Literatur zur Langlebigkeit des römischen Reiches

Werder

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Hallo zusammen,

ich lese gerade Peter Heathers "Die Wiedergeburt Roms". In dem Buch wird zumindest für mich als Laien recht nachvollziehbar beschrieben, warum Nachfolgereiche wie die von Theoderich des Großen oder Karl des Großen nach deren Ableben relativ schnell wieder zerfielen.

Jetzt stellt die Geschichte des römischen Reiches ja genau das Gegenteil dar, nämlich eine extreme Langlebigkeit des Reiches, die vermutlich auch eine der Hauptgründe für das "Faszinosum Roms" ist.

Kann mir jemand Tipps geben, ob es Literatur gibt, die sich mit genau diesem Thema auseinandersetzt?
 
War das römische Reich langlebig? Auf den ersten Blick ja, immerhin überdauerte es mehr als 1000 Jahre, so von 752 - 476. Oder rechnen wir bis 1453? Die Frage ist... War das ein Reich? Ist die Bundesrepublik der Fortsetzer des merowingisch-karolingischen oder des ostfränkischen Reiches? Dann wäre unser Staat auch schon wieder etwa 1600 Jahre alt. Oder sind es doch nur 68 Jahre?
Das von Rom beherrschte Gebiet hat doch im Laufe der Jahrhunderte einige gesellschaftliche Transforationsprozesse erlebt, dass man die Frage stellen kann, ob es sich tatsächlich um einen langlebigen Staat gehandelt habe. Ich würde sie zwar trotz meiner vorherigen Worte eher mit "ja" als mit "nein" beantworten, aber vielleich beantwortet das ja z.T. auch die Frage, warum es wahrescheinlich keine Literatur zur Langlebigkeit des Reiches gibt.
Vielleicht kannst du da ja eine Forschungslücke schließen.
 
Wobei bisher ja auch eher die Frage im Vordergrund stand, warum es unterging. Da wurden dann auch immer stabilisierende Faktoren genannt.

Alexander Demandt, Der Fall Roms - Die Auflösung des römischen Reiches im Urteil der Nachwelt, München 1984 (In der neuen 2. und erweiterten Auflage, München 2014 lesen.)

beleuchtet die verschiedenen Theorien. Hochwissenschaftlich und trocken, dafür das Standardwerk zum Thema. Damit in der Hand kann man vielleicht Faktoren herausarbeiten, warum Rom solange bestand.

Bei einem dürfte man sich heute einig sein. Die Flexibilität Roms war dazu wichtig. Nicht nur das Militär passte sich den Herausforderungen an, auch das Rechtssystem würde ständig weiterentwickelt. Das geschah sogar institutionalisiert. Die Bürokratie war vergleichsweise schlank und damit flexibel. Die angeblich aufgeblähte Beamtenschaft der Spätantike wurde zwar zeitgenössisch so empfunden, war aber immer noch vergleichsweise klein.

Die Machtgruppen waren am Erhält des Reichs interessiert. Als das nicht mehr so war, kam es zum Ende, wie Heather u.a. auch aufzeigt.

Zu der Zeit hatte man das Militär aufgegeben. Römern galt der Dienst als Christen für unzumutbar. Als Alarich vor Rom lag, wurde es einfach nicht verteidigt. Einfach mal mit dem 3. Punischen Krieg vergleichen. Oder, mit Rom in der verzweifelten Position im Zweiten. Dann brachen auch die Einkünfte weg, ohne das noch Reformen der Verwaltung stattfanden.

Auch die Tradition wirkte stabilisierend. Die alten Werte religio, pietas, familia und virtus waren eben so angelegt, dass sie Reformen nicht behinderten und den Staat förderten. Dafür kam es zu Problemen mit dem Christentum, dass schließlich aber eine Erneuerung brachte.

Dann gab es keinen Rassismus, so dass die Gesellschaftliche Basis verbreitert werden konnte. Athen und Sparta reagierten nicht auf den Schwund der Bürger. Rom vermehrte sie. Als das nicht mehr klappte, ...

Alles Punkte, die bei der Diskussion um den Untergang Roms auf die eine oder andere Art eine Rolle spielten.

Die Fragen hängen eben zusammen.
 
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In der Tat kann man mit Büchern zum Untergang eine Bibliothek füllen. Aber ich kenne keine Monographie oder auch nur einen Artikel, der sich explizit mit der Frage beschäftigt, warum das Reich überhaupt so lange existierten konnte. Verwunderlich, denn das Erstaunliche ist ja nicht, daß das römische Reich unterging, sondern daß es so lange gedauert hat. Welches Datum auch immer wir heranziehen.

Ich kenne nur ein Buch, daß diese Frage zumindest indirekt behandelt. Ein Buch zu einer Frage, die in fast Allen Werken zum Untergang Rom auch sträflicherweise unbeantwortet bleibt: Warum ging das oströmische Reich nicht bzw. später unter?

Gerard Friell, Stephen Williams, Friell Gerard
The Rome That Did Not Fall: The Survival of the East in the Fifth Century: The Phoenix in the East
Verlag: Routledge Chapman & Hall; Auflage: Ill (12. November 1998)
ISBN-10: 0415154030
ISBN-13: 978-0415154031

Ich kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Ich halte es sogar für sträflichen Leichtsinn, den Untergang des weströmischen Reiches verstehen zu wollen, ohne dieses Buch über den Osten gelesen zu haben. Und man findet hier auch ein paar Hinweise dazu, was die Langlebigkeit nicht nur des oströmischen Reiches ausmachte.
 
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Gründe für den Bestand des Reiches werden in der Regel in jedem Buch über den Untergang mit angegeben, da deren Schwächung als Grund für den Fall gesehen wird. Da es verschiedene Ansichten zu den Gründen für den Fall gibt, muss man sich den Lieblingsgrund aussuchen oder die verschiedenen Seiten studieren.

Halsall gibt ebenfalls einen ganz guten Überblick, sowie eine interessante Theorie zum Fall des westlichen Reichsteils: "Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568" von Guy Halsall, Cambridge 2007.

Wieso der östliche Teil zunächst bestehen blieb, lag wohl eher an Zufällen vor allem geographischer Art, die eine weitgehend ungestörte, funktionierende Wirtschaft und damit genügend Geldmittel sicherten. Es fällt auf, wie leicht das Konstrukt in großen Teilen zusammenbrach, als die zweite barbarische Welle im 7. Jahrhundert direkt auf die oströmischen Gebiete traf.
 
Wieso der östliche Teil zunächst bestehen blieb, lag wohl eher an Zufällen vor allem geographischer Art, die eine weitgehend ungestörte, funktionierende Wirtschaft und damit genügend Geldmittel sicherten. Es fällt auf, wie leicht das Konstrukt in großen Teilen zusammenbrach, als die zweite barbarische Welle im 7. Jahrhundert direkt auf die oströmischen Gebiete traf.

Es wäre schön, wenn jedes Buch zum Untergang auch Gründe für den Erfolg des Reiches und das Überleben des Ostens angeben würde. Aber genau das ist nicht der Fall! Zumindest nicht hinreichend.

Es lag auch nicht nur an Zufällen, wie der geografischen Lage von Konstantinopel, sondern weit mehr an deutlichen strukturellen Unterschieden.

Ich kann auch weder sehen, daß das römische Reich nach 476 ein "Konstrukt" war, noch dass es im 7ten Jhdt durch eine barbarische Welle unterging. Das antike römische Reich ging für mich endgültig unter, als es Syrien, Ägypten und Africa an die Araber verlor. Weshalb ich die Schlacht am Jarmuk 636 dem eher bedeutungslosen Jahr 476 vorziehe. Nunja, Araber waren Barbaren aus römischer Sicht ;)
 
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Es wäre schön, wenn jedes Buch zum Untergang auch Gründe für den Erfolg des Reiches und das Überleben des Ostens angeben würde.
Man weiß ja nicht einmal wirklich, warum das Reich (zumindest im Westen) unterging, jeder schreibt (zumindest in Nuancen) etwas anderes. Mit den Gründen für den Erfolg und das Überleben würde es wohl noch schlechter aussehen. Mehr als Vermutungen (die nicht unwidersprochen blieben) wäre wohl kaum möglich.

Das antike römische Reich ging für mich endgültig unter, als es Syrien, Ägypten und Africa an die Araber verlor. Weshalb ich die Schlacht am Jarmuk 636 dem eher bedeutungslosen Jahr 476 vorziehe.
Das Reich wuchs und schrumpfte - und wuchs auch wieder. Bekanntlich wurde "Africa" erst im 2. Jhdt. v. Chr. römisch, Syrien und Ägypten erst im 1. Jhdt. v. Chr. Trotzdem begann das antike römische Reich nicht erst da zu existieren. Africa ging im 5. Jhdt. verloren und wurde im 6. Jhdt. wiedergewonnen, wobei es erst im frühen 8. Jhdt. endgültig komplett (Verlust der letzten Besitzungen) verlorenging. Syrien und Ägypten gingen bereits im 3. Jhdt. vorübergehend (an Palmyra) und im frühen 7. Jhdt. (für teilweise immerhin ca. 20 Jahre) an Persien verloren, wurden wiedergewonnen und kurz darauf wieder verloren. (Man könnte ebensogut sagen, dass Syrien und Ägypten bereits durch die persische Eroberung verlorengingen und später nur noch einmal kurz besetzt werden konnten.) Syrien wurde im 10. Jhdt. noch einmal wiedergewonnen und später wieder verloren.
Was ich sagen will: An (territorialen) "Äußerlichkeiten" würde ich das Wesen des Reiches nicht festmachen. Wenn schon, dann eher an der Gräzisierung des Rest-Reiches. Oder wenn schon an Territorien, dann doch wohl eher am endgültigen Verlust der Stadt Rom im 8. Jhdt.
Grundsätzlich gehe ich allerdings von keinem echten Kontinuitätsbruch aus.
 
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Was ich sagen will: An (territorialen) "Äußerlichkeiten" würde ich das Wesen des Reiches nicht festmachen.
Das tue ich auch nicht. Es gibt viele Prozesse und strukturelle Veränderungen die im 7ten Jhdt. kulminieren. Und natürlich einen gewaltigen Kontinuitätsbruch.

Dieser Thread ist aber über Langlebigkeit und nicht über den Untergang. Ohne einen massiven Hijack werden wir das hier nicht ausdiskutieren können.

Es ging mir hier darum der Meinung zu widersprechen, der Osten wäre zufällig langlebiger gewesen als der Westen. Diese lange Zeit gängige, aber oberflächliche Sicht der Dinge sollte man mittlerweile in keinem wissenschaftlichen Werk mehr finden. Dazu war auch der Literaturhinweis weiter oben gedacht.
 
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Das tue ich auch nicht. Es gibt viele Prozesse und strukturelle Veränderungen die im 7ten Jhdt. kulminieren. Und natürlich einen gewaltigen Kontinuitätsbruch.
Sicher unterschied sich das römische Reich im 9. Jhdt. deutlich von dem im 2. Jhdt., aber dazwischen lag ein langer Transformationsprozess mit diversen Zwischenstufen. Um nur ein paar Punkte herauszugreifen: Das Christentum gewann an der Reichsspitze bereits im 4. Jhdt. die Oberhand. Die alte Provinzordnung wurde bereits im 4. Jhdt. durch die Gliederung in Präfekturen, Diözesen und Provinzen mitsamt Trennung von ziviler und militärischer Gewalt abgelöst; die Schaffung von Exarchaten im 6. Jhdt. und die Einführung der Themenordnung im 7. Jhdt. waren später wieder weitere Schritte. Als Volkssprache hatte sich im Osten das Lateinische (abgesehen von Teilen des Balkan) nie durchgesetzt; wann sich auch an der Reichsspitze und in der Armee das Griechische durchsetzte, ist nur in Grundzügen nachvollziehbar, war jedenfalls auch ein längerer Prozess. Die Donaugrenze brach zwar im 7. Jhdt. zusammen, konnte aber im 11. Jhdt. wiederhergestellt werden.
 
Zu der Zeit hatte man das Militär aufgegeben. Römern galt der Dienst als Christen für unzumutbar. Als Alarich vor Rom lag, wurde es einfach nicht verteidigt. Einfach mal mit dem 3. Punischen Krieg vergleichen. Oder, mit Rom in der verzweifelten Position im Zweiten. Dann brachen auch die Einkünfte weg, ohne das noch Reformen der Verwaltung stattfanden.

Das kaum jemand aus den "zivilisierten Provinzen" in das Militär gehen wollte, ist aber ein Problem welches es schon bei den Soldatenkaisern gab. Deswegen waren ja fast alle aus als barbarisch geltenden Provinzen. Fürs Militär konnte sich kaum ein Römer schon vor der Christianisierung begeistern.

Das römische Reich war ja mehrmals schon vor dem eigentlichen Untergang an der Kippe zu verschwinden. Man denke an die Teilung in ein galeo-römisches Reich, das Palmyrer Reich und das Restreich.

Hätte Aurelian Pech gehabt, gäbe es kein Römisches Reich, wenigstens kein Gesamtreich.
 
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Natürlich, nur wurde 410 eben auf das Christentum verwiesen. Auf Gibbon wollte ich nicht hinaus.

Aber wäre Rom wie Karthago verteidigt worden, hätte Alarich einpacken können. Gegen Hannibal wurde ein Heer nach dem Anderen aufgestellt, jetzt nicht mal 1 Legion. Und auch Augustus hatte diesbezüglich schon Probleme. Aber dennoch hat er die Legionen aufgefüllt. Das gehört einfach zu den Dingen die mitverantwortlich für den Untergang sind, aber mit anderen Gesichtspunkten zum langen Bestehen des Reichs beigetragen haben. In diesem Fall ist eine stabile Berufsarmee zu nennen, die die positive Gegenseite der Medaille bildet.

Monokausal ist so eine Entwicklung sowieso nicht zu erklären. Weder der Aufstieg, noch die Dauer, noch Abstieg und Untergang (im Grunde sowohl im Westen als auch im Osten).
 
Wobei Karthago, genau wie Rom in der Spätantike, auf Söldner gesetzt hat. Das Problem bei Söldnern, ist das man Geld haben muss um sie zu bezahlen. Und das war laut Heather wohl einer der Gründe warum das Weströmische Reich untergegangen ist. Und Byzanz hat auch immer wieder zugunsten Roms eingegriffen, aber hier war auch nachher Ebbe in der Kasse, so das keine Heere Richtung Westen gesandt werden konnten. Und zusätzlich mussten die Oströmischen Heere auch noch verstärkt im Osten eingesetzt werden. Da hier der Druck auch langsam aber sicher größer wurde.
 
Die Römer waren in der Spätantike nicht das kriegswillige Bauernvolk welches sie bei dem 2. punischen Krieg noch waren und setzten auf Germanen als Söldner. Diese lösten dann auch den römischen Kaiser ab.

Kriege kosteten auch jetzt und brachten kaum was ein, nachdem man von Expansion zur Verteidigung übergegangen ist. Ich würde sagen wir sollten uns eher wundern, dass das Römische Reich so lange durchgehalten und nicht das es untergegangen ist.
 
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Gezwungenermaßen, dank der Gebietsverluste und Strafzahlungen an Rom, durch den Friedensvertrag mit dem der 2. Punische Krieg beendet wurde. Da hatte Karthargo kein Geld mehr für Söldner.
 
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Eigentlich spielte ich eher auf die letzte Verteidigung an, nachdem die Römer forderten Karthago umzusiedeln.

Für das von mir Gesagte sind die Söldner vollkommen irrelevant. Es war niemand bereit, Rom zu verteidigen.

Natürlich gehören Söldner auch zu dem Komplex, aber es geht mir einfach um einen weiteren Punkt, der zu der Frage gehört. Rom konnte keine Soldaten mehr aufbieten.

@Zoki55: Ob Rom im 2. Punischen Krieg ein Bauernvolk war, könnte das Thema für einen anderen Thread sein.

Und die Kriegswilligkeit hat die Mächtigen eigentlich nie von Einberufungen abgeschreckt. Warum jetzt?

Als das Geld fehlte, hätte man nicht mehr auf Söldner setzen dürfen. Ausbilder hätte der Osten stellen können, der noch ganz anderes für den Westen bewegt hat. Im Nachhinein lässt sich gut sagen, so wäre es nochmal gut gegangen. Mir geht es darum, warum niemand auf die Idee kam, eine Legion auszuheben. Nicht anzuwerben, sondern auszuheben. Das Konzept war ja nicht unbekannt. Das Christentum war da sicher ein Faktor, aber doch nicht der Einzige.
 
Die Zwangs-Aushebung von Truppen bringt nicht viel, wenn es den Einberufenen an Kampfwillen und Risikobereitschaft mangelt. Man kann ihnen Waffen in die Hand drücken und ihnen zeigen, wie man damit umgeht, aber das bringt alles nichts, wenn die Soldaten, sobald es ernst wird, verzagen oder gar die Flucht ergreifen.
 
Ich kann auch weder sehen, daß das römische Reich nach 476 ein "Konstrukt" war, noch dass es im 7ten Jhdt durch eine barbarische Welle unterging. Das antike römische Reich ging für mich endgültig unter, als es Syrien, Ägypten und Africa an die Araber verlor. Weshalb ich die Schlacht am Jarmuk 636 dem eher bedeutungslosen Jahr 476 vorziehe. Nunja, Araber waren Barbaren aus römischer Sicht ;)
Das ist schon irgendwo eine steile These, wenn man die Reiche der Goten, Vandalen, Sueben, Franken und Burgunder mitberücksichtigt. Sicher, es gab, auf Kosten oder Ostgoten und Vandalen eine byzantinische "Reconquista" von Teilen des weströmischen Reichsteils, aber das war ja auch nur von kurzer Dauer. Was unter Belisar restituiert wurde, ging auch bald wieder an Westgoten, Langobarden und Muslime verloren.
 
Die Zwangs-Aushebung von Truppen bringt nicht viel, wenn es den Einberufenen an Kampfwillen und Risikobereitschaft mangelt. Man kann ihnen Waffen in die Hand drücken und ihnen zeigen, wie man damit umgeht, aber das bringt alles nichts, wenn die Soldaten, sobald es ernst wird, verzagen oder gar die Flucht ergreifen.

Bisher hat es funktioniert.
 
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