Untergang des Römischen Reiches - Sklavenmangel?

romanus00I

Aktives Mitglied
Ich habe mich einmal wieder ein wenig mit Römischer Geschichte auseinander gesetzt, und man gelangt eben schnell zum Untergang. Ich weiß dass nicht nur hier im Forum schon oft drüber diskuttiert wurde – zum Beispiel in diesem langen Thread:
http://www.geschichtsforum.de/f28/untergang-des-r-mischen-reiches-1069/
oder aber bei diesen eher zusammengewürfelten Gründen:
ttp://www.geschichtsforum.de/f28/200-gr-nde-f-r-den-untergang-roms-41426/

Auch weiß ich, dass die Geschichtswissenschaft selbst sich seit 1500 Jahren über die Gründe streitet oder eher immer neue Theorien und Gründe produziert. Als Hauptgründe finden sich auf Wikipedia: Druck von außen und Instabilität im inneren Reich. Auch das wurde hier bereits besprochen.

Ich habe mich nun aber auch mit einer marxistischen Positionen auseinandergesetzt. Marx vermutete soweit ich weiß dass Rom aufgrund des Sklavenmangels unterging. Dieselbe These findet sich auch im Buch des britischen Archäologen Neil Faulkner „A Marxist History of the World“. Er führt dort lang und breit aus, dass das Römische Reich untergangen sei nachdem es die Grenzen der eisenzeitlicher Kultur erreicht habe und jenseits von Rhein, Donau und Hadrianswall keinen Nachschub an Gold und Sklaven mehr gefunden hätte. In seinem Buch „Rome: Empire of the Eagles, 753 BC-AD 476“ behauptet Faulkner gar, die Römische Zivilisation sei nur auf Raub und Plünderung gegründet worden.

Aber in der heutigen Forschung wird gerne hin- und herrelativiert. So wichtig sei die Sklaverei für die angebliche „Sklavenhaltergesellschaft“, das Kolonat sei in der Spätantike gar nicht so weit verbreitet und so groß der Sklavenschwund nicht gewesen; man hätte sich weiterhin aus barbarischen (und auch römischen) Kriegsgefangenen bedienen können. Dies alles erscheint mir plausibel, aber auch nicht viel plausibler als die oben genannten Thesen.

Ich wäre sehr dankbar für Literaturtipps oder Beiträge aus dem Forum, in denen diese Frage schon besprochen wurde. Aber eure eigene Meinung zu diesem Thema würde ich auch gerne haben, denn ich sitze hier auf dem Trockenen und bin relativ ratlos.

Danke im Voraus für eure Antworten:winke:
 
... das Kolonat sei in der Spätantike gar nicht so weit verbreitet und so groß der Sklavenschwund nicht gewesen; ...

Behaupten kann man viel. Aber ohne es beweisen zu können bricht die marxistische Theorie zusammen wie ein Kartenhaus. Gängige Meinung ist immer noch, daß die Sklaverei sukzessive vom Kolonat abgelöst wurde und daher irgendein Sklavenmangel unbedeutend war.
 
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Ich halte von dieser Theorie nichts. Überfluss an neuen Sklaven gab es vor allem während der Zeit der großen Expansionen in der späten Republik (2./1. Jhdt. v. Chr.). Nach Augustus aber expandierte das Reich kaum noch. Danach gab es nur noch sporadisch größeren Nachschub, z. B. nach Stilichos Sieg über Radagais. Somit hätte das Reich bereits im 1. oder 2. Jhdt. n. Chr. untergehen müssen.

Ganz generell denke ich ohnehin, dass die Bedeutung der Sklaverei für die antike römische Wirtschaft überschätzt wird. Die großen Landgüter wurden nicht nur von Sklaven bewirtschaftet, sondern auch von Pächtern, woraus dann das Kolonat entstand. In den Städten spielten als Arbeiter auch freie Tagelöhner eine Rolle.

Dass "die Römische Zivilisation nur auf Raub und Plünderung gegründet worden" sei, sehe ich auch nicht so. Das trifft allenfalls auf das 2. und 1. Jhdt. v. Chr. zu. In den ersten Jahrhunderten seines Bestehens raubte und plünderte Rom eher selten im großen Stil (Ausnahmen wären u. a. die Zerstörung von Alba und Veii), sondern schloss mit besiegten Gegnern normalerweise Vergleichsfrieden und machte sie zu Bundesgenossen. Natürlich kam es im Zuge der Kampfhandlungen auch zu Plünderungen im Feindesland, und viele der frühen Kriege dürften überhaupt primär in räuberischen Grenzverletzungen bestanden bzw. ihren Grund gehabt haben, aber sie waren wohl kaum systemerhaltend. In der Kaiserzeit gab es dann kaum noch Gelegenheit zum Rauben und Plündern. Wie und wo auch? Das Reich konzentrierte sich großteils auf die Sicherung des Erreichten. In Germanien und Kaledonien gab es ohnehin keine großen Reichtümer zu holen, nur im Orient. Mit den Parthern und Persern aber herrschte oft Friede, und in den Kriegen wurden zwar dann und wann einzelne Städte und sogar Ktesiphon genommen, aber nicht groß expandiert.
 
Gut, danke. Es schien mir sowieso alles ein wenig konstruiert. Man beobachtet leider bei marxistischen Historikern oft, dass sie versuchen die Geschichte ihren Vorstellungen des historischen Materialismus anzupassen, und nicht andersherum.
 
Geschichte der Spätantike: das Römische Reich von Diocletian bis Justinian ... - Alexander Demandt - Google Books
in diesem sowie im darauf folgenden Kapitel von Demandts Standardwerk werden die verschiedenen Deutungsversuche zum Untergand des (west)römischen Reichs übersichtlich zusammengefasst. (und dabei wird auch die Geschichte der marxistischen Perspektive dargestellt)

Vielen dank. Ich werde das Buch jetzt wahrscheinlich auch kaufen.
 
Vielen dank. Ich werde das Buch jetzt wahrscheinlich auch kaufen.

In jeder guten Stadt-Bibliothek bekommst das Buch per Fernleihe für wenige Euro von der nächsten Uni-Bibliothek zugeschickt.

Das Thema Pachtbauer versus Sklaverei ist aber weniger ein Thema der Spätantike. Wie Ravenik schon ausführte, fand dieser Übergang schon beginnend im 1ten Jhdt. AD statt. Selbst in der Blütezeit der Sklaverei in den ersten beiden vorchristlichen Jahrhunderten ist diese Produktionsform eher in Italien und vielleicht noch in der Provinz Africa verbreitet. Und auch in Africa sind es bereits im dritten Jahrhundert die Pachtbauern, die Probleme bereiten. Von Sklaven ist keine Rede mehr. Auch Plinius oder die großen Juristen des 2ten Jhdt. thematisieren bereits die die Vertragsgestaltung mit Pachtbauern. Im Osten und gerade in der Kornkammer Ägypten spielte die Sklaverei wohl nie eine entscheidende Rolle in der Landwirtschaft. Und Landwirtschaft ist der dominante Sektor der römischen Wirtschaft.

Extensive Sklaverei mag durch die großen sozialen Verwerfungen, die sie verursachte, eine Rolle beim Untergang der Republik gespielt haben, aber nicht 400 Jahre später beim Untergang des Reiches.
 
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