Volkszählung bei den Römern?

Nergal

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Gestern habe ich bei Veoh eine Dokumentation über Jesus von Nazareth gesehen, dabei ging es auch um die kaiserlich angeordnete Volkszählung, und das diese niemals so abgelaufen sein kann.

Was mich nun interessiert: Wie genau lief nun eine Volkszählung bei in von den Römern eroberten Gebieten genau ab?

Wie die Römer das machten, weiß ich in etwa, da mußte der Pater Familiaris vor den Zensor tretten und die Angaben zum Haushalt machen.

Lief das in etwa so im Rest des Imperiums?
 
Darüber ist relativ wenig bekannt, am meisten noch aus Ägypten. In Ägypten wurde der Zensus alle 14 Jahre durchgeführt, in den anderen Provinzen ist unbekannt, ob er regelmäßig wiederholt wurde. Die Art der Durchführung scheint sich auch geändert zu haben. Ursprünglich waren anscheinend Beamte aus dem Ritterstand und kaiserliche Freigelassene für den Zensus in den Provinzen zuständig, später die Magistrate der Provinzstädte. (Die Dörfer waren jeweils einer Provinzstadt unterstellt.) Diese Magistrate leiteten ihre Listen dann an die kaiserlichen Beamten weiter. Wenn eine Stadt den Zensus erheben musste, erließ sie ein Edikt an alle Bewohner ihres Gebietes, sich zu melden. Vom Zensus erfasst wurden auch der Grundbesitz, Häuser, der Viehbestand und Sklaven.
 
Der bibelkritische Punkt ist allerdings, dass ein Provinzialzensus erst unter Publius Sulpicius Quirinius durchgeführt wurde, sowohl Lukas als auch Matthäus berichten aber, Jesus wäre während der Herrschaft Herodes des Großen geboren worden. Nachdem Herodes 4 v. Chr. starb, der Provinzialzensus aber erst 7 n. Chr. durchgeführt wurde, passt das eben nicht ganz zusammen.
 
Der bibelkritische Punkt ist allerdings, dass ein Provinzialzensus erst unter Publius Sulpicius Quirinius durchgeführt wurde, sowohl Lukas als auch Matthäus berichten aber, Jesus wäre während der Herrschaft Herodes des Großen geboren worden. Nachdem Herodes 4 v. Chr. starb, der Provinzialzensus aber erst 7 n. Chr. durchgeführt wurde, passt das eben nicht ganz zusammen.

Sicher, dass Herodes der Große bei Lukas vorkommt? Eigentlich wird bei Lukas doch Quirinius erwähnt (Lk 2, 2). Außerdem soll Johannes um 29 n. Chr. (LK 3,1 "im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius") erstmals aufgetreten sein; Jesus soll laut Lukas "etwa dreißig Jahre alt" gewesen sein, als er erstmals öffentlich auftrat, definitiv aber nach dem Fixpunkt 29 n. Chr. (Lk 3, 23), da sein erstes Auftreten ja wiederum bei bzw. nach seiner Taufe durch Johannes stattfindet. Nach lukanischer Auskunft müssten die beiden Cousins Johannes und Jesus nur wenige Monate auseinander geboren worden sein. Mariä Verkündigung (was die Kirchen am 25. März feiern) müsste, den römischen Kalender vorausgesetzt, durch Lukas im August terminiert worden sein ("im sechsten Monat", Lk 1, 21).

Es ist natürlich fraglich, ob zwischen dem historischen Johannes und dem historischen Jesus tatsächlich eine Verwandtschaft bestanden hat, wie Lukas uns das weismacht. Nähme man an, dass Johannes seit 29 am Jordan taufte und um 7 n. Chr. geboren worden wäre, hätte er schon etwa 8 Jahre aktiv sein müssen, bevor Jesus - nur nach lukanischer Information betrachtet - auftrat.
 
Sicher, dass Herodes der Große bei Lukas vorkommt?
Ja, Lk 1,5:
Zur Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester namens Zacharias, der zur Priesterklasse Abija gehörte. Seine Frau stammte aus dem Geschlecht Aarons; sie hieß Elisabet.
Den Rest nennst du selbst:
Nach lukanischer Auskunft müssten die beiden Cousins Johannes und Jesus nur wenige Monate auseinander geboren worden sein. Mariä Verkündigung (was die Kirchen am 25. März feiern) müsste, den römischen Kalender vorausgesetzt, durch Lukas im August terminiert worden sein ("im sechsten Monat", Lk 1, 21).
 
Lukas erwähnt Herodes gleich im ersten Kapitel: Lukas 1,5: "Zur Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester namens Zacharias, der zur Priesterklasse Abija gehörte." Es kann nur Herodes der Große gemeint sein, da Herodes Antipas nur Tetrarch von Galiläa und Peräa war. Der nächste König Herodes war erst wieder Herodes Agrippa ab 37 n. Chr.
Es wird aber nicht ausdrücklich gesagt, dass Jesu öffentliches Wirken bald nach seiner Taufe begann.
Der Termin von "Mariä Verkündigung" gibt nichts her: Er wurde einfach auf neun Monate vor dem Weihnachtsfest festgelegt, das man wiederum willkürlich festgelegt hat, da Jesu Geburtstag unbekannt war.
 
Lukas erwähnt Herodes gleich im ersten Kapitel: Lukas 1,5: "Zur Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester namens Zacharias, der zur Priesterklasse Abija gehörte." Es kann nur Herodes der Große gemeint sein, da Herodes Antipas nur Tetrarch von Galiläa und Peräa war. Der nächste König Herodes war erst wieder Herodes Agrippa ab 37 n. Chr.

Das ist alles klar. Ich hatte nur Lk 1, 5, den Lili und du liebenswürdigerweise zitiert haben, übersehen. Dementsprechend ist also bei Lukas ein Irrtum von elf Jahren zu finden.

Es wird aber nicht ausdrücklich gesagt, dass Jesu öffentliches Wirken bald nach seiner Taufe begann.

Ausdrücklich nicht, es ist dennoch anzunehmen: Nicht nur, das von Jesu öffentlichem Auftreten direkt im Abschnitt nach der Taufe berichtet wird, die Taufe selbst wird als öffentlicher Akt dargestellt. Die Frage ist natürlich, wie ernst wir die ganze Sache historisch nehmen dürfen, ob hier nicht die Evangelisten (nicht nur Lukas) viel eher die Anhänger des Täufers, der ja scheinbar immer noch Jahrzehnte nach seiner Hinrichtung im Bewusstsein des Volkes eine Rolle spielte (siehe auch Josephus Flavius, der uns nichtbiblische Informationen über Johannes mitteilt) motivieren wollten, sich den Christen anzuschließen, indem sie Johannes zum Cousin und Königsmacher Jesu stilisierten.


Der Termin von "Mariä Verkündigung" gibt nichts her: Er wurde einfach auf neun Monate vor dem Weihnachtsfest festgelegt, das man wiederum willkürlich festgelegt hat, da Jesu Geburtstag unbekannt war.

Das hast du mich falsch verstanden; mir ist gerade beim Lesen das unscheinbare Detail aufgefallen, dass Mariä Verkündigung laut Lukas im 6. Monat stattfand. Ich habe daraus - allerdings, wie ich nun feststelle, etwas voreilig - geschlossen, dass es sich um den Monat August (das römische Jahr begann im März) handeln müsse. Tatsächlich ist aber der 6. Monat von Elisabeths Schwangerschaft gemeint (Lk 1, 24 - 26: "Bald darauf empfing seine Frau einen Sohn und lebte fünf Monate lang zurückgezogen. [...] Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel..."). Dass der Geburtstag Jesu unbekannt und Weihnachten aufgrund Sol Invictus festgelegt und davon Mariä Verkündigung zurückgerechnet ist, darfst du als bekannt voraussetzen.
 
Das römische Jahr begann seit 153 v. Chr. mit dem Jänner. Im hellenistischen Osten wurden aber ohnehin andere Kalender verwendet. In der seleukidischen Zeitrechnung begann das Jahr sogar regional unterschiedlich. Ohne genauere Angabe sollte man bei Lukas wohl eher nicht davon ausgehen, dass er bei Zeitangaben den römischen Kalender verwendet hätte.
 
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Das römische Jahr begann seit 153 v. Chr. mit dem Jänner. Im hellenistischen Osten wurden aber ohnehin andere Kalender verwendet. In der seleukidischen Zeitrechnung begann das Jahr sogar regional unterschiedlich. Ohne genauere Angabe sollte man bei Lukas wohl eher nicht davon ausgehen, dass er bei Zeitangaben den römischen Kalender verwendet hätte.

Hast Du Quellenbelege dafür? Ich dachte bisher immer, dass der März der Jahresbeginn in Rom war.
 
Davor war es auch so. Aber 153 v. Chr. wurde der Amtsantritt der neuen Konsuln aus einem konkreten Anlass heraus vom 15.3. auf den 1.1. vorgezogen, und der Jahresbeginn gleich mit (Mommsen, 4. Buch, 1. Kapitel; Januar ? Wikipedia).
Nach einem Beleg in der antiken Literatur suche ich noch. Aber dass die Konsuln ihr Amt ab 153 am 1.1. antraten, steht in den Periochae zum (leider verlorenen) 47. Buch von Livius.
 
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Das hing mit der schwierigen Lage der Legionen in Spanien zusammen. Zu diesem Zeitpunkt hat das Römische Militär in Spanien einen sehr schweren Stand, mit mehreren schweren Niederlagen. Um Zeit zu gewinnen wurde der Jahreanfang vorverlegt. Wenn die neuen Legionen erst im März losmarschiert währen, währe die halbe Feldzugsaison vorüber gewesen, als die neuen Legionen eingetroffen währen. Darum wurde der Jahresbeginn auf den 1. Januar vorgezogen und damit auch der Amtsantritt der Konsule.

Apvar
 
Das hing mit der schwierigen Lage der Legionen in Spanien zusammen. Zu diesem Zeitpunkt hat das Römische Militär in Spanien einen sehr schweren Stand, mit mehreren schweren Niederlagen. Um Zeit zu gewinnen wurde der Jahreanfang vorverlegt. Wenn die neuen Legionen erst im März losmarschiert währen, währe die halbe Feldzugsaison vorüber gewesen, als die neuen Legionen eingetroffen währen. Darum wurde der Jahresbeginn auf den 1. Januar vorgezogen und damit auch der Amtsantritt der Konsule.

Apvar

Hm, das klingt merkwürdig, ist das so belegt? Der Jahresanfang hat ja auch eine religiöse Konnotation, und in Rom ist es sehr wichtig, an den kultischen Ritualen festzuhalten und sie nicht der jeweiligen Lage anzupassen. Sonst hätte man ja immer, wenn es Probleme gab, den Jahresanfang hin- und herschieben können?
 
Das hing mit der schwierigen Lage der Legionen in Spanien zusammen. Zu diesem Zeitpunkt hat das Römische Militär in Spanien einen sehr schweren Stand, mit mehreren schweren Niederlagen. Um Zeit zu gewinnen wurde der Jahreanfang vorverlegt. Wenn die neuen Legionen erst im März losmarschiert währen, währe die halbe Feldzugsaison vorüber gewesen, als die neuen Legionen eingetroffen währen. Darum wurde der Jahresbeginn auf den 1. Januar vorgezogen und damit auch der Amtsantritt der Konsule.

Apvar

Das klingt gar nicht so abwegig, wenn man bedenkt, dass ja bei großen Feldzügen oft ein Konsul kommandierte. Ich habe aber auch gelesen, dass die Amtseinführung auch erst 153 v.Chr. auf den 1.1. gelegt wurde.
 
Hm, das klingt merkwürdig, ist das so belegt?
Das, was Apvar erzählt hat, steht so bei Mommsen. Nach der antiken Quelle suche ich noch. In den Periochae zu Livius wird leider nur die Vorverlegung des Amtsantritts erwähnt, nicht aber der Grund. Cassius Dio berichtet überhaupt nichts darüber (wobei über die betreffende Zeit allerdings nur Fragmente und Exzerpte erhalten sind), Appian anscheinend auch nicht.
 
Habe die Sache in "Der schwierige Weg zur Weltmacht" von Matrin Luik, Verlag Philipp von Zabern, auf Seite 51 gefunden.

Apvar
 
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Die RE ist nicht sehr hilfreich. Bengtson, Römische Geschichte I, Handbuch der Altertumswissenschaften III 5.1 (1967) S. 149 gibt den Wechsel des Jahresbeginnes 153 v. Chr. an und bezieht sich auf Livius, per. 47; Cassiodor chron.; Fasti Praenest., CIL I 2 p. 231.
Alan Samuel, Greek and Roman Chronology, Handbuch der Altertumswissenschaft I 7 (1972) S. 164-165, meint dagegen, das Jahr hätte immer im Januar angefangen.
 
Alan Samuel, Greek and Roman Chronology, Handbuch der Altertumswissenschaft I 7 (1972) S. 164-165, meint dagegen, das Jahr hätte immer im Januar angefangen.

Dagegen spricht die Benennung der Monate: September heißt siebenter Monat usw. Da kann man sich jetzt fragen, wo diese Zählung ihren Ursprung haben soll, wenn nicht von einem Jahresanfang im März.
 
Weiß eigentlich jemand, wie der Januar ursprünglich geheißen hat? Da in dem Wort das lateinische Wort für Eingang steckt, wird der Monat seinen Namen wohl erst erhalten haben, als das Jahr mit ihm begann.
 
@ Odysseus: Das spricht gar nicht dagegen. Es ist von einem ursprünglichen Zehn-Monats-Kalender auszugehen, und dann ist die Frage, ob das Jahr nach dem zehnten Monat endete. Ianuarius und Februarius sind später eingeschoben worden, um auf das Zwölf-Monats-System zu kommen.

@ Ravenik: Ich glaube, der Januarius hieß von Anfang an so. Bei einer Jahreseinteilung in zehn Abschnitten verschiebt sich das so, daß wir nicht von einem deckungsgleichen System ausgehen können, in dem der "ursprüngliche" Jahnuar dann einfach einen neuen Namen bekam.
 
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