Römisch/frühchristliches Recht und Homosexualität

Eichelhäher

Aktives Mitglied
Ich habe eine sehr spezielle Frage. Eine Kollegin von mir sitzt an einer Arbeit über die Frage nach der strafrechtlichen Verfolgung von Homosexualität in frühchristlichen Texten und hat meinen Mann um Hilfe bei Feinheiten gebeten. Sie untersucht einen Text von Justinian, in dem im Bezug auf Homosexualität die Rede ist von "ein Vergehen sühnen" (scelus expiare).

Sie möchte dies "expiare" als rein moralische, aber nicht strafrechtliche Sache verstanden wissen. Mein Mann und ich (zwei Lateiner) fragen uns nun, ob das wirklich der Fall ist. Cicero benutzt "scelus" definitiv im strafrechtlichen Kontext (soweit für wissen), auch in Verbindung mit "expiare" (hat der Georges ergeben). Justinian ist von Cicero weit genug weg, dass da eine Bedeutungsverschiebung stattgefunden haben könnte; er beruft sich aber auf den Gelehrten Caius, der aus dem 1. nachchristlichen Jahrhundert und somit doch wieder näher an Cicero ist. In wieweit der Text von ihm übernommen ist, ist allerdings nicht ersichtlich. Es geht also wirklich eher um die Bedeutung des Wortes "expiare" in einem römischen und weniger in einem christlichen Kontext.

Hat irgendjemand von der Materie genug Ahnung, um über unser "könnte alles sein" hinauszugehen?
 
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Die Originalstelle des Gaius wird es wohl nicht mehr geben. In den "Institutiones" habe ich "expiare" (in welcher Form immer) kein einziges Mal gefunden. Also entweder wurde im Iustinian-Text nicht der genaue Wortlaut übernommen oder (ohnehin wahrscheinlicher) es wurde ein anderes Werk des Gaius benutzt, denn da die Institutiones primär das Zivilrecht behandelten, passen Strafbestimmungen über Homosexualität dort nicht wirklich hinein.

Könntest Du eventuell die Iustinian-Stelle genauer angeben?

An der strafrechtlichen Relevanz von Homosexualität in der Spätantike generell kann jedenfalls kein Zweifel bestehen. Der Codex Theodosianus enthielt ein Gesetz der Kaiser Constantius II. und Constans aus dem Jahr 342 (9.7.3) sowie eines der Kaiser Theodosius I., Valentinianus II. und Arcadius aus dem Jahr 390 (9.7.6) mit sehr realen weltlichen Strafdrohungen.
 
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Könntest Du eventuell die Iustinian-Stelle genauer angeben?

An der strafrechtlichen Relevanz von Homosexualität in der Spätantike generell kann jedenfalls kein Zweifel bestehen. Der Codex Theodosianus enthielt ein Gesetz der Kaiser Constantius II. und Constans aus dem Jahr 342 (9.7.3) sowie eines der Kaiser Theodosius I., Valentinianus II. und Arcadius aus dem Jahr 390 (9.7.6) mit sehr realen weltlichen Strafdrohungen.

Wobei man allerdings die Ausprägungen von sodomia unterscheiden müsste.

Dass ist wohl nicht einfach mit "Homosexualität" zu fassen. Mir ist allerdings nicht klar, ob das mit der vermuteten Abstufung zu tun hat.
 
Ravenik und Silesia, das ist schon mal sehr hilfreich, danke!

Die Stelle, die mein Mann mir grad gegeben hat, ist: Paul Krüger (Hrsg.), Fragmenta Vaicana: Mosaicarum et Romanarum legum collatio (Collectio librorum iuris anteiustiniani; 3) Berlin 1890, XX tit. V.3 Impp. Veltianus, Theodosius et Arcadius Augg. ad Orientum vicarium urbis Romae).

Non patimur urbem Romam virtutum omnium matrem diutius effeminati in viro pudoris contaminatione foedari et agreste illud a priscis conditoribus robur fracta molliter plebe tenuatum convicium saeculis vel conditorum inrogare vel principum, Orienti carissime ac jucundissime nobis. Laudanda igitur experientia tua omnes, quibus flagiti usus est virile corpus muliebriter constitutum alieni sexus damnare patientia nihilque discretum habere cum feminis, occupatos, ut flagiti poscit immanitas, atque omnibus eductos, pudet dicere, virorum lupanaribus spectante populo flammae vindicibus expiabit, ut universi intellegant sancrosanctum cunctis esse debere hospitium virilis animae nec sine summo supplicio alienum expetisse sexum qui suum turpiter perdidisset.

Online gefunden hier. Klicken auf eigene Gefahr. Wegen eventueller Logarithmen, die Google/die NSA dann über euch erstellen, und nicht zuletzt wegen der psychedelischen Farbwahl der Seite. :schau:
 
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Die Homophobie kam mit dem Judentum/Christentum, auch ein Grund weshalb ich nichts von diesen Religionen halte.
Die Heiden waren schon wesentlich fortschrittlicher im heutigen Verständnis.

Das die alten Römer(vor allem die Griechen) vor der christlichen Seuche noch keine Homophoben waren sollte man am Liebespaar Hadrian/Antinoos sehen. In christlichen Zeiten undenkbar
 
Im sog. Mittelassyrischen Gesetzbuch stand auf Sex zwischen Männern die Kastration. Nur mal so als Beispiel für die fortschrittlichen Heiden vor der "christlichen Seuche" ...
 
Online gefunden hier. Klicken auf eigene Gefahr. Wegen eventueller Logarithmen, die Google/die NSA dann über euch erstellen, und nicht zuletzt wegen der psychedelischen Farbwahl der Seite. :schau:

Ich habe es gewagt und deinen Link angeklickt (Danke fürs posten. Die Farben sind in der Tat :w00t1:)
Dort wird ja die Strafbarkeit von Homosexualität unter Männern postuliert. In der CCC (ok, mehr als 1.000 Jahre später) heisst es in cxvj "ITem so eyn mensch mit eynem vihe / mann mit mann / weib mit weib / vnkeusch treiben".
Keyser Karls des fünfften: vnnd des heyligen Römischen Reichs peinlich gerichts ordnung ? Wikisource

Irgendwann zwischen dem 4. und 16. Jahrhundert muss also auch weibliche Homosexualität als Straftatbestand eingeführt worden sein. Weiß da jemand mehr?
 
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