Tiberius und die Langobarden

Augusto

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Zu diesem Thema scheint bislang noch kein gesonderter Faden zu existieren - zumindest nicht aus der Zeit nach 2010 (vorher habe ich nicht gesucht). Zum Einstieg folgende Auszug:
@ Augusto

ja zu den Münzspuren kann ich was inzwischen sagen, da die Münzspurkarte mittlerweile in der Ausstellung "Die Erfindung der Germanen" ausgestellt ist (Schublade zum Aufziehen). Tiberius zog mit dem Landheer über Hildesheim - Schöningen - Alleringersleben - Bebertal - Wolmirstedt - Tangermünde in Richtung Stendal. Die Ausgrabungen an der Elbe sowie die geomagnetische Prospektion laufen noch. Man hat im letzten Jahr eine sehr große rechteckige Struktur eines Gebäudes entdeckt. Da aber an besagtem Ort so viele Grabenstrukturen verlaufen (Siedlung seit dem Neolithikum bis ins frühe Mittelalter) ist es sehr schwierig. Deswegen muss gegraben werden. Der Sondengänger fand auch wieder an gleicher Stelle ein Lugdunm I As. Von den Münzen vom Typ Scheers 217 class. II gibt es inzwischen 6 oder 7.

Fazit: Das Umland von Stendal ist ein sehr heißer Kandidat für das Treffen mit den Langobarden.

http://www.geschichtsforum.de/f28/das-r-merlager-aliso-34098/index17.html#post745809
 
Nee, das berichtet schon Zeitgenosse Velleius Paterculus:

Pro dii boni, quanti voluminis opera insequenti aestate sub duce Tiberio Caesare gessimus! Perlustrata armis tota Germania est, victae gentes paene nominibus incognitae, receptae Cauchorum nationes: omnis eorum iuventus infinita numero, immensa corporibus, situ locorum tutissima, traditis armis una cum ducibus suis saepta fulgenti armatoque militum nostrorum agmine ante imperatoris procubuit tribunal. Fracti Langobardi, gens etiam Germana feritate ferocior; denique quod numquam antea spe conceptum, nedum opere temptatum erat, ad quadringentesimum miliarium a Rheno usque ad flumen Albim, qui Semnonum Hermundurorumque fines praeterfluit, Romanus cum signis perductus exercitus. Et eadem mira felicitate et cura ducis, temporum quoque observantia, classis, quae Oceani circumnavigaverat sinus, ab inaudito atque incognito ante mari Qumine Albi subvecta, cum plurimarum gentium victoria parta cum abundantissima rerum omnium copia exercitui Caesarique se iunxit.
Die Stelle wurde unter anderem Aspekt schon mal thematisiert, weil irgendein Ingenieur, dem nichts zu schwör war, meinte, der Sinus sei keine Bucht gewesen (die Deutsche Bucht) sondern ein Kap und die römische Flotte wäre daher durch Kattegat und Sund in die Ostsee gesegelt und nicht die Elbe sondern die Oder hinauf gesegelt...
Also: Tiberius war ausweislich der Quellen an der Elbe und hat dort oder auf dem weg dorthin auch die Langobarden besiegt. So zumindest sein Panegyriker Velleius Paterculus, der sich hier als Teilnehmer dieses Feldzugs (gessimus) heraushebt. Die Fakten können wir soweit als gegeben verbuchen, die Lobhudelei müssen wir ja nicht unbedingt annehmen. Ob nun die Langobarden wirklich so schwer getroffen wurden, wie Velleius behauptet - die Römer haben sicher keine Volkszählung angestellt... Die Langobarden sind jedenfalls in den nächsten Jahrzehnten kein Thema.

Ob nun die Münzfunde, die Hermundure so schön an einer Perlenkette aufgeschnürt hat, in den Kontext des Tiberiusfeldzuges zu setzen sind, ist natürlich eine Frage. Wir wissen ja aus dem gallischen Krieg, dass römische Händler bereits zuvor den Rhein überquert haben. Es ist nicht auszuschließen, dass die Münzfunde - handelt es sich um Einzel- oder Hortfunde? Gibt es Indizien ritueller Niederlegung? In welchen Kontexten wurden sie gefunden? - anderweitig als über das römische Heer dorthin gekommen sind.

Für's römische Heer könnten Wegeopfer sprechen (die sind an meist markanten Punkten (z.B. Pässen) nachgewiesen), aber die können ebenso für Händler welcher Herkunft auch immer sprechen.
Bei akzidentellen Verlusten wäre eine solche Spur eher für einen einzelnen Heereszug wunderlich und da sollte man eher Verluste oder auch Depots an einer Straße annehmen, die durch Händler welcher Herkunft auch immer verloren/angelegt wurden.
 
Hallo El Quijote,

es sind Einzelfunde und bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich Soldatenkleingeld - Dupondien und Asse. Es kommen auch halbierte Asse vor, welche immer im militärischen Zusammenhang gesehen werden. Die römischen Händler hingegen bevorzugten Silbernominale mit nach Germanien zu nehmen. Das wissen wir schon von Tacitus. Besonders auf die alten Serrati und Bigati hatten es unsere Vorfahren abgesehen. Und genau diese finden wir in den Wertedepots (Kuranthort) der Germanen wieder. Die vollwertigen Denare wurden von ihnen aus dem Kreislauf des Handels entzogen und angehäuft (R. Laser 1980, M. Barkowski 2012). Edelmetallschatzfunde können aber auch auf Grund von politischen Kontakten "en bloc" in die Germania gekommen sein und wurden erst anschließend verteilt (R. Ciolek 2006). Natürlich hat das Militär die gleichen Wege benutzt wie die Händler, jedoch gibt es von Hildesheim zur Elbe keine "Ausreißer", daher der Vergleich mit der Perlenkette.
 
Es kommen auch halbierte Asse vor, welche immer im militärischen Zusammenhang gesehen werden.
Eine Nachfrage:
Was verstehst Du hier unter "Zusammenhang"?

Können halbierte Asse entlang der Handelsstraßen auch als bloßer wirtschaftlicher "Kontakt" auch zu räumlich entferntem Militär angesehen werden?

Ist belegt, wie weit sich diese verteilten und welche Zirkulation angenommen werden kann?
 
Die römischen Händler hingegen bevorzugten Silbernominale mit nach Germanien zu nehmen. Das wissen wir schon von Tacitus. Besonders auf die alten Serrati und Bigati hatten es unsere Vorfahren abgesehen.

Die Stelle in der Germania besagt ja eigentlich nur, dass die Germanen die angeritzten Silbermünzen (also Münzen, bei denen man den Vollgehalt des Silbers) und die alten Silberdenare mit dem Zweispänner bevorzugten, offensichtlich weil sie bei diesen älteren Münzen in den Wert vertrauten. Tacitus schreibt ja, dass ihnen für den Handel Silber lieber als Gold sei, weil das Goldmünzen einen zu hohen Wert hätte, um kleinere geschäfte abzuschließen. Über kleinere Münzen ist damit gar nichts gesagt sondern über Handelsvaluta und die Angst davor, Fälschungen in die Hand zu bekommen oder Münzen, bei denen der Silbergehalt nicht stimmt. Das war unter Domitian ein Problem.
Die Sesterzen waren ja ursprünglich Silbermünzen (die angesprochenen bigatos), wurden aber in der Spätphase der Republik bereits aus Bronze geprägt. Die Germanen wollten diese Bronzen für den Wert einer Silbermünze nicht, da bei ihnen das Metall nicht die Währung zählte. Die Römer aber handelten gegen Währung und nicht das Metall. Sprich: Ein römischer Händler konnte ein Produkt für einen Sesterzen in Rom kaufen und da war es egal, ob es ein alter silberner Sesterz war oder ein neuer, bronzener. Er kaufte nach Nennwert. In Germanien aber konnte er denselben Handel nicht machen, weil für den Germanen die Unze Silber eben mehr Wert ausmachten, als die Unze versilberter Bronze.

Dein Link nennt ja auch Kleinmünzen:
Sowohl die Fibeln als auch einige römische Münzen, ein Denar der Römischen Republik, ein Silberquinar (noch nicht eindeutig bestimmt) und ein Kupfer-As deuten daraufhin, dass hier mit einem Gräberfeld bzw. einer germanischen Siedlung zu rechnen ist.
In deinem Link wird also gerade das Ggt. davon behauptet, dass die Germanien sich nicht für Kleingeld interessiert hätten, dieses nur im militärischen Kontext zu finden sei.
 
Eine Nachfrage:
Was verstehst Du hier unter "Zusammenhang"?

Können halbierte Asse entlang der Handelsstraßen auch als bloßer wirtschaftlicher "Kontakt" auch zu räumlich entferntem Militär angesehen werden?

Ist belegt, wie weit sich diese verteilten und welche Zirkulation angenommen werden kann?

Nein. Für die Germanen waren die halbierten Asse wertlos. Bisher tauchen 1/2 Asse in der Germania Magna nur im militärischen Kontexten auf. Zivile Siedlungen mit Halbierungen wurden bisher nur auf der linken Rheinseite entdeckt. Ausnahme bildet allein Waldgirmes mit 3 abgegriffenen republikanischen Assen (D. Wigg-Wolf 2009).

Zitat: "Unter den römischen Münzen von Schwabhausen kann ein halber Nemausus-As mit dem Militär des Drusus nach 16 v. Chr. in Verbindung gebracht werden." (T. Grasselt 2009)

Auch im germanischen Siedlungsumfeld von Hedemünden, wo man bekanntlich halbierte Asse im Lager fand, gibt es keinen einzigen Fund.

Grüße
 
Hallo El Quijote,

es sind einige Funde von Münzwaagen aus der Germania Magna bekannt. Diese waren in erster Linie zur Kontrolle des Nominalgewichtes. Noch heute glaubt man in gewissen Kreisen, dass die Germanen primitiv waren - Pech für die Kuh Elsa. Sorry musste mal gesagt werden.

Tacitus Germania 1-5 (Auszug): "Silber und Gold haben ihnen die Götter versagt, - ob aus Gnade oder Zorn, ist mir zweifelhaft. Doch möchte ich nicht mit Bestimmtheit behaupten, dass in Germanien keine Ader Silber oder Gold hervorbringt; denn wer hätte dem nachgespürt? Auf seinen Besitz und Gebrauch legen sie keinen besonderen Wert. Man kann bei ihnen silberne Gefäße sehen, die ihre Gesandten und Fürsten zum Geschenk bekommen haben und nicht höher geachtet werden als die irdenen."

Gerade die Archäologen vom LDA Halle haben Tacitus eindrucksvoll widerlegt, wie das Fürstinnengrab von Profen aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr. zeigt. Ihre zerkleinerten Knochen waren liebevoll fein säuberlich in einer Bronzesitula mit ihrem Goldschmuck (435 gr.) beigesetzt worden. Gold war der Elite vorbehalten. Das zeigt auch das Grab aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr. von der Dame aus Haldensleben. Auch diese hatte Goldschmuck mit in die Erde bekommen, jedoch wurde diese in einer Tonurne begraben.

Aber vielleicht haben wir Tacitus auch nicht richtig verstanden bzw. dieser falsche Schlüsse aus den Kulturgepflogenheiten der Germanen geschlossen.
 
Noch heute glaubt man in gewissen Kreisen, dass die Germanen primitiv waren - Pech für die Kuh Elsa. Sorry musste mal gesagt werden.

Aber warum sagst du das mir?

Tacitus Germania 1-5 (Auszug): "Silber und Gold haben ihnen die Götter versagt, - ob aus Gnade oder Zorn, ist mir zweifelhaft. Doch möchte ich nicht mit Bestimmtheit behaupten, dass in Germanien keine Ader Silber oder Gold hervorbringt; denn wer hätte dem nachgespürt? Auf seinen Besitz und Gebrauch legen sie keinen besonderen Wert. Man kann bei ihnen silberne Gefäße sehen, die ihre Gesandten und Fürsten zum Geschenk bekommen haben und nicht höher geachtet werden als die irdenen."
Und zwei Sätze später widerspricht Tacitus sich selbst. Erst sagt er, sie hätten kein Interesse an Silber, dann sagt er, sie würden Silbermünzen bevorzugen.

Gerade die Archäologen vom LDA Halle haben Tacitus eindrucksvoll widerlegt, wie das Fürstinnengrab von Profen aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr. zeigt. Ihre zerkleinerten Knochen waren liebevoll fein säuberlich in einer Bronzesitula mit ihrem Goldschmuck (435 gr.) beigesetzt worden.
Ich will ganz bestimmt nicht behaupten, dass Tacitus die absolute Wahrheit geschrieben hätte, von einer Widerlegung Tacitus' kann man an dieser Stelle allerdings nicht sprechen, da Tacitus nur von Bevorzugung des Silbers vor Goldes spricht und das wirtschaftlich begründet (Gold im Handel zu unpraktisch). Er spricht nicht von Ablehnung. Und wie gesagt, Tacitus steht zu sich selbst im Widerspruch:
Possessione et usu haud perinde adficiuntur. Est videre apud illos argentea vasa, legatis et principibus eorum muneri data, non in alia vilitate quam quae humo finguntur...
Der Besitz und der Gebrauch ist ebenso kaum interessiert sie nicht. Es ist sind bei ihnen silberne Vasen zu sehen, die ihren Feldherren und Fürsten gegeben wurden, sie werde nicht höher eingeschätzt als Keramik...
Dagegen, nur ein Satz dazwischen:
Pecuniam probant veterem et diu notam, serratos bigatosque. Argentum quoque magis quam aurum sequuntur, nulla adfectione animi, sed quia numerus argenteorum facilior usui est promiscua ac vilia mercantibus.

Vom Geld schätzen sie das alte und lange bekannte, die Angesägten und die Zweispänner.
Silber begehren (wörtl. folgen) sie mehr als Gold. Nicht aus einem Charakterzug heraus, sondern weil die Menge an Silber leichter zu gebrauchen ist Gemischtwaren und Ramsch zu kaufen.
Also: Tacitus spricht von einer Bevorzugung von weniger wertvollen Münzen für den Handel, nicht von einer Verschmähung von Gold und auch nicht von einer Verschmähung kleinerer Münzeinheiten.
 
Hallo El Quijote,

der erste Satz war nicht auf dich gemünzt. Warum du ihn zitierst, weißt nur du allein.

Du schreibst: "In deinem Link wird also gerade das Ggt. davon behauptet, dass die Germanien sich nicht für Kleingeld interessiert hätten, dieses nur im militärischen Kontext zu finden sei."

Ausgangspunkt waren halbierte Asse, nicht komplette Münzen.

Das Gräberfeld von Profen ist mir bestens bekannt. Mit Robert Ganslmeier hatte ich auch schon das Vergnügen (telefonisch) wegen des Serratus. Er hat auch den Artikel verfasst. Du darfst jedoch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Die Situation in Germanien zur Zeitenwende und im 2./3. Jh. n. Chr. bezüglich der Münzfunde sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Von der Zeitenwende bis ins 2. Jh. n. Chr. gibt es in Mitteldeutschland nur Einzel - und Siedlungsfunde - jedoch keine Grabfunde. Diese treten erst mit den Antoninen der hohen Kaiserzeit ein.

Zitat: "In älterkaiserzeitlichen Gräbern jedoch fehlen Münzen. Das gilt besonders für den gesamten Lübsow-Horizont (zuletzt M. Gebühr, 1974, 82 ff.). Die Ursachen hierfür lagen nicht allein im schwächeren binnenländischen Münzvolumen, sondern vor allem in der jeweils wechselnden kultisch traditionellen Beigabenauswahl begründet. Offenbar entsprach die Mitgabe römischen Geldes nicht dem herrschenden Grabbrauch."

R. Laser, S. 26; 1980

Diese Sitte Münzen mit in die Urne zu geben brachte die Wilbark-Kultur nach Mitteldeutschland.

PS: die aufgefundene Bronzemünze von Profen ist ein Sesterz des Antoninus Pius
 
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