Noch ein augusteisches Militärlager?

Ashigaru

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Am Freitag kam die neue "Hessen Archäologie" heraus, in der ein 2013-2014 ergrabenes Militärlager in Friedberg von Kreisarchäologe Jörg Lindenthal vorgestellt wurde.
Die Lagergröße wird aufgrund von Grabung und magnetischer Prospektion auf 17 Hektar gerschätzt. Derzeit ist noch gut in google maps die Grabungsfläche der Nordwestecke zu erkennen: 50.342802, 8.742878
Schon jetzt wird allerdings ein Neubaugebiet darauf erschlossen, wobei der südwestlichere Teil des Lagers weiterhin auf Ackerland liegen wird und später einmal ergraben werden kann. Ca. 40-50 Prozent der Fläche sind schon früher überbaut worden.

Es handelt sich um ein Marschlager in Spielkartenform mit einigen für die Wetterau typischen Datierungsproblemen. Wie üblich gibt es sehr wenige Funde, die aber aus der augusteischen und flavischen Zeit stammen! Lindenthal legt dies ausführlich dar, wobei er nach meiner Interpretation die frühe, augusteische Datierung favorisiert.
An Münzen wurde gefunden eine frührömische Aduatuker-Prägung und ein As des Domitian. Eine Scherbe der flavischen Zeit stammt aus der Verfüllung des Grabens. Vor allem aber fanden die Ausgräber 24 Backöfen, die nach Lindenthal vergleichbar seien mit Öfen aus den Marschlagern Holsterhausen und Wallerstädten.

Leider gab es in der Presse fast keine Berichterstattung zu den großflächigen Ausgrabungen, so dass ich hier nur den aktuellen Aufsatz paraphrasieren kann. Der Autor verweist auch auf das nur vier Kilometer entfernte, bisher undatierte Lager "Am Goldstein" in Bad Nauheim, dass nur wenig kleiner war (14 Hektar) und ebenfalls eine Spielkartenform hatte.
 
Jetzt bin ich aber gespannt, wie Domitian in die augusteische Zeit datiert wird.

Gibt es da eine Argumentation oder wird einfach ein Nebenkaiser mit jenem Namen zu Augustus erfunden? ;)
 
Vom neu entdeckten Lager in Friedberg sind es genau 9 Leugen (20 km) Fußmarsch zum Kastell Arnsburg, von dort weitere 10 Leugen (22,2 km) zum Lager Lahnau-Dorlar.

Da am Ort des domitianischen Kastells Arnsburg offenbar zuvor schon einmal ein augusteisches Marschlager bestanden hatte, verwundert es nicht, auch in Friedberg Befunde aus beiden Phasen zu finden.

Nach Süden hin beträgt die Fußmarschdistanz Lager Friedberg–Kastell Hofheim übrigens genau 2*9 Leugen, also 40 km. Die Strecke lässt sich aber mangels einer passenden Eisenbahnunterführung in Hofheim nicht komplett darstellen.
 
Jetzt bin ich aber gespannt, wie Domitian in die augusteische Zeit datiert wird.

Gibt es da eine Argumentation oder wird einfach ein Nebenkaiser mit jenem Namen zu Augustus erfunden? ;)

Zitat: "er könnte während oder nach der Lagernutzung auf dem Gelände verloren worden sein" - zum Domitian-As.

Zur flavischen Scherbe: "Gleiches gilt für einen in die flavische Periode zu datierenden Krughals. Dieser stammte zwar aus dem Lagergraben, allerdings wurde er nicht im Bereich der Sohle, sondern entfernt von dieser in der Verfüllung angetroffen."

Bei der Ofendatierung führt Lindenthal erneut ein ambivalentes Bild an - die Öfen aus Holsterhausen sind aus augusteischer Zeit, die aus Wallerstädten (worüber ich noch nicht viel gelesen habe) seiner Auskunft nach aus vespasianischer Zeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vom neu entdeckten Lager in Friedberg sind es genau 9 Leugen (20 km) Fußmarsch zum Kastell Arnsburg, von dort weitere 10 Leugen (22,2 km) zum Lager Lahnau-Dorlar.

Da am Ort des domitianischen Kastells Arnsburg offenbar zuvor schon einmal ein augusteisches Marschlager bestanden hatte, verwundert es nicht, auch in Friedberg Befunde aus beiden Phasen zu finden.

Nach Süden hin beträgt die Fußmarschdistanz Lager Friedberg–Kastell Hofheim übrigens genau 2*9 Leugen, also 40 km. Die Strecke lässt sich aber mangels einer passenden Eisenbahnunterführung in Hofheim nicht komplett darstellen.

Im Arnsburger Marschlager haben bisher meines Wissens noch überhaupt keine Grabungen stattgefunden, daher kann man auch hier nicht sagen, ob es flavisch oder älter ist. Zum Problem der Wetterauer Marschlager allgemein: es war unstrittig ein Gebiet, das in allen Expansionsphasen im 1. Jahrhundert eine Rolle spielte, und es gibt im größeren Raum Lager (Stand- und Marschlager) aus allen Zeitstellungen, sogar aus der claudischen Epoche (Hofheim, wahrscheinlich auch einige der noch weitgehend unpublizierten Lager aus dem Hessischen Ried). Bei allen Marschlagern innerhalb des Limesbogens wird es sehr schwer zu entscheiden sein, in welche Zeitstellungen sie gehören.


Zu möglichen Lesefunden vermag ich nichts zu sagen.
 
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Im Arnsburger Marschlager haben bisher meines Wissens noch überhaupt keine Grabungen stattgefunden, daher kann man auch hier nicht sagen, ob es flavisch oder älter ist. Zu möglichen Lesefunden vermag ich nichts zu sagen.

Bar genauerer Kenntnisse bezog ich mich auf den Wikipedia-Artikel:

Obwohl bei einem solchen Befund durch fehlende chronologische Kriterien die historische Einordnung problematisch bleibt, wird davon ausgegangen, dass sich die beiden Lager zeitlich ablösten und nur für eine kurzfristige Belegung mit Zelten errichtet worden sind. Die Größe des zweiten Lagers lässt auf eine Belegung mit bis zu 1000 Soldaten schließen, die vermutlich in militärische Unternehmungen in der Wetterau zur Zeit der Germanenkriege unter den Kaisern Augustus und Tiberius zwischen 12 v. Chr. und 16 n. Chr. involviert waren. Unklar sind jedoch die Intensität und das räumliche Ausmaß der kriegerischen Handlungen.
 
Bar genauerer Kenntnisse bezog ich mich auf den Wikipedia-Artikel:

Obwohl bei einem solchen Befund durch fehlende chronologische Kriterien die historische Einordnung problematisch bleibt, wird davon ausgegangen, dass sich die beiden Lager zeitlich ablösten und nur für eine kurzfristige Belegung mit Zelten errichtet worden sind. Die Größe des zweiten Lagers lässt auf eine Belegung mit bis zu 1000 Soldaten schließen, die vermutlich in militärische Unternehmungen in der Wetterau zur Zeit der Germanenkriege unter den Kaisern Augustus und Tiberius zwischen 12 v. Chr. und 16 n. Chr. involviert waren. Unklar sind jedoch die Intensität und das räumliche Ausmaß der kriegerischen Handlungen.

Es ist ja auch möglich. Das Problem liegt darin, dass solche Marschlager auch als Baulager für die Limeskastelle und ihre weiteren Anlagen gedeutet werden könnten. Für Deutschland ist das relativ schlecht erforscht (es gibt eine Reihe von Beispielen, die aber bisher im Vergleich zu den Limeskastellen weniger Betrachtung erfuhren), aber vom Hadrianswall gibt es einige definitive Beispiele.
 
Es ist ja auch möglich. Das Problem liegt darin, dass solche Marschlager auch als Baulager für die Limeskastelle und ihre weiteren Anlagen gedeutet werden könnten. Für Deutschland ist das relativ schlecht erforscht (es gibt eine Reihe von Beispielen, die aber bisher im Vergleich zu den Limeskastellen weniger Betrachtung erfuhren), aber vom Hadrianswall gibt es einige definitive Beispiele.

Interessant, dass Du den Hadrianswall erwähnst. Überhaupt scheint mir England mit der Wetterau recht gut vergleichbar. Beiden gemeinsam ist schließlich auch die zwischenzeitliche Absenz der Römer.

Aus England immerhin ist bekannt, dass nach der Rückeroberung die zuvor genutzten Straßen wieder instand gesetzt wurden – man hat also keine komplett neue Verkehrsinfrastruktur geschaffen, sondern auf das noch Vorhandene aufgebaut.
 
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