Landschaftliche Veränderung in Rätien

Cellnot

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Hallo zusammen,

mich würde interessieren, wie sich die Landschaft südlich und nördlich des rätschen Limes durch die Besatzung Roms entwickelt hat. Wie groß waren die Auswirkungen durch die Rodung? Verschwand der Wald in ähnlichem Ausmaß wie heute?

Ich würde mich freuen, wenn ihr Infos oder Links zu diesem Thema hättet!

Gruß
Steffen
 
Es gibt Eiskernbohrungen in Grönland, die nachweisen, daß die Luftverschmutzung zu römischer Zeit ein Ausmaß hatte, das erstmals wieder durch die industrielle Revolution erreicht wurde.

Die Römer haben abgeholzt und verfeuert was das Zeug hält. Holz war der primäre Brennstoff, dazu kam die Holzkohle für die Produktion und Holz als Baustoff. Historiker nehmen an, daß die massiven landschaftlichen Veränderungen in Nordafrika und Kleinasien, neben klimatischen Veränderungen, auf diesen Raubbau zurückgeführt werden können.

Die großen Produktionszentren in Germanien waren aber eher in der Germania inferior zu finden. Auch nimmt man an, daß rechtsrheinische Germanen hier als Zulieferer tätig wurden. Zu Raetien habe ich in diesem Zusammenhang aber noch Nichts gelesen.

Es gibt aber einige Historiker und Archaeologen mit einem Forschungsschwerpunkt Raetien. Die müsste man mit Google eigentlich finden können.
 
Es gibt Eiskernbohrungen in Grönland, die nachweisen, daß die Luftverschmutzung zu römischer Zeit ein Ausmaß hatte, das erstmals wieder durch die industrielle Revolution erreicht wurde.
gibt es dazu irgendwo gut lesbare Zusammenfassungen?
von der antiken Luftverschmutzung höre ich zum erstenmal - bzgl. Wasser war mir bekannt, dass Flüsse und Flüßchen im röm. Imperium ungern für Frischwasser genommen wurden (weil verschmutzt) und stattdessen die imposanten Frisch/Quellwasserleitungen gebaut wurden

die römischen Rodungen: betraf das nicht auch das heutige "jugoslawische" Karstgebirge, welches abgeholzt wurde?
 
gibt es dazu irgendwo gut lesbare Zusammenfassungen?
von der antiken Luftverschmutzung höre ich zum erstenmal - bzgl. Wasser war mir bekannt, dass Flüsse und Flüßchen im röm. Imperium ungern für Frischwasser genommen wurden (weil verschmutzt) und stattdessen die imposanten Frisch/Quellwasserleitungen gebaut wurden

die römischen Rodungen: betraf das nicht auch das heutige "jugoslawische" Karstgebirge, welches abgeholzt wurde?

Den Hinweis fand ich öfters in Monographien zur römischen Wirtschaftsgeschichte. Dort gibt es dann sicher auch eine weiterführende Fußnote zu Grönland. Hab sie mir aber leider nicht notiert.

Kroatien wurde von den Venezianern für ihre riesige Flotte abgeholzt. Obwohl die römischen Kolonien in Dalmatien sicher bereits damit angefangen hatten. Dalmatien war in der hohen Kaiserzeit das Florida der Römer. Jede Menge reichere Veteranen, wie die überproportialen epigraphischen Funde zu Ex-Offizieren (Centurio aufwärts) nahelegen. Die konnten sich sicher oft Heizungen leisten. Auch ist von einem guten Ausbau der Thermen auszugehen. Und beide verbrauchten Unmengen an Holz, wie manche Historiker meinen.
 
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die römischen Rodungen: betraf das nicht auch das heutige "jugoslawische" Karstgebirge, welches abgeholzt wurde?

Dalmatien soll in römischer Zeit recht Waldreich gewesen sein und dann regelrecht entholzt.

Auch über den Libanon vor den phöenizischen Hochkulturen und ihrem großen Holzbedarf wird ähnliches berichtet.
 
Es gibt Eiskernbohrungen in Grönland, die nachweisen, daß die Luftverschmutzung zu römischer Zeit ein Ausmaß hatte, das erstmals wieder durch die industrielle Revolution erreicht wurde.
...

Ich lese hier in diesem Unterforum nur mit, mir geht es wie dekumat, von antiker Luftverschmutzung habe ich noch nie etwas gelesen - was nichts heißen muß -.

Wärst Du so freundlich und könntest Du ein paar links zu dem Thema einstellen oder ein Buch/Aufsatz/Studie benennen.

Danke!

M. :winke:
 
Es gibt Eiskernbohrungen in Grönland, die nachweisen, daß die Luftverschmutzung zu römischer Zeit ein Ausmaß hatte, das erstmals wieder durch die industrielle Revolution erreicht wurde.

Die Römer haben abgeholzt und verfeuert was das Zeug hält. Holz war der primäre Brennstoff, dazu kam die Holzkohle für die Produktion und Holz als Baustoff. Historiker nehmen an, daß die massiven landschaftlichen Veränderungen in Nordafrika und Kleinasien, neben klimatischen Veränderungen, auf diesen Raubbau zurückgeführt werden können.

Die großen Produktionszentren in Germanien waren aber eher in der Germania inferior zu finden. Auch nimmt man an, daß rechtsrheinische Germanen hier als Zulieferer tätig wurden. Zu Raetien habe ich in diesem Zusammenhang aber noch Nichts gelesen.

Es gibt aber einige Historiker und Archaeologen mit einem Forschungsschwerpunkt Raetien. Die müsste man mit Google eigentlich finden können.

Wenn ich micht nicht täusche, schreibt M. Junkelmann In seinem Buch "Die Reiter Roms Bd 1 im Kapitel "Das Jagdpferd" dass Italien zur Römerzeit noch dicht bewaldet war. Er erteilt der These eine Absage, dass Römer, Byzantiner und Venezianer Italien abgeholz hätten eine Absage. Diese Rodungen seien erst im 18. Jhd auf das Konto der Briten und Franzosen gegangen, und es hätten Römer und Venezianer eine regenerative Forstwirtschaft kultiviert und hätten Holzeinschläge wieder aufgeforstet.
Hab leider momentan meine Bibliothek nicht zur hand, sonst würde ich noch einmal nachschlagen.
 
mich würde interessieren, wie sich die Landschaft südlich und nördlich des rätschen Limes durch die Besatzung Roms entwickelt hat. Wie groß waren die Auswirkungen durch die Rodung? Verschwand der Wald in ähnlichem Ausmaß wie heute?

Nachdem große Teile der keltischen Bevölkerung im 1. Jh. v. Chr. aus Süddeutschland abgezogen waren, wurden die einstigen Felder mit neuem Pflanzenbewuchs überdeckt. Da jetzt seltener Hochwasser auftraten, konnte in den Augebieten über große Strecken erneut Wald aufkommen. In den Pollendiagrammen dieser Zeit findet man überdurchschnittlich viel Blütenstaub von ausdauernden Unkräutern.

Nach dem Beginn der römischen Herrschaft kam es im 2. und 3. Jh. n. Chr. zur Vernichtung der meisten Auwälder zugunsten des Ackerbaus. Das Eingreifen der Römer in die Natur hatte Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Arten, was besonders die Häufigkeit einzelner Baumarten in den Wäldern betraf. Manche Arten eigneten sich besser als Nutzholz als andere Arten und wurden somit bevorzugt geschlagen.

Als Resumee der römischen Zeit kann man sagen, dass es besonders in Gebieten, die sich für den Ackerbau gut eigneten, zu erheblichen Rodungen kam. Wegen des intensiven Ackerbaus kam es zu schweren Abspülungen an den Hängen; ferner zu einer partiellen Veränderung der Flussläufe sowie zu Ablagerungen in den Flusstälern. Regionen, die vom Klima und Boden her besonders begünstigt waren, veränderten sich. Abwechslungsreiche Landschaften aus Feldern und Wäldern wurden oft zu waldarmen Gebieten. Vielfach blieb der Wald nur an solchen Stellen stehen, die der Bauer nicht pflügen konnte, d.h. an Hängen oder auf mageren Böden. Es gibt viele Pollendiagramme die zeigen, dass der Wald nur deshalb so radikal gelichtet wurde, weil man Ackerboden für einen ausgedehnten Getreideanbau gewinnen wollte.
 
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Danke für die Info! Also kann man die Landschaft durchaus (mit Abstrichen) mit unserer heutigen vergleichen. Wie kommt ihr zu den Pollendiagrammen? Das hört sich echt interessant an.
 
Ich habe zwei unterschiedliche Infos.

1. Bei Weeber - Alltag in der Antike, steht etwas davon, dass die radikale Abholzung nicht unbedingt ein Resultat der Römer sei, sondern eher späterer Zeiten, die über entsprechend technische Möglichkeiten zur großflächigen Abholzung verfügten. Die Abholzung wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt, aber das Aussehen vieler Landstriche im Mittelmeergebiet nicht mit den Römern verbunden.

2. (Ich weiß nicht mehr wo gelesen) Die Vorverlegung des Limes nach Osten soll auch mit der Erschließung neuer Holzquellen in Germanien zusammenhängen, da nicht unbedingt militärisch notwendig.
 
... und es hätten Römer und Venezianer eine regenerative Forstwirtschaft kultiviert und hätten Holzeinschläge wieder aufgeforstet.

Also ich hab 3 Junkelmänner hier rumstehen zum Thema Pferde.

Ich werde vielleicht die Gelegenheit nutzen, diese Bücher nochmals durchzublättern. Aber von "Wiederaufforstung" in römischer Zeit habsch noch niemals was gelesen. Das wäre mir aufgefallen, weil ich mich gefragt habe, warum die Römer etwa in Nordafrika nie auf diese Idee kamen, als sie munter an dem Ast sägten auf dem sie saßen. Sofern es denn damals schon so weit war.

Sollte ich was finden bei Junkelmann, werde ich mir die Fußnote mal näher anschauen. Weil nur weil Einer was schreibt, und weiß wie man Fußnoten macht, heisst noch lange nicht, daß es auch Hand und Fuß hat. ;)

Ich glaube sowas wie Umwelt- und Naturschutz und wenn nur aus ökonomischem Eigennutz war den Römern vollkommen fremd. Das habe sie genau so wenig kapiert wie die Zusammenhänge einer Wirtschafts- und Finanzpolitik, die sie im modernen Sinne nie entwickelt haben, weil die antike Philosophie (Wissenschaft) geschweige denn die römische ihnen hier einfach keinerlei Grundlage bot.

Nee, Wiederaufforstung war jenseits ihres Horizonts, wie auch repräsentative Demokratie, Foederalismus oder Klopapier.
 
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Ich lese hier in diesem Unterforum nur mit, mir geht es wie dekumat, von antiker Luftverschmutzung habe ich noch nie etwas gelesen - was nichts heißen muß -.


Das ist schlüssig. Nicht nur die Unmengen an Keramik die gebrannt wurden, sowohl häusliche (sigillata), zum Transport (Anphoren) zum Bauen (Dach- und Mauerziegel), die Unmengen an Kalk die für ihre Bauwerke gebrannt wurden (besonders für Betonbauwerke wie der Pantheon), die erwähnte Feuerung von Heizungen für Häuser und Thermen und nicht zuletzt ihre Bergbau- und Metallverarbeitende Industrie.

Das sind tatsächlich Masstäbe, die erst zur industriellen Revolution wieder erreicht wurden. Eine Kurve aus einer Bohrkernanalyse in der dieses graphisch dargelegt war habe ich auch mal irgendwo gesehen, leider jedoch nicht mehr parat.
 
Das sind tatsächlich Masstäbe, die erst zur industriellen Revolution wieder erreicht wurden.

Lässt sich das verproben?

Zwischen 1850 und 1880 stieg die Kohlenförderung von rd. 80 auf 220 Mio. Tonnen (nur GB/DR/FRA). Das entspricht grob gerechnet etwa 120 bis 330 Mio. Tonnen (trockenem!) Holz. Sonstige fossile Brennträger kann man außen vor lassen.

Der jährliche Holzzuwachs allein in Deutschland - allerdings ausgehend vom jetzigen Baumbestand, ist der übertragbar oder minimal zugrunde zu legen? - beträgt etwa 110 Mio. Raummeter, also ca. 55 Mio. Tonnen bzw. 30 Mio. Tonnen Trockengewicht (je nach Baumarten).

Wenn es zur Abholzung/insgesamt dem Rückgang von Beständen gekommen ist, muss diese Veränderungsbilanz negativ gewesen sein, also Bestandsminderungen müssen > 55 Mio. Tonnen gewesen sein. Davon kann man allerdings nur einen (Bruch-)Teil für die Verbrennung zugrunde legen, aber auch beim Verrotten wird m.E. CO2 frei.

Das würde tatsächlich -wenn da kein Rechenfehler drinsteckt - in Dimensionen hineinragen, die dem Kohleverbrauch der Industriellen Revolution entsprechen würde. Ganz abgesehen von der jährlichen CO2-Bindung durch nachwachsende Wälder, was dann ebenfalls einzurechnen wäre.
 
Danke für die Info! Also kann man die Landschaft durchaus (mit Abstrichen) mit unserer heutigen vergleichen. Wie kommt ihr zu den Pollendiagrammen? Das hört sich echt interessant an.

Bei den Alemannen spielte der Ackerbau im Vergleich zur Viehhaltung eine geringere Rolle. Deshalb konnte bei Starkregen von weniger Flächen Boden abgespült werden. Außerdem war die Besiedlungsdichte geringer geworden, sodass in den Auen die gefährlichen Überschwemmungen nachließen und eine neue Generation von Bäumen heranwachsen konnte.

Somit kann man sagen, dass erst im hohen Mittelalter das Landschaftsbild entstand, das Süddeutschland bis zum Beginn der Industrialisierung prägte.
 
Lässt sich das verproben?

Zwischen 1850 und 1880 stieg die Kohlenförderung von rd. 80 auf 220 Mio. Tonnen (nur GB/DR/FRA). Das entspricht grob gerechnet etwa 120 bis 330 Mio. Tonnen (trockenem!) Holz. Sonstige fossile Brennträger kann man außen vor lassen.

Der jährliche Holzzuwachs allein in Deutschland - allerdings ausgehend vom jetzigen Baumbestand, ist der übertragbar oder minimal zugrunde zu legen? - beträgt etwa 110 Mio. Raummeter, also ca. 55 Mio. Tonnen bzw. 30 Mio. Tonnen Trockengewicht (je nach Baumarten).

Wenn es zur Abholzung/insgesamt dem Rückgang von Beständen gekommen ist, muss diese Veränderungsbilanz negativ gewesen sein, also Bestandsminderungen müssen > 55 Mio. Tonnen gewesen sein. Davon kann man allerdings nur einen (Bruch-)Teil für die Verbrennung zugrunde legen, aber auch beim Verrotten wird m.E. CO2 frei.

Das würde tatsächlich -wenn da kein Rechenfehler drinsteckt - in Dimensionen hineinragen, die dem Kohleverbrauch der Industriellen Revolution entsprechen würde. Ganz abgesehen von der jährlichen CO2-Bindung durch nachwachsende Wälder, was dann ebenfalls einzurechnen wäre.

Ich behaupte nicht, dass der römische Energieverbrauch so groß wie während der industrielen Revolution in Ihrer vollen Blüte gewesen wäre, sondern dass er höher war, als im Mittelalter oder der vorindustriellen Neuzeit.

Ich werde mal sehen, ob ich die Graphik der Bohrkernanalyse finde
 
Ich wollte auch nicht behaupten, dass Du das behauptet hättest.:winke:

Das Stichwort fand ich interessant, um solche diskutierten Schwankungen in Waldbeständen einzuschätzen. Ich habe auch keine Ahnung, ob die grobe vergleichsweise Schätzung überhaupt plausibel ist.

Auf die Bohrkernanalysen wäre ich aber gespannt, vielleicht findest Du das ja noch.
 
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