren schon staunend davor gestanden - viel Eintrittspreis im Musée für wenig Katasterplan:weinen:).

Für Rom gibt es auch noch die Fragmente eines Grundrißplans: Forma Urbis Romae ? Wikipedia

Römische Landvermesser, hätten etwa von Antiochia die Küste entlang nach Tingis laufen können und unterwegs die Längen und Breiten quasi Meter für Meter bestimmen können. Aber wozu hätten sie das tun sollen?

Gute Frage!

Das war meine Aussageabsicht. Hier wird eine Annahme gemacht, dass es das gegeben hätte, diese Annahme als feststehende Sicherheit dargestellt und auf dieser Grundlage dann diskutiert. Und das stört mich.

Guter Punkt!




Hatten wir hier nicht schon einmal so etwas im Forum: Hilfsmittel zur Orientierung im militärischen Bereich bei den Römern?

Edit:
http://www.geschichtsforum.de/f28/k...ht-zweifelhaft-22738/index163.html#post676820

Vielleicht könnten wir die Kartenfrage in ein Thema zur antiken Kartographie auslagern. Da haben wir doch schon einiges, über Ptolemäus mit seinen Werken haben wir schon häufiger diskutiert.
 
Auch auf dieser Karte fällt vor allem auf, was bei allen antiken geographischen Darstellungen auffällt: dass die Maeotis (das Asowsche Meer) viel zu groß dargestellt wird - und das, obwohl die Gegend den Griechen aufgrund der dortigen Griechenstädte und ihrer regen Handelsaktivitäten im Schwarzmeerraum genau bekannt sein musste. Da kann man nicht zuverlässige geographische Kenntnisse über das wenig bekannte Germanien erwarten.
 
Läßt sich ein Konsens dergestalt zusammenfassen, dass

- man unterschiedlich skalierte, zweidimensionale Kartenwerke ausschließen kann?

- "unterhalb" dessen mündliche oder schriftliche Hilfsmittel der groben Orientierung bestanden haben (Wegbeschreibungen, einfache Skizzen, Informanten (wie bei Cäsar?) etc.)
 
- "unterhalb" dessen mündliche oder schriftliche Hilfsmittel der groben Orientierung bestanden haben (Wegbeschreibungen, einfache Skizzen, Informanten (wie bei Cäsar?) etc.)
Diesen Punkt würde ich eindeutig bejahen. In der Praxis wichtig waren vor allem Entfernungsangaben (z. B. zwischen verschiedenen Städten), um Märsche richtig planen zu können. Für die exakte örtliche Topographie auf dem Marsch verließ man sich wohl vor allem auf ortskundige Führer und Aufklärer.
 
und etliche militärische Erfahrungswerte (Marschweite, Aufklärungs- und Spähtrupps etc)

Genau, Dank für die Ergänzung, ebenso an Ravenik.:winke:

Dazu noch in Ergänzung eine vielleicht interessante Argumentation von Mattern, Rome and the Enemy:

"The practical tools available to generals were mainly the itineraries compiled by the army; travelers could use the periploi composed by merchants, where these existed. Scaled maps probably were not used or perceived as useful for military or strategic purposes. While the argument from silence is always suspect for antiquity, it is striking that no author of any tactical treatise and no historian of antiquity including Caesar mentions maps in a military context or even, virtually, at all."
 
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Heute mag man über Caesars Landschaftsbeschreibungen lächeln, für den Leser waren das die relevanten geografischen Informationen. Dass die Römer zu exakten Vermessungen auch über große Distanzen fähig waren, zeigen Wasserleitungen und nivellierte Strassen mit Meilensteinen (und militärische Befestigungs- bzw. Belagerungsanlagen); eine zivile Gebrauchskartografie auf regionalem Niveau war aber schlicht nicht notwendig, weil die komplexe Infrastruktur fehlt: Stadttore haben die Zielorte als Namen, Dörfer liegen an einer, höchstens an zwei Straßen; oft genug finden wir in antiken Erzählungen Wanderer, die nach dem Weg fragen.
Ich habe mir selber mal den Spass erlaubt, eine Wanderung von Frankfurt nach Montabaur nicht mit einer Karte, sondern einem Itinerar zu unternehmen (zumindest auf der ersten Strecke ist der Weg einfach zu komplex), das ging ganz gut.
 
Stadttore haben die Zielorte als Namen,
So ähnlich ist das heute auch noch, bloß dass heute oft (Ausfall-)straßen in einem Ort nach dem Ort oder auch Land benannt sind, in dessen Richtung sie führen. Freilich sind die Zielorte oft recht weit weg und kommt man nicht unbedingt wirklich dorthin, wenn man der Straße folgt. (In der Antike war das aber auch nicht anders. Z. B. gab es in Messene ein "Tegeatisches Tor", obwohl zwischen Messene und Tegea noch Megalopolis lag.)
 
Dazu noch in Ergänzung eine vielleicht interessante Argumentation von Mattern, Rome and the Enemy:

"The practical tools available to generals were mainly the itineraries compiled by the army [...]"
Der klassische Itinerar hat einen entscheidenden Nachteil: Er beschreibt isoliert eine Route, Entfernungsangaben sind relativ zum Routenverlauf, nicht absolut zu fixen Geländepunkten; für Richtungsangaben gilt im Prinzip das selbe. Abweichungen von der beschriebenen Route, das Wechseln zwischen und Kombinieren von Routen ist damit nicht wirklich planbar. Nicht mal getrennte, parallel versetzte Marschsäulen außerhalb Sichtweite läßt ein Itinerar zu. Ein während des Vormarschs verfasster Itinerar dient beim Rückmarsch nur dann der Orientierung, wenn ich die selbe Route wähle. Und: Wenn ich als Feind sehe, dass die Legionen stur immer auf der selben vorgegebenen Route vorrücken, eröffnet mir das für den nächsten Feldzug der Römer in meinem Gebiet ausgezeichnete Möglichkeiten für einen Hinterhalt oder zur Auswahl und Vorbereitung eines mir genehmen Schlachtfeldes. Ob die römischen Feldherren mit all dem so zufrieden waren? Zumal zumindest im zivilen Einsatz grundlegende geodätische Verfahren wie die Triangulation sicherlich angewandt worden sind beim Planen einer Straße, eines Aquädukts oder Tunnels, und irgendwann sicherlich irgendjemandem aufgefallen sein muss, dass nach der selben Methodik auch für eine Legion der kürzeste Weg von A nach B errechenbar wäre.
 
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