Welche Bedeutung hatte die Romanisierung für Europa?

Desirée Clary

Neues Mitglied
Hallo :winke:
Ich habe eine Frage bezüglich der Romanisierung. Ich muss in der Schule einen Vortrag darüber halten und am Ende zu der Frage, welche Bedeutung die Romanisierung für Europa hatte oder immer noch hat Stellung nehmen.
Meine Antwort wäre, dass es immer noch Überreste der Romanisierung gibt, z.B. die Porta Nigra in Trier oder auch bestimmte Bräuche. Natürlich wurden die romanisierten Gebiete auch zivilisierter, aber ich habe gelesen, dass nach der Herrschaft Roms sich diese Gebiete recht schnell wieder zu den (teilweise) babarischen Verhältnissen zurückentwickelten, deshalb bin ich mir nicht sicher ob man diesen Punkt anführen kann...
Habt ihr noch Ideen? Danke schon mal im Voraus :)
 
Natürlich ist die Porta Nigra ein Überrest der Romanisierung, je nachdem wie man diesen Begriff fast. Aber hat sie heute noch Bedeutung, außer als Sehenswürdigkeit? Meinst du nicht, dass es sinnvoller wäre, über den Begriff der Romanisierung zu sprechen, und was er alles subsumiert bzw. wie er in unterschiedlichen Disziplinen verstanden wird, um dann Dinge aufzuführen, die heute auch wirklich noch eine (wenn auch z.T. schwindende) Bedeutung haben (Sprache, Religion, Recht)?
 
Eine Folge der Romanisierung z. B. ist ,dass sich lateinische Elemente in der Fachsprache der Medizin ,als verbindliche Verkehrs -und Wissenschaftssprache (lingua franca) seit
dem Mittelalter in Europa druchgesetzt hat.
 
Habt ihr noch Ideen?
...wenn man beim Schularbeiten machen das Fenster öffnet, um sich an frischer Luft zu erquicken, dann ist man hierzulande schon ein ganz klein wenig romanisiert :)
Tante Wiki meint:
Im engeren Sinne bezeichnet das Wort nur Kulturentwicklungen bis zum Frühmittelalter (etwa die Romanisierung der fränkischen Oberschicht im spätantiken Frankenreich); im weiteren Sinne dauert in der französischen und spanischen Einflusssphäre in Afrika und Südamerika dieser Prozess zum Teil bis heute noch an.
aus Romanisierung ? Wikipedia
 
Nachdem das Fenster (<fenestra) geöffnet ist (= fenestra aperta),kannst Du auf Deine Computertastatur schauen: die Buchstaben beruhen auf dem lateinischen Alphabet. Das wiederum beruht aber auf dem griechischen Alphabet, das wiederum von den Phöniziern abgeleitet wurde.

Lateinisches Alphabet ? Wikipedia
 
nun ja, über die griechische Brücke würde ich beim Alphabet nicht zwingend gehen, sicher ist, das unsere heutige Schrift lateinisch ist, im Ursprung phönizisch und den Römern von den Etruskern vermittelt wurde. Wenn auch die Bezeichnung dieser Schrift grichisch ist. Unser ABC wird ja nach den beiden Anfangsbuchstaben der griechischen Schrift benannt (Alpha, Beta)
Ob die Römer nun zivilisierter als die andern Völker Europas waren, naja, da gehen die Meinungen auch auseinander, aber immerhin leben wir in einer "Republik",
 
Wie wäre es damit dass Französisch, Spanisch, Rumänisch, Italienisch lateinische Sprachen sind.

Das würde ich als das wichtigste Erbe der Römer bezeichnen.
 
nun ja, über die griechische Brücke würde ich beim Alphabet nicht zwingend gehen, sicher ist, das unsere heutige Schrift lateinisch ist, im Ursprung phönizisch und den Römern von den Etruskern vermittelt wurde. Wenn auch die Bezeichnung dieser Schrift grichisch ist. Unser ABC wird ja nach den beiden Anfangsbuchstaben der griechischen Schrift benannt (Alpha, Beta).

Doch, die griechische Schrift liegt in der Schriftentwicklung zwischen der punischen und der lateinischen. An der Filiation gibt es nichts zu deuteln.
 
Desirée, ohne zu wissen, worauf die Aufgabe abzielt bzw in welchem Rahmen sie stattfinden soll, kann man allein über die Begriffsklärung schon eine Diplomarbeit schreiben. Da muss der Schwerpunkt komplett anders gesetzt werden, je nachdem, ob es für Schule oder Uni, für Latein oder Geschichte (für alte, mittlere oder neue?), für Politik oder sonstwas ist.

Da kommst du aus den Untergruppen gar nicht mehr raus. Du findest Romanisierung in allen Bereichen unseres Lebens.

- Sprache (die romanischen Sprachen; später Einflüsse lat. Fachvokabulars in Medizin, Recht, Literatur)
- Kultur (Romanisierung im frühesten Sinne durch den Sieger, später Übernahme römischer [griechischer] Ideen in Politik, Recht, Philosophie, Hinweis auf die moderne Staaten [vom Kapitol über den Adler bis hin zum Kolonialdenken])
- Religion (Verbreitung des Christentums durch Roms zentrale Rolle; kann man vielleicht unter Kultur fassen)
 
Wie wäre es damit dass Französisch, Spanisch, Rumänisch, Italienisch lateinische Sprachen sind.
Das sprachliche Erbe der Römer findet man nicht nur in den romanischen Sprachen sondern auch im Deutschen oder Englischen. Der Lake stammt vom Lacum (See), das Empire vom Imperium, die Navigation oder die Navy von Navis (Schiff), Der Bart stammt von Barba ab, der auch dem deutschen Barbier seinen Namen gab, Portus für Hafen findet man im englischen Port wieder und auch das deutsche Meer kommt aus dem Mare der Römer. Man könnte das noch endlos fortsetzen. Aber auch moderne Worte haben oft lateinische Wurzeln, z.B. Omnibus, Lokomotive, Automobil... Selbst der Computer ist nicht englisch sondern kommt vom lateinischen computare -berechnen .
 
die Navigation oder die Navy von Navis (Schiff)
Die navigatio kommt zwar vom navis, aber die N/navigation von der navigatio. ;)
Der Bart stammt von Barba ab, der auch dem deutschen Barbier seinen Namen gab [...] und auch das deutsche Meer kommt aus dem Mare der Römer.
Nein, es handelt sich bei Bart und Meer nicht um Latinismen sondern um Bestandteile des gemeinsamen indoeuropäischen Erbwortschatzes. Der Barbier wiederum ist ein französischer Begriff, also keine Direktentlehnung aus dem Lateinischen.

Aber auch moderne Worte haben oft lateinische Wurzeln, z.B. Omnibus, Lokomotive, Automobil... Selbst der Computer ist nicht englisch sondern kommt vom lateinischen computare -berechnen.

Ich habe, um ehrlich zu sein, Schwierigkeiten, das unter den Bergiff "Romanisierung" zu subsumieren. Das sind Kultismen, die man anstelle von Neologismen eingesetzt hat, als man für neue Gegenstände/Konzepte neue Termini benötigte.
Bei Automobil handelt es sich nebenbei um ein griechisch-lateinischen Hybriden, bei omnibus um ein substantiviertes Adjektiv welches die Bedeutung des entfallenen Substantivs übernommen hat. Zeigte man einem Römer (oder einem auffällig beleibten Gallier) einen (Omni)bus und würde ihm erklären, dass dieses Wort omnibus aus dem Lateinischen sei, er würde einem einen Vogel zeigen: "Die spinnen, die Menschen aus der Zukunft."
 
Der Lake stammt vom Lacum (See), das Empire vom Imperium, die Navigation oder die Navy von Navis (Schiff), Der Bart stammt von Barba ab, der auch dem deutschen Barbier seinen Namen gab, Portus für Hafen findet man im englischen Port wieder und auch das deutsche Meer kommt aus dem Mare der Römer.

Nein, es handelt sich bei Bart und Meer nicht um Latinismen sondern um Bestandteile des gemeinsamen indoeuropäischen Erbwortschatzes. Der Barbier wiederum ist ein französischer Begriff, also keine Direktentlehnung aus dem Lateinischen.

Auch das englische Wort lake (dt. der See) stammt jedenfalls nicht direkt aus dem Lateinischen. Ansonsten ist seine Etymologie unklar. Entweder handelt es sich um ein Wort, das über das Germanische aus dem Indoeuropäischen stammt. Dann ist es nah verwandt mit dt. Lache, Lake. Oder es handelt sich um eine Entlehnung aus dem französischen lac, das von lat. lacus stammt. Beides wird vertreten.

Lake - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Nachhall der Romanisierung

Ich denke, dass die Bedeutung der Romanisierung nicht in erster Linie an dessen sprachlichem Einfluss gemessen werden sollte. Dass ganze Sprachgruppen (etwa das Festlandkeltische) wohl im Zuge der Romanisierung verschwanden, ist für sich genommen keine bedeutende Leistung, wenn auch für das heutige Europa von Bedeutung! Auch setzte sich nicht überall im Römischen Reich das Latein als Umgangssprache durch: Der Osten blieb größtenteils Gräzisiert…. – und ist nicht Teil von Europa, wirkte aber auf einige ostslawische Staaten aus.
Die Bedeutung der Romanisierung ist auf diversen Bereichen abzulesen. So blieb Latein bis weit über das Mittelalter hinaus in Europa die Sprache der Gelehrten, Studierten und der allgegenwärtigen, westlichen (katholischen) Kirche. Rom hinterließ vor allem kulturell fast überall seine Spuren. Über Rom wurden Techniken und Werte, die aus den verschiedensten Weltgegenden stammten, seinem ganzen Reichsgebiet zugänglich gemacht. Von Griechischer Philosophie bis hin zur Christlichen Religion & vieles Andere mehr. Es wurden Werke über das Bauwesen verfasst, an welchen sich noch die Baumeister der Renaissance fast 1000 Jahre nach dem Untergang des Imperiums orientierten. (Vitruv, obwohl dieser bei seinen Zeitgenossen nur wenig Widerhall gefunden zu haben scheint.)
Vitruv ? Wikipedia
Griechisch/römisches Kunstempfinden wirkt ebenfalls bis heute nach. Die antiken Darstellungen und Plastiken haben ihren Widerhall in der Ästhetik behalten.
Politisch inspirierte seine Verfassung(en) zahlreiche spätere Staaten [Kaisertum des Mittelalters, „Republikanische“ Organisationen wie Sena….]. Auch in seinen Repräsentationsformen und Symbolen.
Dazu gehören die Verbreitung der Definition über die „Sieben freien Künste“ und die aus ihnen abgeleiteten Wissensbereiche.
Sieben Freie Künste ? Wikipedia
Weit deutlicher aber wirkte das römische Rechtswesen nach. Unser heutiges Rechtssystem in der BRD wie in Österreich basiert weitgehend auf römischen Rechtsauffassungen und nicht mehr auf dem „gewachsenen Recht“, wie es sich im Laufe des Mittelalters durchgesetzt hatte.
Römisches Recht ? Wikipedia
Rezeption des römischen Rechts ? Wikipedia
Aus den vielfältigen Kontakten zwischen den verschiedensten Winkeln des Reiches ergab sich auch ein Wissenstransfer, der bis hinein auf die Grundlagen menschlichen Lebens Einfluss hatte. So wie der Luxusbedarf an Gewürzen weit später erst das Zeitalter der Entdeckungen befeuerte, kam es im Römischen Imperium zu einer gewaltigen Verbreiterung verschiedener agrarischer Traditionen und Anbaumethoden, welche den Speisezettel bereicherten. So forcierten die Römer den Anbau von Weizen. Die Römer sollen auch folgende, teils vorher hierzulande unbekannte oder unbedeutende Pflanzen gefördert haben: Walnuss (sie wird mancherorts in Österreich noch „Welschnuss“ genannt, Kirsche (stammt aus der Türkei), Pflaumen, der Kulturapfel (wohl in Asien entstanden)… Die bekannteste Frucht, welche durch die Römer hierzulande Heimisch wurde ist wohl die Weintraube! An Haustieren sollen sie etwa die Katze, Haustaube und Ente eingeführt haben. Vielfach wurden durch Einkreuzen aus anderen Zuchtstämmen auch heimische Tierrassen für die Zucht ergiebiger gemacht. Gerade Pferde und Rinder wurden größer gezüchtet als zuvor. Die Hühnerhaltung war in Deutschland zwar bereits bekannt, wurde durch die Römer aber intensiviert. Erstmals wurden als „Luxustiere“ auch der Damhirsch oder der Pfau gehalten. Viele dieser innovativen Bereicherungen gingen in der Folgezeit vermutlich aber wieder verloren. So wurde der Damhirsch hier niemals heimisch. [Aus den Aufsätzen „Cultura“ und „Haus & Wildtiere“ in „Imperium Romanum“ 2005] Im Sinne der eigentlichen Fragestellung sind die agrarischen Auswirkungen unerheblich.
…Man könnte noch viele weitere Beispiele finden. Die wenigen genannten zeigen aber auch, dass sich römische Inspirationen teils erst nach langer „Ruhepause“ wieder in Wirkung setzten – jeweils an die neue Zeit angepasst! Die Romanisierung hinterließ einen gewissen „Grundkatalog“ an kulturellen Errungenschaften, dem sich nahezu alle europäischen Völker noch heute verbunden fühlen, auch in Gebieten, die niemals zum Imperium gehört hatten. Nicht jeder bedient sich daraus in gleicher Weise…. Cut!
Mit Hinblick auf deinen Vortrag liebe Desiree frage ich mich, ob du nach einem allgemeinen Abriss (Punktekatalog, inklusive der „romanischen Sprachen) vielleicht einen Einzelaspekt näher anreißen willst. Vielleicht am Deutlichsten mag der Einfluss auf das moderne Rechtssystem zu umreißen sein, der in meinem letzten Link thematisiert wird.
 
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