Stratege Arminius und Hasenfuß Germanicus?

Sten Berg

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Also zum Schein fliehen diejenige, die das Feld besetzt hatten, vor dem Ansturm der Reiterei, um dann plötzlich umzukehren während gleichzeitig weitere Truppen aus dem Wald (von den Seiten?!) hervorbrechen, deren Anwesenheit von den Römern zuvor nicht erkannt worden war. Die Araber nannten so etwas Jahrhunderte später karr wa farr, eine Scheinflucht. Custer und Lil' Big Horn tauchen da vor meinem Auge auf. ;)
Das erkennst Du genau richtig. Diese Taktik könnte man eigentlich auch sofort als die Arminiustaktik definieren. Wobei genaugenommen karr wa farr eher eine Art Bruchteil, ein kleines Beispiel des Arminiustaktik wäre, denn er dachte weitaus in größere Dimensionen. Arminius war ein verdammt großer Stratege.

So wie Du es beschreibst war es die ganze Zeit. Dementsprechend ist es auch gar nicht davon auszugehen, dass die Idistavisoschlacht entscheidend sein hätte können, man dürfte sogar gar nicht überrascht sein, dass die Germanen relativ früh flüchteten. Arminius suchte nie den schnellen Erfolg und führte oft die Römer mit geordneten Rückzug genau dahin, wo er sie brauchte. Im Fall Anno 16 war es der Angrivarierwall. Ein weiterer genialer Schachzugs Arminius.

Die Einladung zum freien Feld, war die Einladung zu einer Falle. Wir wissen ja heute, dass Arminius danach direkt den Weg zu Weser versperrte, wodurch Germanicus keinen Nachschub mehr bekam. Germanicus musste ihn angreifen. Diesmal, im Gegensatz zu Anno 15 worüber Du schreibst, konnte Germanicus nicht mehr fliehen. Er musste in die für ihn ungünstigen Gelände einmarschieren.

[FONT=&quot]Die spätere Eroberung des Angrivarierwalls von Germanicus war nichts Weiteres als die volle Konzentration für den Fluchtweg. Beginnend mit allen Torsionsgeschützen, endend mit seiner eigenen Leibgarte. Die Prätorianer, sprich er persönlich mit seiner Leibgarte, rannte vom Schlachtfeld auf und davon als der Weg zur Flucht endlich frei war. Das Schicksal seiner Legionäre war dem Kerl scheiß egal, weswegen nur sein Schiff bei den Chauken ankam. Germanicus hatte einen riesen Vorsprung gegenüber seine Legionäre. Zudem schickte er sie in den Tod, damit sein Weg frei sein konnte. Dass die Germanen rechts und links vom Angrivarierwall sich positioniert hatten, konnte in dieser Größe jeder entdecken. Er schickte sie zu den Wälder und zu den Sümpfen, was, im Gegenteil zu Tacitus Meinung, kein Geniestreich war, sondern, wenn überhaupt, große Dummheit. Der Wall war dafür gedacht, die Römer dazu zu bringen, dass sie über den Wald oder durch den Sumpf ausweichen. Nach den Geschehnissen von Varus und von Caecina sollte jeder inzwischen selbst wissen, welche brutalen Nachteile die Römer in solchen Kampfplätze durch ihre schwere Rüstung hatten. Germanicus schickte seine Leute nur dahin, um eine sichere Gasse für sein Leben zu wissen.[/FONT]


Germanicus war stets ein Hasefuß. Auch Anno 15 blamierte sich der Bub. Tacitus versucht selbst hier wieder seinen Schützling zu decken. Bekanntlich rettete Agrippina die Ältere die Legionen von Caecina. Tacitus macht so, als wäre Tiberius ein Chauvi. Nehmen wir mal an Tiberius war einer, dann narrt sich Tacitus daran fest, dass Tiberius meinte, dass durch die Rettung von Agrippina ihr Ehemann Germanicus schandhaft in den Schatten einer Frau gestellt worden wäre. Warum eigentlich? War Tiberius so realitätsfern, dass er die Situation völlig verzogen verkannte? Germanicus war ja nicht in Köln und daher konnte nur Agrippina die Jungs vor ihrem endgültigen Untergang retten. So nebenbei, machte sie die Rheinbrücke dafür kaputt. Soviel zu diesem Sieg der Römer.

Weswegen stand denn jetzt Germanicus in den Augen des großen Kaisers und dem größten Feldherr in Zeiten Augustus in Schande? Nur wegen den Taten seiner Ehefrau allein? Wer das glaubt wird selig und kommt in den Himmel. Was zuvor war: Germanicus trifft sich mit Caecina und befiehlt ihm, dass er eine Straße für spätere militärische Aktionen bauen sollte. Gleichzeitig teilt er ihm mit, dass er Richtung Cherusker marschiert, um den blöden Arminius zu verhauen. Was gleichzeitig auch bedeutet, dass er ihm den Rücken für den Bau frei machen wollte. Germanicus trifft Arminius. Es geht „Unentschieden“ aus und nach dem Strom voller Flüchtlinge macht sich Germanicus „sofort“ auf den Weg zur Weser. Jeder Normalsterbliche sollte bei dieser Zusammenfassung von Tacitus drei Fragezeichen über den Kopf haben! Wieso Unentschieden bei einer Massenflucht inklusive Germanicus? Denn der haut wieder früher als vereinbart mal wieder ab und lässt gleichzeitig Caecina im Stich. Caecina baut bei den ersten Angriffen noch schön brav weiter, bis er schnallte, dass sein Rücken gar nicht mehr frei gehalten wurde. Das wurde ihm vermutlich bei dem Anblick der gesamten germanischen Armee mal so nebenbei bewusst.

Tacitus vertut sich da schwer. In diesem germanischen Krieg gehört es sicherlich zu den Glücksfällen, dass Tiberius als Kaiser keine Zeit mehr hatte um Krieg zu spielen.


Arminius Strategiebrillanz war mit Sicherheit zu hoch für viele seiner germanischen Krieger. Was aber nicht an der primitiven Kultur der Germanen lag, denn selbst heute schnallen die meisten Deutschen seine Strategie nicht. Von den Römer der Antike brauchen wir erst gar nicht anzufangen. Das fängt ja schon damit an, dass Varus, bzw. „seine Überheblichkeit“ am Ende für die Gesamtniederlage verantwortlich war. Als hätte es Germanicus nicht gegeben, der Im Winter 15/16 unterstützung von heutigen Italien, Spanien, Portugal, Benelux-Staaten, Frankreich für die Wiederaufrüstung benötigte.
 
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Arminius Strategiebrillanz war mit Sicherheit zu hoch für viele seiner germanischen Krieger. Was aber nicht an der primitiven Kultur der Germanen lag, denn selbst heute schnallen die meisten Deutschen seine Strategie nicht.
Das ist sehr interessant! Woher weiß man das? Warum machte die geniale, selbst heute retrospekiv nicht "geschnallte" Strategie keine Schule?
Fragen über Fragen...
 
wieso ist die "Treppenterriertaktik" für viele zu hoch?

Dabei ist die doch ganz einfach:
Laut bellen, dann Rückzug und auf jeder Stufe umdrehen und beißen , und dann eben, wenn der Gegner da ist, wo er seinsoll, richtig an die Kehle gehen.

Und was soll daran zu hoch für seine "germanischen Krieger" sein? Ersteinmal waren das zum Teil ja ehemalige Auxiliartruppen der Römer, dann kannten die ja ähnliches von Parthern etc. und die konnten zwar nicht so gut rechnen , so mit Tausenderübergang, aber wie groß das römische Reich und wie klein dagegen die Norddeutsche Tiefebene war, wußten die schon. Ja, und wieviele römische Legionäre unterwegs waren und wieviele germanische Krieger, auch.

Daraus ergibt sich dann logischerweise, das geschickte Rückzugs und Verzögerungsgefechte mit dann erfolgreichen Auffangstellungen der Weg zum Sieg in diesem Krieg sind.

Die wollten ja nicht nur eine Schlacht gewinnen, sondern einen Krieg. Und seit Phyrrus war bekannt, das man sich auch "totsiegen" kann.
 
Hallo Wilfried,
Du redest eigentlich nur über karr wa farr.

Diese Taktik kam tatsächlich schon wegen den damaligen Gegebenheiten vor und ist vor allem schon in der Varusschlacht offensichtlich. Des Weiteren beim Zusammentreffen von Germanicus und Arminius Anno 15, sowie bei der drauffolgende Schlacht pontes longi.


Inguiomer verließ die Taktik in der Schlacht pontes longi durch einen Mehrheitsbeschluss nach einem Thing diese Taktik und die Germanen gingen auf einen Frontalangriff in einem für sie ungünstigen Gelände über. Danach fand sich Inguiomer in der Intensivstation wieder.

Irgendwer hat es im Forum schon wunderbar erklärt: Mit den Waffen der Antike war eine Schlacht, sprich der Zweikampf, extrem harte Arbeit. Spätestens nach dem dritten Zweikampf wäre eine Pause immer die Option gewesen. Und In diesem Zusammenhang hast Du natürlich recht: Das Verwenden des karr wa farr war kein Geniestreich an sich, sondern das Akzeptieren der realistischen Möglichkeiten von Arminius. Das alleine allerdings, ist schon intelligent genug. Es gab genug große Feldherrn der Zeit - u.a. auch A. Hitler, erkennbar in Stalingrad - die gegebene Umstände nicht akzeptieren konnten und auf ihre Träumereien der Möglichkeiten bauten. Wie im Falle Inguiomer führt diese Sicht der Dinge eine Schlacht zur Niederlage. Wie die Vernichtung der Rheinbrücke belegt, was das keine totale Niederlage. Arminius, der von Tacitus als ein Mann mit wilden Temperament beschrieben wird, war in den Schlachten extrem realistisch und kühn. Diese beiden verschiedenen Charakterzüge widersprechen sich nicht zwingend.

Wem die Mühe eines antiquarischen Zweikampfes bewusst ist, der geht auch nicht davon aus, dass Arminius überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, 80.000 Mann in einem Jahr vernichten zu können. Hätte er das noch geschafft, wäre Arminius unbestreitbar das Strategiegenie der Antike. Es wäre ein militärisches Wunder gewesen. Realistisch kann man nur ein Rückzug des Besiegten erwarten. Tja, und wer haute denn im „Hochsommer“ immer wieder (frühzeitig) ab?

Die Totalvernichtung schaffte später Arminius auch nicht gegen Marbod. Nicht, weil er seit der Varusschlacht immer blöder wurde, sondern weil es in dieser Dimension eine schwer machbare Herausforderung ist und bleibt.
Marbod war danach bekanntlich am Nadir seiner militärischen Macht. Im Grunde ein Geschenk für Rom, das aber nicht lange andauern sollte. Die Markomannen wurden später zu den Hauptfeinden Roms.

Sprich, die drei Legionen von Varus binnen wenige Tage zu vernichten war und ist eine Höchstleistung. Varus starb, weil die Falle auch so perfekt war.

Exkurs: In der Schlacht von Cannae töte Hannibal 50.000 Männer von 80.000. Ich persönlich kenne keine Schlacht, die eine Totalvernichtung in der Antike bei so einer Größe ergab.
 
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Das ist sehr interessant! Woher weiß man das? Warum machte die geniale, selbst heute retrospekiv nicht "geschnallte" Strategie keine Schule?
Fragen über Fragen...

Wer sagt das? Es gehört zu jeder guten Schachschule, in gegeben Umständen sogar die Königin zu opfern, wenn man darauf unvermeidbar den Gegner Schachmatt setzen kann.
 
Angesichts der eher knappen, dafür aber unzuverlässigen antiken Quellen halte ich das hier für sehr spekulative Darstellungen.
 
Nun, diese Taktik ist schließlich sehr alt ...
Du vergißt aber bei Arminius und Marbod , das die keine Soldaten, sondern Krieger/Milizen führten.
Da ist die Vernichtung des Gegners selten eine Option, -die Römer sollten in diesem Einzelfall wohl "vernichtet" werden, um ihnen das wiederkommen zu verleiden-.

Als erstes muß die Taktik darauf ausgerichtet sein, so wenig eigene Verluste wie möglich zu haben. Zum zweiten , soviel Beute wie möglich zu erlangen. Also Proviant, Gefangene , Waffen aller Art. In dieser Reihenfolge.

Arminius führte also keine Angriffskriege, sondern Kriege zur Abwehr. Was den Zweikampf angeht, der fand so in der römischen Kaiserzeit nicht statt. Mit Schild und Speer dauert so eine Aktion je Treffen nicht wie in Hollywoodfilmen 3 Stunden sondern höchstens 30 min, den man hackt ja nicht sinnlos auf die Schilde der Gegner ein. Weniger ein Hauen, mehr ein Stechen.
Zu den Zahlen:
Ich bin geneigt, bei den antiken Überlieferungen eine 0 zu streichen. Warum? Naja, Bevölkerungsdichte /Zahl und Kriegerzahl müssen korrelieren. Geht man davon aus, das ganz grob 1/5 der männlichen Bevölkerung wehrfähig ist, sind das 10% der Bevölkerung, wenn alle mit machen.
Gegen Marbod wird Arminius aber nicht alle aufgeboten haben können, höchstens 1/3 der wehrfähigen (Auslandseinsatz)
 
Jkt9
Angesichts der eher knappen, dafür aber unzuverlässigen antiken Quellen halte ich das hier für sehr spekulative Darstellungen.
Keineswegs.

Aber ja..

Man kann nur mit Gewissheit sagen das Germanicus versuchte den Krieg durch eine offene Feldschlacht zu gewinnen und das es Arminus eben gelungen ist das zu vermeiden.
Und das Germanicus ein Feigling gewesen sein soll halte ich schlicht für falsch. Dafür gibt es keinerlei Beweise. Ich würde Germanicus trotz seines Mißerfolgs weder als Feige noch als unfähig bezeichenen.
 
Zu den Zahlen:
Ich bin geneigt, bei den antiken Überlieferungen eine 0 zu streichen. Warum? Naja, Bevölkerungsdichte /Zahl und Kriegerzahl müssen korrelieren. Geht man davon aus, das ganz grob 1/5 der männlichen Bevölkerung wehrfähig ist, sind das 10% der Bevölkerung, wenn alle mit machen.
Gegen Marbod wird Arminius aber nicht alle aufgeboten haben können, höchstens 1/3 der wehrfähigen (Auslandseinsatz)

Die Markomman kann man nicht als kleine Streitmacht ansehen. Dafür müsste man die Geschichte der Markomannenkriege, die danach folgten, komplett ausblenden. Sowie zuvor Augustus Wille, 12 Legionen gegen Marbod aufzustellen. Dementsprechend musste Arminius dagegen was zu bieten gehabt haben, da er sie noch in einer offene Schlacht gegen sie gewann.
 
Und das Germanicus ein Feigling gewesen sein soll halte ich schlicht für falsch. Dafür gibt es keinerlei Beweise. Ich würde Germanicus trotz seines Mißerfolgs weder als Feige noch als unfähig bezeichenen.

Er überließ Caecina seinem Schicksal. Zwischen zwei Armeen existiert natürlich Kommunikation und im Gegensatz zu Segestes, konnte Caecina ihn nicht mehr zur Rettung erbitten! Obwohl die kommunikative Verbindung zwischen zwei römischen Armeen schon hunderte Jahre zuvor besser war als zwischen Segestes und Germanicus. Rom hatte hierbei auch die modernsten Kommunikationsmethoden seiner Zeit.

Kaiser Tiberius hatte recht den Kerl als SCHANDE anzusehen.
 
Rom hatte hierbei auch die modernsten Kommunikationsmethoden seiner Zeit.
- Germanicus hatte keine Möglichkeit Caecina zu rechtzeitig Hilfe zu kommen und dürfte auch kaum gewußt haben das dieser Hilfe braucht. Zudem hätte er wahrscheinlich ein Verpflegungsproblem bekommen wenn er kehrt gemacht hätte.
- Caecina operierte zu diesem Zeitpunkt auch selbstständig und sein Heer war nur gerinfügig kleiner als das von Germanicus.
- Die Heer hatte man aus operativen und vermutlich auch aus logistischen Gründen aufgeteilt.
- Caecinas Heer konnte sich selbst freikämpfen. Germanicus wurde nicht gebraucht.

Wo bitte ist hier Feigheit oder Inkompetenz bei Germanicus zu erkennen?

Die "moderene" Kommunikationsmethode jener Zeit in Germanien waren Meldereiter..
 
Hm,

starker Tobak.
Hitzige Diskussion.

Ich möchte einige wirklich lose (!) Gedanken zum Ausgangsbeitrag formulieren:

Der Tacitus war nunmal wirklich kein ausgewiesener Freund des Tiberius (bzw. des principats). Das der Tiberius im Prinzip der genialste Feldherr unter der Herrschaft des August' war, kann man wohl so stehenlassen. An den enstehenden Brennpunkten (Germanien/Pannonien) war er zur Stelle und hat seine Aufgaben entsprechend gelöst. Sicherlich war er auch der "Bessonnenere" gegeüber seinem jüngeren Bruder Drusus. Vieleicht auch der "ideale" Kaiser? Sicherlich verfügte er über mehr Erfahrung im Krieg und auch mit den Germanen.

Und Arminius?
Das dieser ein wirklich genialer Stratege war, steht wohl ausser Frage. Drei Legionen zu besiegen ist sicherlich eine große Tat. Aber viel größer ist die Leistung des Arminius gegen die Feldzüge des Germanicus zu bezeichnen. Gegen ein römisches Herr aus acht Legionen plus Hilfstruppen zu bestehen ist wohl einzigartig in der antiken Welt. Und wenn gewisse Leute die Varusschlacht als "Wendepunkt der Geschichte" bezeichnen, so kann man eigentlich nur entgegnen, daß nicht diese Schlacht, sondern bestenfalls die Ereignisse 15/16 n. Chr. einen solchen Wendepunkt kennzeichnen.

Prinzipiell ist es doch so:
Die Römer, also die Herrscher der damaligen Welt konnten sich gegen die Barbaren aus Germanien nicht durchsetzen. Dies konnte nicht sein. Und es durfte nicht sein. Und gerade Tacitus konnte dies nicht so hinnehmen. Tacitus hätte es sicherlich gerne gesehen, daß Germanien unterworfen und eine römische Provinz wird. Germanicus hat dies letztlich und als letzter römischer Feldherr versucht. Aber er hatte keinen Erfolg. Seine Feldzüge waren sehr verlustreich - an Mensch und Material.

Er (Germanicus) war nicht der jugendliche Held, welcher der Tacitus uns schildert. Vielmehr siegte wohl die Meinung des Germanienkenners Tiberius. Dieser entschied nunmal nach Kosten/Nutzen und nicht nach "Patriotismus".

Tacitus hat dem Tiberius dies verübelt.
An der eigentlichen Niederlage des Germanicus kann dies aber nicht rütteln.

Nur lose Gedanken...
 
@salvus

Dem kann ich nur zustimmen. Ich halte er aber für unsinnnig Germanicus als einen "Hasenfuß" darzustellen wie das hier gemacht wurde. Dank Arminus hatte er es sehr viel schwerer als Tiberius in den Feldzügen davor den Arminius hatte eine bessere Strategie und aufgrund des Bündnisses verschiedener Stämme auch ein größeres Heer. Die 8 Legionen konnten das nicht ausgleichen.
Aus dem Feldzug wurde daher ein teuerer Abnutzungskrieg. Den war Tiberius nicht bereit zu führen.
 
Bis hierher d'accord. Dann aber:

Prinzipiell ist es doch so:
Die Römer, also die Herrscher der damaligen Welt konnten sich gegen die Barbaren aus Germanien nicht durchsetzen. Dies konnte nicht sein. Und es durfte nicht sein. Und gerade Tacitus konnte dies nicht so hinnehmen. Tacitus hätte es sicherlich gerne gesehen, daß Germanien unterworfen und eine römische Provinz wird. Germanicus hat dies letztlich und als letzter römischer Feldherr versucht. Aber er hatte keinen Erfolg. Seine Feldzüge waren sehr verlustreich - an Mensch und Material.

Er (Germanicus) war nicht der jugendliche Held, welcher der Tacitus uns schildert. Vielmehr siegte wohl die Meinung des Germanienkenners Tiberius. Dieser entschied nunmal nach Kosten/Nutzen und nicht nach "Patriotismus".

Tacitus hat dem Tiberius dies verübelt.

Tiberius hat eine schlechte Presse bei den antiken Autoren, vielleicht hat er das auch durch seinen Rückzug nach Capri und seinen Verzicht auf propgandistische Selbtdarstellung selbst verschuldet. Und Tacitus malt natürlich alles schwarz, was Tiberius machte. Das hing aber nicht an Tiberius' Germanienpolitik ab 16. Für Tacitus war ja gescheiterte Germanienpolitik durchaus auch Zeitgeschichte (Domitian). Ich glaube nicht, dass er Tiberius den Abzug des Germanicus aus Germanien besonders verübelt hat. Er beschmeißt ihn diesbezüglich nur mit Dreck (Tac. ann. II, 26, 5), weil er das im Prinzip reflexhaft bei fast allen Entscheidungen Tiberius' tut. Aber im Grunde genommen kann man ihm hier auch entnehmen, dass Tiberius hier ein Verunftentscheidung getroffen hat (Tac. ann. II, 26, 2 - 4).
 
- Germanicus hatte keine Möglichkeit Caecina zu rechtzeitig Hilfe zu kommen und dürfte auch kaum gewusst haben das dieser Hilfe braucht. Zudem hätte er wahrscheinlich ein Verpflegungsproblem bekommen wenn er kehrt gemacht hätte.

Vermutlich hätte er sich einen wunden Po beim Reiten gescheuert und einen Schnupfen hätte er sich auch noch geholt.

Also nochmal
1. Fixpunkt 1: Germanicus trifft sich mit Caecina.
2. Caecina bekommt den Befehl Richtung Westen eine Straße zum Rhein, zu einem Legionslager zu bauen.
3. Germanicus geht Richtung Osten, weil er Streit sucht.
4. Fixpunkt 2: Germanicus und Arminius treffen sich und verhauen sich. Ergo: Germanicus hatte den gleichen Weg um zu Caecina zu kommen wie es später Arminius verwirklichte!
5. Germanicus haut danach über das Meer ab.
6. Der Weg um Caecina anzugreifen war nun frei, was jeder Halbintelligente bewusst gewesen wäre, weil es klar wie Kloßbrühe ist.

Wenn Dir es nicht passt, Germanicus als Feigling zu deklarieren, dann kann man ihn nur noch als einen dummen Hund bezeichnen, denn er machte den Weg für den Angriff frei. Ein kluger Feldherr hätte sich mit Caecina mit einem Rückzug vereint, um eine stärkere Vereinigung gegen den Feind aufzubauen. Bzw um im Kontext Tacitus zu bleiben, damit die Straße auch gebaut werden kann.



- Caecina operierte zu diesem Zeitpunkt auch selbstständig und sein Heer war nur gerinfügig kleiner als das von Germanicus.
Die Oberbefehlsgewalt hatte Germanicus! Auch das unterschlägt Tacitus bei jeden schlimmen Moment. Er versucht sogar die verheerende Heimreise Anno 15 Germanicus einem anderen zu zuschreiben. Der Name fällt mir nicht mehr ein, obwohl ich beim Lesen mich fragte, wo der jetzt plötzlich herkam und wer das sein soll. Hatte bei Tacitus auch nur eine Nebenrolle als Depp der Seefahrt, soviel ich entnahm.

- Das Heer hatte man aus operativen und vermutlich auch aus logistischen Gründen aufgeteilt.
Ist doch bekannt warum: Eben um eine Straße zum Rhein zu bauen. Was Arminius NACH der Schlacht gegen Germanicus vereitelte.



- Caecinas Heer konnte sich selbst freikämpfen. Germanicus wurde nicht gebraucht.
Um die Niederlagen Anno 15 wieder wett zu machen, brauchte Germanicus die Hilfe des gesamten westlichen Imperiums. Zur Erinnerung: Britannien gehörte noch nicht dazu.
Arminius hat wohl mit seiner Varusschlacht das Erwartungsniveau bis heute auf die Spitze getrieben. Ich kenne keine Schlacht, wo eine römische Legion in dieser Größe bis zum letzten Mann aufgerieben wurde. Ich bin aber gerne bereit meinen Horizont zu erweitern und wäre für eine vergleichbare Schlacht mit Beweisen sehr dankbar. Selbst wenn allerdings noch solche Schlachten einige Male gaben, kann man am Ende mit Sicherheit immer noch festhalten, dass solche Radikalniederlagen für Rom selten waren. Dass allerdings jetzt bei jeder weiteren Schlacht das als Erwartungsniveau an Arminius zu setzen, um es als Maßstab für einen Sieg von Arminius akzeptieren zu können, gleicht einem Größenwahn. Diejenigen können heutzutage auch gleichzeitig erwarten, dass die Fußballnationalmannschaft jedes Mal gegen Brasilien mit 7:0 gewinnen wird.


Wo bitte ist hier Feigheit oder Inkompetenz bei Germanicus zu erkennen?
Ich sehe es zugegeben nicht in der Perspektive von Tacitus, sondern rein strategisch.


Die "moderene" Kommunikationsmethode jener Zeit in Germanien waren Meldereiter..
Joa, vermutlich war Segimundus der Vorreiter der deutschen Telekom, denn immerhin konnte er Germanicus frühzeitig und rechtzeitig erreichen, bevor sein Vater Segestes seinen Kopf abgeschlagen bekam.

Und nein, der Meldereiter war nicht die einzige Kommunikationsmethode des römischen Imperiums. Was die damals bezüglich Kommunikation schon alles drauf hatten, fand ich persönlich sehr interessant. Einer der schnellsten Kommunikationsmitteln der römischen Legionen, und das lange bevor Germanicus auf die Welt kam, war via Fackeln von Aussichtspunkten gegenseitig mit Lichtgeschwindigkeit sich anzumorsen. War zwischen Legionen alles andere als selten.
 
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Er (Germanicus) war nicht der jugendliche Held, welcher der Tacitus uns schildert. Vielmehr siegte wohl die Meinung des Germanienkenners Tiberius. Dieser entschied nunmal nach Kosten/Nutzen und nicht nach "Patriotismus".

Tacitus hat dem Tiberius dies verübelt.
An der eigentlichen Niederlage des Germanicus kann dies aber nicht rütteln.

Nur lose Gedanken...

Tiberius ist ein Germanienkenner, auch ein besserer als unser einer, weil er selbst dort siegte.
Das ist nahezu interessant. Er bekämpfte Anno 5 die Langobarden, worauf Velleius Paterculus bekannter Weise schrieb: Nichts blieb mehr in Germanien, das hätte besiegt werden können, außer dem Stamm der Markomannen.

4 Jahren später folgte die Varusschlacht. Offensichtlich eine extreme Fehleinschätzung. Woher sie kam, darüber kann man spekulieren. Vermutlich, weil u.a. die Cherusker als Verbündete galten.

Tiberius war ja bekanntlich mit Germanicus zeitgleich mit dem Pannonischen Aufstand Anno 9 beschäftigt. Seine legendäre Meinung dazu, entwickelte sich leider erst, als alles im Arsch war. Er bereitete alles für Germanicus vor, danach förderte er als Kaiser jegliche Mitteln, die Germanicus zu seinem Sieg brauchte. Und das nicht all zu knapp. Offensichtlich hatte er bis Sommer 16 eine ganz andere Meinung dazu.

Eines sollte man nicht unterschlagen: Die ersten beiden Kaiser, Augustus und Tiberius, hatten dort ihre größten Niederlagen ihres Lebens. Man kann mit Leichtigkeit nachweißen, dass Tiberius ihn seinen gesamten Lebzeiten niemals so viel Verluste erlebt hatte, wie es Arminius es ihm besorgt hatte. Das war ein gewaltiger Schaden in noch nie vorhandener Höhe, die Tiberius nie zuvor oder sonst irgendwie erlebt hatte. Erst danach überließ er die Germanen unter sich. Er gab auf.

War als Ergänzung gedacht. Stimme sonst Deinem Beitrag zu.
 
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Arminius hat wohl mit seiner Varusschlacht das Erwartungsniveau bis heute auf die Spitze getrieben. Ich kenne keine Schlacht, wo eine römische Legion in dieser Größe bis zum letzten Mann aufgerieben wurde. Ich bin aber gerne bereit meinen Horizont zu erweitern und wäre für eine vergleichbare Schlacht mit Beweisen sehr dankbar.
"Bis zum letzten Mann" ist doch etwas übertrieben. Schließlich gab es noch diejenigen, die für Germancius den Führer bei dessen Schlachtfeldbesichtigung machten und bei denen es ausdrücklich heißt, sie seien dem Kampf und den Fesseln entgangen. Nicht zu vergessen, dass auch Frontinus von den "reliqui ex Variana clade" schreibt.

Was nun andere vernichtende Niederlagen in ähnlicher Größenordnung betrifft:
Zu nennen wäre das Desaster, das der designierte Konsul Lucius Postumius Albinus Ende 216 gegen die Gallier erlitt (und das wohl nur deshalb relativ unbekannt ist, weil es im Schatten der noch größeren Niederlage bei Cannae im selben Jahr steht). Eine Armee, bestehend aus zwei Legionen und zahlreichen Bundesgenossentruppen, insgesamt etwa 25.000 Mann, geriet in Norditalien in einem Wald in einen Hinterhalt und wurde praktisch vollständig vernichtet. Postumius fiel, und es soll praktisch keine Überlebenden gegeben haben; ein Trupp, der zunächst anscheinend entrann, wurde dann doch noch abgefangen; auch Gefangene wurden von den Galliern kaum gemacht. (Quellen dazu: Livius 23,24; Polybios 3,118)
 
Ordentliche Schlappe ja, aber ich habe diese Schlacht bewusst nicht als Beispiel erwähnt, weil sich doch zumindest kleinere Teile des Heeres retten konnten. Sten Berg scheint es um Schlachten in der Größenordnung der Varusschlacht zu gehen, bei denen wirklich so gut wie kein Römer davonkam. Davon gibt es dann doch nicht viele; Schlachten mit kleineren römischen Heeren durchaus (z. B. die Vernichtung des Heeres der Legaten Sabinus und Cotta durch Ambiorix 54 v. Chr., wobei das Heer da aber "nur" aus einer Legion und fünf Kohorten bestand).
 
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