Paulus römischer Agent unter Kaiser Nero

H

Hurvinek

Gast
Im Buch-Thriller "Unheilig" von James Becker werden am Ende des Buches einige Anmerkungen zum Inhalt seiner Geschichte gemacht.

Zitat James Becker:
...Dennoch beruht die Grundidee dieses Buches auf Tatsachen, da es historische Belege gibt, dass Paulus ein römischer Agent war, der in den Diensten von Kaiser Nero stand - in exakt der Art und Weise, wie ich es in diesem Buch beschreibe. Wer mehr darüber erfahren will, dem empfehle ich Joseph Atwells Buch Das Messias-Rätsel.
Die Hypothese besagt, dass Paulus und Titus Flavius Josephus - ein jüdischer Historiker aus dem ersten Jahrhundert - von Rom den Auftrag erhielten, in Judäa eine friedliche messianische Religion zu fördern, um so die Juden zu beschwichtigen und ihren Widerstand gegen eine römische Obrigkeit abzumildern....
Ganz gleich, was es mit dieser "Bekehrung" oder mit seiner Motivation auf sich hatte [gemeint ist hier Paulus - Hurvinek], vom Christenverfolger zum treuen Gefolgsmann von Jesus Christus zu werden, scheiden sich doch die Geister an der Frage, welchen Beitrag er zum Christentum beigesteuert hat. Manche vertreten sogar die Meinung, seine Ansichten hätten sich so massiv von denen unterschieden, die Jesus vertrat, dass seine Lehren gelegentlich auch als "paulinisches Christentum" bezeichnet werden.
Der Philosoph Friedruch Nietzsche sah in ihm den Antichristen, der Amerikaner Thomas Jefferson schrieb, Paulus sei der erste Verderber der Lehren Jesu gewesen, und er versuchte sogar, dessen Schriften aus der Bibel zu streichen.

Neben Paulus wird Petrus im Buch als zweiter römischer Agent beschrieben. Zu Petrus Existenz schreibt James Becker in seinen Anmerkungen:
Es existiert kein ... Beweis für seine Existenz. ... Denoch wird er von der römisch-katholischen Kirche als ihr erster Papst angesehen.
 
James Becker schrieb:
Dennoch beruht die Grundidee dieses Buches auf Tatsachen, da es historische Belege gibt, dass Paulus ein römischer Agent war, der in den Diensten von Kaiser Nero stand - in exakt der Art und Weise, wie ich es in diesem Buch beschreibe. Wer mehr darüber erfahren will, dem empfehle ich Joseph Atwells Buch Das Messias-Rätsel.

Ohne Atwell gelesen zu haben: Von Tatsachen und historischen Belegen kann keine Rede sein. Es handelt sich vielmehr um wilde Spekulationen. Das Problem mit pseudohistorischen Fantasyromanen: Sie bekehren erfahrungsgemäß nicht wenige Leserinnen und Leser zu esoterischen, unwissenschaftlichen "Hypothesen" - selbst wenn sie gar nicht den Anspruch erheben, mehr als Fiktion zu bieten. Die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion verwischen in den Augen des nicht geschichtswissenschaftlich gebildeten Publikums eben leicht. Im Fall von Becker ist es noch schlimmer, weil sogar Faktentreue oder zumindest "Faktenbasiertheit" behauptet wird.

Die Hypothese besagt, dass Paulus und Titus Flavius Josephus - ein jüdischer Historiker aus dem ersten Jahrhundert - von Rom den Auftrag erhielten, in Judäa eine friedliche messianische Religion zu fördern, um so die Juden zu beschwichtigen und ihren Widerstand gegen eine römische Obrigkeit abzumildern

Gut, dass hier von "Hypothese" und nicht von "historischen Belegen" die Rede ist. Die Ausgangspunkte dieser Überlegungen lassen sich dabei ziemlich leicht erkennen: Flavius Iosephus war bestrebt, das Judentum mit Rom auszusöhnen und die römischen Herrschaft für die Juden akzeptabel zu machen, während die Frühchristen (nach der Hinrichtung Jesu als Aufrührer) darum bemüht waren, sich als nicht im Konflikt mit Rom stehend darzustellen. So weit die Faktenlage. Darauf aufbauend konstruiert Atwell bzw. Becker offensichtlich eine abenteuerliche Verschwörungsgeschichte.

Neben Paulus wird Petrus im Buch als zweiter römischer Agent beschrieben. Zu Petrus Existenz schreibt James Becker in seinen Anmerkungen: Es existiert kein ... Beweis für seine Existenz. ... Denoch wird er von der römisch-katholischen Kirche als ihr erster Papst angesehen.

Es existiert kein Beweis für die Existenz Petri, aber dafür steht fest, dass er ein Agent Roms war. Ist das höhere Logik?
 
Gut, dass hier von "Hypothese" und nicht von "historischen Belegen" die Rede ist.
Es existiert kein Beweis für die Existenz Petri, aber dafür steht fest, dass er ein Agent Roms war. Ist das höhere Logik?

Auch ich habe Atwell noch nicht gelesen. Ich zitiere ausschliesslich James Becker, das übrigens ein Pseudonym für einen Schriftsteller ist, der zwei Bücher in Deutschland schon rausbrachte.
Zu Petrus: Becker schreibt, dass die Agentenstory eine Hypothese sei. Dass Petrus ein Agent Roms war gehört in den Roman. Schliesslich wollte Becker nicht den weitestgehend in der Öffentlichkeit unbekannten Flavius Josephus zu einem der römischen Agenten im Buch machen.
Zur besseren Erläuterung: Dass Becker Petrus zum unumstösslichen römischen Agenten macht, steht weder in den Anmerkungen Beckers noch in meinen obigen Posting. Es steht, dass Petrus in dem Buch ein Agent sei. Nicht in den Anmerkungen Beckers.
 
Dass Paulus und Petrus Agenten Roms gewesen sein sollen, finde ich völlig absurd!
Wurde das Christenum anfangs etwa nicht von den Römern verfolgt?
Und ich dachte,dass Nero den Christen sogar den Brand in Rom in die Schuhe schieben wollte!
 
Ja, Tacitus berichtet entsprechendes:

Annales 15 schrieb:
Sed non ope humana, non largitionibus principis aut deum placamentis decedebat infamia, quin iussum incendium crederetur. ergo abolendo rumori Nero subdidit reos et quaesitissimis poenis adfecit, quos per flagitia invisos vulgus Chrestianos appellabat. auctor nominis eius Christus Tibero imperitante per procuratorem Pontium Pilatum supplicio adfectus erat; repressaque in praesens exitiablilis superstitio rursum erumpebat, non modo per Iudaeam, originem eius mali, sed per urbem etiam, quo cuncta undique atrocia aut pudenda confluunt celebranturque. igitur primum correpti qui fatebantur, deinde indicio eorum multitudo ingens haud proinde in crimine incendii quam odio humani generis convicti sunt. et pereuntibus addita ludibria, ut ferarum tergis contecti laniatu canum interirent aut crucibus adfixi [aut flammandi atque], ubi defecisset dies, in usu[m] nocturni luminis urerentur. hortos suos ei spectaculo Nero obtulerat, et circense ludicrum edebat, habitu aurigae permixtus plebi vel curriculo insistens. unde quamquam adversus sontes et novissima exempla meritos miseratio oriebatur, tamquam non utilitate publica, sed in saevitiam unius absumerentur.
Übersetzung schrieb:
Aber nicht durch menschliche Werke, nicht reiche Spenden des Prinzeps oder Besänftigungen der Götter beendeten das Gerücht, nachdem man den Brand als befohlen glaubte. Also schob Nero für die Beseitigung des Gerüchts Schuldige vor und verhängte äußerst ausgesuchte Strafe, die das Volk als wegen der Schandtaten verhasste Chrestianer bezeichnete. Der Namensgeber Christus war unter der Herrschaft des Tiberius durch den Statthalter Pontius Pilatus zum Tode verurteilt worden, und der für den Augenblick unterdrückte verderbenbringende Aberglaube brach wieder hervor, nicht nur in Judäa, dem Ursprung dieses Übels, sondern auch in der Stadt Rom, wo von überall her alles grässliche und schändliche zusammenfließt und gefeiert wird. Also wurden zuerst die aufgegriffen, die gestanden, dann wurde durch ihre Anzeigen eine riesige Menge überführt, nicht so sehr in der Anschuldigung des Brandes als aufgrund ihres Hasses gegen das menschliche Geschlecht. Und den Zugrundegehenden wurde Spott zugefügt, dass sie von Tierfellen bedeckt durch Zerreißen der Hunde zugrunde gingen oder ans Kreuz geschlagen oder, als sich der Tag zu Ende geneigt hatte, dass sie zum Gebrauch des nächtlichen Lichtes verbrannt wurden. Und Nero bot seine Gärten diesem Schauspiel an und veranstaltete ein Zirkusspiel, durch das Aussehen eines Wagenlenkers unters Volk gemischt oder auf den Wagen gestellt. Von dort erhob sich das Mitleid, obgleich gegenüber Schuldigen, die die härtesten Strafen verdient hatten, als ob sie nicht zum öffentlichen Nutzen, sondern wegen der Grausamkeit eines einzelnen hingerichtet wurden.
 
Dass Paulus und Petrus Agenten Roms gewesen sein sollen, finde ich völlig absurd!
Wurde das Christenum anfangs etwa nicht von den Römern verfolgt?
Und ich dachte,dass Nero den Christen sogar den Brand in Rom in die Schuhe schieben wollte!

Anfangs durften die Christen im Römischen Reich frei ihrem Glauben nachgehen. Siehe Apostelgeschichte 2,14ff und 11,26.
Zur Christenverfolgung gebe ich dir Wikipedia als Link. Du wirst lesen, dass im Römischen Reich vor und zu Neros (und danach) Zeit kein (großer) Unterschied zwischen Juden und Christen gemacht wurde. Zudem sahen sich die Christen selbst als jüdische Erneuerungsbewegung.

Zu Nero: was Nero in Rom mit Christen (Juden) tat, muss er in Judäa aus politischen Gründen nicht tun. Um die ständig revoltierenden Juden zu beschwichtigen (der Judäische Krieg stand unmittelbar bevor) kann man einen anderen Hintergrund für das Christentum vermuten.
Ich habe allerdings noch nicht das Buch "Das Messias-Rätsel" von Atwell gelesen, der in dem Buch nachgewiesen haben soll, dass das Christentum nicht so entstanden ist, wie es bisherige römisch-katholische Quellen schreiben.
 
Anfangs durften die Christen im Römischen Reich frei ihrem Glauben nachgehen. Siehe Apostelgeschichte 2,14ff und 11,26.

Worin genau siehst Du in den hier genannten Sätzen die Bestätigung dafür, dass die Christen ihrem Glauben frei nachgehen durften? AG 2,14 ff. ist das Pfingstwunder, AG 11,26 berichtet von der Mission in Antiochia.

Ich muss mich Molinarius anschließen: Die Geschichte ist absurd. Sowohl von Petrus, als auch von Paulus und Flavius Josephus ausgehend.
 
Worin genau siehst Du in den hier genannten Sätzen die Bestätigung dafür, dass die Christen ihrem Glauben frei nachgehen durften? AG 2,14 ff. ist das Pfingstwunder, AG 11,26 berichtet von der Mission in Antiochia.

Ich muss mich Molinarius anschließen: Die Geschichte ist absurd. Sowohl von Petrus, als auch von Paulus und Flavius Josephus ausgehend.

Das Pfingstwunder fand lt. Apg 2,1 an einem Ort statt. Man traf sich in religiösen jüdischen Stätten. Dort durfte Petrus lt. Apg 2,14ff predigen.
Die Frage in Antiochia ist, wo sie in Antiochia gepredigt haben. In freier Natur, in einem privaten Häuschen oder in einer religiösen Gemeinde. Ein heidenchristliches Gebäude kann es nicht gewesen sein.
 
Und? Wo steht, dass sie ihrem Glauben frei nachgehen durften? Wo steht, dass Petrus an einem religiösen Ort predigte? Mal abgesehen von dem Umstand, dass die Historizität des Pfingstwunders wohl eher in Abrede zu stellen ist, scheint er gerade nicht an einem religiösen Ort zu predigen, sondern eher auf der Jerusalemer Agora. Schon allein deshalb, weil in den Tempel nur Juden kamen und er hier vor Leuten aus aller Herren Ländern spricht. Und in Antiochia, da wird vor Juden gepredigt - wenn man so will sogar vor schon zuvor christlich infizierten Juden. Von Öffentlichkeit oder gar Legalität ist da keine Rede.
 
Und? Wo steht, dass sie ihrem Glauben frei nachgehen durften? Wo steht, dass Petrus an einem religiösen Ort predigte? Mal abgesehen von dem Umstand, dass die Historizität des Pfingstwunders wohl eher in Abrede zu stellen ist, scheint er gerade nciht an einem religiösen Ort zu predigen, sondern eher auf der Jerusalemer Agora. Schon allein deshalb, weil in den Tempel nur Juden kamen und er hier vor Leuten aus aller Herren Ländern spricht. Und in Antiochia, da wird vor Juden gepredigt - wenn man so will sogar vor schon zuvor christlich infizierten Juden. Von Öffentlichkeit oder gar Legalität ist da keine Rede.

Wenn er auf der Jerusalemer Agora predigen durfte, dann durfte er gegen die bisherige jüdische Religion öffentlich unter römischer Präsenz predigen.
 
Wenn er auf der Jerusalemer Agora predigen durfte, dann durfte er gegen die bisherige jüdische Religion öffentlich unter römischer Präsenz predigen.

Nochmal: Wir haben es hier mit einer Wundergeschichte zu tun, die Historizität ist schon deshalb anzuzweifeln. Und dort steht nirgendwo, dass Petrus predigen durfte, sondern, dass er es machte und Verwunderung auslöste. Wenn Du mal einige Zeilen zurückgehst, wirst Du feststellen, dass sie die letzten zehn Tage (nämlich von Himmelfahrt an) betend im "Obergemach" eines Hauses verharrten. Keine zwei Monate zuvor waren sie in alle Winde zerstreut gewesen oder hatten sich eingeschlossen. Und wenn Du weiterliest, wirst Du feststellen (Kapitel 4), dass die plötzliche Aktivität der aus ihrer Lethargie erwachten Jesusanhänger den Eliten sehr wohl missfällt.
 
Und wenn Du weiterliest, wirst Du feststellen (Kapitel 4), dass die plötzliche Aktivität der aus ihrer Lethargie erwachten Jesusanhänger den Eliten sehr wohl missfällt.

Mit "Eliten" versuchst du die Namen zu umgehen. Den Römern war die jüdische Erneuerungsbewegung einerlei, solange sie nicht das Reich von innen zersetzte. Und Prediger allen möglichen Glaubens gab es wie Sand am Meer.

Du kennst die Geschichte mit Pontius Pilatus. Die Präfekten des Römischen Reiches entschieden in ihren Herrschaftsbereich in solchen Angelegenheiten selbständig nach Lage der Dinge um Ruhe und Ordnung beizubehalten. Und in Judäa/Galiläa wurde denn auch abwechselnd gegen Juden und jüdische Erneuerungsbewegung vorgegangen. Wie ich schon schrieb, machte Rom keinen Unterschied zwischen Juden und Christen, da die Juden zu dieser Zeit heillos zerstritten waren (Pharisäer, Sadduzäer, Samaritaner und dann die Christen).
 
Warum wurde dann aber gezielt nach "Chrestiani" gesucht und diese dann auch hingerichtet, wenn für die Römer Christen=Juden ist
 
Da sind natürlich schon wieder dreißig Jahre ins Land gegangen (womit schon fast wieder der Bogen zur Ausgangsthese geschlagen wäre).
 
Den Römern war die jüdische Erneuerungsbewegung einerlei, solange sie nicht das Reich von innen zersetzte. Und Prediger allen möglichen Glaubens gab es wie Sand am Meer.

Richtig. Nur dass ein bestimmter Prediger namens Jesus von der römischen Besatzungsmacht in Judäa als Aufrührer hingerichtet worden ist. Rom hatte keine Sympathie für die Anhänger dieses selbsternannten "Königs der Juden".

Um die ständig revoltierenden Juden zu beschwichtigen (der Judäische Krieg stand unmittelbar bevor) kann man einen anderen Hintergrund für das Christentum vermuten.

Das (paulinische) Christentum als (römisches) Opium für die Juden? Tatsache ist, dass das Auftreten der Christen überall Unruhe und Streit mit den (anderen) Juden provozierte. Auch der Antijudaismus des Neuen Testaments ("sein Blut komme über uns und unsere Kinder") dürfte auf die Juden nicht gerade opiatisch-beruhigend gewirkt haben. Aber vielleicht ging es gar nicht um Beschwichtigung, sondern eher darum, einen innerjüdischen Konflikt zu schaffen bzw. anzuheizen, um die jüdische Empörung von den Römern auf die Christen abzulenken? Ob Paulus in diese teufliche Absicht Neros eingeweiht war oder vom Kaiser nur als Spielfigur verwendet worden ist? Schritt für Schritt gerät man da tiefer und tiefer in den Sumpf der Spekulation und in eine Kriminalgeschichte, die ich für ziemlich abwegig halte und die nirgends bezeugt ist. Auf gegenteilige Beweise warte ich gespannt. Ich bitte den Urheber des Threads darum, Atwells angebliche Beweismittel zu studieren und vorzulegen. Bis dahin gehört die "Hypothese" in die Dan-Brown-Abteilung des Buchhandels.
 
Ganz davon ab müsste Nero schon als Kleinkind, wenn nicht gar vor seiner eigenen Geburt Paulus geimpft haben. Wenn wir die Handlung der Apostelgeschichte mit dem Jahr 30 beginnen lassen, dann war Paulus schon Christ bevor Nero noch überhaupt geboren war. Nach Rom kam er überhaupt erst durch Porcius Festus, der 59 Felix ablöste.
 
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