Souveränität in der Antike - Imperium?

romanus00I

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Wie stand es rechtlich/von den Rechtskonzepten her in der Antike mit dem Konzept der "Souveränität"? Wikipedia definiert den Begriff als "Fähigkeit zu ausschleßlicher juristischer Selbstbestimmung". Gab es ähnliche Konzepte auch in der Antike?

Ich denke da vor allem an das Imperium, aber auch dort frage ich mich, was genau es umschloss. Ursprünglich war das Imperium m.A.n. die Macht der Könige, die später den Consuln übertragen wurde. Es war also die Befehlsgewalt (sowohl im Feld als auch in der Stadt) eines Magistraten über jeden römischen Bürger, die erst später schrittweise begrenzt wurde (durch die Einführung von Unterbeamten mit oder ohne Imperium, oder durch das Recht, in Kapitalprozessen das Volk anzurufen).

Aber bei wem lag dann die Souveränität? Wohl beim Volk, dass die Magistrate wählte, und ihnen daraufhin durch eine Lex de imperio/Lex regia das Imperium verlieh. Es gab aber doch Fälle, nämlich die Wahl eines Dictators oder eines Interrex, in denen die Fähigkeit, das Imperium zu verleihen also nicht beim Volk, sondern beim Senat lag.

War Roms Souveränität also keine ausschließliche Volkssouveränität, sondern die Souveränität war aufgeteilt zwischen dem Volk und dem Senat (SPQR?), die beide das Imperium verleihen konnte?
 
Naja, der Senat fiel auch nicht vom Himmel. Es ist zu wenig darüber bekannt, wie er sich ursprünglich rekrutierte (insbesondere ob bestimmte patrizische Geschlechter, wie es scheint, mehr oder weniger automatisch einen Sitz hatten), aber jedenfalls hatten die Censoren Einfluss auf seine Zusammensetzung, und die Censoren wurden auch gewählt. Also über ein paar Ecken und mit manchen Einschränkungen kann man auch den Senat vom Volk ableiten. Auch die Könige wurden, wenn man der Überlieferung glauben will, mehr oder weniger gewählt. Die Kaiser wiederum erhielten ihre Befugnisse formal vom Senat übertragen und herrschten nicht etwa "von Gottes Gnaden" oder kraft Geburtsrechts, waren also nicht (völlig) vom Recht losgelöst.

Ich halte es aber für - wie so oft - sinnlos, heutige Konzepte auf die Antike übertragen zu wollen. Gerade Rom funktionierte nach völlig anderen Kriterien, man findet dort auch keine Gewaltentrennung und keine Demokratie nach heutigem Verständnis.

Was nun die "Volkssouveränität" betrifft, sehe ich ein Problem darin, dass es "das Volk" als Träger einer Souveränität zumindest in der Praxis nie gab. Lange Zeit hatten die Plebejer nur recht eingeschränkte Rechte, waren also kaum Träger einer Souveränität, und später beschränkte sich das Volk im Wesentlichen auf die in Rom anwesenden Volksversammlungen, während die Bürger in den Kolonien außen vor blieben. Von einem "Volk" als Träger der Souveränität könnte man somit allenfalls auf einer recht abstrakt-theoretischen Ebene sprechen (insofern als die Volksversammlungen vertretend für das Volk standen und theoretisch auch das "Volk" waren - aber weder wirklich das Volk noch wie in heutigen repräsentativen Demokratien aus seiner Mitte gewählt), jedenfalls aber nicht nach den Maßstäben heutiger Verfassungsordnungen, in denen tatsächlich die gesamte Bürgerschaft gleichermaßen am Willensbildungsprozess teilnimmt und somit tatsächlich das Recht bzw. die Staatsgewalt vom Volk ausgeht.

Aber auch mit der Souveränität von Staaten stößt man bei den Römern rasch an Grenzen, weil man das heutige Konzept von souveränen Staaten nicht wirklich anwenden kann. Das römische Reich war kein Staat im heutigen Sinn, sondern (zumindest in der Theorie) ein Bündel an "Staaten", die mit den Römern verbündet waren und ihnen einen Teil ihrer "Souveränität" abtraten, aber (in der Theorie) trotzdem so etwas wie "Staaten" blieben. (Schon an meinem übermäßigen Gebrauch von Anführungszeichen sollte man erkennen, wie schwer es ist, mit heutigen Begriffen zu hantieren.) Noch in der Kaiserzeit schlossen z. B. griechische Städte "Bündnisse" mit Rom und schickten diplomatische Gesandtschaften nach Rom. Auf der anderen Seite aber waren die Latinerkolonien formal auch neu entstandene "Staaten". Man kann das römische Reich also nicht mit heutigen Staaten als Völkerrechtssubjekten, ihren Gliedstaaten und Kommunen vergleichen, sondern es war ein kompliziertes System verschachtelter "Staaten" und "Souveränitäten".
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja, der Senat fiel auch nicht vom Himmel. Es ist zu wenig darüber bekannt, wie er sich ursprünglich rekrutierte (insbesondere ob bestimmte patrizische Geschlechter, wie es scheint, mehr oder weniger automatisch einen Sitz hatten), aber jedenfalls hatten die Censoren Einfluss auf seine Zusammensetzung, und die Censoren wurden auch gewählt. Also über ein paar Ecken und mit manchen Einschränkungen kann man auch den Senat vom Volk ableiten.

Ja, letztendlich wurde der Senat durch das Volk gewählt, vor allem nach Sulla, so dass das Volk dem Senat 20 Quästoren hinzufügte. Aber dann bleibt meine Frage, aus welchen Grund als Symbol der (späten) Republik die Abkürzung "SPQR" gewählt wurde. Wenn der Senat letztendlich der Volksversammlung untergeordnet war, hätte da "PR" nicht ausgereicht? Oder hat man mit der Abkürzung der besonderen Macht des Senats und der Nobilität Rechnung getragen, obwohl diese Macht rechtlich gesehen vom Volk abgeleitet wurde?

Die Kaiser wiederum erhielten ihre Befugnisse formal vom Senat übertragen und herrschten nicht etwa "von Gottes Gnaden" oder kraft Geburtsrechts, waren also nicht (völlig) vom Recht losgelöst.

Wiederum vom Senat und vom Volk, oder nicht?

Ich halte es aber für - wie so oft - sinnlos, heutige Konzepte auf die Antike übertragen zu wollen. Gerade Rom funktionierte nach völlig anderen Kriterien, man findet dort auch keine Gewaltentrennung und keine Demokratie nach heutigem Verständnis.

Eine Demokratie wollte ich zum Glück nicht finden - da wäre meine Suche in Rom wohl wenig aussichtsreich gewesen. Ich frage mich nur, ob das Konzept der Volkssouveränität, also dass das Volk der Grund aller legislativen, exekutiven und judikativen Staatsgewalt ist, bzw. diese Staatsgewalten selbst ausübt, den Römern bereits bekannt war (in Floskeln, in kurzen Sätzen usw.)

Was nun die "Volkssouveränität" betrifft, sehe ich ein Problem darin, dass es "das Volk" als Träger einer Souveränität zumindest in der Praxis nie gab. Lange Zeit hatten die Plebejer nur recht eingeschränkte Rechte, waren also kaum Träger einer Souveränität, und später beschränkte sich das Volk im Wesentlichen auf die in Rom anwesenden Volksversammlungen, während die Bürger in den Kolonien außen vor blieben. Von einem "Volk" als Träger der Souveränität könnte man somit allenfalls auf einer recht abstrakt-theoretischen Ebene sprechen (insofern als die Volksversammlungen vertretend für das Volk standen und theoretisch auch das "Volk" waren - aber weder wirklich das Volk noch wie in heutigen repräsentativen Demokratien aus seiner Mitte gewählt), jedenfalls aber nicht nach den Maßstäben heutiger Verfassungsordnungen, in denen tatsächlich die gesamte Bürgerschaft gleichermaßen am Willensbildungsprozess teilnimmt und somit tatsächlich das Recht bzw. die Staatsgewalt vom Volk ausgeht.

Das ist dann eine Sache der Definition - ist das "Volk" in "Volkssouveränität" ein Hinweis darauf, dass nur demokratische Staaten diese Volkssouveränität in Anspruch nehmen können? Immerhin war Rom zwar ein aristokratischer Staat, aber die Vorherrschaft der Aristokratie war recht gut begründet (wenn man das so sagen darf). Wer reich ist, also wer mehr Steuern zahlt und wer (zumindest bis Marius) auch bei den bestbewaffneten Truppen dient, insgesamt also wer am meisten für das Gemeinwesen tut, der hat auch im Gemeinwesen die größten Rechte.

Aber auch mit der Souveränität von Staaten stößt man bei den Römern rasch an Grenzen, weil man das heutige Konzept von souveränen Staaten nicht wirklich anwenden kann. Das römische Reich war kein Staat im heutigen Sinn, sondern (zumindest in der Theorie) ein Bündel an "Staaten", die mit den Römern verbündet waren und ihnen einen Teil ihrer "Souveränität" abtraten, aber (in der Theorie) trotzdem so etwas wie "Staaten" blieben. (Schon an meinem übermäßigen Gebrauch von Anführungszeichen sollte man erkennen, wie schwer es ist, mit heutigen Begriffen zu hantieren.) Noch in der Kaiserzeit schlossen z. B. griechische Städte "Bündnisse" mit Rom und schickten diplomatische Gesandtschaften nach Rom. Auf der anderen Seite aber waren die Latinerkolonien formal auch neu entstandene "Staaten". Man kann das römische Reich also nicht mit heutigen Staaten als Völkerrechtssubjekten, ihren Gliedstaaten und Kommunen vergleichen, sondern es war ein kompliziertes System verschachtelter "Staaten" und "Souveränitäten".

Na ja Rom an sich war als (Stadt-)Staat souverän, also vor allem unabhängig. Roms Gebiet wiederum bestand aus Italien und dessen Städten, die ja allesamt (seit dem 1. Jahrhundert v. Chr.) das römische Bürgerrecht besaßen. Dann gab es noch die Provinzen, die Rom ganz klar untertan waren, und die verschiedenen Städte dieser Provinzen. Zusätzlich kamen dann noch die freien und die verbündeten Städte, die Schrittweise unter römische Oberherrschaft kamen.

Aber ich verstehe schon dass das alles recht kompliziert war.
 
Aber dann bleibt meine Frage, aus welchen Grund als Symbol der (späten) Republik die Abkürzung "SPQR" gewählt wurde. Wenn der Senat letztendlich der Volksversammlung untergeordnet war, hätte da "PR" nicht ausgereicht? Oder hat man mit der Abkürzung der besonderen Macht des Senats und der Nobilität Rechnung getragen, obwohl diese Macht rechtlich gesehen vom Volk abgeleitet wurde?
Der Senat selbst sah sich sicher nicht als der Volksversammlung untergeordnet an. In seiner Eigenwahrnehmung war er ein Rat der erlesensten Köpfe, der die Geschicke des Reiches zum Wohle aller lenkte. Die Volksversammlungen sollten seine Beschlüsse absegnen und die Magistrate vollziehen.

Ich frage mich nur, ob das Konzept der Volkssouveränität, also dass das Volk der Grund aller legislativen, exekutiven und judikativen Staatsgewalt ist, bzw. diese Staatsgewalten selbst ausübt, den Römern bereits bekannt war (in Floskeln, in kurzen Sätzen usw.)
Meines Wissens ist das eher neuzeitlicher Natur.
Allerdings nahm der Senat durchaus für sich in Anspruch, als "Ausschuss der besten Köpfe" für das Volk zu stehen, es zu repräsentieren.

Das ist dann eine Sache der Definition - ist das "Volk" in "Volkssouveränität" ein Hinweis darauf, dass nur demokratische Staaten diese Volkssouveränität in Anspruch nehmen können?
Nein, so eng habe ich das nicht gemeint. "Volkssouveränität" bedeutet nur, dass das Recht bzw. die ganze Staatsgewalt vom Volk ausgehen, also letztlich auf das Volk rückführbar sind. Die ganze Legislative, Exekutive und Judikative müssen sich auf das Volk zurückführen lassen, also z. B. indem das Parlament vom Volk gewählt wird und indem die Regierung entweder vom Parlament gewählt oder vom Staatspräsidenten (der wiederum entweder vom Volk direkt oder vom Parlament gewählt wurde) ernannt wird. Die Behörden wiederum sind einem Minister unterstellt, die Richter werden z. B. vom Staatspräsidenten auf Vorschlag z. B. der Regierung ernannt. Jeder, der irgendwie Gewalt ausübt oder Recht setzt, kann seine Befugnis dazu also über etliche Ecken und Kanten vom Volk als Souverän herleiten. Es gibt niemanden, der seine Befugnisse hat, weil er z. B. als ältester Sohn des vorangegangenen Staatsoberhaupts geboren wurde.
Zu verlangen, dass die Bürger des Volkes alle gleichberechtigt sind, würde meiner Meinung nach übers Ziel hinausschießen. Ein Problem sehe ich nur dann, wenn ein wesentlicher Teil der Bürger von der Willensbildung ausgeschlossen ist, weil dann kaum noch die Rede davon sein kann, dass sich die gesamte Gewalt unmittelbar oder mittelbar auf das Volk zurückführen lassen kann. Mit dem "wesentlichen Teil der Bürger" meine ich jetzt natürlich nicht Sklaven oder Fremde, die ohnehin nicht als Teil des "Volks" angesehen wurden. Aber die Plebejer waren unzweifelhaft Römer und Teil des Volks.

Na ja Rom an sich war als (Stadt-)Staat souverän, also vor allem unabhängig. Roms Gebiet wiederum bestand aus Italien und dessen Städten, die ja allesamt (seit dem 1. Jahrhundert v. Chr.) das römische Bürgerrecht besaßen. Dann gab es noch die Provinzen, die Rom ganz klar untertan waren, und die verschiedenen Städte dieser Provinzen.
Auch die Städte und Stämme in den Provinzen waren in der Theorie Bundesgenossen, die sich vertraglich den Römern unterstellt hatten (auch wenn diese "Verträge" meist nicht gerade freiwillig geschlossen wurden).
 
Römische Verfassung und Volkssouveränität

Die Frage nach "Souveränität " im antiken Kontext ist meinem Eindruck nach mit viel zu vielen modernen Konnotationen belastet. Ich bin weder Jurist, noch habe ich mich mit dieser Frage bislang befasst! Der heutige Begriff der Souveränität ist weitgehend ein "Kind" der Überlegungen von Jean Bodin, der mit seinem Werk "Sechs Bücher über den Staat" eine grundlegende Arbeit für Entstehung und Ausprägung des Absolutismus geleistet hat - in "Überwindung" mittelalterlicher Stände-Strukturen. Ein sprechender Kontext....!? Die komplizierten, mittelalterlichen Mitspracherechte diverser Stände betrafen ja nicht nur den Adel, sondern in unterschiedlichen, gegenseitigen (meist natürlich eher "einseitigen") Rechten und Pflichten weit größere Menschengruppen. Darunter nicht nur "Personen", sondern auch Personengruppen (wenn man das System herunterbricht bis hin zu Dorfgemeinschaften oder städtischen Räten, die ja nur in rechtlichem Sinne "Juristische Personen" sind. Als Schlagwort bei Wiki zusammengefasst:

"Die Juristische Person bezeichnet eine selbstständige Organisation, der die in Rechtsordnung eigene Rechtsfähig zuerkennt und damit die Fähigkeit durch eigene Organe (Drittorganschaft) am Rechtsverkehr teilzunehmen. Sie ist vom Bestand ihrer Mitglieder und deren Vermögen losgelöst."

Einleitend schildert das gemeinfreie "Meyers Großes Konversations-Lexikon" von 1905 (siehe Link) die Entstehung und Entwicklung einer "Juristischen Person" im altrömischen Recht. Danach kannte Rom ursprünglich diesen Begriff nicht, sondern er entwickelte sich erst gegen Ende der Republik. Danach war die erste überlieferte römische "Juristische Person" interessanterweise der kaiserlich Fiscus (Finanzwesen)!
Juristische Person - Zeno.org

Dieser Exkurs ist m.E. für die von romanus00I geführten Überlegungen für den Ursprung der Römischen Staatssouveränität ("vom Volke ausgehend") bezeichnend. Ich würde ihm hier kaum zustimmen. Sehr stark vereinfacht regelte die römische Senatsverfassung m.E. ursprünglich eher die Spielregeln, nach welcher die "hochadeligen" Patrizier miteinander um die einflussreichsten Positionen im Staat in geregeltem Wettstreit treten konnten um dabei trotzdem in der Außenwirkung als einheitlicher als "Stand" agieren zu können. Das "Volk" hatte dabei eher die Rolle eines "Schiedsrichters" in diesem Wettstreit. Keineswegs jedoch tritt es ursprünglich als wirklich agierendes, oder gar (entscheidend) mitbestimmende Gruppe auf! Das System sollte sich nicht mehr grundlegend während der Römischen Republik ändern. (Vereinfacht: ) Eher traten zu den Patriziern zuerst aus dem Volk stammende Senatoren plebejischer Herkunft und es differenzierte sich in der Hierarchie durch greifbare Zwischengruppen (etwa den Aufstieg der Ritter) weiter aus... Wobei einige "Analysten" die Meinung vertreten, dass der ursprüngliche Stand der Patrizier aus frühen Exponenten der damaligen "Ritterschaft" ("equester ordo") hervorgegangen sein dürfte...

Da sich der Begriff "Souveränität" auf "Oberherrschaft" vereinfachen lässt, mag das genügen.
Souveränität - Zeno.org
 
Staatssouveränität und ihre Einschränkung/Verlust im Spiegel römischer Geschichte

...Auch die Städte und Stämme in den Provinzen waren in der Theorie Bundesgenossen, die sich vertraglich den Römern unterstellt hatten (auch wenn diese "Verträge" meist nicht gerade freiwillig geschlossen wurden).

Danke für diese Aussage, die ich vertiefen möchte.

Souveränität in "außenpolitisch-staatsrechtlichem Sinne" gab es im "Alten Rom" ganz sicher. Es war ein starkes Mittel ihrer Außen- & Bündnispolitik, dass sich ständig in der Überlieferung wiederfindet. Rom ging davon aus, dass alle Staaten/Stämme/Städte auf die es traf, ursprünglich die volle, eigenständige Souveränität (in Außenpolitik und Selbstverfassung) besaßen und nur damit das Recht, vollgültige Verträge abschließen zu können. Im Umkehrschluss waren einem König, oder einer übergeordneten Instanz abhängig gewordene Gruppen nicht mehr länger im uneingeschränkten Genuss ihrer Souveränität. Souveränität ist nun einmal die Staatsgewalt.

Im Umgang mit Bundesgenossen arbeitete Rom in der Folge in flexibles System von Verträgen aus, die (aus römischer Sicht) unterschiedliche Grade der Unterstellung unter die Vorherrschaft Roms ermöglichen sollten. Verträge unter Gleichen und Gegenseitigkeit sah das römische Staatsrecht nicht vor! Je nach den Umständen, wie fremde "staatliche Subjekte" unter Roms Vorherrschaft und Schutz traten, definierte man den Status dieser "socii". Wurde etwa eine italische Macht während der frühen Expansionszeit militärisch unterworfen und dann dem römischen Bundessystem eingegliedert, hatte sich der Rivale i.d.r in Form einer "deditio" mit Rom zu einigen. Dieser Vorgang war stark ritualisiert in Form eines Frage- & Antwort-Schemas. Zuerst wurde festgestellt, dass der mit Rom einen Vertrag Eingehende überhaupt völkerrechtlich in Besitz einer Souveränität war. Weiterhin gab die mit Rom einen Vertrag schließende Gemeinschaft zu definierende Souveränitätsrechte an Rom ab und praktizierte damit eine "Freiwillige Herrschaftsübergabe" an die Tiberstadt. Das Wort "Vertragspartner" verbietet sich m.E. in diesem Zusammenhang! Staatsrechtlich hörte der mit Rom einen Vertrag schließende damit praktisch auf ein eigenständiges, "völkerrechtliches Subjekt" zu sein. Seine Vertragsfähigkeit mit anderen politischen Gebilden (Staaten) war damit verloren gegangen! Es wurde zu einem staatsrechtlichen Objekt "degradiert". Vom Wortstamm her leitet sich deditio von aktiver "Übergabe/Auslieferung" ab!

Nach römischem Selbstverständnis konnte ein dadurch seiner uneingeschränkten Souveränität verlustig gegangenes, "völkerrechtliches Objekt" seine volle Souveränität niemals wieder erringen. Selbst dann nicht, wenn Rom sie ihm gewähre - was dann trotzdem eine weitere Unterstellung unter Rom implizierte! Eine urrömische Sicht von Völkerrecht, die nicht erst in der Spätantike zu enormen Komplikationen führen sollte, weil sie nicht länger durchsetzbar blieb. Auch die römischen "Bundesgenossenkriege" in republikanischer Zeit speisten sich zum Teil aus dieser Sichtweise, die es unbedingt durchzusetzen galt. Der Ausweg blieb erst sehr spät die Aufnahme der Bundesgenossen in das "römische Bürgerrecht" und seine Zwischenstufen (lateinischer Rechtsstatus...)

Im Verlauf des 2. Punischen Krieges wagte es die nach Rom bedeutendste italische Stadt Capua im Gefolge der katastrophalen römischen Niederlage von Cannae zu fordern, künftig einen der beiden römischen Konsuln stellen zu dürfen. Capua und seine Oberschicht war zu diesem Zeitpunkt mannigfach politisch und mit seiner Oberschicht mit Rom verwoben und galt als eines der wichtigsten Stützen im römischen Herrschaftssystem. Rein sozial war dieses Ansinnen auch durch familiäre Verbindungen (der Oberschichten) vielleicht weniger Außergewöhnlich, als es den Anschein haben mag: Doch es traf den entscheidenden Nerv römischen Selbstverständnisses und seiner Auffassung über Souveränität an ihrer empfindlichsten Stelle! Rom lehnte ab und Capua schloss sich an Hannibal an... Der folgende Kampf um Capua war ein Signal an alle Bundesgenossen: Am Ende einer langen Belagerung fiel die Stadt 211 v.Chr. in römische Hand. Capua wurde als Bürgergemeinde völlig aufgelöst (staatsrechtliche Desintegration!), Enteignung des Grundbesitzes zugunsten des römischen Staates und Gründung von rivalisierenden Bürgerkolonien auf dem ehemaligen Gelände des Stadtstaates. Wirtschaftlich sollte Capua wieder erblühen, doch erst unter Julius Caesar wurde in Capua eine neue Kolonie gegründet unter dem Namen Colonia Iulia Felix siedelte er dort 20000 römische Bürger an, was die Widererrichtung Capuas als völkerrechtliches Objekt bedeutete... Das Schicksal Capuas ist nicht singulär, wie nicht nur das Beispiel des vorher mit Rom verbündeten Korinths und des Archaiischen Bundes zeigt (das interessanterweise ebenfalls durch Julius Caesar als römische Bürgerkolonie neu gegründet werden sollte)...
 
Das Wort "Vertragspartner" verbietet sich m.E. in diesem Zusammenhang! Staatsrechtlich hörte der mit Rom einen Vertrag schließende damit praktisch auf ein eigenständiges, "völkerrechtliches Subjekt" zu sein. Seine Vertragsfähigkeit mit anderen politischen Gebilden (Staaten) war damit verloren gegangen! Es wurde zu einem staatsrechtlichen Objekt "degradiert".
Das sehe ich nicht so strikt. Es konnten auch unter römischer Herrschaft stehende Städte noch mit anderen Städten vertragliche Beziehungen haben. Z. B. blieb der Lykische Bund auch bestehen, als Lykien Teil der Provinz Lycia et Pamphylia geworden war. Aus dem Neuen Testament bekannt ist die Dekapolis im südlichen Syrien bzw. östlich des Jordan. Der Achaische Bund wurde unter römischer Herrschaft wiedererrichtet, ein Bund der freien Städte Lakoniens (ohne Sparta) neu gegründet; beide bestanden noch in der Kaiserzeit. Vor allem im kultischen Bereich gab es im Reich mehrere Städtebünde. Die Amphiktyonie um Delphi bestand noch in der Kaiserzeit.
Natürlich existierten alle diese Bünde nur (noch) von Roms Gnaden und wurde die Gründung teilweise von Rom initiiert. Aber dass sie existieren konnten, setzt meines Erachtens schon eine Vertragsfähigkeit und eine (zumindest fingierte) Völkerrechtssubjektivität voraus.
Außerdem schlossen auch bereits unter römischer Herrschaft stehende Städte mitunter noch neue Verträge mit Rom, was meiner Meinung nach auch zeigt, dass die Fiktion der Völkerrechtssubjektivität beibehalten wurde.
 
Nein, so eng habe ich das nicht gemeint. "Volkssouveränität" bedeutet nur, dass das Recht bzw. die ganze Staatsgewalt vom Volk ausgehen, also letztlich auf das Volk rückführbar sind. Die ganze Legislative, Exekutive und Judikative müssen sich auf das Volk zurückführen lassen, also z. B. indem das Parlament vom Volk gewählt wird und indem die Regierung entweder vom Parlament gewählt oder vom Staatspräsidenten (der wiederum entweder vom Volk direkt oder vom Parlament gewählt wurde) ernannt wird. Die Behörden wiederum sind einem Minister unterstellt, die Richter werden z. B. vom Staatspräsidenten auf Vorschlag z. B. der Regierung ernannt. Jeder, der irgendwie Gewalt ausübt oder Recht setzt, kann seine Befugnis dazu also über etliche Ecken und Kanten vom Volk als Souverän herleiten. Es gibt niemanden, der seine Befugnisse hat, weil er z. B. als ältester Sohn des vorangegangenen Staatsoberhaupts geboren wurde.
Zu verlangen, dass die Bürger des Volkes alle gleichberechtigt sind, würde meiner Meinung nach übers Ziel hinausschießen. Ein Problem sehe ich nur dann, wenn ein wesentlicher Teil der Bürger von der Willensbildung ausgeschlossen ist, weil dann kaum noch die Rede davon sein kann, dass sich die gesamte Gewalt unmittelbar oder mittelbar auf das Volk zurückführen lassen kann. Mit dem "wesentlichen Teil der Bürger" meine ich jetzt natürlich nicht Sklaven oder Fremde, die ohnehin nicht als Teil des "Volks" angesehen wurden. Aber die Plebejer waren unzweifelhaft Römer und Teil des Volks.

Nun, ich spreche ja wohlgemerkt nicht davon, dass das Volk in Rom zu irgendeiner Zeit Träger der tatsächlichen Herrschaft, der tatsächlichen Staatsgewalt war - wie es bspw. die Staatsform der Demokratie implizieren würde. Wie du schon gesagt hatte - das Volk hatte Beschlüsse eher abzusegnen als selbst, z. B. durch eigene Vorschläge aktiv zu werden (wie das in Athen in klassischer Zeit der Fall war, und in der Moderne durch die Parteien verwirklicht wurde). Für eine Demokratie fehlte Rom auch die Gleichheit aller Staatsbürger, denn von einer Herrschaft des Volkes, also "aller" kann man erst sprechen, wenn alle zumindest theoretisch das Recht und die Möglichkeit haben, an der politischen Willensbildung teilzunehmen.

Mit "Volkssouveränität" wollte ich eher andeuten, dass es, wie du bereits angemerkt hast, es eine Legitimationskette vom "Populus" (das ja durchaus nicht das Volk, und schon gar nicht eine Vereinigung gleichberechtigter Bürger war) bis hin zum Senat, den Magistraten und, je nach Epoche, König oder Kaiser gab.

Und so wie ich das sehe, war dieses Konzept der Volkssouveränität in der Römischen Republik zwar verwirklicht, in den Köpfen der Denkern/Staatsmännern aber nicht ausformuliert. Oder sehe ich das falsch?

Dieser Exkurs ist m.E. für die von romanus00I geführten Überlegungen für den Ursprung der Römischen Staatssouveränität ("vom Volke ausgehend") bezeichnend. Ich würde ihm hier kaum zustimmen. Sehr stark vereinfacht regelte die römische Senatsverfassung m.E. ursprünglich eher die Spielregeln, nach welcher die "hochadeligen" Patrizier miteinander um die einflussreichsten Positionen im Staat in geregeltem Wettstreit treten konnten um dabei trotzdem in der Außenwirkung als einheitlicher als "Stand" agieren zu können. Das "Volk" hatte dabei eher die Rolle eines "Schiedsrichters" in diesem Wettstreit. Keineswegs jedoch tritt es ursprünglich als wirklich agierendes, oder gar (entscheidend) mitbestimmende Gruppe auf! Das System sollte sich nicht mehr grundlegend während der Römischen Republik ändern. (Vereinfacht: ) Eher traten zu den Patriziern zuerst aus dem Volk stammende Senatoren plebejischer Herkunft und es differenzierte sich in der Hierarchie durch greifbare Zwischengruppen (etwa den Aufstieg der Ritter) weiter aus... Wobei einige "Analysten" die Meinung vertreten, dass der ursprüngliche Stand der Patrizier aus frühen Exponenten der damaligen "Ritterschaft" ("equester ordo") hervorgegangen sein dürfte...

Da sich der Begriff "Souveränität" auf "Oberherrschaft" vereinfachen lässt, mag das genügen.
Souveränität - Zeno.org

Dass das Spielfeld der römischen Politik von einen wenigen Familien beherrscht wurde, habe ich ja nicht in Frage gestellt. Aber wenn wir beim Bild des "Spielfelds" bleiben, dann kommt bei jedem Spiel/Wettkampf dem Schiedrichter eine entscheidende Rolle zu. Er ist zwar passiv, er reagiert nur - trotzdem entscheidet er im Streifall, welche der beiden Gruppen gewinnt/recht hat.

Es war ja auch nicht selbstverständlich, dem Volk diese Rolle zu geben - im Mittelmeerraum gab es zur gleichen Zeit Oligarchien, in denen das Volk überhaupt keine Befugnisse hatte.
 
Zustimmung in engem Rahmen - oder "souveräne Handlungsfreiheit" von Akteuren?

...Und so wie ich das sehe, war dieses Konzept der Volkssouveränität in der Römischen Republik zwar verwirklicht, in den Köpfen der Denkern/Staatsmännern aber nicht ausformuliert. Oder sehe ich das falsch?
Hmm, ich würde den Blickwinkel etwas verschieben: Rom scheint sich m.E. eher als eine Art "Eidgenossenschaft" gesehen zu haben - eine Rechts- und Wehrgemeinschaft vielleicht... Es war ja auch früh sehr offen für die Aufnahme von außenstehenden Personen. Das ist nicht prinzipiell ein Gegensatz zu deiner Aussage...
...Dass das Spielfeld der römischen Politik von einen wenigen Familien beherrscht wurde, habe ich ja nicht in Frage gestellt. Aber wenn wir beim Bild des "Spielfelds" bleiben, dann kommt bei jedem Spiel/Wettkampf dem Schiedrichter eine entscheidende Rolle zu. Er ist zwar passiv, er reagiert nur - trotzdem entscheidet er im Streifall, welche der beiden Gruppen gewinnt/recht hat...
Ein Schiedsrichter im Sport ist eher eine Einzelperson, darum ist er ziemlich "Systemrelevant". Wenn ich das "Spielfeld" als Bühne deklariere und das Volk zu Zuschauern, die Applaus spenden sollen, wird die Gewichtung römischer Zustände dann nicht ganz anders?
Vielleicht ist die tatsächliche Machtlosigkeit des Volkes in der Römischen Republik im Kontrast zu der umfassenden Art wie es von der Führungsschicht "umschmeichelt" ( ,nicht umworben!) wurde ein entlarvender Reflex?
...Natürlich existierten alle diese Bünde nur (noch) von Roms Gnaden und wurde die Gründung teilweise von Rom initiiert. Aber dass sie existieren konnten, setzt meines Erachtens schon eine Vertragsfähigkeit und eine (zumindest fingierte) Völkerrechtssubjektivität voraus.
Außerdem schlossen auch bereits unter römischer Herrschaft stehende Städte mitunter noch neue Verträge mit Rom, was meiner Meinung nach auch zeigt, dass die Fiktion der Völkerrechtssubjektivität beibehalten wurde.
Ist das wirklich eine echte, völkerrechtliche Souveränität mit kleineren Einschränkungen, oder nur eine (auch) weit auslegbare, innere Autonomie innerhalb der römischen Rechtsgemeinschaft?
 
Naja "echt" ... natürlich war sie realpolitisch weitgehend fiktiv bzw. nur noch ein rudimentärer Rest; die Einschränkungen waren nicht nur klein und faktisch konnten sich die Städte auch nicht dagegen wehren, wenn ihre Freiheiten missachtet wurden. Ich betrachte sie aber schon als originär, weil die Römer oft eben nicht für sich in Anspruch nahmen, eine unterworfene Stadt völlig zu entrechten bzw. rechtlich auszulöschen, sondern nach Abschluss eines (Unterwerfungs-)Vertrages in ihr (Bündnis-)System aufzunehmen. Die unterworfene Stadt musste sich also eines Teils ihrer Freiheiten begeben, aber den Rest behielt sie.
Es gab natürlich auch Fälle, in denen Städte erst nachträglich wieder (einseitig zugestandene) Rechte erhielten, z. B. durch die Erhebung zum municipium oder zur colonia, wobei die neugegründeten Latinerkolonien formal neugeschaffene Stadtstaaten waren.

Auch wenn der Vergleich (wie fast jeder) natürlich hinkt: Die Mitglieder der EU haben ihre völkerrechtliche Souveränität auch nicht verloren, wenngleich sie einen maßgeblichen Teil ihrer Souveränitätsrechte vertraglich auf die EU übertragen haben und mittlerweile nicht nur ein Großteil der Rechtsvorschriften direkt (Verordnungen) oder indirekt (Richtlinien) von der EU stammt, sondern sie auch umfassenden Kontrollen unterliegen. Trotzdem haben sie nicht nur die Freiheiten, die ihnen etwa ein "Staat EU" im Rahmen einer inneren Autonomie gewährt, sondern alle, auf die sie nicht zugunsten der europäischen Integration vertraglich verzichtet haben.
Das ist etwas ganz anderes als wenn etwa ein Staat seinen Kommunen lokale Autonomie gewährt: In diesem Fall haben sie nur die Rechte, die ihnen der Staat zugesteht. Auch wenn Gliedstaaten (z. B. Bundesländer) das Recht haben, miteinander oder (wie in Österreich) im Rahmen ihres Wirkungsbereichs auch mit an sie angrenzenden anderen Staaten oder deren Gliedstaaten Verträge abzuschließen, dürfen sie das nur, weil ihnen die Verfassung des Gesamtstaats dieses Recht zugesteht. Originär ist es nicht.
 
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