Pompeji eine Kleinstadt ?

Louis le Grand

Aktives Mitglied
Eine Frage an unsere Rom-Experten.

Neulich habe ich gelesen, dass das antike Pompeji mit 20.000 Einwohnern eine Kleinstadt gewesen wäre. Das kann ich mir nicht so recht vorstellen. O. A. W. Dilke schätzt die Bevölkerungszahl ganz Italiens im Jahr 14 n. Chr. zwar auf 13 Millionen, aber ich würde Pompeji eher als mittelgroße Stadt bezeichnen wollen. Einen riesigen Moloch wie Rom, mit über 1 Million Einwohnern kann man wohl auch kaum als Bezugsgröße heranziehen. Mir erscheint Pompeji für damalige Verhältnisse schon eine recht große Provinzstadt gewesen zu sein, zumal im sehr reichen Kampanien gelegen. Oder liege ich da falsch? :grübel:
 
Pompeji hatte immerhin den Status einer Kolonie. Mit 20.000 Einwohnern war es auch sicher nur im Verhältnis zu benachbarten Städten wie Capua und Neapolis "klein"; insgesamt hatte die Region schon einen Grad der Besiedlung, Zivilisation und Infrastruktur, der nach modernen Maßstäben meßbar ist.

Zum Vergleich: die CCAA hatte in besten römischen Zeiten ca. 30.000; gemessen am Umfeld war das eine Metropole.
 
Die Bezeichnung Colonia sagt aber normalerweise nicht viel über die größe der Stadt aus, gerade in der Zeit in der pompeji existierte dürfte es "nur" die Aussage beinhaltet haben, dass es sich um eine Veteranenansiedlung handelte oder aber um eine Siedlung mit entsprechenden Rechtstatus.

Das Problem bei der Erfassung der Einwohnerzahlen liegt einfach daran, dass man oft nicht den gesamten Bebauungsplan hat und je nach Region unterschiedlich bebaut wurde.

Eventuell bezieht sich Kleinstadt auch eher auf die Bedeutung der Stadt. Meines Wissens war Pompeji in politischer/militärischer Hinsicht nur Zweitrangig und vielmehr ein "Urlaubsziel".
 
In republikanischer Zeit ja, aber schon Sulla (der Pompeji mit einem Riesenneubaugebiet versah) machte aus dem Koloniestatus eine Statusfrage: die Städte wurden vom Start an mit repräsentativen Großbauten, Infrastruktur und der zentralen Machtposition eines (großen) umgebenden Landstrichs versehen. Werner Eck beschreibt das ziemlich penibel; er verrenkt sogar die Zunge um von Köln als dem "Zentralort" der Kolonie im Gegensatz zu ihrem eigentlichen Gebiet (von Neuss bis zum Vinxtbach) zu sprechen.
Bei Pompeji war der Einzugsbereich kleiner, zuviele andere große Ortschaften in der Umgebung. Deshalb trifft "nicht klein, aber auch nicht bedeutend" gut zu.
Obwohl: Würden wir z. B. Davos heutzutage als unbedeutend bezeichnen?
 
Nachdem ich mal einen archäologischen Führer zu Pompeji und einige historische Atlanten befragt habe, muss ich feststellen, dass Kleinstadt vielleicht doch treffender ist. Coarelli erklärt, dass 8000 bis 10.000 Einwohner innerhalb der Mauern wohl eine recht realistische Schätzung ist. Ergo, für römische und italische Verhältnisse eine kampanische Kleinstadt (rein nach Größe).
 
. Mit 20.000 Einwohnern war es auch sicher nur im Verhältnis zu benachbarten Städten wie Capua und Neapolis "klein"; insgesamt hatte die Region schon einen Grad der Besiedlung, Zivilisation und Infrastruktur, der nach modernen Maßstäben meßbar ist.

Zum Vergleich: die CCAA hatte in besten römischen Zeiten ca. 30.000; gemessen am Umfeld war das eine Metropole.

Coarelli erklärt, dass 8000 bis 10.000 Einwohner innerhalb der Mauern wohl eine recht realistische Schätzung ist. Ergo, für römische und italische Verhältnisse eine kampanische Kleinstadt (rein nach Größe).
Eine Bewertung hängt also extrem stark von der tatsächlichen Einwohnerzahl ab, über die scheinbar die Gelehrtenmeinungen ganz heftig auseinander gehen.

Heute erkennt man allerdings noch den Status einer Stadt nicht zuletzt an der Infrastruktur, kulturelle, öffentliche Bauten usw.. Ich weiß nicht inwie weit das auch schon für die römische Antike ein Maßstab ist, da schon kleinere Städte über erstaunliche Bauwerke verfügten und die Anbindung an das Verkehrsnetz auch sehr stark von wichtigen Städten in der Umgebung abhängig war.
 
Das Problem ist doch einfach das, dass wir kaum genügend Fundkomplexe haben, um sagen zu können, wie groß römische Städte von den Einwohnerzahlen waren, so dass es von daher sehr schwer einzuordnen ist, ob jetzt eine Stadt wie Pompeji mit 8000 oder 20000 Einwohnern eine von vielen kleinen Städten gewesen ist oder die Masse der Städte noch kleiner war, so dass selbst 8000 Menschen schon ausreichten, um Pompeji als größere Kleinstadt ansprechen zu können.

Was man wohl sagen kann (auch gedeckt durch die Quellen) ist, dass Pompeji schon sowas wie Zentralort - Funktion gehabt haben könnte, weil das Amphitheater eben größer dimensioniert war als die wahrscheinliche Einwohnerzahl der Stadt. Und angesichts der 'Schlägerei' 59 n. Chr. in Pompeji und aus zahlreichen Grafitis weiß man ja, dass die Bewohner umliegender Städte (Nuceria) wenigstens für die Spiele nach Pompeji gekommen sind.
 
Eine Bewertung hängt also extrem stark von der tatsächlichen Einwohnerzahl ab, über die scheinbar die Gelehrtenmeinungen ganz heftig auseinander gehen.

Soweit ich gelesen habe, gingen höhere Zahlen zu Pompeji von den Sitzplätzen des dortigen Amphietheaters aus. Nachdem die bebaute Fläche aber gut archäologisch erschloßen worden war, wurde klar, dass dort niemals 20.000 Menschen gelebt haben können, sondern höchstens 10.000.

Für antike Maßstäbe war Pompeji schon eine recht große Kleinstadt und definitiv verhältnismäßig reich. Da das antike Italien einen sehr hohen Urbanisierungs- und Wohlstandsgrad hatte, war Pompeji aber nicht wirklich einzigartig. Würde man das Pompeji des 1. Jahrhunderts jedoch mitten in das zeitgleiche Gallien verpflanzen, dann würde Pompeji dort sicher als Mittelstadt durchgehen, da der zivilisatorische Prozess im römischen Nordwesten noch nicht so weit fortgeschritten war wie im unmittelbaren Mittelmeerraum.
 
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@ tela

Für die Bedeutung des Ortes wären natürlich Angaben zum Quell- und Zielverkehr, Verkehrszählung überhaupt ganz wichtig.;)


Wichtig wäre zu untersuchen, wieviele Orte in der Umgebung die selbe Infrastruktur hatten. Wie üblich waren Amphitheater in der Gegend? Kann eine an Bev.zahl gemessene Kleinstadt nicht auch schon ein Mittelzentrum sein?
 
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Die 70er Jahre DDR-Schulatlanten hatten eine klitzekleine Landkarte des Vesuvs. Dort waren alle Orte/Städte des antiken Roms am Vesuv zur Seeseite eingetragen. Pompeji, Herculaneum, Torre Annunziata. Dicht an dicht. Ca. 10 Kilometer auseinander. Heute nicht anders, wenn man die Strecke abfährt.
In der Arte-Doku "Die letzten Tage von Herculaneum" spricht man von 4000 Einwohnern von Herculaneum. Die benachbarte reichere Stadt Pompeji ist zudem heute erst zu zwei Dritteln ausgegraben. Und wird als viel größer beschrieben als Herculaneum.
Ob man Pompeji Kleinstadt nennt und 20000 Menschen hat wohnen lassen, lässt die Katastrophe des Untergangs Pompejis nicht kleiner werden.
Nicht vergessen sollte man, dass das benachbarte große Neapel erst knapp 150 Jahre römisch war und die Griechen nach wie vor die meisten Bewohner von Neapel waren.
 
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Die 70er Jahre DDR-Schulatlanten hatten eine klitzekleine Landkarte des Vesuvs. Dort waren alle Orte/Städte des antiken Roms am Vesuv zur Seeseite eingetragen. Pompeji, Herculaneum, Torre Annunziata. Dicht an dicht. Ca. 10 Kilometer auseinander. Heute nicht anders, wenn man die Strecke abfährt.
Stimmt, die Orte haben sich keinen Meter von der Stelle bewegt seit damals.

[/quote] In der Arte-Doku "Die letzten Tage von Herculaneum" spricht man von 4000 Einwohnern von Herculaneum. Die benachbarte reichere Stadt Pompeji ist zudem heute erst zu zwei Dritteln ausgegraben. Und wird als viel größer beschrieben als Herculaneum. [/quote]

Reicher? Weiß ich nicht. Insgesamt sind die Wohnanlagen Herculaneums um einiges luxuriöser als die Pompejis, und wie groß Herculaneum eigentlich ist werden wir erst erfahren, wenn die Stadt drüber weg ist. Für eine richtige Kleinstadt hatte Herculaneum jedenfalls ein Riesentheater mit allem modernen Schnickschnack.
Der Hintergrund dafür ist nicht uninteressant: Pompeji war trotz allem Luxus eine (oskische oder sabinische) Landstadt, auch die Kolonie war letztlich eine Landverteilungsmaßnahme unter Veteranen, die Bauern werden sollten und fürs erste auch wurden. Herculaneum war griechische Kolonie und Seehafen. Handel und Fischerei lassen eine Stadt ganz anders wachsen als Landwirtschaft.
 
Für eine richtige Kleinstadt hatte Herculaneum jedenfalls ein Riesentheater mit allem modernen Schnickschnack.
Der Hintergrund dafür ist nicht uninteressant: Pompeji war trotz allem Luxus eine (oskische oder sabinische) Landstadt, auch die Kolonie war letztlich eine Landverteilungsmaßnahme unter Veteranen, die Bauern werden sollten und fürs erste auch wurden. Herculaneum war griechische Kolonie und Seehafen. Handel und Fischerei lassen eine Stadt ganz anders wachsen als Landwirtschaft.

Kaiser Nero hat dem pompejianischen Amphitheater eine 10-jährige Sperre für Publikum auferlegt, nachdem es da mal zu einer Massenschlägerei zwischen Zuschauern aus Pompeji und einem Nachbarort kam.
 
Vorige Woche war ich aufgrund einer Studienfahrt in Italien und habe neben anderen Städten Pompeji gesehen - zumindest was davon noch übrig ist.

Ich schenke der Frau, die unsere Gruppe durch die Stadt geführt, hat meinen Glauben und denke, dass man zu recht behaupten kann, dass Pompeji eine große und bedeutende Stadt für die damaligen Verhältnisse war, obwohl Neapel gleich nebenan ist.
Zwar wird unsere italienische Gruppenführerin an einigen Ecken ihrer Presentation die Geschichte etwas verherrlicht haben, aber ich denke, dass was ich gelernt habe, ist wahr.
(Bloß warum hat sie uns einen italienischen Stadtplan gegeben? :S :confused:)

Ich denke, dass Pompeji eine nunja fast schon Großstadt für die damalige Zeit war, denn nach den ihnen vorliegenden Erkenntnissen lebten zur Zeit des Ausbruchs des Vesuvs mindestens 15 000 Menschen in der Stadt.
Zwar sind die Regio - ich nehme einmal ganz stark an, dass das die Regionen sind, in die die römische Stadt heute eingeteilt wird - 3, 4 und 9 nur ganz vereinselt ausgegraben und zum Teil nur die Region 1 und 5, aber was durch die bisherigen Entdeckungen ans "Tageslicht" brachten, zeugt von kulturellen, politischen und wissenschaftlichen Fortschritt.

Das Amphittheater von Pompeji ist das größte Bekannte nach dem in Rom und Verona. Es wurde als Koloseum benutzt und die Stadt platzte aus allen Nähten, wenn spiele statt fanden.
Politiker sollen für ihre Wahl geworben haben indem sie versprachen berühmte Gladiatoren aus Rom nach Pompeji zu holen, wenn sie gewäht werden würden. Meistens gewannen Diese auch die Wahl.
Für die Religion wurden Tempel der Venus und des Apollon geschaffen, die im "Zentrum" neben Tribunal und Marktplatz das Stadtbild prägten - als zwei Beispiele.
Neben weiteren kulturellen Einrichtungen, wie das "Teatro Grande", wurden vielzählige Termen wiederentdeckt und, für die Herren der Schöpfung, das älteste Bordell der Welt. Es ist das einzige Haus, was ich zumindest von den vielen gesehen habe, welches komplett mit Obergeschoss erhalten ist.

Fortschrittlich waren die Bürger der Stadt Pompeji allemal im Straßenverkehr. Große Steinklötze wurden in den Boden gerammt, was symbolisierte, dass der versperrte Weg eine unzugängliche Straße war. Reiche Bürger konnten sich das Recht heraus nehmen solche aufzustellen, damit sie zukünftig mehr Ruhe hatten. Stopschilder sind auch erhalten, sie regelten den Verkehr der Fuhrwerke, damit einem Stau und Durcheinander im engen Gassengeflecht entgegengewirkt werden konnte.
Die Stadtbewohner bemühten sich ihre ca. 70 ha große Heimat so rein wie möglich zu halten. Es gab öffentliche, auf dem Gehweg stehende "Wasserquellen". Diese waren für die Wasserversorgung der armen Bevölkerung gedacht und das Wasser, welches nicht gebraucht wurde, floss auf die Straße zur Reinigung.
Die Wege in Pompeji sind leicht schräg gebaut, damit der Unrat und das dreckige Wasser in die Kanalisation fliesen konnte, die nur in einigen Regionen angelegt werden konnte, da die Stadt auf festen Gestein gebaut wurde und damit eine komplette Kanalisation unmöglich machte.

Etwas über die "Zebrastreifen" in Pompeji.
In der Mitte der Gasse oder der Straße war wie eine Art tiefe Fahrrinne, durch diese fuhren die Karren und Fuhrwerke. Die Leute die zu Fuss unterwegs waren liefen auf den "Bürgersteigen" rechts und links neben den Rinnen. Doch sie konnten nicht immer nur auf einer Straßenseite gehen, um ihr Ziel zu erreichen. Deshalb legte man riesige, rechteckige Steinquader in die "Straßen", die so aussehen wie unser heutigen Zebrastreifen.

Künstlerisch hatten die Leute in Pompeji auch Einiges weg. Reiche Familien liesen ihre Räume mit Wandmalereien verziehren. Zum Beispiel stellten sie bereits den teueren blauen Farbstoff aus gemahlenem Lapislazuli her. Eine andere Art der "Hausverschönerung" waren Mosaike auf den Fussböden, die ganz gerne auch Inschriften, Verse oder Drohungen vermittelten.
Wer dann immernoch Geld übrig hatte lies sich im Hof einen Garten anlegen, in dem man Gäste einlud oder geschäftliche Kontakte knüpfte.

Pompeji lag zum Zeitpunkt des Vesuv-Ausbruches am Meer. Bei Ausgrabungen fand man eindeutige Indizien für einen Hafen und man geht davon aus, dass Pompeji dadurch als eine wirtschaftlich aktive Stadt im römischen Reich einen gewissen Name besaß.
Oberhalb dieser Anlagen am "Porte Marina, Torre XIII" befindet sich ein riesiger Palast. Die Archäologen wissen nicht welcher hohe Herr dort seinen Sitz hatte. Sie gehen von einem Mitglied der Kaiserfamilie aus, da der Palast zum Meer zeigt, welches vor der Tür lag und alles, um weiten, in der Stadt und, nicht nur, nahen Umgebung an Prunk in den Schatten stellt.

Es ist mir durchaus bewusst, dass viele Einzelheiten in Rom oder anderen Zentren des Römischen Reiches Gang und Gäbe waren, aber ich wollte meine Meinung unterstreichen, warum ich finde, dass Pompeji für mich mehr als eine Kleinstadt ist - war.

Ups ist ein bissel viel geworden.:red:
 
Etwas über die "Zebrastreifen" in Pompeji.
In der Mitte der Gasse oder der Straße war wie eine Art tiefe Fahrrinne, durch diese fuhren die Karren und Fuhrwerke. Die Leute die zu Fuss unterwegs waren liefen auf den "Bürgersteigen" rechts und links neben den Rinnen. Doch sie konnten nicht immer nur auf einer Straßenseite gehen, um ihr Ziel zu erreichen. Deshalb legte man riesige, rechteckige Steinquader in die "Straßen", die so aussehen wie unser heutigen Zebrastreifen.

Das machte man aber nur an Stellen, an denen es wegen des Wasserflusses in den Straßen wirklich notwendig war. Flächendeckend sind diese Übergänge nämlich nicht verteilt innerhalb Pompejis. Und in anderen Städten sind sie überhaupt nicht verwendet worden (so weit man es sagen kann z.B. für Herculaneum, wo es die Steine nicht gibt).

Es ist mir durchaus bewusst, dass viele Einzelheiten in Rom oder anderen Zentren des Römischen Reiches Gang und Gäbe waren, aber ich wollte meine Meinung unterstreichen, warum ich finde, dass Pompeji für mich mehr als eine Kleinstadt ist - war.

Die Frage ist nicht, ob es diese Dinge in den Großstädten des Reiches gab, sondern wie verbreitet all dies in Städten vergleichbarer Größe war. Ob sich Pompeji also wirklich von vielen anderen Städten dieser Größe (plusminus 10000 Einwohner) unterschied oder ob dies einfach nur aufgrund der herausragenden Erhaltung der Stadt heute so erscheint.

Und da scheint es mir eben doch so zu sein, dass wir vieles in gleicher oder ähnlicher Pracht und Qualität auch außerhalb Pompejis finden können.
 
Aus Pompeji gibt es Neues über die einstige Bevölkerungszahl zu berichten – ein Interview mit dem dortigen Direktor des Archäologischen Parks Gabriel Zuchtriegel - Zitat:

SZ: Eine Parallele zur Gegenwart ist die Wohnsituation in Pompeji. Die Menschen lebten auf sehr beengtem Raum, Wohnraum war knapp, Immobilienspekulanten dominierten den Markt – so wie heute in vielen Großstädten.

Gabriel Zuchtriegel: Wohnraum war ein knappes Gut in der antiken Stadt, auch wenn wohlhabende Bürger sehr viel Platz für sich beanspruchten. Pompeji mit seinen Häusern, Läden, Bäckereien, Bordellen, Kneipen und Tempeln war ein überfüllter Ort.

Sie gehen inzwischen davon aus, dass in Pompeji vor dem Vulkanausbruch doppelt so viele Menschen lebten als bisher angenommen, möglicherweise gab es bis zu 45 000 Bewohner. Wie begründen Sie diese Schätzung?

2017 entdeckten die Archäologen eine Grabinschrift für ein wichtiges Mitglied der Oberschicht. Darin ist der Populus Pompeianus – also die männlichen stimmberechtigten Bürger – mit 6840 Personen vermerkt, die alle zu einem großen Festessen zu seinen Ehren eingeladen waren. Erwachsene Männer stellten vermutlich 27, 28 Prozent der Bevölkerung dar, dazu kamen Frauen, Nichtstimmberechtigte ohne Bürgerrecht und Sklaven. Damit kommt man auf eine sehr hohe Zahl von Bewohnern. Natürlich ändert sich dadurch unser Bild von Pompeji.

Inwiefern?

Wir können das auch im archäologischen Befund sehen – es gab sehr viele Umbauten, immer neue Zwischengeschosse, offenbar eine Reaktion auf die Wohnungsnot. Es ändert auch etwas am Storytelling: Das Bild, das wir früher hatten von der schmucken, kleinen Landstadt, mit großzügigen Atriumhäusern, war ja dominiert von der Idee der bürgerlichen Kleinfamilie, die man auf die Antike übertragen hat. Und diese Vorstellung ist völlig falsch.
 
Ich stelle mir die Frage, ob die geographische Definition der Stadt Pompeji mit deren "kommunalpolitischen" Definition beziehungsweise mit deren Bürgerrecht deckungsgleich ist. Zumindest in unserer provinzialrömischen Gegend leben Ratsherren einer römischen Civitas schon mal 20 km weg von der eigentlichen Stadt in einer Villa Rustica oder in einem unbedeutenden Vicus. Es sicherlich schwierig, die Verhältnisse in Agri Decumates auf eine oskische Landstadt am Golf von Neapel zu übertragen. Aber mussten die 6.840 Männer wirklich direkt in Pompeji wohnen oder haben wir es auch mit Menschen aus dem Umland zu tun?

Wir kennen ja den Begriff "tribus", was häufig mit Wahlbezirk übersetzt wird. War der Wahlbezirk Pompeji nur die Stadt oder ging der darüber hinaus?
 
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Es war in der klassischen Antike und darüber hinaus ja immer Siedlungsschwerpunkt und Umland, die die Stadt bildeten.

Aber 45.000 oder auch 35.000 Einwohner sind schon eine Mittelstadt, keine Kleinstadt. Jedenfalls für das 20. Jahrhundert. Damals jedoch werden je nachdem schon 20.000 Einwohner als eine große Stadt gelten müssen. Die Übertragung ergibt ja nur hinsichtlich Logistik und Administration Sinn. Die damit verbundenen Konnotationen hingegen sind rein subjektiv. Ein beliebter Badeort der Oberschicht wird als bedeutender anzusehen sein, als eine sonst agrarisch geprägte Stadt mit Töpferwerkstätten und Waffenmanufaktur, aber mit nur einem Patron aus der römischen Oberschicht.
 
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