Römisches Vermächtnis an Britannien

Bookworm

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Moin

ich glaub ich muss schon wieder stören :p Diesmal gehts um die Hinterlassenschaft der Römer an Britannien. Bislang habe ich Religion, Sprache und Kultur sowie Städte und Straßen zusammengetragen.

Jetzt wollte ich fragen in wie weit das noch ergänzbar ist? Ich hab' mal was davon gehört, dass das britische Rechtssystem maßgeblich durch das römische beeinflusst worden sein, doch mir fehlen irgendwie die Stichwörter für eine anständige Googlesuche, de bisherigen Ergebnisse waren summa summarum doch sehr dürftig.

Gruß
Bookworm
 
Das römische Recht hat überall in Europa prägend gewirkt.
Grundsätze wie:
-Im Zweifel für den Angeklagten.
-Keine Strafe ohne Gesetz.
-Man darf für dieselbe Straftat nicht zweimal bestraft werden.
-Beide Parteien müssen angehört werden.
sind Bestandteile aller europäischen Gesetzwerke.

Allerdings muss man einschränkend sagen dass die Tradition im frühen Mittelalter unterbrochen wurde. Erst in der frühen Neuzeit wurden die römischen Texte wiederentdeckt und fanden wieder Einfluss.

England hat übrigens wesentlich weniger römisches Vermächtnis als das übrige Westeuropa, das Land war nur oberflächlich romanisiert, deshalb verschwinden alle römischen Spuren im Laufe des 5. Jahrhunderts.
 
Allerdings muss man einschränkend sagen dass die Tradition im frühen Mittelalter unterbrochen wurde. Erst in der frühen Neuzeit wurden die römischen Texte wiederentdeckt und fanden wieder Einfluss.

Und es wäre noch hinzuzufügen, dass auch für die Entwicklung der Rechte bei den germanischen Völkern der Codex Iustinianus sehr entscheidend ist, der freilich erst spät (6. Jahrhundert) entstanden ist.
 
Das römische Recht hat überall in Europa prägend gewirkt.
In Kontinentaleuropa schon.
Wieviel römische Prägung aber im angelsächsischen Rechtssystem gewirkt hat, müßte man genauer untersuchen.
Die Engländer haben bestimmt viele juristische Ideen vom Kontinent übernommen - aber es ist die Frage, welche davon der römischen Überlieferung entspringen und welche späteren Entwicklungen.

Grundsätze wie:
-Im Zweifel für den Angeklagten.
-Keine Strafe ohne Gesetz.
-Man darf für dieselbe Straftat nicht zweimal bestraft werden.
-Beide Parteien müssen angehört werden.
sind Bestandteile aller europäischen Gesetzwerke.
Wir kennen diese Grundsätze in ihrer römisch geprägten Formulierung.
Es ist aber gut möglich, daß die halt Bestandteil JEDES halbwegs ausformulierten Rechtssystems sind.

Den letzten der genannten Grundsätze findet man z. B. genauso im Sachsenspiegel ("eines mannes rede ist keines mannes rede, man soll billig hören bede"), der dürfte dicht dran sein an den Quellen des englischen Rechts.
 
Die Engländer haben bestimmt viele juristische Ideen vom Kontinent übernommen - aber es ist die Frage, welche davon der römischen Überlieferung entspringen und welche späteren Entwicklungen.

Wir kennen diese Grundsätze in ihrer römisch geprägten Formulierung.
Es ist aber gut möglich, daß die halt Bestandteil JEDES halbwegs ausformulierten Rechtssystems sind.

http://de.wikipedia.org/wiki/Common_Law
Die Entwicklung ist zu einem Großteil wohl eigenständig erfolgt, was bis heute z.B. im Handels- und Gesellschaftsrecht mit dem case law (welches auch in den USA Bedeutung besitzt) einen fundamentalen Unterschied zu kontinentaleuropäischen Rechtsvorstellungen bedeutet. Im Zuge der Harmonisierung europäischen Rechts und im Zuge der Globalisierung (zB IAS/IFRS) schwappen diese Vorstellungen nun - mit Friktionen - in die kontinetaleuropäischen Rechtssysteme hinein.

Dem Hinweis auf die Fundamente eines jeden ausformulierten Rechtssystems würde ich mich anschließen, bei tragenden Grundsätzen könnte man sicher auch noch weitere Fundquellen erschließen, oder interessante Vergleiche zu anderen Kulturkreisen anstellen.
 
Den letzten der genannten Grundsätze findet man z. B. genauso im Sachsenspiegel ("eines mannes rede ist keines mannes rede, man soll billig hören bede"), der dürfte dicht dran sein an den Quellen des englischen Rechts.


Die oben genannten Grundsätze sowie eine Fülle weiterer Bestimmungen zum Familien-, Straf- und Zivilrecht fasste der "Corpus iuris civilis" zusammen, den der oströmische Kaiser Justinian im Jahr 533 n. Chr. veröffentlichte.

Schon diese Gesetzessammlung ist älter als der "Sachsenspiegel". Wenn man jedoch bedenkt, dass der "Corpus" lediglich Gesetze neu codifizierte, die bereits seit Jahrhunderten im Römischen Reich Anwendung fanden, so muss man die römische Rechtsprechung als eine gänzlich originäre Entwicklung betrachten.

Von der römischen Rechtsprechung wird in England nach Abzug der Römer nicht viel übriggeblieben sein. Man muss sich vorstellen, dass es beim Einbruch der Angelsachsen ein dünn besiedeltes und teilweise entvölkertes Land war. Die ländliche Grundherrschaft wurde nach germanischen Prinzipien aufgebaut, die teilweise romanisierte keltisch-britische Bevölkerung assimilierte sich entweder den Angelsachsen, oder wurde in den Westen Richtung Wales und Cornwall abgedrängt. Die Christianisierung der Angelsachsen erfolgte erst im 8. Jh.! Auch die Römerstädte verzeichneten einen verheerenden Niedergang und erlebten erst wieder seit der Zeit um 1000 einen Aufstieg.

Das alles waren keine günstige Bedingungen für eine Tradierung römischer Rechtsprechung!
 
Zuletzt bearbeitet:
Im ehemaligen Britannien gibt es heute zwei verschiedene Rechtssysteme.

In England und Wales, übrigens auch in Nordirland und Irland, ist das Rechtssystem auf dem sog. "Common Law" aufgebaut, das im wesentlichen der germanischen Rechtstradition folgt. Entscheidungen werden aufgebaut auf Gewohnheitsrecht und Präzedenzfällen, es ist eher Richterrecht als Gesetzesrecht.

Während bis zu den Plantangenets des Recht noch sehr von lokalen Besonderheiten bestimmt war, machte Henri II alle Anstrengungen, ein für das ganze Land gültiges "common" law zu schaffen, indem er lokale Besonderheiten eliminierte.

Sowohl das Zivil- als auch das Strafrecht sind auch heute noch weitestgehend bestimmt vom Common Law, im Gegensatz zu einem Rechtssystem, das in der römischen Rechtstradition ganz auf geschriebenen Gesetzessammlungen, dem positiven Recht, beruht. Im englischen Common Law schafft ein Gericht in gleicher Weise Recht wie ein vom Parlament beschlossenes Gesetz.

Im Gegensatz dazu hat sich das schottische Rechtssystem durch eine Rezeption des römischen Rechts weitgehend analog zum kontinentaleuropäischen entwickelt.

Im Unionsvertrag zwischen England und Schottland von 1707 wurde die Existenz von zwei unabhängigen Rechtssystemen auch anerkannt.

Seit dem frühen 19. Jahrhundert werden in Schottland jedoch in immer größerem Umfang Elemente des englischen Rechts rezipiert. In der englischen Literatur wird dieser Vorgang als "drift" bezeichnet, weniger in Form eines absichtlichen , bewussten Angleichens, als vielmehr die Folge der Bevorzugung des englischen Systems durch einen großen Teil der Anwälte.

Eine große Rolle hat in diesem Zusammenhang auch der Status des "House of Lords" als letzte Berufungsinstanz in Zivilprozessen sowohl für England als auch für Schottland gespielt. Das Oberhaus hatte ein Interesse daran, das in England und Schottland ein gleiches Recht gelten sollte.

Das sind mal so in groben Zügen die Umrisse. In den Details ist es natürlich viel komplizierter.
 
In England und Wales, übrigens auch in Nordirland und Irland, ist das Rechtssystem auf dem sog. "Common Law" aufgebaut, das im wesentlichen der germanischen Rechtstradition folgt. Entscheidungen werden aufgebaut auf Gewohnheitsrecht und Präzedenzfällen, es ist eher Richterrecht als Gesetzesrecht.

Kleiner Einwurf, da ist durch die EU-Rechts-Übernahmen seit einigen Jahren eine Umwälzung im Gange, die zur Kodifizierung führt.

Ein Beispiel aus der Praxis: die 4., 7. und 8. EU-Richtlinie zum Bilanzrecht. Ausstrahlungen gibt es aber auch auf andere Rechtsgebiete mit EU-Kompetenz. Das Richterrecht paßt nicht in die Regelungswut von Brüssel.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Vermächtnis der Römer im ehemaligen Britannien und den Staaten des Commonwealth ist der Linksverkehr. Die Römer gaben ihren Truppen auf den Straßen natürlich Vorfahrt und Hindernisse oder langsamere Verkehrsteilnehmer wurden rechts überholt. Napoleon ließ dann aus genau demselben Grund den Linksverkehr einführen. Da er aber nie die britischen Inseln erobern konnte, blieb dort, in der irischen Republik und den meisten Staaten des Commonwealth der Linksverkehr erhalten.
 
Kleiner Einwurf, da ist durch die EU-Rechts-Übernahmen seit einigen Jahren eine Umwälzung im Gange, die zur Kodifizierung führt.

Ein Beispiel aus der Praxis: die 4., 7. und 8. EU-Richtlinie zum Bilanzrecht. Ausstrahlungen gibt es aber auch auf andere Rechtsgebiete mit EU-Kompetenz. Das Richterrecht paßt nicht in die Regelungswut von Brüssel. Aufgrund der Verwobenheit besteht außerdem eine Ausstrahlungswirkung.

Ja, sicher.

Durch die EU wird es hier Angleichungen geben, es ist ja schon lange die Rede von einem gemeinsamen Europäischen Zivilgesetzbuch.

Für die Common-Law-Staaten ist das aber problematisch, vor allem GB würde seine führende Rolle in der Rechtentwicklung für den gesamte "Common-Law-World" einbüßen, wenn es ein solches Gesetzbuch übernähme.

Dass ein Nebeneinader von Common Law und positivem Recht möglich ist, zeigen allerdings die USA, wo zwar generell Common Law gilt, nicht jedoch seit den französischen Zeiten in Louisiana.
 
will nicht unfreundlich sein, aber das common law ist etwa aus dem 11. Jahrhundert, davor war England nunmal kein rechtsfreier Raum. Es gab das angelsachsische Gesetz und auch andere Einflüße von Frankenreich aus. Wie weit diese nun typisch römische Traditionen enthielten oder aber germanische Stammesgesetze waren oder über germanisch-römische Gesetze beeinflußt waren müsste wohl erst noch geklärt werden.
 
will nicht unfreundlich sein, aber das common law ist etwa aus dem 11. Jahrhundert, davor war England nunmal kein rechtsfreier Raum. Es gab das angelsachsische Gesetz und auch andere Einflüße von Frankenreich aus. Wie weit diese nun typisch römische Traditionen enthielten oder aber germanische Stammesgesetze waren oder über germanisch-römische Gesetze beeinflußt waren müsste wohl erst noch geklärt werden.


Ja, das ist der springende Punkt. Hier geht es doch gemäß der Ausgangsfrage darum, ob die Angelsachsen römische Rechtstraditionen aufnahmen oder nicht. Was im hohen und späten Mittelalter dazukam, ist in diesem Sinne nicht relevant.

Wie ich in meinem Beitrag oben begründet habe, glaube ich nicht oder nur sehr begrenzt an eine Tradierung römischer Rechtsnormen.
 
Schon diese Gesetzessammlung ist älter als der "Sachsenspiegel".
Richtig. Aber der Sachsenspiegel stellt ja auch nur dar, was schon lange germanische Rechtspraxis war.
Ich habe auch gelesen, er wäre sogar dezidiert geschrieben worden, um dem vordringenden römischen Rechtssystem die eigenen Traditionen entgegenzusetzen.

so muss man die römische Rechtsprechung als eine gänzlich originäre Entwicklung betrachten.
Selbstverständlich ist sie das.
Aber wenn wir die zitierten Grundlagen sowohl im römischen wie im germanischen Recht finden, dann heißt das nicht, daß die Germanen sie von den Römern übernommen haben.

Gerade der Grundsatz beide Seiten zu hören ist so universal, den haben m. E. auch nicht die Römer erfunden, sondern war schon immer selbstverständlich in einer geordneten Rechtsprechung.

Interessant wäre hier auch der Vergleich mit dem wohl sehr eigenständigen irischem Rechtssystem (Brehon-Gesetze).
 
Gerade der Grundsatz beide Seiten zu hören ist so universal, den haben m. E. auch nicht die Römer erfunden, sondern war schon immer selbstverständlich in einer geordneten Rechtsprechung..


Man ist im allgemeinen der Auffassung, dass sich zahlreiche römische Rechtsnormen in den Gesetzbüchern der modernen europäischen Staaten wiederfinden, d.h., dass die römische Rechtsprechung befruchtend gewirkt hat. Die Frage ist allerdings, zu welchem Zeitpunkt sie Eingang gefunden hat!
 
dass sich zahlreiche römische Rechtsnormen in den Gesetzbüchern der modernen europäischen Staaten wiederfinden,
Selbstverständlich!

Unser heutiges Rechtssystem beruht ja auch weitgehend auf dem römischen Recht, vom germanischen Recht à la Sachsenspiegel sind nur Reste geblieben.

Der Sachsenspiegel beschreibt aber recht gut die Rechtsvorstellungen, die in England Basis der Rechtsenwicklung waren.

Wenn wir nun in germanischem und römischem Recht Übereinstimmungen finden, dann kann das heißen, daß es Einflüsse gegeben hat (im Zweifelsfall von Römern Richtung Germanen, muß aber nicht sein).

Es kann aber auch sein, daß diese Übereinstimmungen eben "normal" für fast jedes Rechtssystem sind. Mich würde nicht wundern, wenn z. B. die Sache mit dem "beide Seiten hören" auch bei Japanern oder Inkas übliche Praxis wäre, dann würden wohl auch die Germanen ohne römische Inspiration auf diese Idee gekommen sein.
 
Selbstverständlich!

Der Sachsenspiegel beschreibt aber recht gut die Rechtsvorstellungen, die in England Basis der Rechtsenwicklung waren.

eine, vllt dumme, Frage dazu. Woher nimmst du die Info, zumal der Sachsenspiegel auch äußerst spät aufgeschrieben wurde und sicherlich durch die fränkischen Rechtstraditionen beeinflußt ist.
 
Unser heutiges Rechtssystem beruht ja auch weitgehend auf dem römischen Recht, vom germanischen Recht à la Sachsenspiegel sind nur Reste geblieben..


Das Einwirken römischer Rechtsnormen in Form des "Corpus Iuris Civilis" auf unser heutiges Rechtssystem hat ein besonders Schicksal.

Nach dem Untergang Westroms und der Vertreibung Ostroms aus seinen italienischen Besitzungen geriet der "Corpus" im Westen vielfach in Vergessenheit. Die große Wende im Abendland erfolgte seit dem 11. Jh. und zwar mit dem Beginn des Rechtsunterrichts in Bologna zu Beginn des 12. Jh. Im 11. Jh. griff man erst gelegentlich darauf zurück, und zwar besonders in Verbindung mit der Auseinandersetzung zwischen Papst und Kaisertum, um Argumente für die Begründung der jeweiligen Standpunkte zu finden.

Im 12. Jh. legten die Juristen aus Bologna den "Corpus" ihrem Rechtsunterricht zugrunde, erklärten ihn und schufen so die Voraussetzung zu seiner Anwendung in der Rechtspraxis. Dadurch entstand eine umfangreiche Literatur und mit dem Erfolg der Bologneser Rechtswissenschaft wurden die Texte des "Corpus Iuris Civilis" bald in ganz Europa verbreitet, an vielen Orten erklärt und schriftlich bearbeitet.

Gegen Ende des Mittelalters war die Kodifikation in weiten Teilen des Abendlandes als Quelle des "gemeinen Rechts" anerkannt und sie beeinflusste nationale Rechte mehr als nachhaltig.
 
will nicht unfreundlich sein, aber das common law ist etwa aus dem 11. Jahrhundert, davor war England nunmal kein rechtsfreier Raum. Es gab das angelsachsische Gesetz und auch andere Einflüße von Frankenreich aus. Wie weit diese nun typisch römische Traditionen enthielten oder aber germanische Stammesgesetze waren oder über germanisch-römische Gesetze beeinflußt waren müsste wohl erst noch geklärt werden.

Wie ich ja oben geschrieben habe, entstand das Common Law als "common", also für das ganze Land gültiges, Recht unter Henri II.

Wie ich ebenfalls geschrieben habe, war zuvor das englische Recht bestimmt von vielen lokalen Besonderheiten, es gab also noch kein "common" law, sondern eher ein "local" law, es gab vor Henri II auch keine einheitlichen prozessualen Regelungen.

Will man die Ausgangsfrage beziehen auf die unmittelbar auf den Abzug der römischen Truppen und den Untergang der römischen Zivilisation folgende Zeit, so empfehle ich ich als link
http://en.wikipedia.org/wiki/Anglo-Saxon_law

Unter "Influences" werden hier ausführlich die verschiedenen Einflussfaktoren diskutiert und gewürdigt.
 
Interessant was sich in weniger als 24 Stunden für eine Diskussion entwickeln kann.
Ich folgere aus euren Aussagen, dass also nicht sehr viel vom ohnehin nur mäßigen Vermächtnis der Römer in Britannien wegen der Eroberung durch die Sachen und Angeln übrig blieb, das bis heute bzw. in weit post-römische Zeiten Bestand hatte?
 
Dennoch besitzt auch die englische Sprache ein reichhaltiges Reservoir an Vokabeln, die aus dem Lateinischen stammen. Ich bin leider nicht vom Fach, erinnere mich allerdings noch vage an die Aussage einer Linguistin, die behauptete, daß die lateinischen Wörter im Englisch mehr auf die Christianisierung zurückzuführen seien, als auf direkte Abstammung von römischen Einflüssen in Britannien
 
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