Vergleich von römischer und griechischer Rhetorik

Grundsätzliche Fragen zur antiken Rhetorik:

Ich nehme an, dass die Römer die Prinzipien der Rhetorik aus Griechenland kannten und weiterentwickelten.

Was sind die wesentlichen Unterschiede?

Welche Quellen sind wichtig neben Cicero und Demosthenes?

Gibt es ev. eine Abhandlung zu diesem Thema?

Eine etwas spezifischere Frage:

Ich muss nächstens eine Laudatio halten und habe mir zur Vorbereitung Ciceros Rede für Licinius Archias besorgt. Die Lektüre war hilfreich, abers es handelt sich allerdings dabei nicht direkt um eine Laudatio. Die Rede für Marcellus kenne ich. Habt ihr noch einen Tip? Vielleicht auch aus dem griechischen Raum?
 
In der zweisprachigen Reclam-Ausgabe von Ciceros Dialog de oratore findet sich eine Einführung mit einer Zusammenfassung der Entwicklung der antiken Redekunst.
 
Ich muss nächstens eine Laudatio halten und habe mir zur Vorbereitung Ciceros Rede für Licinius Archias besorgt. Die Lektüre war hilfreich, abers es handelt sich allerdings dabei nicht direkt um eine Laudatio. Die Rede für Marcellus kenne ich. Habt ihr noch einen Tip? Vielleicht auch aus dem griechischen Raum?
Mein Tipp für Dich ist: Orientiere Dich nicht an einer antiken Rede.

Erstens: Es sind schon ein paar antike Lobreden erhalten, z. B. Plinius' Panegyricus auf Kaiser Traian. Auch einige Gedichte des spätantiken Dichters Claudian kann man, wenngleich sie in Versen gehalten sind, durchaus als Panegyrici betrachten. Aber in diesen antiken Lobreden wurde schon recht dick aufgetragen. Nach heutigen Maßstäben wirkt das eher peinlich.
(Ich war einmal auf einer Hochzeit, in der eine Lobrede auf die Braut gehalten wurde, in der ihre Schönheit, Tugend und Frömmigkeit gepriesen wurden. Ich fühlte mich permanent an Leute wie Claudian erinnert. Mein Fall war das nicht.)

Zweitens: Was wir heute in Schriftform an antiken Reden haben, vermittelt nur einen unvollständigen Eindruck davon, wie Reden tatsächlich gehalten wurden. Eine antike Rede war ein "Gesamtkunstwerk", bei dem der Text nur ein Aspekt war. Es kam auch sehr viel auf die Art des Vortrages an. In der Praxis spielten auch die Aussprache und Betonung, der Sprachfluss und die Sprachmelodie sowie die Gestik eine wichtige Rolle. Die schönsten Formulierungen und überzeugendsten Argumente nutzten nicht viel, wenn nach Meinung des Publikums der Redner an den falschen Stellen Zäsuren im Sprachfluss setzte. Bei der antiken Redeausbildung wurde daher auch viel Wert auf Atemübungen und dergleichen gelegt. Heutzutage würde ein antiker Redner wohl recht seltsam wirken. Falls Du die Serie "Rom" gesehen hast: Ein bisschen einen Eindruck vermittelt der Typ, der immer wieder auf dem Forum Neuigkeiten verkündet.
 
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Mein Tipp für Dich ist: Orientiere Dich nicht an einer antiken Rede.

Erstens: Es sind schon ein paar antike Lobreden erhalten, z. B. Plinius' Panegyricus auf Kaiser Traian. Auch einige Gedichte des spätantiken Dichters Claudian kann man, wenngleich sie in Versen gehalten sind, durchaus als Panegyrici betrachten. Aber in diesen antiken Lobreden wurde schon recht dick aufgetragen. Nach heutigen Maßstäben wirkt das eher peinlich.
(Ich war einmal auf einer Hochzeit, in der eine Lobrede auf die Braut gehalten wurde, in der ihre Schönheit, Tugend und Frömmigkeit gepriesen wurden. Ich fühlte mich permanent an Leute wie Claudian erinnert. Mein Fall war das nicht.)

Ich verstehe sehr gut, was du meinst. Als Organist war ich schon an zu vielen Hochzeiten. Es gibt nichts peinlicheres, als wenn Leute, die es nicht können, Gedichte basteln. Sowas sollte strafbar sein.


Mir geht esmehr um formale Aspekte und Inspiration. Was mich selbst bei guten Redern stört ist das, was bei Cicero in der Gerichtsrede mit Partitio betitelt ist.

Muss man wirklich den Zuhörern sagen, wieso man so und nicht anders redet?
 
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Mir geht esmehr um formale Aspekte und Inspiration. Was mich selbst bei guten Redern stört ist das, was bei Cicero in der Gerichtsrede mit Partitio betitelt ist.
Muss man wirklich den Zuhörern sagen, wieso man so und nicht anders redet?

Das kommt ganz auf das Ziel Deiner Rede an. Im Grunde will man ja überzeugen oder zumindest Zustimmung erlangen. Dazu ist es wichtig, daß Deine Zuhörer Deine Gedankengänge nachvollziehen können, und dazu kann es hilfreich, wenn Du bestimmte Türen in deine Rede einbaust, durch die Deine Zuhörer leichter zu Deinen Inhalten gelangen können.

Das läßt sich zum Teil auch physiologisch erklären. Das Hirn neigt dazu, Dingen zuzustimmen, die es schon kennt. Wenn Du vorher erklärst, wie und warum Du etwas sagst, wird der Zuhörer dann, wenn es soweit ist, auf ein bestelltes Feld stoßen, was ihm erste vetraute Anhaltspunkte bietet. Damit hast Du ihn eher auf Deiner Seite.
 
Zweitens: Was wir heute in Schriftform an antiken Reden haben, vermittelt nur einen unvollständigen Eindruck davon, wie Reden tatsächlich gehalten wurden. Eine antike Rede war ein "Gesamtkunstwerk", bei dem der Text nur ein Aspekt war. Es kam auch sehr viel auf die Art des Vortrages an. In der Praxis spielten auch die Aussprache und Betonung, der Sprachfluss und die Sprachmelodie sowie die Gestik eine wichtige Rolle. Die schönsten Formulierungen und überzeugendsten Argumente nutzten nicht viel, wenn nach Meinung des Publikums der Redner an den falschen Stellen Zäsuren im Sprachfluss setzte. .

Auf diesen Punkt hast du schon in vielen Deiner Posts hingewiesen und es gibt auch absolut keine vernünftigen Gegenargumente. Der Begriff "Gesammtkunstwerk", obwohl aus der Moderne stammend, trifft es meiner Meinung nach sehr gut.

Eine gehaltene Rede ist halt einfach etwas völlig anderes als ihre schriftliche Form.

Das Papier ist ignorat gegenüber der Gestik dem Ausdruck und der allgemeinen Stimmung. Dafür verlangt es eine saubere Sprache, Stilsicherheit und Substanz.

Diesen Unterschied kannte die Antike. Heute glaubt man die Wahrheit liege im Buchstaben.
 
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Das kommt ganz auf das Ziel Deiner Rede an. Im Grunde will man ja überzeugen oder zumindest Zustimmung erlangen. Dazu ist es wichtig, daß Deine Zuhörer Deine Gedankengänge nachvollziehen können, und dazu kann es hilfreich, wenn Du bestimmte Türen in deine Rede einbaust, durch die Deine Zuhörer leichter zu Deinen Inhalten gelangen können.

Das läßt sich zum Teil auch physiologisch erklären. Das Hirn neigt dazu, Dingen zuzustimmen, die es schon kennt. Wenn Du vorher erklärst, wie und warum Du etwas sagst, wird der Zuhörer dann, wenn es soweit ist, auf ein bestelltes Feld stoßen, was ihm erste vetraute Anhaltspunkte bietet. Damit hast Du ihn eher auf Deiner Seite.


Ein sehr interesssnter Aspekt. Ich zitiere dazu Caesar: "Homines libenter credunt quod volunt."

Ich habe eibfach das Gefühl, dass man heute ganz allgemein nicht gerne lange zuhört. Solche Umwege über die Form verzögern doch eigentlich nur den Fortgang der Party.
 
Ich habe eibfach das Gefühl, dass man heute ganz allgemein nicht gerne lange zuhört. Solche Umwege über die Form verzögern doch eigentlich nur den Fortgang der Party.

Das Gefühl kenne ich. Viele Gespräche im Alltag bevorzugen Wortgruppen statt ganzer Sätze. Im Allgemeinen ist das auch okay, denn Kommunikation dient in erster Linie dem Austausch von Informationen, wenn das Wesentliche also kurz mitgeteilt werden kann, warum nicht. Auf der anderen Seite ist es bedauerlich, wenn man sich nicht mehr umfassend und/oder tiefgründig mit einem Thema befassen kann oder wenn ein Gespräch nur 2 Minuten dauern darf.

Wir wissen aber alle, daß der Satz "Früher war alles besser" Humbug ist, nicht einmal der Satz "Früher war alles anders" würde einer genaueren Prüfung standhalten. Große redner waren auch in der Antike nur seltene Erscheinungen, die Mehrzahl der Senatsreden wird weit unter dem Durchschnitt gewesen sein, und ob alle Athener begeistert der Leichenrede des Perikles gelauscht haben und feinsinnig alle rethorischen Kunstgriffe erkannt haben, ist auch mehr als fraglich.

Um auf die Eingangsfrage einzugehen, ich denke schon, daß man sich von der antiken Rhetorik einiges abgucken kann. Man kann es vielleicht besser formulieren: In der antiken Rhetorik gibt es Methoden, Tricks und Verfahrensweisen, die auch heute noch anwendbar sind, ohne daß man deswegen eine "antike Rede" halten muß, zu deren Unwägbarkeiten Ravenik alles Richtige gesagt hat. Wenn ich mir den Tip erlauben darf: Wilfired Stroh, Die Macht der Rede (2009), ein kompetenter Einstieg in das Thema.
 
des weiteren lesenswert:
Gert Ueding (Hrsg) Historisches Wörterbuch der Rhetorik
Gert Ueding, Bernd Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Geschichte – Technik – Methode

Die gegensätzlichen Positionen des Attizismus und Asianismus betreffen teilweise die Differenzen zw. griech.-hell. und röm. Rhetorik.

Bzgl. Originaltexten ist neben Cicero das Standardwerk der röm. Rhetorik von Quintilian lesenswert (institutio oratoria)
 
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