Waren die Römer an der Oder?

Waren die Römer unter Tiberius an der Oder?

  • Pro --- Ja, die Römer waren an der Oder.

    Stimmen: 16 34,8%
  • Contra --- Nein, so weit waren sie nun doch nicht.

    Stimmen: 30 65,2%

  • Umfrageteilnehmer
    46
C

Cherusker

Gast
Das hört sich ziemlich eigenartig an, aber mittlerweile gibt es zu diesem Thema auch verschiedene Meinungen. :yes:
Grundlage für diese Frage ist der in Germanien dienende Legionär Velleius Paterculus mit seiner Römischen Geschichte II,106. Hier beschreibt er die Feldzüge des Tiberius in den Jahren 4 u. 5 n.Chr. in Germanien. Paterculus war Zeitzeuge der Unternehmungen und wird häufig zu Unrecht unterschätzt.
Jetzt zu den zwei verschiedenen Ansichten:
Pro: :motz:
Dr.-Ing. Leiermann; er stützt seine These u.a. auf folgende Aussagen:
Die Römer kannten die Elbe und sie wußten, daß Germanien dort nicht endet. Ahenobarbus und Drusus haben Expeditionen an die Elbe bzw. darüber hinaus geführt. Der Bericht beschreibt eine Sensation, die nicht auf das Erreichen der Elbe schließen läßt.
Es wird ein unbekanntes Meer beschrieben und ein(e) Kap/Bucht (lat. sinus) wurde umrundet. Da die Römer die Nordsee bereits kannten (Friesen, Britannien) soll es sich hier um die Ostsee gehandelt haben. Mit dem Kap ist Dänemark gemeint. Ferner geben die Römer eine Marschleistung von 400 römischen Meilen (600km) vom Rhein an. Somit wäre man schon über die Elbe hinaus und käme an die Oder. Die römische Flotte und die Legionen verabreden sich an einem bestimmten Treffpunkt (bei einer Küstenfahrt wären sie auf Sichtweite). Die Bezeichnung des Flusses (Elbe) kann auch ein Gattungsname sein. Wie im skandinavischen "älv"= großer Fluß, Strom. Es wird beschrieben, daß die "Elbe" hinter den Semnonen fließt. Da diese zwischen Elbe und Oder siedelten, kann es nur weiter östlich sein... die Oder (Beschreibung hier mit "fines" = Ende).

Contra: :motz:
Haase (Historiker und Altphilologe)
Die Römer (hier Paterculus) übertreiben in ihren Berichten ("ganz Germanien wurde durchzogen"). Die systematische Aufzählung der Stämme Chauken, Langobarden, Semnonen und Hermunduren läßt keinen klaren Einschnitt erkennen. Außerdem werden die Hermunduren nicht bis an die Oder gesiedelt haben.
Die 400 römischen Meilen geben nicht die Luftlinie an, sondern die zurückgelegte Strecke eines Legionärs. Und Neuland konnten sie auch noch an der Elbe entdecken. Die Elbe (lat.Albus) ist eindeutig erwähnt und in einem unbekannten Gebiet würde man einen neuen Fluß nicht mit einen bekannten Namen belegen. Das Wort "fines" (Pl.) bezeichnet eindeutig ein bestimmtes Gebiet und keine Grenze.
Auch deutet "sinus" hier auf eine Küstenlinie mit vielen Buchten hin. Das unbekannte Meer ist die Nordsee, obwohl die Römer sie schon befuhren.

Fazit: :autsch:
Dr.-Ing.Leiermann: 400römische Meilen ostwärts ist die Oder und Paterculus beschreibt es präzise.
Haase: aus den Berichten von Paterculus läßt sich nicht erkennen, daß Tiberius die Oder erreicht hat.

Und was meinen die Römer-Experten in diesem Forum? :confused: ;)
Ist der "zaghafte" Tiberius weiter gekommen als der Draufgänger Drusus? :p
 
Salve Cherusker,

da Du da eine sehr interessante Frage gestellt hast, habe ich doch gleich in dem Buch "Rom an der Niederelbe" (eine Publikation des Helms-Museums in Hamburg-Harburg) nachgeschaut :fs: und da steht nun mit Bezug auf den schon von Dir erwähnten Velleius Paterculus folgendes:

Im Jahre 5 n. Chr. fuhr eine römische Flotte von der Nordsee her in die Elbe, der ein Landheer entgegenzog. Sie können vermutlich bei Lauenburg zusammengetroffen sein. Dabei soll Tiberius auf Widerstand von Langobarden gestoßen sein, die links der Elbe siedelten, aber die Römer konnten sie besiegen. Die Semnonen, deren Siedlungsgebiet sich von rechts der Elbe bis zur Oder erstreckte, ersuchten um gute Beziehungen zu den Römern.

Pomponius Melas und Plinius d. Ä. berichten auch von einem Codanus sinus, womit die Ostsee gemeint ist, deren Existenz war den Römern also zumindest bekannt.

Ich schätze mal, daß die Römer es aber nicht weiter als bis an die Elbe geschafft haben. Bin gespannt, was die anderen meinen.
 
Das Wort "Expedition" mißfällt mir etwas, muß ich sagen. Die Vorstöße der Römer waren vordergründig keine Forschungsreisen, sondern schon richtige Feldzüge.

Mit kämpfen und so...


Zum Thema: Ich denke ebenfalls, dass die Elbe das maximale Vordringen des römischen Imperiums im germanischen Gebiet darstellt.

Denn Flüsse stellten in einem Gebiet, welches von Sümpfen und Urwäldern bedeckt war, neben den Gebirgszügen die markantesten geographischen Punkte dar. Damit boten sie die verläßlichsten Fixpunkte für die Ortsbestimmung.

Zudem gab es immer wieder ortskundige Germanen, welche von den Heerführern zu Rate gezogen wurden (für Varus war das verhängnisvoll). Die Römer werden also schon gewußt haben, mit welchem Fluß sie es zu tun hatten.

Und schließlich haben sich die lateinischen Bezeichnungen der Flußläufe in abgewandelter Form bis in die heutige Zeit erhalten.

Albis - Elbe
Rhenus - Rhein
Danuvius - Donau
Visurgis - Weser
Amisia - Ems
Mosa - Maas
Mosella - Mosel
Isara - Isar
etc.
 
Hier der Text des Velleius Paterculus:

Römische Geschichte II, 106 (Latein/dt.Übersetzung) :fs:

Pro dii boni, quanti voluminis opera insequenti aestate sub duce Tiberio Caesare gessimus!
Bei allen guten Göttern, was für große Taten haben wir im folgenden Sommer unter der Führung des Tiberius Caesar vollbracht!

Perlustrata armis tota Germania est,
Ganz Germanien wurde von unserer Armee durchquert,

victae gentes paene nominibus ignotae,
besiegt wurden Völker, die kaum den Namen nach bekannt waren,

receptae Chaucorum nationes; omnis eorum iuventus infinita numero immensa corporibus situ locorum tutissima traditis armis cum ducibus suis saepta fulgenti armamtoque militum nostrorum agmine ante imperatoris procubuit tribunal.
Die Unterwerfung der Stämme der Chauken wurde erneut entgegen genommen; ihre gesamte kampffähige Mannschaft, unermesslich an Zahl, von riesiger Statur, durch die Lage ihres Landes geschützt, legte ihre Waffen zusammen mit ihren Anführern nieder und beugte - flankiert von den strahlenden Waffen der Linie(n) unserer Soldaten - vor dem Tribunal unseres Feldherrn die Knie.

Fracti Langobardi, gens etiam Germana ferocitate ferocior;
Geschlagen wurden die Langobarden, ein selbst für Germanen sehr wilder Stamm;

quod numquam spe conceptum, nedum opere temptatum erat,
(geschah), was niemals erhofft, geschweige denn umzusetzen versucht worden war,

ad quadringentesimum miliarium a Rheno
400Meilen (600km) vom Rhein (aus gemessen) wörtlich: "bis zum 400.Meilenstein"

usque ad flumen Albim
bis zur Elbe/zu dem Fluß Elbe

qui Semnonen Hermundurorumque fines praeterfluit,
die an den Gebieten der Semnonen und Hermunduren vorbeifließt / der hinter dem Gebiet der Semnonen und Hermunduren vorbeifließt

Et eadem (eodem) mira felicitate et cura ducis, temporum quoque observantia, classis,
Und mit ebensolchem wunderbaren Glück und durch die Sorgfalt des Kommandanten, auch unter Beachtung der Jahreszeiten (unter Einhaltung des verabredeten Zeitplans; Dr.Leiermann) fuhr die Flotte (ebendorthin),

quae oceani circumnavigaverat sinus,
die der gewundenen Küstenlinie des Ozeans entlang gesegelt war; Haase
(die auf dem Meer dein Kap umrundet hatte; Dr.Leiermann)

ab inaudito atque incognito ante mari flumine Albi subvecta
von einem nie gehörten und vorher unbekannten Meer die Elbe flussaufwärts

cum plurimarum gentium victoria parta
und traf, nachdem sie sehr viele Stämme besiegt hatte

Das sind die Textstellen, die von Haase und Dr.Leiermann verschieden interpretiert werden. :S
 
Das ist ein dünnes Eis, auf dem wir uns hier bewegen.

In seiner Res gestae z.B. behauptet Octavian, er habe Britannien tributpflichtig gemacht, was heute allgemein als pure Propaganda gewertet wird.

Sie haben sich nun mal leidenschaftlich gern selbst beweihräuchert, die großen Herrscher längst vergangener Tage. Zur Ehrenrettung der Römer sei allerdings gesagt, das dies in anderen Kulturen ganz ähnlich war.

Ein schönes Beispiel für solch eitle Selbstdarstellerei sind die Tempelinschriften von Abu Simbel, in denen sich Ramses II als glorreicher Sieger über die Hethiter (Schlacht von Kadesch) feiern läßt.

Heute wissen wir aus den hethitischen Quellen, das Ramses II in Kadesch nur knapp einer Gefangennahme entging.

jaja... :rolleyes:
 
Die Römer waren auch sehr nah bis zu den Nilquellen vorgedrungen.
Dass das weitestes Vordringen in Afrika einzelner eine Auswirkung auf die historische Bedeutung der Römer in Zentralafrika gehabt haben soll, ist nirgends bekannt.
Somit können natürlich auch einzelne Römer die Oder kennengelernt haben. Wenn sie dann hoffentlich gewusst haben, wohin sie sich verirrt haben.

Ob diese Nachrichten geschichtlicher Bedeutung seine sollen, kann ich dann auch ausschliessen.


Was Propaganda betrifft, Pig Priest, kannst beide Quellen vergessen. Beide Seiten stellten diese Schlacht als siegreich hervor. Für die Nachwelt wird das dementsprechend ausgeschmückt.
Wer dann als Historiker hieran sich den Kopf zerbrechen will, wer denn nun die Wahrheit in Stein gemeisselt hat, begibt sich ins Bodenlose.
 
Hurvinek schrieb:
Was Propaganda betrifft, Pig Priest, kannst beide Quellen vergessen. Beide Seiten stellten diese Schlacht als siegreich hervor. Für die Nachwelt wird das dementsprechend ausgeschmückt.
Wer dann als Historiker hieran sich den Kopf zerbrechen will, wer denn nun die Wahrheit in Stein gemeisselt hat, begibt sich ins Bodenlose.

Bei aller gebotenen Skepsis: Übertriebener Pessimismus ("kannst beide Quellen vergessen") ist unangebracht. Wer um die Hintergründe weiß, begibt sich nämlich keineswegs ins Bodenlose.

Die hethitischen Inschriften haben einen ganz anderen religiösen Hintergrund als die ägyptischen. Die Hethiter faßten quasi Berichte an ihre Götter ab, und da mußten sie gut aufpassen, es mit dem Flunkern nicht gar zu sehr zu übertreiben, denn Götter lassen sich nicht gern hinters Licht führen.

Der Pharao hingegen feierte sich selber als Gott, und jede Schlacht war ein Beweis seiner persönlichen Genialität und Unbesiegbarkeit - auch dann, wenn sich das restliche Heer bis auf die Knochen blamierte.

Wenn man solche Dinge weiß, läßt sich sehr differenziert beurteilen, welche Passagen glaubhaft sind und welche nicht.

Darüber hinaus bieten die Folgeereignisse solides Material für die Beurteilung. Wenn z. B. nach einer Schlacht das Heer der einen Seite aus dem umstrittenen Gebiet abgezogen ist, während der König der anderen Seite aus dem umstrittenen Gebiet Tribute einkassierte, läßt das durchaus gültige Schlüsse auf den Ausgang dieser Schlacht zu.
 
hyokkose schrieb:
...
Die hethitischen Inschriften haben einen ganz anderen religiösen Hintergrund als die ägyptischen. Die Hethiter faßten quasi Berichte an ihre Götter ab, und da mußten sie gut aufpassen, es mit dem Flunkern nicht gar zu sehr zu übertreiben, denn Götter lassen sich nicht gern hinters Licht führen...

Sollte die hethitische Religion etwa die bisher immer gesuchte Religion sein, die nicht missbraucht wurde?
 
Römische Geschichte II, 106 (Latein/dt.Übersetzung) :fs:

Pro dii boni, quanti voluminis opera insequenti aestate sub duce Tiberio Caesare gessimus!
Bei allen guten Göttern, was für große Taten haben wir im folgenden Sommer unter der Führung des Tiberius Caesar vollbracht!

Perlustrata armis tota Germania est,
Ganz Germanien wurde von unserer Armee durchquert,

victae gentes paene nominibus ignotae,
besiegt wurden Völker, die kaum den Namen nach bekannt waren,

receptae Chaucorum nationes; omnis eorum iuventus infinita numero immensa corporibus situ locorum tutissima traditis armis cum ducibus suis saepta fulgenti armamtoque militum nostrorum agmine ante imperatoris procubuit tribunal.
Die Unterwerfung der Stämme der Chauken wurde erneut entgegen genommen; ihre gesamte kampffähige Mannschaft, unermesslich an Zahl, von riesiger Statur, durch die Lage ihres Landes geschützt, legte ihre Waffen zusammen mit ihren Anführern nieder und beugte - flankiert von den strahlenden Waffen der Linie(n) unserer Soldaten - vor dem Tribunal unseres Feldherrn die Knie.

Fracti Langobardi, gens etiam Germana ferocitate ferocior;
Geschlagen wurden die Langobarden, ein selbst für Germanen sehr wilder Stamm;

quod numquam spe conceptum, nedum opere temptatum erat,
(geschah), was niemals erhofft, geschweige denn umzusetzen versucht worden war,

ad quadringentesimum miliarium a Rheno
400Meilen (600km) vom Rhein (aus gemessen) wörtlich: "bis zum 400.Meilenstein"

usque ad flumen Albim
bis zur Elbe/zu dem Fluß Elbe

qui Semnonen Hermundurorumque fines praeterfluit,
die an den Gebieten der Semnonen und Hermunduren vorbeifließt / der hinter dem Gebiet der Semnonen und Hermunduren vorbeifließt

Et eadem (eodem) mira felicitate et cura ducis, temporum quoque observantia, classis,
Und mit ebensolchem wunderbaren Glück und durch die Sorgfalt des Kommandanten, auch unter Beachtung der Jahreszeiten (unter Einhaltung des verabredeten Zeitplans; Dr.Leiermann) fuhr die Flotte (ebendorthin),

quae oceani circumnavigaverat sinus,
die der gewundenen Küstenlinie des Ozeans entlang gesegelt war; Haase
(die auf dem Meer dein Kap umrundet hatte; Dr.Leiermann)


ab inaudito atque incognito ante mari flumine Albi subvecta
von einem nie gehörten und vorher unbekannten Meer die Elbe flussaufwärts


cum plurimarum gentium victoria parta
und traf, nachdem sie sehr viele Stämme besiegt hatte

Das sind die Textstellen, die von Haase und Dr.Leiermann verschieden interpretiert werden. :S

Ein uralter Thread, den ich hier wieder aufgreife, weil er imho eine falsche Übersetzung wiedergibt. Der sinus ist kein Kap (i.d.R. caput), sondern ein Golf. Etwa der Sinus Arabicus, das Rote Meer, oder der Sinus Gaditanus, der Golf von Cádiz. Mit Sinus dürfte daher schlicht die Deutsche Bucht gemeint sein, wovon auch die nachfolgend genannte Elbe Zeugnis ablegt.
Diese Übersetzung würde dann auch der schon anderweitig im Thread angesprochenen Res gestae divi Augusti entsprechenden Stelle entsprechen, in welcher Augustus behauptet, dass er von Cádiz bis zur Elbe die gesamte Atlantikküste unterworfen habe: [FONT=Arial,Helvetica,Geneva,Swiss,SunSans-Regular] "Omnium provinciarum populi Romani, quibus finitimae fuerunt gentes quae non parerent imperio nostro, fines auxi. Gallias et Hispanias provincias, item Germaniam qua includit Oceanus a Gadibus ad ostium Albis fluminis pacavi.[/FONT]"
 
Zuletzt bearbeitet:
Ohne konkretes Hintergundwissen habe ich aus dem Bauchgefühl für "nein" gestimmt, weil ich so eine These auch noch nie gehört habe. Da ich in der Nähe der Oder geboren bin, wünschte ich, es wäre anders. Ich käme so gerne aus einer ehemaligen Römersiedlung. :D
 
Ohne konkretes Hintergundwissen habe ich aus dem Bauchgefühl für "nein" gestimmt, weil ich so eine These auch noch nie gehört habe. Da ich in der Nähe der Oder geboren bin, wünschte ich, es wäre anders. Ich käme so gerne aus einer ehemaligen Römersiedlung.
Von Römersiedlungen ist aber nicht die Rede, sondern von einer Militäraktion bis zur Oder.
 
Ja, das hab ich schon verstanden. ;) Mein Wunsch bezieht sich ja eher auf die möglichen Folgen solcher Militäraktionen.
 
Ja, das hab ich schon verstanden. Mein Wunsch bezieht sich ja eher auf die möglichen Folgen solcher Militäraktionen.
Die sind mit den Ereignissen von 9 n. u. Z. eigentlich relativ fixiert. Natürlich würde das nicht römische Funde ausschließen. Aber wie schon von El Quijote heraus gearbeitet, könnte es sich um die Deutsche Bucht handeln, die erreicht wurde.

Cherusker:
Es wird ein unbekanntes Meer beschrieben und ein(e) Kap/Bucht (lat. sinus) wurde umrundet. Da die Römer die Nordsee bereits kannten (Friesen, Britannien) soll es sich hier um die Ostsee gehandelt haben. Mit dem Kap ist Dänemark gemeint. Ferner geben die Römer eine Marschleistung von 400 römischen Meilen (600km) vom Rhein an. Somit wäre man schon über die Elbe hinaus und käme an die Oder.
Das ist alles ganz wunderlich. Hier gibt ja Cherusker Kap und Bucht als Übersetzung an. Also entweder oder, würde ich sagen.

Dass die Römer die Nordsee kannten, halte ich auch für übertrieben. Vielleicht dachten sie auch, sie wären in ein anderes Meer gelangt. Britannien hatten sie zwar erreicht, aber ging das nicht über den Ärmelkanal? Und wenn ja, was nutzte das für die Kenntnis der Nordsee?
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Interpretation von sinus als Kap (gedacht ist hier wohl an das Skagener Kap) stammt wohl nicht von Cherusker, sondern von Dr. Leiermann, der auch sonst einige Stellen *sagenwirmal* großzügig übersetzt:

"Et eadem (eodem) mira felicitate et cura ducis, temporum quoque observantia, classis,
Und mit ebensolchem wunderbaren Glück und durch die Sorgfalt des Kommandanten, auch unter Beachtung der Jahreszeiten (unter Einhaltung des verabredeten Zeitplans; Dr.Leiermann) fuhr die Flotte (ebendorthin),"

Die Übersetzung von temporum als 'Jahreszeiten' ist recht schlüssig und entspricht auch den Erfahrungen Cäsars mit dem Ärmelkanal und der aremoricanischen (heute: bretonischen) Küste und den Gepflogenheiten bis in die Neuzeit, die Seefahrt bis Kathedra Petri (22. Februar) ruhen zu lassen. Eine weitere Möglichkeit wären die 'Gezeiten', aber da Germanicus einige Jahre später mit diesen noch Probleme bekommt, gehe ich mal davon aus, dass diese nicht gemeint sind. Wie aber aus einem Plural temporum ein "Zeitplan" wird und woher das Wort "verabredet" stammen soll, erschließt sich mir aus dem lateinischen Text nicht.

Ich glaube, hier sind die 400 Meilen für den Gedanken, nicht die Elbe, sondern die Oder sei gemeint, ausschlaggebend. Denn es ist tatsächlich so, dass Oder und Rhein etwa 400 Meilen oder 600 km voneinander entfernt sind. Also macht man mal schnell aus einem Golf ein Kap und setzt dabei stillschweigend voraus, dass Tiberius Luftlinie marschiert sei oder Velleius Paterculus, ein hoher Offizier, der an genau diesem Feldzug teilgenommen hat, zu blöd wäre, Oder und Elbe zu unterscheiden.
 
Habe für "Nein" gestimmt. Es gibt zumindest in der Oderregion, in der ich wohne, keine bekannten Römerfunde. Außer einigen Münzen, die aus dem Handel stammen dürften, ist mir einfach nichts bekannt. Keine Waffe, keine Gürtelschnalle. Ich denke auch, daß ich in dieser Richtung ausreichend informiert bin. Funde sind durch die schlechte Haltbarkeit im sandigen brandenburgischen Boden auch kaum zu erwarten.
Was natürlich nicht ausschließt, daß es Römer in geringer Zahl, oder in ein anderes Odergebiet verschlagen haben könnte.
 
Ich habe rein gefühlsmäßig für Ja gestimmt. Die Oder war zu slawischen Zeiten ein stark befahrener Verkehrsweg. Das war sicher auch schon zu germanischen Zeiten so. Ich denke da nur an Bernstein als Luxushandelsgut.
Das hat sicher neugierig gemacht, bestimmt auch die Römer.
Bei der Nordsee würde ich sagen, die war für die Römer zu hart. Nicht umsonst heißt die Nordsee auch Mordsee. Da braucht man schon bessere Boote. Zu holen gab es da auch nichts.
 
Zuletzt bearbeitet:
So wie ich die Frage verstanden habe, ging es nicht um Anwesenheit etwa römischer Händler an der Oder, sondern um militärische Präsenz mit der zugehörigen Logistik und dem Ziel, hier germanische oder slawische Stämme zu unterwerfen, und ganz explizit, um den Feldzug des Tiberius 4 n. Chr.
 
Ach so, ich dachte da eher an Vorausabteilungen. Na gut, jetzt habe ich abgestimmt. Ich war eher auf Händlerpräsenz als auf militärischer Machtentfaltung aus.
 
Die erste mir bekannte Erwähnung der Oder, die ich aufgrund etymologischer Überlegungen - entgegen neueren geodätischen Thesen - für richtig halte, ist die des Claudios Ptolemaios im 2. Jahrhundert. Οὐιαδούα ποταμοῦ nennt er sie: (O)viadoua-Fluss.
 
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