Parallelen der Politik

cursus humorum

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Hello!

Inwiefern würdet ihr Parallelen zwischen der Politik im römischen Reich (z.Zt. Augustus) und gegenwärtiger Politik des "Westens" ausmachen - bei allen Unterschieden (v.a. Globalisierung, Kommunikation...)?

- Faktische(r) Machtverteilung / Einfluss
- Rolle der Bevölkerung
- Regierungsstil / Rolle der Politiker
- Kultureller "Imperialismus"

Danke Euch!
Dr. c.h.
 
Oh, da gibt es weitreichende Parallelen! Zum einen die Rolle des Kaisers. In seiner Rolle als "Erster Bürger" ist die jährliche Verleihung der konsularischen und tribunischen Machtbefugnisse eine reine Selbstverständlichkeit, ähnlich wie die Wahl von Merkel oder Kohl alle vier Jahre eine reine Formalität ist.
Eine Sicherung der Grundversorgung der Bevölkerung ("Brot") wird heutzutage stark reduziert (Hartz IV), die Unterhaltung ("Spiele") ist hingegen so anspruchslos dass selbst die Ärmsten das Geld lieber für Internet als für Kabelfernsehen ausgeben (sinkende durchschnittliche Fernsehzeit).
Damals wie heute kommt es darauf an, die richtigen "Berater" in der Nähe von Politikern zu platzieren, um die gewünschten Resultate bekommen zu können. Bestechlichkeit gehörte damals zum guten Ton, heute redet man nicht darüber. Politiker waren damals wie heute in einflussreichen religiösen Organisationen tätig (Priesterschaften) und sorgen dafür, dass es denen gut geht.
Römische Kultur war in erster Linie Infrastruktur, Handel und Adaption lokaler Kulte, das (letzteres) funktionierte auch in beide Richtungen (siehe Elagabalus). Heidi Klum ist auch in den USA ein Begriff.

Bitteschön!
 
Gerade die Globalisierung, die du oben als Unterschied ausschließen möchtest ist durchaus eine Gemeinsamkeit. Rom schuf die erste globaliserte Wirtschaft der Welt mit einer einheitlichen Währung und sah sich sehr bekannten Problemen gegenüber.

Der totale Wahnsinn ohne nennenswerte Wirtschaftspolitik oder Ahnung von Geldpolitik. Ein Wunder, daß Währung und Wirtschaft erst nach fast 300 Jahren zusammenbrachen. Aber man muß abwarten, ob nach 2000 Jahren der zweite Versuch Europas, die EU und der Euro, überhaupt so lange durchhalten.

Was die anderen Punkte angeht, frage ich mich, worauf du hinaus willst?
 
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Silberwährungen oder Goldwährungen sind leichter zu händeln als Papiergeld (hat dafür andere Nachteile).

Die Frage so gestellt kann man nicht beantworten.
 
Inwiefern würdet ihr Parallelen zwischen der Politik im römischen Reich (z.Zt. Augustus) und gegenwärtiger Politik des "Westens" ausmachen - bei allen Unterschieden (v.a. Globalisierung, Kommunikation...)?
Das ist schwierig, ohne an die Tagespolitik anzustreifen. Aber ich will einmal ein paar Dinge anschneiden:

- Faktische(r) Machtverteilung / Einfluss
Da gibt es durchaus Ähnlichkeiten - in der theoretischen Rechtfertigung und den Zielen, nur teilweise in den Methoden. Damals wie heute versuch(t)en Staaten, ihren Einfluss auszuweiten, wobei sich aber weder die Römer noch die heutigen Staaten oder die EU offen zu Imperialismus bekennen/bekannten, sondern hehrere Erwägungen (Hilfe für Verbündete/Freunde etc., Intervention um unerträgliche Zustände zu beenden, ...) vorschützten. Der Unterschied ist, dass die Römer meist zuerst Gesandte schickten, um ihre Wünsche zu artikulieren, und wenn das nichts brachte, die Legionen. Heutzutage sind zumindest die Staaten Europas militärischen Interventionen eher abgeneigt und setzen, wenn Diplomatie nichts bringt, eher auf friedlichere Mittel wie Sanktionen, Unterstützung der Opposition etc. Ein weiterer Unterschied ist, dass fremde Staaten heutzutage nicht mehr unterworfen werden, sondern versucht wird, genehme Regierungen an die Macht zu bringen und sie durch Verträge (Wirtschaftsabkommen, aber auch militärische Beistandspakte) im eigenen Einflussbereich zu halten.

- Rolle der Bevölkerung
Da gibt es die größten Unterschiede: Im römischen Reich war die Masse der Bevölkerung jahrhundertelang schon rein formal von der politischen Teilhabe ausgeschlossen. Die heutigen Staaten des "Westens" hingegen sind Demokratien, in denen die Macht formal vom (ganzen) Volk ausgeht und alle Bürger an der Politik ihres Landes partizipieren können. (Dass die Verfassungsrealität diesem hehren Anspruch nicht ganz gerecht wird, steht auf einem anderen Blatt und wäre vermutlich zu tagespolitisch für eine nähere Erörterung.)

- Regierungsstil / Rolle der Politiker
Schwierig, weil sich die Verfassung der römischen Republik sowie des Kaiserreiches fundamental von der heutiger westlicher Demokratien unterschieden. Z. B. gab es keine Gewaltenteilung und Gewaltenkontrolle im heutigen Sinne, außerdem war Rom keine Demokratie. Ein kleiner Unterschied vielleicht: Heutzutage gehen Politiker offiziell natürlich nur aus hehren Motiven in die Politik, um das Beste für ihr Land zu erreichen. Das war in Rom zwar auch so, daneben aber standen Politiker durchaus auch dazu, dass sie durch ihre politische Betätigung Ruhm erwerben und sich ihrer Ahnen würdig erweisen wollten.

- Kultureller "Imperialismus"
Das kommt darauf an, was man alles darunter versteht. Teilweise waren die Römer zurückhaltender als der heutige "Westen". Sogar in den von ihnen unterworfenen Gebieten versuchten die Römer nur selten, den Untertanen ihre Lebensweise aufzuzwingen. Heutzutage wird auch auf fremde Staaten Druck ausgeübt, die europäischen und/oder amerikanischen "Werte" zu übernehmen und zu leben.
Die Römer assimilierten ihre Untertanen nicht zwangsweise, sondern diese übernahmen vielfach nach und nach freiwillig römische Lebensart und auch Sprache. Wenn man von obigem Punkt einmal absieht, ist das heutzutage großteils auch so. Man wird zwar in vielen Staaten gezwungen, in der Schule Englisch zu lernen, aber ansonsten steht es jedem frei, wie viel oder wenig westliche Kultur er haben möchte. Niemand wird gezwungen, sich amerikanische Filme anzusehen oder Pizza zu essen.
 
Gerade die Globalisierung, die du oben als Unterschied ausschließen möchtest ist durchaus eine Gemeinsamkeit.

Nein, Globalisierung ist ein Begriff der nicht auf einen globalen Handel abhebt, sondern darauf, dass z.B. Produktionstätten durch die Gegend verschoben werden, also dass etwa eine Firma A in Land X ihre Produktionstätten zugunsten preiswerteren Prdouktionsstätten in Land Y aufhebt. Die Lösung einer nationalen Bindung von Unternehmen, das ist Globalisierung. Ursprünglich deutsche Firmen, die mal ins Ausland exportierten, sind längst keine deutschen Firmen mehr sondern globale Unternehmen, die immer neue, preisgünstigere Produktionsstandorte suchen. Insofern sind Übertragungen des Begriffs Globalisierung auf expansionistische Staatsgebilde wie das römische Reich oder das frühneuzeitliche Spanien nicht korrekt.
 
"Globalisierung" - ein schwieriger Begriff.

Ich habe den Begriff versehentlich als zeitliche Kategorie gebraucht. Weil das mittlerweile oft vorkommt und schon abfärbt :autsch:

Ich denke eigentlich bezieht sich "Globalisierung" im allg. auf die globale Vernetzung hinsichtlich Wirtschaft, Kommunikation, Politik.

Manch Ethnologe spricht vom Beginn der Globalisierung in der Neuzeit (Entdeckungen, Beginn weltweiten Handels, Kommunikation und Politik).

Bezieht man den Begriff auf die jeweils bekannte Welt, dürfte er durchaus auf das Imperium zutreffen - selbst wenn man eine engere Definition verwendet wie El Quijotte:

Die Produktionsstandorte und Menschen ("humanen Ressourcen" - wie manch einer meint) stehen aufgrund der o.g. Vernetzung "global" in Konkurrenz zueinander. In Rom werden Sklaven aus "aller Welt" (Gallien, Griechenland...) gehandelt. In Spanien wird Olivenöl produziert und nach Rom verkauft. Mit der zunehmenden Erschließung Nordafrikas entstehen aber auch hier Olivenbaumplantagen, in die römische Senatoren investieren, und die "vor der Haustüre" liegen (Standortvorteil). "Internationale" Konkurrenz etc.
 
Im römischen Reich kam es bereits Ende des ersten Jahrhunderts zu schweren wirtschaftlichen Verwerfungen, die insbesondere die italische Wirtschaft schwer trafen.

Der Getreideanbau in Italien war durch Subventionen und Importe aus Afrika und Ägypten schon lange nicht mehr lukrativ und nur noch zur Selbstversorgung sinnvoll. Der Anbau von Wein und Olivenöl durch Großgrundbesitzer wurde zunehmend nach Spanien, Gallien und Africa verlagert. Ein italischer Tagelöhner verdiente ca. 1200 HS im Jahr, der gallische nur 300 HS. Und römische Großgrundbesitzer konnten rechnen und hatten Besitzungen im ganzen Reich. In Italien wurden oft nur noch wenige hochwertige Produkte wie etwa der Falerner angebaut. Auch bei Produkten aus Manufakturen wie Terra Sigillata sieht man solche Verlagerungen. Kapitalintensive Produkte blieben teilweise in Italien, arbeitsintensive wurden verlagert.

Das war nicht nur Handel, sondern massive Verlagerung von Produktionskapazitäten und Kapital. Man kann die antike und moderne Wirtschaft nicht direkt vergleichen, aber die Parallelen sind unübersehbar. Insbesondere was die Ursachen (gemeinsamer Wirtschaftsraum und Währung) und ihre Folgen angeht.
 
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Handelszentrum Rom

Den Begriff der „Globalisierung“ sollte man m.E. nach bei solchen „Vergleichen“ unbedingt außen vor lassen. Er ist bestenfalls „missverständlich“ und – je nach Publikum - sogar ideologisch aufgeladen und damit weitgehend unbrauchbar! Das Römische Reich pflegte einen Güteraustausch den man keinesfalls Global, oder auch nur wirklich „Interkontinental“ - im engeren Sinne - nennen könnte. Der Begriff „International“ wiederum verbietet sich ebenfalls aufgrund der Tatsache, dass es damals keine Nationen im heutigen Sprachgebrauch (oder jenem des 18. Oder 19. Jhts.) gab. Die ganze antike (besser vorindustrielle) Wirtschaftsform(en) litt unter der Tatsache, dass Transport aus heutiger Sicht so überaus teuer war. Handel über weite Strecken konnte deshalb nur lukrativ sein, wenn es Luxushandel war, oder Handel mit essentiellen Rohstoffen. Der günstigste antik/vorindustrielle Warentransport verlief über Wasserstraßen: Also über Meere und Flußsysteme hinweg.

Rom lag sehr lange eher weitgehend abseits des „transmediterranen“ Handelsverkehrs und war nicht mehr als vielleicht ein Knotenpunkt „inneritalischen“ Handels gewesen, ehe es sich zum Imperium ausweitete. Es besaß über lange Zeit nicht einmal einen bedeutenden Hafen und wurde entsprechend spät eine Seemacht.

Weiterhin lässt sich das „römische Handelssystem“ kaum mit späteren Zeiten vergleichen. Wie schön machen sich auf Karten die imperialen „Handelswege“: Getreide aus Tunesien und Ägypten, Olivenöl aus Spanien, Purpur aus dem Nahen Osten… Das assoziiert völlig falsche Vorstellungen! Ich greife den vielleicht wichtigsten Aspekt einmal heraus, ergänzend zu dem von Agricola bereits erwähnten:
Ägypten lieferte „preisgünstiges Getreide“ nicht, weil es hervorragende „Standortvorteile“ besaß um im Gegenzug vielleicht Olivenöl (etwa aus Spanien) einzuführen, sondern einzig und allein deshalb, weil es von Rom unterworfen worden war! Hart formuliert: Aus Macht- & Alternativlosigkeit. Rom legte unterworfenen Provinzen (wie auch Klientelstaaten, oder besiegten Feinden etc.) schlicht einen Tribut auf. Rom hatte den „Standortvorteil“ Anlieferziel von Tributen weit verstreut liegender Provinzen zu sein, für welches es nicht zahlen musste. Einzige „laufende Investition“ war es, ein genügend schlagkräftiges Heer unterhalten zu „müssen“, mit dem es seinen Anspruch bei Bedarf durchsetzen konnte! Die römischen Kaiser oder Politiker hatten also gut „öffentliches Getreide“ in Rom zu verteilen, das sie „nichts kostete“ und ein „laufender Gewinn“ der (einmaligen) Eroberung war. Rom musste einzig den Transport aus Ägypten weg finanzieren, doch dies „privatisierte“ man erfolgreich durch „privilegierten Handel“, wie in folgendem Zitat beschrieben (von der site ostia-antica.org). Im Gegenzug für die Verpflichtung der „Seefahrer“ einige für den Staat kostenlose Fahrten mit Tributen zu unternehmen, erhielten die „privaten Organisatoren“ etwa Steuervorteile oder andere Privilegien, durch die sie privatwirtschaftliche Gewinne erwirtschaften konnten. Den „Staat“ kosteten solche Privilegien vorderhand erst einmal nichts, dafür „verzichtete“ er in der Zukunft auf ihm ansonsten zustehende Abgaben bei „laufendem Betrieb“ der Händler/Organisatoren. Im weitesten Sinne „Privilegienhandel“ blieb kennzeichnend auch noch für mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handel, auch wenn dieser eher nicht Teil eines „Tributsystems“ war. Auch der „innerrömsche Handel“ war natürlich nicht einzig auf diese Form des „Handels“ beschränkt…

Part of the export to Rome was organised by the Emperors, for example the transport of grain for free distributions. The Emperors preferred not to draw up contracts with individual people and therefore organised the trade through guilds, corpora (but only part of the trade: the part for which the Emperor was responsible). In Arles five guilds of navicularii are documented, the navicularii marini Arelatenses corporum quinque. The guilds should not be compared to mediaeval guilds. Their purpose was a better organization of the Imperial export and import.
Ostia - A Mediterranean Port
Es war Sache der Provinzen, wie sie die ihnen auferlegten Tributleistungen aufbringen konnten. Natürlich musste vor Ort die „kostenlose Nachfrage Roms“ organisiert werden, was wohl nur durch Ausweitung der Produktion über den bisherigen Bedarf hinaus möglich war. Wenn man so will „stimulierte Rom“ die provinziale Wirtschaft also auch über das Tributsystem – Wer denkt da nicht an den Aufstand Germaniens unter Arminius gegen Varus, als dieser begann von den Germanen Steuern (= Tribute) einzuziehen? In einem Land, das vorher fast ausschließlich von Subsistenzwirtschaft geprägt war!
Die Tribute waren vielleicht die wichtigste „Stimulanz“ für den Wirtschaftsstandort Rom und Teile Italiens – für einen längeren Zeitraum. Man kann sich leicht vorstellen, wie sich vor diesem Hintergrund in spätrepublikanisch- frühkaiserlicher Zeit die Investition in kapitalintensive Wirtschaftsformen in Italien besonders lohnte… Während die Selbstversorgung in Italien weitgehend unrentabel wurde. Aber die Menschen in Italien waren ja von der Kopfsteuer befreit und konnten ihre Arbeitskraft anders einsetzen – mussten auch beschäftigt werden, wollte der Staat keine Unruhen riskieren… Man erkennt nun die weit reichenden Wechselwirkungen eines Wirtschaftssystems, das „Nachfrage“ sowohl in den Herkunftsländern der Tribute, wie auch in deren Zielorten stimulierte. Das alles nur als einen besonderen, wenn auch m.E. zentralen Aspekt in den unterschiedlichen Wirtschaftsformen damaliger und heutiger Zeit… Der Begriff der „Globalisierung“ kann somit nur unbrauchbar sein.

Nachtrag:
Um keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen. Tributforderungen waren in der Antike und später ein völlig normaler Teil der Politik aller Mächtigen. Egal ob die Handelnden nun "Römer", Assyrer oder ein mittelalterlicher, europäischer König waren. Im geschilderten Umfang und Dauer, sowie in der Weitläufigkeit ihrer Organisation nimmt Rom wohl eine Spitzenstellung darin ein. Tribut war in diesem Sinne ein Teil der "Beute" eines erfolgreichen Kriegszuges! Alle imperialen Mächte waren mehr oder weniger besonders erfolgreich in diesem Sinne tätige "Unternehmer"...
 
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Für den Getreidemarkt in Rom selbst ist es sicher richtig, daß dieser von Tributen dominiert war und nicht den Mechanismen der freien Marktwirtschaft unterlag. Für die meisten anderen Güter, die Globalisierungeffekten unterlagen wie Wein und Olivenöl kann man das aber vollumfänglich nicht behaupten. Ganz im Gegenteil, wie viele Wirtschaftshistoriker behaupten.

Auch würde ich die 200.000 Annona-Berechtigten in Rom nicht überbewerten, da sie nur einen sehr kleinen Prozentsatz des italischen Absatzmarktes dargestellt haben können. Und genau in diesem italischen Markt kehrten sich die Verhältnisse im ersten Jhdt. AD um.

Wie ich schon anmerkte, sind die moderne und die antike Wirtschaft nicht direkt vergleichbar. Es mag auch sein, daß man nicht von Globalisierung sprechen sollte, obwohl in römischer Zeit, der Orbis Romanum de facto die Welt war. Als Rom die Welt eroberte, handelten sie sich weltweite Wirtschaftsprozesse ein.

Was jedoch nicht negiert werden kann, sind eben diese Globalisierungseffekte, die in Ursache und Wirkung und im kleineren Maßstab des antiken Wirtschafts- und Währungsraum große Parallelen zu Mechanismen aufweisen, wie sie die moderne Volkswirtschaftslehre behandelt. Ich sehe hier keine Gefahr ideologischer Überfrachtung, wenn im interdisziplinären Sinne auch die Wirtschaftswissenschaften bei der Analyse historischer Prozesse Anwendung finden. Und auch die hier üblichen Begriffe würde ich nicht per se als "unbrauchbar" abtun.

Da finde ich den Begriff "Imperialismus" viel unpassender. Ich bezweifle, daß die Römer wussten, was das ist. Und hätte man es Ihnen erklärt, dann hätten sie wohl nur herzhaft gelacht. Dennoch mag man ihn gerne in seiner wissenschaftlichen Bedeutung benutzen.
 
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Gerade die Globalisierung, die du oben als Unterschied ausschließen möchtest ist durchaus eine Gemeinsamkeit. Rom schuf die erste globaliserte Wirtschaft der Welt mit einer einheitlichen Währung und sah sich sehr bekannten Problemen gegenüber.

Der totale Wahnsinn ohne nennenswerte Wirtschaftspolitik oder Ahnung von Geldpolitik. Ein Wunder, daß Währung und Wirtschaft erst nach fast 300 Jahren zusammenbrachen. Aber man muß abwarten, ob nach 2000 Jahren der zweite Versuch Europas, die EU und der Euro, überhaupt so lange durchhalten.

Ich verstehe einfach nicht, wieso man bei solchen Vergleichen immer Geld und Wirtschaft heranzieht.

Roms Krise entstand doch nicht irgendwie aus einem Währungsproblem, sondern aus einem Bürgerkrieg. Logisch, dass dabei Mangel an allem herrschte.

Geld ist nur der Glaube, dass man für das Metallstück mit dem Gesicht des Kaisers oder das fälschungssichere Stück Papier mit irgendeinem nationalen Helden oder Symbol, die Dinge, die man zum Leben braucht, bekommt.
 
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Ich verstehe einfach nicht, wieso man bei solchen Vergleichen immer Geld und Wirtschaft heranzieht.

Roms Krise entstand doch nicht irgendwie aus einem Währungsproblem, sondern aus einem Bürgerkrieg. Logisch, dass dabei Mangel an allem herrschte.

Immer? Da neigst du wohl stark zu selektiver Wahrnehmung.

Die Bürgerkriege als eine Wirkung (nicht Ursache), ausgelöst durch das politische, kulturelle und soziale System waren sicher ein großes Problem. Erklären für sich alleine aber nicht viel. Daneben haben wir aber auch starke wirtschaftliche und soziale Veränderungen bis hin zu massiven strukturellen Verwerfungen. Und auch die außenpolitischen Probleme habe ich nie unterschätzt.

Geld ist nur der Glaube, dass man für das Metallstück mit dem Gesicht des Kaisers oder das fälschungssichere Stück Papier mit irgendeinem nationalen Helden oder Symbol, die Dinge, die man zum Leben braucht, bekommt.

Eine laienhafte Darstellung, die man so stehen lassen kann. Nicht weil sie richtig wäre. Sondern weil sie häufig zu lesen ist. Doch selbst zu dieser unzureichenden Erkenntnis über die Ursachen der Inflation kamen die Römer nie.
 
Eine laienhafte Darstellung, die man so stehen lassen kann. Nicht weil sie richtig wäre. Sondern weil sie häufig zu lesen ist.


Ganz grundsätzlich: Entschieden Nein! Laienhafte Darstellungen soll man nie so stehen lassen, und werden sie auch noch so oft wiederholt.

Dr. Oetker macht immer noch keine echte italienische Pizza! (Wobei die, die sowas im Fernsehen behaupten,wissen, was sie tun.)


Immer? Da neigst du wohl stark zu selektiver Wahrnehmung.


Kannst du mit "immer wieder" leben?

Die Bürgerkriege als eine Wirkung (nicht Ursache), ausgelöst durch das politische, kulturelle und soziale System waren sicher ein großes Problem. Erklären für sich alleine aber nicht viel. .

Es geht ja um den Vergleich zu heute. Und da ist die Lage halt schon eine andere. Wirtschaftliche Ideologien spielten damals keine wirkliche Rolle. Eine schlechte Regentschaft war ein ein Staatsoberhaupt, dass sich nicht gemäss den römischen Tugenden verhielt und nicht eines, das einer Irrlehre folgte.

Welche Ursache die Bürgerkriege auch hatten. Sie waren sicher die direkte hauptsächliche Ursache für die soziale Not danach.
 
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Interdisziplinäre Ansätze sind sicherlich begrüßenswert!

Wie ich schon anmerkte, sind die moderne und die antike Wirtschaft nicht direkt vergleichbar...

Mein obiger Beitrag war vor allem dahingehend motiviert, einer unkritischen Glorifizierung und Vereinnahmung antiker Geschichte für heutige „Tagespolitik“ und Wirtschafstheorien etwas entgegenzustellen. Dazu habe ich einen „dicken Pfosten“ einschlagen müssen, um grundsätzliche Unterschiede aufzuzeigen. Auch möchte ich keine falschen Parallelen zwischen dem weitläufigen römischen Tributsystem und aktuellen Diskussionen zu einer angeblichen europäischen „Transferunion“ anklingen lassen – wie ich sie kürzlich anderswo gehört habe... Gewisse Begriffe wie „Globalisierung“ sind halt stark begrifflich und emotional aufgeladen. Über alles Weitere lässt sich durchaus diskutieren.... wobei ich deutlich größere Unterschiede sehe als du!
 
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Die Annona und deren Ausstrahlungen - ein Versuch?

Für den Getreidemarkt in Rom selbst ist es sicher richtig...
In Antwort auf deinen Beitrag werde ich dich im Folgenden immer fett geschrieben zitieren

Für die meisten anderen Güter, die Globalisierungeffekten unterlagen wie Wein und Olivenöl [außer Getreide] kann man das aber vollumfänglich nicht behaupten.
Es hat ja auch niemand behauptet, dass die Wirtschaft Roms (auch nur der Stadt Rom) „vollumfänglich“ durch Tribute dominiert gewesen sei… Das Beispiel des Getreides ist aber ein perfektes Beispiel dafür, wie unpassend moderne Schlagwörter über die Weltwirtschaft sein können. Es eignet sich auch dafür die Auswirkungen und den Hintergrund solcher „wirtschaftspolitischer Eingriffe“ zu hinterfragen, selbst wenn man es nur als einen Sondereffekt sehen will. Aber lass mich diesen Punkt als einen roten Faden einmal weiter verfolgen:

Auch würde ich die 200.000 Annona-Berechtigten in Rom nicht überbewerten, da sie nur einen sehr kleinen Prozentsatz des italischen Absatzmarktes dargestellt haben können.
Wir wissen, dass erst unter Augustus diese Zahl erreicht worden ist und sie vorher deutlich höher lag, teils gar „inflationär“… Weiterhin sind immer nur Männer römischen Bürgerrechts gemeint und damit oft Familienväter… Ein „Schlagwort“ von „nur 200 000 Berechtigten“ verschleiert damit die zeitweiligen Ausmaße dieser Versorgung. In späteren Zeiten konnte die Annona auch Öl oder Fleisch umfassen… Pro Berechtigten wurden 5 modii (zu jeweils gut 8,7 Litern) im Monat ausgegeben! Weit mehr als eine Person verbrauchen konnte, selbst wenn er sich ausschließlich von Weizen ernähren würde. Entsprechend hypothetischer Berechnungen von Prell, die sich in „DWDRR“* S178 für diese Annahme finden, reichte die Annona auch nahezu aus, aus, zusätzlich eine schwer arbeitende Frau mit zu ernähren. Der Aufwand pro Tag in Sesterzen (HS) für die Ernährung des Paares würde sich dann auf 0,6 HS für einen Bedarf an 5800 kcal/Tag verringern. Für die übrigen Städte Italiens gab es eine solche „Fürsorge“ nicht, doch Rom war mit Abstand der größte Markt der Halbinsel!
Auch die benötigte Infrastruktur wurde von mir bereits angerissen:
Sueton… zeigt, dass Händler & Reeder nicht allein durch Frachtgelder zur Mitarbeit angeregt wurden, sondern auch durch die gezielte Vergabe von Privilegien. Diese waren […] in Zusicherungen vermögens- bzw. erb- oder standesrechtlicher Art abgestuft und [Ein Edikt Ulpians zeigt,]wonach ein Latinus [Bürger latinischen Rechts]nur dann das [volle römische]Bürgerrecht erhalten konnte, wenn er ein Schiff mit mehr als 10 000 modii Traglast gebaut und 6 Jahre lang im Korntransport nach Rom eingesetzt habe…. [Händler](und die Reeder) wurden später v.a. durch die Freistellung von munera [Leistungspflichten geg. dem Staat]und der Verleihung von Steuerfreiheit für die zur Belieferung Roms eingesetzten Schiffe gewonnen“
(„DWDRR“ S211f. *)
Inwieweit lassen sich wohl heute für staatliche Großaufgaben die Vergabe von Privilegien feststellen? Welche rechtliche Abstufung finden sich heute für die Bürger (ein typisch römischer Punkt bis zur Constitutio Antoniniana – oder besser: Die Einwohner eines Staates?
http://de.wikipedia.org/wiki/Constitutio_Antoniniana

Wie ich schon anmerkte, sind die moderne und die antike Wirtschaft nicht direkt vergleichbar. Es mag auch sein, daß man nicht von Globalisierung sprechen sollte, obwohl in römischer Zeit, der Orbis Romanum de facto die Welt war. Als Rom die Welt eroberte, handelten sie sich weltweite Wirtschaftsprozesse ein.
Der römische Horizont GLAUBTE die Welt zu umfassen. Aber erklären wir das einmal einem Chinesen… Sehr weitreichende Wirtschaftsbeziehungen gab es bereits vor Entstehung des Imperium Romanum. Von einer „Seidenstraße“ spricht man unabhängig von Rom. Dass es – unter Berücksichtigung der damaligen technischen und politischen Möglichkeiten – so etwas wie weltweiten Handel gab ist sicher richtig, doch Globalisierung ist mehr. Ich denke, dass mit dem Schlagwort der „Globalisierung“ völlig falsche Assoziationen und weiter führende Überlegungen bedient werden. Die Wirtschaft des Römischen Reiches strahlte weit aus und war sicherlich alles Andere als eine rein regionale Wirtschaft. Doch was war denn so „weltumspannend“ geworden? Teile der Wirtschaft schon, vor allem Luxushandel in weiterem Sinne war mehr als Überregional geworden. Die Masse des übrigen Wirtschaftslebens dürfte aber weiterhin eher regional organisiert gewesen sein. Um das zu verstehen genügt schon ein Blick auf das spätantike Preisedikt des Diocletian, wo die „Kostenexplosion durch Transporte“ deutlich werden. Großräumigen Warenverkehr benötigten nur die großen Ballungsräume und imperiale Anforderungen (etwa die Militärversorgung). Das beste Beispiel für Letzteres ist doch die rasend schnelle Entwicklung der römischen Gebiete am Rhein, das durch die Bedürfnisse der Rheinarmee stimuliert worden war. Vor der Entfaltung dieser Region musste die Versorgung teils über weite Strecken aus dem Inneren Galliens organisiert werden. Das Aufblühen der römischen Wetterau war auf die gleiche Weise stimuliert. Dergleichen Beispiele lassen sich weitere finden.
 
Die Annona und deren Ausstrahlungen - ein Versuch? II

Da finde ich den Begriff "Imperialismus" viel unpassender. Ich bezweifle, daß die Römer wussten, was das ist. Und hätte man es Ihnen erklärt, dann hätten sie wohl nur herzhaft gelacht. Dennoch mag man ihn gerne in seiner wissenschaftlichen Bedeutung benutzen.
…mag sein. Ich könnte mir weit besser vorstellen, dass Römern, mit Erklärungen zur „Globalisierung“ konfrontiert, gar keine akustische Reaktion-, sondern maximal Zeichen mit der Hand gegeben hätten? Wir werden beides niemals erfahren…
Zurück zur Antike: Ich habe mehrfach die Annona angesprochen. Wenn der römische Markt durch die Getreideausgabe in Teilen von der „freien Marktwirtschaft“ ausgenommen war, hatte das etwa keine Rückwirkungen auf den Rest der italischen Halbinsel? Konnte sich nicht dort eine eigenständige Wirtschaft entfalten, wie ich das aus deinen Aussagen vielleicht impliziert, jetzt erwarten sollte?
Muss ich weiter ausholen? Reichen die Schlagworte von der antiken Landflucht hin nach Rom, die spätestens seit den Verwüstungen im Kampf gegen Hannibal wirtschaftlich entwurzelte „Kleinbauern“ nach Rom geschwemmt habe? Wie hätte man all diese Menschen ohne ein imperiales System versorgen können? Die Ländereien blieben nicht verlassen, gerade in Süditalien entwickelte sich weitläufiger Großgrundbesitz, in welchen auf wirtschaftliche Weise produziert wurde. Es sind einige antike Werke zur Landwirtschaft überliefert, bei denen Sklavenhaltung teils eine große Rolle spielen. Laut „DWDRR“ * kann man vereinfacht annehmen, dass nur Güter einer gewissen Größe in der Lage waren nennenswerte Vermögensbildung zu erlauben (S94f). In Stadtnähe deutlich mehr als die Mindestgröße ab 20 iugera (Joch, 2523 qm = ~ ½ ha). Güter mit 50 iugera (wie sie nicht nur in Italia bezeugt sind) seinen groß genug für eine wirtschaftliche Spezialisierung gewesen. Großgüter über 80 iugera konnten neben einer ausreichenden Diversifizierung zur Risikostreuung und Subsistenz massiv rational und auch für den Export wirtschaften, wenn sie ausreichend günstig gelegen waren.

Man überlege weiter: Anstelle einer kleinbäuerlichen Welt für Subsistenzwirtschaft und Versorgung eines Großzentrums (etwa Roms) mit Grundnahrungsmitteln (Getreide) entstanden exportfähige Agrarbetriebe - denn die Getreideversorgung Roms bot (auch durch die Annona) angemessenem Gewinnstreben wohl nur wenig Spielraum. Warum drängten in der späten Republik und erst recht mit Beginn der Kaiserzeit plötzlich italische Waren überall auf die Märkte des Reiches? Das Imperium hatte Entwicklungen angeregt oder geschaffen, die Italien in ein Zentrum weitgespannten Warenverkehrs gerückt hatte. Die Häfen Puetoli und das erst später (auch vor dem Hintergrund der Annona) ausgebaute Ostia boten exzellente Bedingungen für maritimen Handel. Die staatlich geförderten Getreideflotten boten zusätzliche Transportkapazitäten, nicht nur für Ballast… Auch die einst in erster Linie aus militärischen Gründen erbauten großen Reichsstraßen schufen eine gute Infrastruktur für großräumigen Handel. Diese „Vorrangstellung“ des Kernlandes flachte erst später wieder ab.
Bereits vor der römischen Expansion hatte es innerhalb des nun römischen Machtbereichs „Ballungszentren“ und Handelszentren gegeben, von denen jene des östlichen Mittelmeeres wohl die bekanntesten sind. Zum Teil war nun die ehemalige Peripherie des Handels (also eher Italien) zum Zentrum geworden, während einstige Zentren (etwa Ägypten oder im hellenisierten Osten) nun eher an der Peripherie gelegen, nun an das politisch/wirtschaftliche Zentrum angebunden wurde. Ägypten war bereits weit vor dieser Zeit ein Zentrum der Getreideproduktion/exports gewesen, brauchte aber seinerseits dringend Rohstoffe. Das war auch eine Basis seiner einstigen Expansion etwa in die holzreiche Levante und dessen Anbindung an Metallkreisläufe bereits in der Bronzezeit gewesen. Ägypten war spätestens seit dem Hellenismus auf Export orientiert, wofür Alexandria die politische, wie wirtschaftliche Schlüsselstadt wurde. Rom behielt dies bei, zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil. Auch ohne die Annona zu berücksichtigen… Das wirtschaftlich blühende, westliche Kleinasien (die dortige Provinz Asia galt als die wohlhabendste des Reiches in der Kaiserzeit) war ebenfalls ein Handelszentrum, das jedoch Agrarprodukte einführte und selbst etwa für Textilien bekannt war… Wie anders als Imperial sollte man diese Wirtschaftskreisläufe sonst nennen, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen jene der Erfordernisse eines Imperiums waren?
Die italische Wirtschaft wurde weiterhin bewusst gestützt durch rechtliche und soziale Rückwirkungen. Handel und Handwerk waren sozial nicht hoch angesehen. Prestigereiches, sozial angemessenes Ertragsstreben war nur über die Landwirtschaft möglich. Es konnten somit Investitionen nach Italien umgelenkt werden, indem von hochgestellen Personenkreisen erwartet wurde, Land in Italien zu besitzen und zu bewirtschaften. Solches wurde vor allem von Senatoren erwartet, selbst als die Angehörigen des Senatorenstandes sich zunehmend aus den Provinzen zu ergänzen begannen!
Man sieht: All diese Praktiken vertragen sich kaum mit dem, was unter „Globalisierung“ verstanden wird, selbst wenn die Handelsbeziehungen großräumiger wurden. Ich sehe das Trennende so überwiegend, dass ich diesen Begriff in seinen Facetten für die römische Zeit ablehne, ohne Wirtschaftswissenschaftler zu sein.


Ich sehe hier keine Gefahr ideologischer Überfrachtung, wenn im interdisziplinären Sinne auch die Wirtschaftswissenschaften bei der Analyse historischer Prozesse Anwendung finden. Und auch die hier üblichen Begriffe würde ich nicht per se als "unbrauchbar" abtun.


Die Autoren des Bandes
[*]: Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.-3.Jht.) sehen „Dem möglichen Vorwurf, eine positivistische Arbeit geleistet zu haben,… gelassen entgegen“ [Vorwort der Verfasser, S11]. Dennoch erwähnen sie kurz auf den weiterhin aktiven Streit zwischen „Modernisten“ und „Primitivisten“ in der Forschung über die Deutung ihres Themas. Ihr Augenmerk ist nicht auf unser Thema gerichtet. Ein Kapitel mit der Bezeichnung „Gab es eine Wirtschaftspolitik?“ weist auf unterschiedliche Positionen hin. Die Erfordernisse und die Konsequenzen des Imperiums schufen und befriedigten wirtschaftliche Strukturen. Das Militär ist dabei die bekannteste Konsequenz. Die Romanisierung verbreitete auch einen gewissen Lebensstil, zu dem unter Anderem auch der Konsum von Olivenöl, Wein und Fischsaucen in Regionen gehörte, wo dies vorher nicht der Fall gewesen war...
 
Auswirkungen der Geldwirtschaft:

Stark Stimulierend für den Ausbau der Wirtschaft in vorher stark der Subsistenz verhafteten Regionen des Reiches wurde die Erwartung Roms, Tribute und Steuern nicht ausschließlich in Naturalien zu erhalten, sondern durch Geld. Die Bevölkerung musste Handel betreiben, wenn es an Geld kommen wollte und war gezwungen Überschüsse zu erwirtschaften. Dies führte auch dazu die Geldwirtschaft durchzusetzen – Maßnahmen, die vor allem im Norden und Westen des Reiches eine Neuerung war, während die Geldwirtschaft etwa im hellenisierten Osten längst etabliert war.
Eine Lappalie? Gewiss nicht! Es war zusätzlich verbunden mit einem „Kulturschock“ für die Alteingesessenen – ganz losgelöst von den Begleitfolgen der Unterwerfung mit ihren Verwerfungen in Rechtsstatus und Besitz… Im Begleitband zu „Roms vergessener Feldzug“ (2013) wird betont, dass die römische Lebenswelt am Rhein eben nicht langsam vom Zentrum des Reiches zur Peripherie hin Einzug hielt, sondern in Form eines „Steinwurfs“ plötzliche und unerwartete Realität wurde. Die Präsenz der gewaltigen römischen Armeen am Rhein formte das dortige Land schnell und tiefgreifend um, wie ich es bereits weiter Oben angerissen habe: Es begann damit die dringendsten Bedürfnisse des Militärs befriedigen zu müssen, wozu auf Lebensmittel aus dem Inneren Galliens zurückgegriffen werden musste, da die entsprechenden Kapazitäten vor Ort noch fehlten.
Das Militär brauchte eine eigene Infrastruktur: Beginnend mit Unterkünften über Straßen bis hin zu Einrichtungen zukünftig weitgehend regional seine Bedürfnisse befriedigen zu können. Starke Veränderungen die in relativ kurzer Zeit die Umgebung prägten. Die Ergebnisse dieser Umformung schufen die Voraussetzungen für interprovinzialen Handel von Beginn an auch für „zivilen Bedarf“… Ich denke, dass verstärkter interprovinzialer Handel kennzeichnender ist für die römische Wirtschaft als seine „globalisierenden Auswirkungen“. Eine erhebliche Ausweitung von wirtschaftlich miteinander vernetzten Regionen im Vergleich zu den Verhältnissen vor Auftauchen der Römer, die nicht zu hoch eingeschätzt werden kann!
Eine gewaltige organisatorische Leistung, keine Frage. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Auch in der Neuzeit ist es zu plötzlichen, grundlegenden Umformungen von Ländern und damit auch der dortigen Kultur gekommen. Ich erlaube mir daher auf den Abschnitt „Wirtschaft & Handel“ im Wiki-Artikel zum Maji-Maji-Aufstand von 1907 gegen die deutsche Kolonialmacht hinzuweisen:
Maji-Maji-Aufstand ? Wikipedia

Wer denkt da nicht an Arminius? An die Klagen über römische Steuereintreiber und die vorher anscheinend unbekannten Körperstrafen…?

Kurz: Ich sehe sehr wohl Anknüpfungspunkte für Überlegungen zu gewissen Parallelen heutiger wirtschaftlich/politischer Vorgänge zu antiker Geschichte. Begrifflichkeiten wie "Globalisierung" führen aber nur in die Irre! Die Globalisierung ist eine Folge der früheren Kolonialpolitik mit völlig veränderten Vorzeichen für den so entstandenen Welthandel. Davon war die Antike weit entfernt. Man sollte nur Einzelaspekte betrachten. Antike Stimulanzen wie Machtbedürfnisse (Militärbedürfnisse, Ausbau der Infrastruktur), Annona oder Romanisierung finden wenig Vergleichbares in der modernen Welt. Vielleicht am ehesten mag der Einfluss der "westlichen Lebensweise" und der Romanisierung für einen Vergleich taugen? Für das Schlagwort der "Globalisierung" ist das ein zu kleiner Teilaspekt wie ich meine. Die modernen Kosten für Mobilität und Transport sind so erheblich geringer in ihrer Konsequenz als in antiker Zeit, dass auch nur eine engere, reichsweite Wirtschaft nennenswerten Umfangs m.E. in den Kinderschuhen stecken bleiben musste.
 
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