Römische Stadtmauern: Verteidigungsanlagen oder Prestige?

Carolus

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Ich wollte gerade einen Artikel über neue Ausgrabungen im entsprechenden Bereich einstellen, da merke ich, dass es nicht um die Südost-Ecke geht, sondern um die Nordostecke!

Vielleicht möchte trotzdem jemand einen Blick in die Artikel werfen:

Heimat erleben in Xanten: Neues über alte Römermauern

Xanten: Auswertung mit Lupe und Bestimmungsbüchern

Für mich neu war die Bewertung der Archäologen zur Stadtmauer:

Dass der Mauerbau einfach nur schicklich und keinesfalls als Verteidigungsinstrument gedacht war, zeige auch deren Stärke, erzählt Becker, der unter anderem beim Landesamt für Denkmalpflege in Hessen und in der römisch-germanischen Kommission am Deutschen Archäologischen Institut in Frankfurt sowie an der Goethe-Universität gearbeitet hatte, bevor er im November nach Xanten kam. Richtig wehrhafte Mauern waren bis zu vier Meter dick. In Xanten, so ergaben die ersten Ausgrabungen an den neuen Flächen, waren es nur 1,60 bis zwei Meter. Und die Türme, so ist erkennbar, ragen nur knapp nach außen hinaus. "Für eine Verteidigung", so Becker, "hätte das nicht gereicht." Von den Türmen herab mussten auch die Mauern mit verteidigt werden, dafür wurden sie für eine richtige Wehrmauer weit nach außen gebaut.

Kann man diese Aussage so stehen lassen? Eine Mauerstärke von 1,60 bis 2 m ist nun auch nicht von Pappe:rofl:.
 
Sicher kann man das nicht so stehen lassen.

Gegen ein römisches Heer hätte es nicht ausgereicht. Aber gegen 500 junge Krieger, die ein wenig plündern wollen, um sich zu profilieren? Oder ein paar Tausend Barbaren?

Hinzu kommt die Frage, wie die Mauern verteidigt werden konnten. War zu erwarten, dass die Stadt fällt, wird man keine starken Verteidigungsanlagen vorgesehen haben, um sie leichter wieder einnehmen zu können.

Für einen Bürgerkrieg oder aufständische professionelle Hilfstruppen hat man sicherlich nicht geplant. Die Stadt sollte gegen Barbaren ohne Belagerungsgerät lange genug gehalten werden können, bis Entsatz eintrifft. Die Grenzverteidigung basierte ja auf der Reaktion.

Eine lange Belagerung und ein Sturmreifschießen wird man den Germanen nicht unterstellen wollen. Gegen eine Überrumpelung der Wachen, Verrat oder Bestechung helfen auch keine dickeren Mauern. Und ob die letzten beiden Punkte realistisch zu erwarten waren, ist eine andere Frage.

Es bleibt also der Sturm auf die Mauern. Dabei kommt es weniger auf die dicke der Mauern an. Bei der CUT würde ich an dieser Stelle fragen, wie sie in einem solchen Fall verteidigt werden sollte. Waren die Verteidiger in der Lage einen Angriff abzuwehren?

Da weiterhin mittelalterliche Städte auch verteidigt werden konnten, die Mauerdicke oft nicht mal 1,60 m erreichte und die Anlagen oft eher ungünstig waren, würde ich der Mauer nicht per se die Funktion einer Wehrmauer absprechen.

Die Frage ist eben, gegen was sie schützen sollte. Es gab ja angeblich Städte, deren repräsentative Mauern eine kurze Strecke vom Tor entfernt endeten. Zur 'Schicklichkeit' oder als Statussymbol hätte das genügt.
 
Nicht nur repräsentativ, die trajanische Stadtmauer.

Ich war als Student in den 80er Jahren Fremdenführer im APX, ferner habe ich dort als studentische Hilfskraft gearbeitet. Bei der Ausbildung hieß es immer, die Stadtmauer der CUT (aus trajanischer Zeit) habe repräsentativen Charakter gehabt. Ich fand das immer viel zu einfach und einseitig. So ein Bauwerk nur zu repräsentativen Zwecken? Sicher nicht! Die trajanische Stadtmauer, um die es auch in dem Artikel geht, war sicher nicht (mehr) geeignet, um größere und in Sachen Belagerungstechnik zunehmend erfahrene Germanenhorden im 4. oder 5. Jahrhundert abzuwehren. Aber im 2. Jahrhundert war sie zweifelsohne abschreckend genug, um jeden Gedanken an eine einfache Attacke schon im Keim zu ersticken. Die Germanen waren im 2. Jahrhundert ja noch längst nicht so gut organisiert und aggressiv wie im 3. Jahrhundert und danach, als die Römer mit immer besseren und stärkeren Festungen reagierten. Die trajanische Mauer der CUT spiegelt den Bedarf des 2. Jahrhunderts wider, und nicht den des 3. und 4. Jahrhunderts, als sie zweifellos überholt war und größeren Attacken nicht mehr standhalten konnte. Unabhängig von möglichen Germanen-Angiffen aus dem Rechtsrheinischen gab die trajanische Stadtmauer im 2. Jh. aber auch Sicherheit vor unbefugtem Eindringen, etwa durch Räuberbanden, einzelne Gangster, randalierende Soldaten oder betrunkene Schiffsbesatzungen vom angrenzenden Hafen. Die Bürger der CUT werden sicher besser geschlafen haben, wenn die Tore nachts geschlossen waren bzw. an den Toren sogfältig kontrolliert wurde. Daher bin ich sicher, dass die trajanische Stadtmauer nicht nur repräsentativen Charakter hatte. Diese monokausal-einseitige Darstellung durch die Archäologen wundert mich daher immer noch sehr.

Im Übrigen geht es in der Tat nicht um die Ecke im Südwesten mit der neu entdeckten spätantiken Festung. Die Nordwestecke ist in der Tat wenig erkundet. Hier schnitt die Bahnlinie nach Kleve einst das Gelände bzw. die Stadtmauer. Man darf gespannt sein, was sich hier findet.
 
"Repräsentativ, trotzdem wehrhaft", heißt es hier:

Stadtmauer und Tore

Das eine schließt das andere nicht aus.

"Trotz ihres wehrhaften Charakters diente diese Mauer weniger als wirkliche Umwehrung gegen Feinde. Vielmehr war sie ein Symbol römischer Macht und Kultur an der germanischen Provinzgrenze."

Die Frage ist doch, warum man diese eindrucksvolle Mauer gebaut hat. Viele römische Siedlungen am Rhein waren unbefestigt. Ich glaube ja nicht, dass man Xanten besonders viel Angst vor Räuberbanden, betrunkenen Matrosen oder angreifenden Germanen hatte.
 
Repräsentative militärische Absicherung!

"Repräsentativ, trotzdem wehrhaft", heißt es hier:

Stadtmauer und Tore

Das eine schließt das andere nicht aus...
Zweifelsohne! Repräsentativ UND nützlich war die Stadtmauer!

Die Frage ist doch, warum man diese eindrucksvolle Mauer gebaut hat...
Aus den o. g, Gründen. Und nicht nur aus einem Grund (Repräsentation)

...Viele römische Siedlungen am Rhein waren unbefestigt...
Richtig. Die kleineren Siedlungen waren im 2. Jh. unbefestigt. Die großen aber alle (Trier, Köln, Xanten, Mainz usw.). Das ist ganz einfach zu erklären. Je größer die umfriedete Siedlung ist, desto geringer wird der individuelle Anteil eines jeden Einwohners an einer Stadtmauer. Anders ausgedrückt: Je mehr Einwohner eine Stadt hat und je komprimierter diese gewohnt haben, desto geringer ist der Anteil eines jeden Bürgers an der Errichtung bzw. am Erhalt und Betrieb der Stadtmauer. Einfache Mathematik. Anders ausgedrückt: Je kleiner eine Siedlung war, desto weniger konnten sich die Bewohner eine Stadtmauer leisten.

Man darf zudem davon ausgehen, dass die gut befestigten, also sicheren Städte insbesondere solche Bewohner anzogen, die viel zu verlieren hatten. Nämlich die Reichen! Wahrscheinlich waren die Immobilien-Preise in den Städten auch entsprechend hoch (das ist heute nicht anders). Wer es sich nicht leisten konnte, lebte eben im unbefestigten, weniger wohlhabenden Dörfern. Die Funde bestätigen dies. Der größte römische Goldschatz wurde nicht umsonst in der Stadt Trier gefunden. In der CUT findet man gerade im aktuellen Grabungsbereich (Nordwesten) viele sehr große Villen, wo zweifelsohne die Reichen gewohnt haben (im Umland findet man solchen Luxus am Niederrhein übrigens nicht). Solche luxuriösen Wohnanlagen (ich meine keine Villa Rustica weiter im Hinterland, die landwirtschaftlichen Betrieb hatte und die dem Betreiber keine Wahl ließ, als sich dort auch niederzulassen, wo produziert wurde) findet man außerhalb der römischen Städte eher selten. Und wenn, dann weiter weg von der Grenze. Und der Bewohner einer großen Villa, sagen wir mal an der beliebten Mosel, hatte dann sicher noch ein Refugium in der sichereren Stadt. Kurzum, in der befestigten römischen Stadt, insbesondere in Grenznähe, konzentrierte sich der Reichtum, weniger in den kleinen unbefestigten Dörfern. Deswegen war es natürlich für jede Räuberbande deutlich attraktiver, eine reiche Stadt zu plündern als ein kleines, ärmeres Dorf. Und umso notwendiger war es für eine reiche Stadt, sich eine Befestigung zuzulegen.

...Ich glaube ja nicht, dass man Xanten besonders viel Angst vor Räuberbanden, betrunkenen Matrosen oder angreifenden Germanen hatte.
Ich schon! Aus den o. g. Gründen!

Und noch was: Gerade die jüngst entdeckte spätrömische Befestigungsanlage im Südwesten der CUT beweist, dass die noch vorhandene trajanische Mauer immer noch gut genug war, um in den stürmischen Zeiten des späten 3. Jahrhunderts die Hälfte der Befestigung des neu entstandenen Militärlagers herzugeben und damit eine Militäreinheit zu beherbergen. Militärisch nutzlos kann die Mauer also absolut nicht gewesen sein, ganz im Gegenteil.
 
Richtig. Die kleineren Siedlungen waren im 2. Jh. unbefestigt. Die großen aber alle (Trier, Köln, Xanten, Mainz usw.).

Mainz erhielt erst im 3. Jahrhundert eine Stadtmauer:

Kurz nach der Mitte des 3. Jahrhunderts (der parallel zum Rhein verlaufende Mauerabschnitt konnte durch die Untersuchung hölzerner Pfahlroste auf den Zeitraum 251/253 datiert werden[12]) wurde die zwischen Legionslager und Rhein gelegene Zivilsiedlung erstmals mit einer Stadtmauer umgeben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Mogontiacum#Stadtmauer_und_Stadttor


Militärisch nutzlos kann die Mauer also absolut nicht gewesen sein, ganz im Gegenteil.
Wurde denn ernsthaft behauptet, dass die Mauer militärisch nutzlos war?
 
Im Fall Triers sind Datierung und Anlass der Stadtbefestigung umstritten und derzeit Thema eines Forschungsprojekts:


Die Chronologie der Befestigung wurde im 19. Jh. wegen des „unfertigen Zustandes“ der porta nigra noch an das „Ende der Römerherrschaft“ datiert. Hans Lehner setzte sie an den Anfang der 2. Hälfte des 3. Jhs. (1896, 265), Harald Koethe in die erste Hälfte des 4. Jhs. (1936, 74). Erich Gose ordnete sie dem Ende des 2. Jhs. zu (1969, 70), Heinz Cüppers glaubte dies auf die Jahre 160-180 präzisieren zu können (1973, 222). Jüngst plädierte Jennifer Morscheiser wieder für eine spätere Datierung in das 3. Jh. und eine komplexe Baugeschichte (2012, 245). Gleiches gilt für den mutmaßlichen Anlass des Mauerbaus: Dieser sei die Ahnung einer militärischen Bedrohung (Lehner 1896, 265) oder eine Reaktion auf diese (Cüppers 1973, 222; Morscheiser 2012, 245), Ausdruck wirtschaftlicher Prosperität (Gose 1969, 59) oder die Beschäftigung von Truppen während der Friedenszeit gewesen (Koethe 1937, 74).

Die Stadtbefestigung der gallorömischen Metropole Augusta Treverorum/Trier. Studien zu ihrer Gestalt, Entwicklung und Datierung unter besonderer Berücksichtigung bauökonomischer Aspekte (Arbeitstitel) | GRK 1878: Wirtschaftsarchäologie
 
"Repräsentativ, trotzdem wehrhaft", heißt es hier:

Stadtmauer und Tore

Das eine schließt das andere nicht aus.

"Trotz ihres wehrhaften Charakters diente diese Mauer weniger als wirkliche Umwehrung gegen Feinde. Vielmehr war sie ein Symbol römischer Macht und Kultur an der germanischen Provinzgrenze."

Die Frage ist doch, warum man diese eindrucksvolle Mauer gebaut hat. Viele römische Siedlungen am Rhein waren unbefestigt. Ich glaube ja nicht, dass man Xanten besonders viel Angst vor Räuberbanden, betrunkenen Matrosen oder angreifenden Germanen hatte.

Für den Symbolcharakter spräche der Status der CUT als Colonia. Gleiches gilt im noch höheren Maße für die CCAA als Provinzhauptstadt, deren Stadtmauer aus dem späten 1. Jhdt. stammt (https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtmauer_Köln#R.C3.B6mische_Stadtmauer), aber auch im zweiten / dritten Jahrhundert weiter ausgebaut wurde. Ebenfalls Colonia, aber erst im späten 2. Jahrhundert mit Stadtmauer versehen, war https://de.wikipedia.org/wiki/Augusta_Treverorum#Stadtbefestigung.

Andererseits waren sowohl die CUT als auch die CCAA unmittelbar an der Grenze gelegen, während das römische Trier weiter vom Schuß (im eigentlichen Sinne:D) war. Die CUT lag auch noch an der Mündung der Lippe, und im Bataveraufstand hatten doch aufständische Germanen dem römischen Befehlshaber sein Flaggschiff gestohlen und haben es über die Lippe zu ihrer Seherin Veleda gebracht. Daher sollte man die Stadtmauer nicht nur als Prestigeobjekt sehen.
 
Mainz erhielt erst im 3. Jahrhundert eine Stadtmauer
Das ist interessant, passt aber zu der von mir vertretenen These, dass grenznahe große Städte auch schon in trajanischer Zeit zur Sicherheit eine Stadtmauer brauchten. Die CUT und die CCAA lagen von Anfang an gewissermaßen im Blickfeld der Germanen und waren als grenznahe Städte besonders gefährdet. Deswegen hatten sie offenbar von Anfang an eine Stadtmauer (aus militärischen Gründen). Wenn Mainz erst später nach zog, so lässt sich das leicht erklären. Mainz war eine unmittelbare Lagervorstadt der Legion, die natürlich besondere Sicherheit gegen Angreifer bot (die "Xantener Legion", die XXX Ulpa Victrix, war dagegen einige Kilometer weiter in Bislich stationiert). Bis in die Mitte des 3. Jh. lag Mainz zudem im Hinterland, denn der Limes sicherte das Vorfeld bis in die Wetterau und in den Taunus. Wenn man nach dem Fall des Limes ziemlich zeitgleich nachzog und eine Stadtmauer aufbaute, zeigt das mehr als deutlich, dass eine Stadtmauer auch schon vor den Stürmen des späten 3. Jahrhunderts absolut Sinn machte. Zumindest in Feindes- bzw. Grenznähe. Den Fall Mainz sehe ich daher als Bestätigung meiner Einschätzung, dass die trajanische Stadtmauer der CUT von Anfang an eine besondere militärische Bedeutung hatte. Sie diente natürlich auch der Abschreckung, als Symbol der militärischen Macht, was man dann letztendlich auch als "repräsentativen Charakter" definieren kann. Sicherlich war die Stadtmauer der CUT alles in einem: repräsentativ, abschreckend und militärisch nützlich, ja sogar notwendig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn Mainz erst später nach zog, so lässt sich das leicht erklären. Erstens war Mainz nie Colonia
... was einen niedrigeren Rang und damit auch ein geringeres Repräsentationsbedürfnis mit sich brachte...

Daher sollte man die Stadtmauer nicht nur als Prestigeobjekt sehen.

Hat jemand behauptet, eine Stadtmauer sei nur ein Prestigeobjekt gewesen?

Unbeantwortet ist bisher auch meine Frage:

Wurde denn ernsthaft behauptet, dass die Mauer militärisch nutzlos war?

 
Einen kann ich mir doch nicht verkneifen:

und im Bataveraufstand hatten doch aufständische Germanen dem römischen Befehlshaber sein Flaggschiff gestohlen und haben es über die Lippe zu ihrer Seherin Veleda gebracht. Daher sollte man die Stadtmauer nicht nur als Prestigeobjekt sehen.

Wäre das Flaggschiff sicher innerhalb der Stadtmauern verwahrt gewesen, hätte es natürlich nicht geklaut werden können.

Und möglicherweise ist auch mit der "Lippe" kein Fluss, sondern eine Innenstadt gemeint.
Von der Ems hatten wir es ja schon:
http://www.geschichtsforum.de/746799-post4350.html
 
... Wurde denn ernsthaft behauptet, dass die Mauer militärisch nutzlos war?

In Xanten wurde mir das damals genau so vermittelt, ja. Und für mich hört es sich in dem RP-Artikel so an, als hätte sich daran wenig geändert.

Ich bleibe dabei: Die Stadtmauer der CUT war unverzichtbar. Sie war militärisch notwendig gegen Feinde von außen, gegenüber Banditen und Gangstern im Innen, hatte abschreckenden Charakter, war eine Machtdemonstration und damit nebenher auch irgendwo repräsentativ. Die Reihenfolge entspricht meiner Gewichtung der Bedeutung.
 
Und für mich hört es sich in dem RP-Artikel so an, als hätte sich daran wenig geändert.
Das verstehe ich nicht.
"Repräsentativ, trotzdem wehrhaft" heißt doch nicht, dass die Mauer militärisch nutzlos war. Im Gegenteil.

An den Stellen, an denen die Hauptstraßen in die Stadt führten, baute man drei große, besonders repräsentative Tore.

Und "besonders repräsentative Tore" heißt auch nicht, dass sie die Tore besonders nutzlos waren und sich nicht dazu eigneten, in die Stadt reinzukommen.


gegenüber Banditen und Gangstern im Innen
Da hätte es auch ein Graben und ein Wall samt Palisaden getan. Dazu braucht man keine 6 m hohe Steinmauer.
 
Hat jemand behauptet, eine Stadtmauer sei nur ein Prestigeobjekt gewesen?

Unbeantwortet ist bisher auch meine Frage:

Wurde denn ernsthaft behauptet, dass die Mauer militärisch nutzlos war?


Das war der von mir in Post #20 http://www.geschichtsforum.de/765272-post20.html zitierte Herr Becker, Archäologe aus Xanten:

Dass der Mauerbau einfach nur schicklich und keinesfalls als Verteidigungsinstrument gedacht war, zeige auch deren Stärke, erzählt Becker, der unter anderem beim Landesamt für Denkmalpflege in Hessen und in der römisch-germanischen Kommission am Deutschen Archäologischen Institut in Frankfurt sowie an der Goethe-Universität gearbeitet hatte, bevor er im November nach Xanten kam.[...]

Ob das Herr Becker so wortwörtlich gesagt und ob das vielleicht eine Zusammenfassung / Verkürzung der Rheinischen Post ist, die den Sinn entstellt, kann ich nicht beurteilen.


Einen kann ich mir doch nicht verkneifen:



Wäre das Flaggschiff sicher innerhalb der Stadtmauern verwahrt gewesen, hätte es natürlich nicht geklaut werden können.

Und möglicherweise ist auch mit der "Lippe" kein Fluss, sondern eine Innenstadt gemeint.
Von der Ems hatten wir es ja schon:
http://www.geschichtsforum.de/746799-post4350.html


:D Immerhin wurde der Kommandeur Cerealis von seiner Ubierin Claudia Sacrata bewacht (oder umgekehrt) und wurde nicht mitgeklaut.

EDIT: hier noch die Quellen dazu:
Latein:
http://www.thelatinlibrary.com/tacitus/tac.hist5.shtml
https://books.google.de/books?id=03...E#v=onepage&q=Claudia Sacrata trireme&f=false
und auf Deutsch:
https://books.google.de/books?id=fv...A#v=onepage&q=Claudia Sacrata trireme&f=false


Wir kommen so ein wenig vom eigentlichem Thema der zweiten spätantiken Festung in der CUT ab.

@MODERATORES: Könnte man die Beiträge ab #20 in einen noch zu erstellenden Thread verschieben: Titelvorschlag: "Römische Stadtmauern: Prestige- oder Verteidigungsmauern?"?
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist nicht nur nicht plausibel, es ist ziemlich monokausal gedacht und in meinen Augen sogar ziemlich absurd. Aber wohl ganz in der Xantener Tradition der Sicht der Dinge.

Es scheint nicht nur eine Xantener Tradition der Sicht der Dinge zu sein. Ich habe nach den Stadtmauern von Nîmes und Autun ein wenig gegoogelt. Nîmes (Nemausus) unter Augustus zur Kolonie erhoben liegt in Südfrankreich, Autun (Augustodunum) in Burgund in der Nähe von Dijon und wurde nach dem Gallischen Krieg als Pflanzstadt zur Nachfolgesiedlung des gallischen Bibracte. Weit weg von bedrohten Grenzen wurden sie bis zur Völkerwanderung nicht militärisch bedroht.

Zu Nîmes:

Ayant plus qu'une simple valeur défensive, l'enceinte de Nemausus montre surtout le prestige de la capitale des Arécomiques1.
https://fr.wikipedia.org/wiki/Enceinte_gallo-romaine_de_Nîmes
Nemausus est dotée d'une enceinte de remparts



Zu Autun:

Même si l’enceinte impériale d’Augustodunum répond,
grâce à sa robustesse et à ses nombreuses tours circulaires, aux normes militaires de l’Antiquité, sa fonction est bien plus ostentatoire et honorifique que réellement défensive. Elle est édifiée durant
la Paix romaine, pax romana, ère de relative tranquillité durant laquelle la paix civile n’est pas fortement remise en cause. Dans ce contexte, on comprend que l’enceinte, dont la construction, rappelons-le, constitue un privilège accordé par l’empereur lui-même, symbolise la domination et la souveraineté du prince sur le paysage et sur les populations locales.


aus: Archéologie en Bourgogne n°11 Autun (71) : L'enceinte monumentale d'Augustodunum - Drac Bourgogne - Franche-Comté - Ministère de la Culture et de la Communication
Broschüre als Download (Télécharger)

Kurz zusammengefaßt: auch wenn die Stadtmauer militärisch den Normen ihrer Zeit entsprach, so war es doch mehr ein Zeichen des Prestige und Zeichen der römischen Macht.

Wie schaut denn das in Italien aus? Waren da größere Städte/Coloniae bereits vor den Barbareneinfällen ab dem 3. Jhdt. mit Stadtmauern versehen? Vorher gab es doch dort - abgesehen von Auseinandersetzungen im Rahmen von Thronstreitigkeiten - keinerlei militärische Auseinandersetzungen.
 
Kurz zusammengefaßt: auch wenn die Stadtmauer militärisch den Normen ihrer Zeit entsprach, so war es doch mehr ein Zeichen des Prestige und Zeichen der römischen Macht...
Dann hätte Rom als Hauptstadt ja die mächtigste aller Mauern haben müssen. Hatte Rom aber nicht. Bekanntermaßen wurde diese erst ab 271 in aller Hast von Aurelian gebaut.

Tut mir Leid, aber ich kann dieser "Repräsentativthese" sehr wenig abgewinnen, auch wenn Repräsentation ein untergeordnetes Kriterium gewesen sein sollte. Man hätte mit anderen Bauten, die man wirklich benötigt, weitaus besser protzen können, wenn es nur oder vorrangig um Repräsentation gegangen wäre. Z. B. mit einem großen Forum, so wie es Augustus und die anderen Kaiser in Rom vorgemacht haben. Da ging es ganz klar um Repräsentation! Eine absurde Vorstellung, Augustus hätte eine Stadtmauer gebaut, um seine Größe zu demonstrieren.

Wir wissen viel zu wenig darüber, wie sicher/unsicher bestimmte Gegenden innerhalb des Reiches waren und welche Rolle lokale Risikofaktoren den Bau einer Mauer erforderlich machten oder auch nicht. Deswegen sind alle Vergleiche, etwa mit Städten in Frankreich, etwas gewagt, da es zu viele Unbekannte gibt. Bleibt festzuhalten, dass die grenznäheren großen, reichen Orte (Coloniae) schon in trajanischer Zeit befestigt waren, weiter hinten liegende nicht unbedingt.

Nicht zuletzt spielt auch Psychologie eine Rolle. Will ich Veteranen in Sichtweite der seit Arminius erwiesenermaßen feindlich gesonnenen Germanen ansiedeln, gewinne ich diese Siedler eher für eine Niederlassung im grenznahen Gebiet, wenn ich ein Maximum an Sicherheit bieten kann, eben durch eine brauchbare Stadtmauer. Nach der Niederlage im freien Germanien musste man Römern schon Sicherheit bieten, um sie im Land zu halten, was ja das Bestreben der Verantwortlichen war (Stichwort Romanisierung). Man darf fest davon ausgehen, dass die "echten" Römer, vorrangig Veteranen, bevorzugt in diesen großen, befestigten Städten wohnen wollten, während sich die einheimische, romanisierte Bevölkerung eher mit den kleinen Dörfern zufrieden geben musste; die Funde bezeugen das. Und die Soldaten konnten es sich auch leisten, in der Colonia zu siedeln. Da der gemeine Römer den "Furor teutonicus" im Nacken hatte, dürfte er im Schutze einer hohen, mit Toren gesicherten Mauer wesentlich ruhiger geschlafen haben als andernorts. Und ein Veteran konnte den militärischen Wert einer Wehrmauer sicher gut beurteilen. Mit einer "Showmauer" hätte man ihn kaum beeindrucken können.

Dass die trajanische Mauer in der CUT vergleichsweise schmal und dennoch relativ hoch war, lässt sich dadurch erklären, dass die feindlichen Germanen im 2. Jahrhundert sicherlich wenig Ahnung von Belagerungstechnik (Rammböcke, Sturmtürme o. ä.) zur Eroberung gut befestigter römischer Städte hatten, wenn man mal von Leitern absieht, wogegen vergleichsweise hohe Mauern durchaus nützlich sind. Nachdem die Germanen im 3. Jahrhundert reichlich Erfahrung sammeln konnten, änderte sich die römische Festungstechnik. Im 4. Jh. sehen wir folglich gigantische Festungen am Rhein. Aber es ist absolut unhistorisch, diese zum Maßstab für die Mauern des 2. Jh. zu nehmen. Es gibt eben eine Evolution auf beiden Seiten. Verbesserte Angriffstechnik, verbesserte Abwehr. Beides bedingt einander.

Nicht zu vergessen der Umstand, dass die namentlich unbekannte, nicht gerade kleine Vorgängersiedlung der CUT durch kriegerische Auseinandersetzungen (vermutlich im Bataver-Aufstand) gänzlich zerstört und geplündert wurde. Das hing wie ein Menetekel über der Neugründung. Eine Wiederholung musste unbedingt vermieden werden.

Ich bleibe daher dabei: Die CUT von Anbeginn umgehend aufwändig zu befestigen, hatte handfeste militärische Gründe. Gerade in der Gründungsphase, als die Mauer gebaut wurde, hätte man die knappen Ressourcen sicher anders genutzt, wäre eine militärische Nutzung nicht besonders wichtig gewesen.
 
Es ist trotzdem auffällig, dass Stadtmauern in dem Moment angelegt wurden, als die Stadt den Rang eine Colonia erhielten.

Und das unabhängig davon, ob sie weit weg von jeder Grenze lagen (wie z. B. Aventicum) oder direkt an einer Grenze (wie z. B. Carnuntum):

Mit ihren Toren, Türmen und zinnenbesetzten Wehrgängen verkörperten die Stadtbefestigungen den politischen Status zahlreicher antiker Städte. Die Stadt Aventicum legte sich eine solche Prestigearchitektur erst zu, als sie 71/72 n. Chr. in den Rang einer Kolonie erhoben wurde. Damit verstärkte sie ihre visuelle Wahrnehmbarkeit in der Landschaft und definierte gleichzeitig die Grenzen ihres Territoriums, das nun weit über die bereits erbauten oder zumindest geplanten Wohnquartiere hinausreichte, neu.
Aventicum - Stadtmauer

Der Bau der Stadtmauer konnte durch jüngere Grabungen im Südbereich der Zivilstadt in die Regierungszeit von Septimius Severus datiert und mit der Erhebung zur colonia in Zusammenhang gebracht werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Carnuntum_%28Zivilstadt%29#Stadtmauer

Dafür wäre der Faktor "Repräsentation" schon eine plausible Erklärung.


Nicht zu vergessen der Umstand, dass die namentlich unbekannte, nicht gerade kleine Vorgängersiedlung der CUT durch kriegerische Auseinandersetzungen (vermutlich im Bataver-Aufstand) gänzlich zerstört und geplündert wurde. Das hing wie ein Menetekel über der Neugründung.
Die Neugründung der Siedlung war doch unmittelbar nach dem Bataver-Aufstand, oder nicht?
 
Die Neugründung der Siedlung war doch unmittelbar nach dem Bataver-Aufstand, oder nicht?

Wohl schon, um dann etwa weitere 30 Jahre später wieder planiert zu werden im Rahmen der Anlage der CUT als Planstadt. M. W. wird angenommen, dass der Matronentempel noch aus der Zeit vor der Colonia-Gründung stammt, weil er sich nicht in das Straßenschema einordnet. Er steht sozusagen "schräg" zu den paralllel verlaufenden Straßen.

Aber ich stimme Skilehrer zu: der Bataveraufstand war erst eine Generation her, dass die Colonia danach bis zu den Barbareneinfällen ab dem 3. Jhdt. in Frieden existieren würde, wußte um 100 n. Chr. noch keiner.

Gibt es denn Erkenntnisse darüber, wie die Germanen in späteren Jahrhunderten die römischen Städte überwunden haben?
 
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