Wie hätte Crassus auf den Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius reagiert?

AmicusCertus

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Hallo,

es heißt ja immer, dass der Tod des Crassus (und später der Tod von Caesars Tochter Iulia) der erste Grund für den Bruch zwischen Caesar und Pompeius war. Meine Frage wäre jetzt, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn Crassus nicht von den Parthern getötet worden wäre. Wäre es trotzdem zu einem Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius gekommen? Und wenn ja, auf wessen Seite stünde Crassus? Ich kenne mich nämlich mit Crassus politischen Ambitionen nicht genau aus.

Ich bedanke mich schon mal im voraus, falls mir jemand meine Frage beantworten könnte, da es mich interessiert. Danke!
 
Iulia starb vor Crassus.

Grundsätzlich bin ich kein Fan von "Was wäre wenn"-Spekulationen, da man nicht einfach eine Variable im Geschehnisablauf ändern, aber davon ausgehen kann, dass alles andere unverändert geblieben wäre. Niemand kann seriöserweise sagen, was gewesen wäre, wenn Crassus überlebt oder gar die Parther besiegt und zumindest Mesopotamien erobert hätte. Insbesondere in letzterem Fall hätte er mit Syrien und den Neuerwerbungen selbst über eine bedeutende Machtbasis verfügt.

Die erste Frage, die man sich stellen muss, ist, ob es überhaupt zum Bürgerkrieg gekommen wäre, wenn Crassus noch gelebt hätte. Der Bürgerkrieg wurde im Grunde genommen nicht zwischen Caesar und Pompeius (etwa aus persönlicher Rivalität) ausgetragen, sondern zwischen Caesar und seinen Gegnern, die Pompeius für sich instrumentalisierten. Crassus' Stärke war es eher, im Hintergrund seinen Einfluss geltend zu machen. Hätte er noch gelebt, hätte er vielleicht verhindern können, dass sich die innenpolitische Situation so zuspitzt, dass Caesar keine andere Wahl mehr bleibt als sich entweder seinen Gegnern auf Gedeih und Verderb auszuliefern oder aber den Bürgerkrieg zu wagen. Wenn es ihm zumindest gelungen wäre zu verhindern, dass Caesars Gegner Pompeius in ihr Lager ziehen, hätten Caesars Gegner es vielleicht nicht gewagt, so offensiv auf Konfrontationskurs zu gehen, da ihnen dann für den Fall eines Bürgerkriegs das Aushängeschild und der erfolgreiche Feldherr auf ihrer Seite gefehlt hätten.

Für den Fall, dass es dennoch zum Bürgerkrieg gekommen wäre, glaube ich ausschließen zu können, dass sich Crassus auf Pompeius' Seite geschlagen hätte, denn die beiden verstanden sich nicht und arbeiteten lediglich interessenhalber gelegentlich zusammen. Crassus wäre aber wohl klar gewesen, dass im Fall von Pompeius' Sieg er auch ausgespielt hätte. Crassus wäre also aller Wahrscheinlichkeit nach entweder neutral geblieben oder hätte Caesar (mit dem er sich verstand) unterstützt.
Allerdings, wenn Crassus noch gelebt hätte und ein Machtfaktor gewesen wäre, wäre das vielleicht auch ein Grund für Caesars Gegner gewesen, es nicht auf eine Konfrontation mit Caesar ankommen zu lassen: Nicht nur, weil sich Crassus vielleicht mit Caesar zusammengetan hätte, sondern auch weil Pompeius und somit sie selbst viel schwächer gewesen wären. Pompeius verfügte nämlich über eine umfangreiche Klientel im Osten des Reiches - und dort wäre aber im Alternativszenario Crassus gesessen, sodass die zu erwartende Unterstützung für Pompeius geringer gewesen wäre.
Weiters stellt sich aber auch die Frage, ob Crassus überhaupt in der Lage gewesen wäre, in einem allfälligen Bürgerkrieg zu intervenieren, oder ob er nicht noch alle Hände voll mit seinem eigenen Krieg gegen die Parther zu tun gehabt hätte.

Du siehst also, es gibt viele Wenns und Vielleichts. Sinnvolle Aussagen sind eigentlich nicht möglich.

Zu Crassus' Ambitionen: Wer kann schon in einen Menschen hineinsehen? Letztlich scheiterte er daran, dass er wie Caesar und Pompeius ein großer Feldherr und Eroberer sein wollte. Innenpolitisch stand er meist nicht so sehr im Vordergrund, sondern ließ eher Geld und Beziehungen spielen, wenngleich er natürlich auch die Ämterlaufbahn durchlief, zweimal das Konsulat bekleidete und Censor wurde. Er wollte auch angesehen und beliebt sein, suchte dies aber nicht ausschließlich politisch zu erreichen, sondern auch indem er sich z. B. als Anwalt betätigte.
 
Grundsätzlich bin ich kein Fan von "Was wäre wenn"-Spekulationen, da man nicht einfach eine Variable im Geschehnisablauf ändern, aber davon ausgehen kann, dass alles andere unverändert geblieben wäre. Niemand kann seriöserweise sagen, was gewesen wäre, wenn Crassus überlebt oder gar die Parther besiegt und zumindest Mesopotamien erobert hätte.

Aber gerade deine Ausführungen hier zeigen, worin die Stärke von kontrafaktischen Überlegungen liegen. Du hast so nämlich nochmals herausgearbeitet, warum es eigentlich zum Bürgerkrieg kam. Nämlich weil Caesars Gegner sich sicher waren, ihn gewinnen zu können, falls Caesar ihn vom Zaum bricht. Ergo waren sie nicht kompromisbereit, obwohl Cicero und Andere danach suchten.

Und ganz in der Tradition eines Alexander Demandt, bist du zeitlich nicht zu weit gegangen mit deinen alternativen Überlegungen. Weil sonst bleibt nur einen nette Novelle.

PS: Interessanter als die Frage "Was wäre wenn" ist meist die Frage "Warum würde sich Nichts ändern". Etwa, warum würde die römische Republik mit Crassus ganz im Sinne Montesquieues nur etwas später untergehen. Womit wir bei der Gretchenfrage wären: Was dominiert Geschichte? Strukturen oder Ereignisse? Oder doch Beides?
 
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Auch wenn Ravenik keine kontrafaktischen Überlegungen mag, hat er das jedoch im obigen Fall ausgezeichnet erledigt. Es erfasst das "Historische Potential", der Situation. Genaue Vorhersage geht nicht, aber eine Auswahl von realistischen Optionen und Ausschluss der unrealistischen. Diese Überlegungen führen auch zu einem besseren Verständnis der faktischen Geschichte.
Bezüglich des Endes der Republik, wenn es nicht zum Bürgerkrieg gekommen wäre wage ich die Aussage, dass dann nicht die Alleinherrschaft einer Person, sondern des Triumvirats Cäsar, Pompejus, und Crassus das faktische Ende der Republik gebracht hätte. Wie es dann auf lange Sicht weitergeht läßt sich nicht genau bestimmen, wahrscheinlich kommt es aber irgendwann zu Streit zwischen den Nachfolgern der grossen drei und dann steht am Ende wohl doch die Alleinherrschaft. Die Republik war innerlich bereits zu zersetzt am auf Dauer die Ambitionen "grosser Männer" abzuwehren. Die Grossen Drei hätten sicherlich die wichtigen Posten unter ihren Anhängern aufgeteilt, womit der Senat dann auch zur Mehrheit aus Subjekten dieser bestanden hätte.
 
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Der ultimative Knackpunkt in der faktischen Kausalkette dürfte die gescheiterte Verhandlung zwischen Caesar und seiner Gegenpartei (Pompeius, Cato, Lentulus) gewesen sein, bei der Caesar bzw. seine Unterhändler ein generöses Angebot unterbreiteten (Verzicht auf Gallien, Reduzierung seines Heeres auf 2 Legionen und Abwarten auf nächstes Konsulat im unbedeutenden Illyrien), was die Opponenten aber ablehnten, selbst angesichts der Bereitschaft Caesars, Pompeius seine 7 Legionen plus 2 Provinzen zu belassen und selbst als die Caesar-Seite auf eine weitere Legion verzichtete.

Laut Plutarch ging der Vermittlungsvorschlag von Cicero aus. Abgelehnt wurde er vornehmlich von Lentulus und Cato, der Pompeius dazu riet, Caesar grundsätzlich zu misstrauen. Bei alldem ging es Caesar sicher nur darum, seine Chancen auf ein nächstes Konsulat formal zu wahren.

Dass der eigentliche ´Kriegstreiber´ Pompeius war (gewiss auch motiviert durch Cato und Lentulus), geht aus Ciceros Brief an Atticus 7,4,2 hervor:

Über die politische Lage äußerte sich Pompeius mir gegenüber so, als ob am Ausbruch eines Krieges nicht mehr zu zweifeln sei: kein Gedanke an eine Einigung (...)

Cicero schrieb auch (Christian Meier, "Cäsar", S.419), Caesar habe den Krieg "nicht gewollt, sondern nur nicht gefürchtet".
 
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Dass der eigentliche ´Kriegstreiber´ Pompeius war (gewiss auch motiviert durch Cato und Lentulus), geht aus Ciceros Brief an Atticus 7,4,2 hervor:

Über die politische Lage äußerte sich Pompeius mir gegenüber so, als ob am Ausbruch eines Krieges nicht mehr zu zweifeln sei: kein Gedanke an eine Einigung (...)
Und das willst Du aus diesem einen Zitat herauslesen?
Diese Aussage fiel am 10. Dezember 50 v. Chr. Zu diesem Zeitpunkt war die Lage komplett verfahren, und kurz davor (am Tag davor? - jedenfalls knapp vor Ende seines Volkstribunats, das am 9. Dezember endete) hatte Curio den Pompeius und die Konsuln heftig angegriffen. Wenig früher hatte der Konsul Marcellus den Pompeius nahezu unverhohlen zum Krieg gegen Caesar aufgefordert. Wie sollte sich Pompeius da zuversichtlich hinsichtlich eines friedlichen Ausgleichs äußern?

Meine Frage wäre jetzt, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn Crassus nicht von den Parthern getötet worden wäre. Wäre es trotzdem zu einem Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius gekommen? Und wenn ja, auf wessen Seite stünde Crassus?
Dazu noch ein kleiner Nachtrag, der auch noch illustrieren soll, wie wenig sinnvoll kontrafaktische Spekulationen sind:
Crassus war, als er in der Realität gegen die Parther umkam, bereits über sechzig. Also wer weiß, ob er, auch wenn er nicht getötet worden wäre, 49 v. Chr. überhaupt noch gelebt hätte. Bis dahin hätte er auch an Altersschwäche sterben können. Oder aber er wäre während eines allfälligen Bürgerkriegs verstorben.
Crassus hatte übrigens zwei Söhne, von denen in der Realität einer (Publius) im Partherkrieg fiel, der andere (Marcus) Caesar im Bürgerkrieg unterstützte.
 
Und das willst Du aus diesem einen Zitat herauslesen?

Nicht nur aus dem Zitat, sondern auch aus Plutarchs Darstellung sowie aus der Darstellung bei Prof. Klaus Bringmann, "Geschichte der römischen Republik", 342 ff., von wo ich das Zitat hernehme. Das andere Zitat (bei Chr. Meier) stützt die Auffassung, dass Caesar Krieg vermeiden wollte, Pompeius aber nicht.

Zu deiner Skepsis betr. kontrafaktische Überlegungen: Ich glaube, dass es den beiden Usern, die deine Ausführungen lobten, darum ging, dass in solchen Überlegungen - in meinen Worten - bestimmte Zusammenhänge besonders deutlich erkennbar werden, ähnlich wie unterschiedliche Beleuchtungsperspektiven bestimmte Charakteriska eines Reliefs unterschiedlich herausheben.
 
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Auch aus Plutarchs Darstellungen kann ich das nicht herauslesen. Zumindest war Pompeius (wenn auch unzufrieden) bereit, auf Ciceros Kompromissvorschlag einzugehen, aber der Konsul Lentulus unterband es und trieb Curio und Antonius aus dem Senat. Generell erscheint bei Plutarch Lentulus als der hauptsächliche Scharfmacher, der eine "drohende" friedliche Einigung im letzten Moment mit allen Mitteln verhindern wollte.
Als eigentlich treibende Kraft wird Pompeius auch für die Zeit davor nicht geschildert, sondern Plutarch wirft ihm im Wesentlichen lediglich vor, allzu selbstbewusst geworden zu sein. Dass er nicht gewillt war, sein Kommando aufzugeben, kann man ihm wohl kaum verdenken.
 
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