Regeln für Formen des Genitiv Plural

Agricola

Aktives Mitglied
Mein Lateinuntericht ist schon Jahrzehnte her, aber ich erinnere mich, daß es zwei Formen für den Genitiv Plural gab.

Diese sind mir jetzt auch öfters bei römischen Amtsbezeichnungen untergekommen. Etwa curator operum publicum statt operarum publicum.

Ich benutze gerne zusätzlich dieses Wörterbuch, da hier auch noch die vollständige Deklination aufgelistet ist.

opera-Übersetzung im Latein Wörterbuch

Interessant, daß hier durchgängig für fast alle lateinischen Worte zwei Formen des Genitiv Plural angegeben werden.

Gibt es Regeln, wann welche Form zu benutzen ist? Etwa bei Amtsbezeichnungen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein Lateinuntericht ist schon Jahrzehnte her, aber ich erinnere mich, daß es zwei Formen für den Genitiv Plural gab.

Diese sind mir jetzt auch öfters bei römischen Amtsbezeichnungen untergekommen. Etwa curator operum publicum statt operarum publicum.

Ich benutze gerne zusätzlich dieses Wörterbuch, da hier auch noch die vollständige Deklination aufgelistet ist.

opera-Übersetzung im Latein Wörterbuch

Interessant, daß hier durchgängig für fast alle lateinischen Worte zwei Formen des Genitiv Plural angegeben werden.

Gibt es Regeln, wann welche Form zu benutzen ist? Etwa bei Amtsbezeichnungen?

Es gibt im Lateinischen verschiedene Deklinationen, die die Casus unterschiedlich bilden.

Wir haben zum einen opus. Das folgt der konsonantischen Deklination: Genitiv Plural operum

Dann gibt es opera. Das kann zum einen der Nominativ oder Akkusativ Plural von opus, zum anderen auch Nominativ Singular von opera. Das Wort opera ist vermutlich aus opus abgeleitet. Wahrscheinlich hat man den Nominativ Plural irgendwann als Nominativ Singular mißverstanden und dann als neues Wort benutzt. Davon lautet der Genitiv Plural operarum.

So einige Formen in der verlinkten Grammatik scheinen mir ein wenig "seltsam" zu sein, z. B. operai. Allerdings weiß ich nicht, ob das evtl. Formen sind, die nach- oder vorklassisch sind
 
Die Formen auf -ai sind m.E. vorklassische Formen. Die latinistische Sprachwissenschaft geht davon aus, dass die Kombination/Ligatur <ae/æ> mehr wie /ai:/ als wie /ɛ/ (Käse :rechts: /'kɛ:zə/) ausgesprochen wurde (vgl. 'Kaiser'). Insofern bin ich mir auch nicht sicher, ob wir solche Formen tatsächlich geschrieben vorfinden oder ob das nicht die Rekonstruktion der alten Form ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Solche alte Formen (ai statt ae, oi statt oe) sind durchaus inschriftlich belegt, z. B. im Senatsbeschluss über den Bacchanalienskandal aus dem Jahr 186 v. Chr., von dem der Originalwortlaut (z. B. tabelai statt tabellae, aber auch die Endung -ad) erhalten ist.
Hier findest Du eine Wiedergabe des Originaltextes und eine Transkription ins klassische Latein: bibliotheca Augustana
 
Das beantwortet meine Frage nach dem Genitiv Plural noch nicht ganz. Das -ai und -oi ältere Formen sind war bekannt. Es ging mir um den Plural.

Hier ein bekanntes Beispiel:

Praefectus Castrorum - Genitiv Plural von castrum, das Lager
Nehmen wir dagegen castra, ebenso das Lager, könnte es praefectus castrarum heissen.
Und sowohl castra als auch castrum können im Genitiv Plural auch castrum heissen. Also wäre auch praefectus castrum möglich.

Beim praefectus castrorum habe ich niemals eine andere Version gehört. Aber warum haben die Lateiner nicht praefectus castrarum oder praefectus castrum gesagt? Und wenn, in welchen Fällen haben sie die andere Form castrum gebraucht, und warum nicht bei einem praefectus?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das beantwortet meine Frage nach dem Genitiv Plural noch nicht ganz. Das -ai und -oi ältere Formen sind war bekannt. Es ging mir um den Plural.

Hier ein bekanntes Beispiel:

Praefectus Castrorum - Genitiv Plural von castrum, das Lager
Nehmen wir dagegen castra, ebenso das Lager, könnte es praefectus castrarum heissen.
Und sowohl castra als auch castrum können im Genitiv Plural auch castrum heissen. Also wäre auch praefectus castrum möglich.

Beim praefectus castrorum habe ich niemals eine andere Version gehört. Aber warum haben die Lateiner nicht praefectus castrarum oder praefectus castrum gesagt? Und wenn, in welchen Fällen haben sie die andere Form castrum gebraucht, und warum nicht bei einem praefectus?

Das Wort castra ist Nom Pl von castrum, aber als solcher ein sog. Plurale tantum, wird also nur im Plural gebraucht, hat aber die Bedeutung des Singular.:confused: Ich glaube, das war ein wenig kompliziert ausgedrückt. :devil:

Wenn ich castra als Fem. Sg. dekliniert hätte, wäre mein alter Lateinlehrer nicht amüsiert gewesen.:rofl:

Castrarum als Form gibt es nicht, wenn es sie doch gibt, ist sie einfach nur falsch.
 
Castrarum als Form gibt es nicht, wenn es sie doch gibt, ist sie einfach nur falsch.

Danke, dann steht hier also Mist:

castra-Übersetzung im Latein Wörterbuch

Da dekliniert wohl der Computer einfach durch, ohne Spezialfälle zu kennen.

Und was ist mit praefectus castrum statt castrorum?

Mir geht es eigentlich um diese "Kurzform" -um anstatt -orum oder -arum, die mir gerade bei Amtsbezeichnungen häufiger begegenete. Etwa der adiutor cognitionum, ein Gerichtshelfer und Ermittlungsbeamter des prafectus urbi, der auch adiutor cognitionium heissen könnte. Tut er aber nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke, dann steht hier also Mist:

castra-Übersetzung im Latein Wörterbuch

Da dekliniert wohl der Computer einfach durch, ohne Spezialfälle zu kennen.

Und was ist mit praefectus castrum statt castrorum?

Mir geht es eigentlich um diese "Kurzform" -um anstatt -orum oder -arum, die mir gerade bei Amtsbezeichnungen häufiger begegenete.

praefectus castrum halte ich entweder für einen Schreibfehler oder eine Abkürzung.

Selbst google hat mich gefragt, ob praefectus castrorum meine, als ich praefectus castrum eingegeben habe.:rofl:

Ansonsten muß man bei lateinischen Nomina immer die Genitivform mitlernen, um das Wort deklinieren zu können.

Beispiel: gens, gentis. Dann dekliniert man es durch:

gens, gentis, genti, gentem, gente, gentes, gentum (oder war es gentium - das konnte ich schon zu Schulzeiten nie so richtig), gentibus, gentes und gentibus.
 
Einige Substantive der konsonantischen Deklination bilden den Genitiv Plural auf -um (senatorum), andere auf -ium (gentium). Deswegen heißen letztere auch die Mischstämme, weil da ein Schuss i-Deklination mit drin steckt. Eine Regel gibt es dafür nicht. Meine Schüler müssen das bei jeder Vokabel mitlernen.

Auf -orum bilden ihn alle Maskulina und Neutra der o-Deklination, auf -arum alle Wörter der a-Deklination. Das zumindest ist regelmäßig.

(Und wenn sie im Vokabeltest diesen ganzen Prüll richtig haben, gibt's zur Belohnung ein Bildchen.) :D
 
Und was ist mit praefectus castrum statt castrorum?

Mir geht es eigentlich um diese "Kurzform" -um anstatt -orum oder -arum, die mir gerade bei Amtsbezeichnungen häufiger begegenete. Etwa der adiutor cognitionum, ein Gerichtshelfer und Ermittlungsbeamter des prafectus urbi, der auch adiutor cognitionium heissen könnte. Tut er aber nicht.
Man muss natürlich aufpassen, nach welcher Deklination ein Wort dekliniert wird, davon hängt dann auch der Genitiv Plural ab. "Castrum" bzw. "Castra" wird nach der o-Deklination (in ihrer Neutrum-Variante: alle Wörter mit Nominativ Singular-Endung -um) dekliniert, deren Genitiv Plural gebildet wird, indem an den Wortstamm ein -orum angehängt wird, also "castrorum". "Cognitio" wird nach der konsonantischen Deklination dekliniert, deren Genitiv Plural gebildet wird, indem an den Wortstamm (hier "cognition") ein -um angehängt wird, also "cognitionum".
Das mit -um und -ium hat Eichelhäher schon erklärt. Wörter mit Nominativ Singular-Endung -os, -or, -o, -io, -x, etc. werden nach der konsonantischen Deklination dekliniert, also mit Genitiv Plural auf -um. Wörter mit Nominativ Singular-Endung -is werden meist (einige wenige nach der i-Deklination, bei denen der Genitiv Plural aber erst recht auf -ium endet) nach der Mischdeklination dekliniert ("Mischdeklination" deshalb, weil sie eine Mischung aus konsonantischer und i-Deklination ist), also mit Genitiv Plural auf -ium. Aufpassen muss man bei Wörtern auf -us, die können entweder nach der o-, der u- oder der konsonantischen Deklination dekliniert werden.

Beispiel: gens, gentis. Dann dekliniert man es durch:

gens, gentis, genti, gentem, gente, gentes, gentum (oder war es gentium - das konnte ich schon zu Schulzeiten nie so richtig), gentibus, gentes und gentibus.
Meines Wissens gentium.
 
"castrūm" könnte, wenn mich nicht alles täuscht, eine Kontraktion sein, in der das -oru- zu einem langen -u- verkürzt wird (im Gegensatz zum kurzen u im Genitiv der konsonantischen Deklination, z. B. "senatorum"). Nagelt mich aber nicht auf vor- oder nachklassisch fest; könnte auch dichterisch sein. Macht Vergil sowas nicht? Seit der nicht mehr zum Kanon in NRW gehört, bin ich da etwas eingerostet...
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für diesen Crashkurs in lateinischer Grammatik. Da kommen nostalgische Gefühle auf. :red:

Ich stelle fest, daß das Dictionary, das ich oben verlinkt habe Mist baut, wenn es einfach durchgängig für den Genitiv Plural zwei Alternativen anbietet. Die Sache ist leider etwas komplizierter und unregelmäßiger. Obwohl ich Latein noch als eine Sprache in Erinnerung hatte, die im Vergleich erstaunlich regelmäßig daherkommt.
 
Einige Substantive der konsonantischen Deklination bilden den Genitiv Plural auf -um (senatorum), andere auf -ium (gentium). Deswegen heißen letztere auch die Mischstämme, weil da ein Schuss i-Deklination mit drin steckt. Eine Regel gibt es dafür nicht. Meine Schüler müssen das bei jeder Vokabel mitlernen.

Auf -orum bilden ihn alle Maskulina und Neutra der o-Deklination, auf -arum alle Wörter der a-Deklination. Das zumindest ist regelmäßig.

(Und wenn sie im Vokabeltest diesen ganzen Prüll richtig haben, gibt's zur Belohnung ein Bildchen.) :D

Das war das komplizierte, nicht nur, dass man den Genitiv Sg. mitlernen muß, man hätte auch noch jedesmal sich merken müssen, ob da beim Gen. Pl. noch ein "i" eingebaut wird.

Ich habe nie ein Bildchen bekommen.:weinen:

Man muss natürlich aufpassen, nach welcher Deklination ein Wort dekliniert wird, davon hängt dann auch der Genitiv Plural ab. "Castrum" bzw. "Castra" wird nach der o-Deklination (in ihrer Neutrum-Variante: alle Wörter mit Nominativ Singular-Endung -um) dekliniert, deren Genitiv Plural gebildet wird, indem an den Wortstamm ein -orum angehängt wird, also "castrorum". "Cognitio" wird nach der konsonantischen Deklination dekliniert, deren Genitiv Plural gebildet wird, indem an den Wortstamm (hier "cognition") ein -um angehängt wird, also "cognitionum".
Das mit -um und -ium hat Eichelhäher schon erklärt. Wörter mit Nominativ Singular-Endung -os, -or, -o, -io, -x, etc. werden nach der konsonantischen Deklination dekliniert, also mit Genitiv Plural auf -um. Wörter mit Nominativ Singular-Endung -is werden meist (einige wenige nach der i-Deklination, bei denen der Genitiv Plural aber erst recht auf -ium endet) nach der Mischdeklination dekliniert ("Mischdeklination" deshalb, weil sie eine Mischung aus konsonantischer und i-Deklination ist), also mit Genitiv Plural auf -ium. Aufpassen muss man bei Wörtern auf -us, die können entweder nach der o-, der u- oder der konsonantischen Deklination dekliniert werden.


Meines Wissens gentium.

In meinem Stowasser steht dazu jetzt nichts. Laut gens ? Latein Wiki und Deklination: gens ist gens gemischte Deklination, also gentium


Glücklicherweise werden in den modernen romanischen Sprachen die Deklinationen mit Präpositionen gebildet und der Plural mit "s" (zumindest im Französischen und Spanischen).


"castrūm" könnte, wenn mich nicht alles täuscht, eine Kontraktion sein, in der das -oru- zu einem langen -u- verkürzt wird (im Gegensatz zum kurzen u im Genitiv der konsonantischen Deklination, z. B. "senatorum"). Nagelt mich aber nicht auf vor- oder nachklassisch fest; könnte auch dichterisch sein. Macht Vergil sowas nicht? Seit der nicht mehr zum Kanon in NRW gehört, bin ich da etwas eingerostet...

Oh Gott, haben mich zu Schulzeiten diese lateinischen Dichter mit ihren Alexandrinern und Sonderformen genervt....:(
 
Das war das komplizierte, nicht nur, dass man den Genitiv Sg. mitlernen muß, man hätte auch noch jedesmal sich merken müssen, ob da beim Gen. Pl. noch ein "i" eingebaut wird.
Mein Lateinunterricht ist zwar auch schon Jahrzehnte her :weinen:, aber ich habe das einfacher in Erinnerung. Normalerweise kann man an Nominativ und Genitiv Singular erkennen, nach welcher Deklination ein Wort dekliniert wird, wie ich oben anhand typischer Endungen der konsonantischen Deklination gezeigt habe. Dann gibt es noch ein paar Ausnahmen, die wir immer gleich beim Lernen der jeweiligen Deklination - am besten in Form eines Sprüchleins - gelernt haben, und damit war die Sache erledigt. Eines kann ich noch: Wörter, die trotz Endung -is/-is nach der i-Deklination dekliniert werden (also Akkusativ Singular auf -im haben), sind: febris, sitis, turris, / puppis, vis, securis. Die anderen -is/-is-Wörter gehören zur Mischdeklination. Nach der i-Deklination werden ansonsten Wörter auf -ar, -e, -al dekliniert, die dann allerdings neutrum sind (die -is-Wörter der i-Deklination feminin) und bei denen somit der Akkusativ dem Nominativ entspricht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Agricola, nein, Ovid geht da vorbildlich vor. Vergil hat schon mal Kinken drin. Wobei man dem zu Gute halten muss, dass er die Aeneis noch überarbeiten wollte, und sie gar nicht veröffentlicht werden sollte.

Ravenik, ja, die Deklinationen gehen immer aus dem Genitiv Singular hervor. Aber die i-Erweiterung im Genitiv Plural muss man mitlernen, die kann man - außer mit Merksprüchen - von nirgendwoher ableiten. Einige haben sie halt. Das ist aber ne ganze Stange; weiß grad gar nicht, ob es da einen Merkspruch gibt... Ich hab die in den Achtzigern leider schon nicht mehr gelernt.
 
Normalerweise kann man an Nominativ und Genitiv Singular erkennen, nach welcher Deklination ein Wort dekliniert wird, wie ich oben anhand typischer Endungen der konsonantischen Deklination gezeigt habe.

Schon klar, das hat man uns ja auch gründlich eingebleut.

Was mich verwirrt hat, war dieses oben verlinkte Online-Dictionary, das fast für jedes Wort 2 Formen des Genitiv Plural angibt. Das hat mich verwirrt. Und dann kamen mir noch einige Amtsbezeichnungen dazu, die einen für mich seltsamen Genitiv hatten, wie der curator operum publicum statt operarum. Ist aber jetzt klar, operum kommt von opus und nicht von opera. Im Dictionary ist es dennoch falsch.

Ich glaube ich hole mal wieder meine alte Latein-Grammatik aus dem Keller. Den ollen braunen Wälzer in gothischer Schrift. Diesem Internet kann man einfach nicht trauen.

Ich halte mal fest: Es gibt immer nur einen Genitiv Plural, allerdings gibt es Ausnahmen mit abweichender Deklination.

PS: nur so am Rande. Die Amtsbezeichnungen der familia caesaris sind abweichend von den ritterlichen Prokuratoren immer im Ablativ Plural gehalten. (Bsp: (servus) a rationibus, der "Finanzminister"). Den Ablativ hab ich ja in 9 Jahren nie so richtig begriffen. Ein Lateinlehrer, der seine Schüler in den Wahnsinn treiben möchte, sollte sich mal römische Amtsbezeichnungen anschauen, und wie sie sich von Republik bis Spätantike auch quer durch die Deklinationen verändern (a rationibus -> procurator rationarum -> rationalis).
 
Zuletzt bearbeitet:
Den kenne ich nur in der korrekten Form "curator operum publicorum". Wo hast Du obige Form gelesen?

Habs mir leider nicht notiert. Römische Geschichte ist nur mein Interessengebiet nicht Forschungsgegenstand.

Wenn aber operum der Genitiv Plural von opus (Neutrum) ist, müsste dann nicht auch das Adjektiv im Neutrum, also publicum (Neutrum) dekliniert werden?

Ich bin immer noch verwirrt. :confused:
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben