KLivius 2. Punischer Krieg

name

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Hallo,

gibt es einen kritischen Kommentar zu Livius (so wie beispielsweise Walbank zu Polybios)? Besonders wichtig sind mir dabei die Bücher, die sich mit dem 2. Punischen Krieg beschäftigen
 
Quellen Kritik

"Moderne Historiker" äußern viel Kritik an den Quellen zum 2. Punischen Krieg. Fast alle sehen die Berichterstattung einseitig zu Gunsten der Römer verfälscht. Am weitesten geht dabei Seibert "Hannibal", und "Forschungen zu Hannibal" er sieht vieles als von Livius verfälscht und bringt auch seine eigene Darstellung der Ereignisse, hat das ausführlichste Quellenverzeichnis und begründet auch seine Darstellung. Ob allerdings alles so richtig ist wie Seibert es darstellt, ist schwer zu prüfen.
Beispielsweise gibt Seibert einen anderen Verlauf der Schlacht am Metaurus. Leitet diesen aus der Quellenkritik ab, hat aber seinerseits keine Quellen als Beweis für seine Darstellung. Er zeigt meist auf, dass es nicht so gewesen sie kann, wie in den Quellen und zieht dann logische Schlüsse um so zu seiner "Wahrheit" zu gelangen.
Huss " die Karthager", und Barcelo "Hannibal" sind ebenfalls quellenkritisch, Huss ist pro karthagisch, aber sachlich.
Einen direkten Anti Livius kenne ich nicht, alle Quellen bekommen Kritik.
 
Hallo Udo,

Quellenkritik ist natürlich das Handwerkszeug des Historikers. Dabei heißt Quellenkritik aber nicht automatisch, dass man die Quellen per se als falsch darstellt. Man unterscheidet in innere und äußere Q-Kritik, in die äußere Q-Kritik gehört beispielsweise auch die Überlieferung der Quelle, in die innere Q-Kritik neben vielem anderen Verfasser und Adressat.
"Name" fragt nach einer kritischen Ausgabe von Livius zu den Bänden des Zweiten Punischen Krieges. Eine kritische Ausgabe heißt nicht zwingend, dass es einen q-kritischen Kommentar gibt, obwohl das meist und idealerweise der Fall ist.
In einer kritischen Ausgabe findet man beispielsweise mehrere Varianten, ein stemma (das ist ein Stammbaum der verschiedenen Varianten mit dem man versucht eine Version der Quelle wiederherzustellen, welche dem Originaltext am nächsten kommt, das geht natürlich nur bei der entsprechenden Menge an überlieferten Texten). Im kritischen Apparat stehen dann Anmerkungen über verschiedene Schreibungen von Varianten, Konjekturen, Emendationen etc.
 
Die genannten Autoren stellen auch nicht die Quellen grundsätzlich als falsch dar. Sie benutzen die Quellen um daraus den Verlauf des 2. Punischen Krieges abzuleiten. Aber alle diese Autoren unterstellen den noch existierenden Quellen eine Pro Römische Tendenz.
Huss betrachtet die Dinge aus des Sicht Karthagos, spricht zum Beispiel vom 2. Römischen Krieg nicht vom 2. Punischen Krieg.
Er nimmt sich einige Schlachten in Italien, die Hannibal laut Livius verlor, zeigt dass es so nicht stimmen kann bezeichnet die Quellendarstellung als römische Propaganda und spricht dann von einem Sieg Hannibals in der entsprechenden Schlacht.
Alle oben genannten Autoren kritisieren Livius Darstellung des Krieges in Spanien, wo Karthago in den Jahren 215 und 214 (laut Livius) horrende Verluste an Soldaten erleidet. Alle kritisieren diese Zahlenangaben als zu hoch und unrealistisch.
Seibert geht aber viel weiter; er stellt fest: Wir haben für die Jahre 215 und 214 über den 2. Punischen Krieg in SPANIEN keine zuverlässigen Quellen und verwirft Livius Darstellung damit total.
Das ist nur mal ein kleine Zusammenfassung einiger Punkte aus diesen Büchern zum 2. Punischen Krieg, man könnte ein eigenes Buch verfassen allein über die Punkte wo diese Historiker von den Quellen abweichen, angefangen von der Kriegsschuldfrage, dann über Hannibals Verluste bei der Alpenüberquerung. Insbesondere Barcelo hat ja versucht Hannibals Alpenüberquerung nachzustellen. Er ist mit einigen Kollegen, selber "auf Hannibals Pfaden" über die Alpen marschiert.
Die Überschrift über meinem letzten Beitrag mag wohl irreführend sein. Ich wollte nur einen kurzen Überblick über die Sichtweise moderner Autoren bringen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch wenn die Lehre von den Kleinen Heereszahlen auf ihn zurückgeht, haben diese Autoren nicht die Aussagen Delbrücks zu Schlachtberichten und zur Rekonstruierbarkeit von Schlachten zur Kenntnis genommen?

In Dieter Flach, Römische Geschichtsschreibung, Darmstadt 1998 (Erstauflage 1985 als Einführung in die römische Geschichtsschreibung) wird der handwerkliche Hintergrund antiker Schlachtbeschreibungen erläutert.
 
Die genannten Autoren stellen auch nicht die Quellen grundsätzlich als falsch dar.
Das will ich meinen.
Aber alle diese Autoren unterstellen den noch existierenden Quellen eine Pro Römische Tendenz.
Die noch existierenden Quellen haben definitiv eine prorömische Tendenz, das fällt ins Auge, wenn man sie liest. Und wir kennen ja zumindest dem Namen nach einige der Quellen, die eine prokarthagische Darstellung verfochten - nur sind diese nicht auf uns gekommen.

Huss betrachtet die Dinge aus des Sicht Karthagos, spricht zum Beispiel vom 2. Römischen Krieg nicht vom 2. Punischen Krieg.
Das ist ein persönlicher Gusto Huss', mit einem leicht nickeligen Einschlag. Natürlich sind die punischen Kriege, zumindest der zweite und dritte aus karthagischer Sicht römische oder italische Kriege. Wenn man sich neutral äußern möchte, sollte man mindestens beide Kriegsparteien benennen, ansonsten bei den etablierten Begriffen bleiben, um einfach die Kommunikationsfähigkeit zu erhalten. Ein kritischer Umgang mit etablierten Begriffen ist sinnvoll, aber mit einer radikalen Begriffsumkehr ist niemandem geholfen, da reden am Ende alle aneinander vorbei.

Er nimmt sich einige Schlachten in Italien, die Hannibal laut Livius verlor, zeigt dass es so nicht stimmen kann bezeichnet die Quellendarstellung als römische Propaganda und spricht dann von einem Sieg Hannibals in der entsprechenden Schlacht.
Wenn seine Argumente dafür gut sind und quellenimmanente Widersprüche aufdecken, dann kann er das gerne machen.

Seibert geht aber viel weiter; er stellt fest: Wir haben für die Jahre 215 und 214 über den 2. Punischen Krieg in SPANIEN keine zuverlässigen Quellen und verwirft Livius Darstellung damit total.
Dass er das tut, erscheint zunächst einmal radikal. Auch hier ist wieder zu fragen, welche Argumente er dafür vorbringt. Nicht dass ein Wissenschaftler eine Auffassung hat, ist von Interesse, sondern vielmehr, wie er zu dieser Einschätzung kommt.

Aber dem Fragesteller geht es eigentlich um etwas anderes.
 
Das will ich meinen.

Aber dem Fragesteller geht es eigentlich um etwas anderes.

Das mag sein, aber es gibt nach meinem Wissen keinen direkten "Antilivius" zum 2. Punischen Krieg. Zumindest nicht als frei verkäufliches Buch. Vielleicht als Doktorarbeit?
Die genannten Autoren würden aber den entsprechenden Kritischen Ansatz erfüllen, so dass man sich dort die passenden Sachen heraussuchen kann.

Vielleicht sagt "Name" selber was dazu.
 
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