Wie starb Drusus?

Drusus

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Ich lese immer,dass Drusus vom Pferd stürzte nachdem ihm eine Frauenstimme zurief:wohin willst du noch unersättlicher Drusus.
Das scheint mir jedoch eine Legende zusein.

warte auf Antwort:winke::winke:
 
Immerhin hatte Tiberius, damals noch nicht Kaiser, genug Zeit, ihn lebend aufzusuchen. Was genau damals passiert ist, weiß der liebe Gott allein.
 
Der Tod des Drusus wird zwar in mehreren Quellen erwähnt, aber meist ohne weitere Details (Strabo, Velleius, Plinius Minor, Florus).

Der zeitgenössische Bericht des Livius:
"Bellum adversus Germanorum trans Rhenum civitates gestum a Druso refertur. Ipse ex fractura, equo super crus eius conlapso XXX die quam id acciderat, mortuus. Corpus a Nerone fratre, qui nuntio valetudinis evocatus raptim adcucurrerat, Romam pervectum et in tumulo C. Iuli reconditum. Laudatus est a Caesare Augusto vitrico. Et supremis eius plures honores dati."
Übersetzung: "Es wird berichtet über den Krieg des Drusus gegen die Germanenstämme jenseits des Rhein. Er selbst starb wegen eines Bruches des Unterschenkels, dreißig Tage nachdem er vom Pferd gefallen war.
Sein Körper wurde von seinem Bruder Nero (das ist Tiberius!), welcher von einem Boten aufgrund der Krankheit herbeigerufen herbeigeilt war, nach Rom gebracht und in Rom im Grab des C. Julius verborgen (also beerdigt).
Von seinem Stiefvater Cäsar Augustus wurde ihm eine Lobhymne gehalten und zu seiner Bestattung wurden viele Ehren dargebracht."

200 Jahre später berichtet Cassius Dio:
"Die Elbe entspringt in den vandalischen Bergen und ergießt sich als mächtiger Fluss in das nördliche Meer. Drusus versuchte den Fluss zu überqueren, aber als ihm dieser Versuch misslang, stellte er Trophäen auf und kehrte um.
Da traf ihn eine Frau von übermenschlicher Größe und sagte: 'Wohin eilst Du so schnell, unersättlicher Drusus? Es ist nicht vorherbestimmt, dass Du auf alle diese Länder schauen sollst. Es ist gleich, ob Du umkehrst, denn das Ende Deiner Werke und Deines Lebens ist gleichermaßen nah.'
Es ist in der Tat wundersam, dass eine solche Stimme von einer Göttin jemals zu einem Menschen sprach, doch kann ich diese Erzählung nicht bezweifeln, denn Drusus brach sofort auf und als er auf seinem eiligen Rückmarsch war, starb er auf dem Weg an einer Erkrankung, bevor er den Rhein erreichte. Die Bestätigung dieser Geschichte sehe ich in den folgenden Ereignissen: Wölfe umstrichen das Lager und heulten genau vor seinem Tod. Zwei Jugendliche wurden gesehen, welche mitten durch das Lager ritten, eine klagende Frauenstimme war zu hören und Kometen waren am Himmel. Soviel zu diesen Ereignissen.
Augustus sandte, als er von Drusus' Erkrankung erfuhr, bevor diese weit fortgeschritten war - denn er war nicht weit entfernt -, sandte Tiberius hastig zu ihm. Tiberius fand ihn noch atmend und brachte ihn, als er tot war, nach Rom. Er befahl, dass die Zenturionen und Militärtribune ihn über den ersten Teil der Reise, bis in die Winterquartiere tragen sollten. Und von dort die edelsten Männer einer jeden Stadt."

Edit: Hier die griechische Version des Textes.
 
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Die Stelle im Vergleich zeigt meines Erachtens sehr schön exemplarisch, wie sehr Cassius Dio zum fabulieren neigt. Was ja immer in den Varusschlachtdiskussionen zu schwersten Auseinandersetzungen führt, wo er eben derjenige ist, der am weitesten ausschweift und zudem der einzige ist, der von Bergen und Tälern berichtet und den Wetterbericht des Varus kennt.
 
Ich verstehe allerdings nicht, warum sein Tod fraglich sein sollte? In den meisten offiziellen Quellen wird doch von einem Reitunfall gesprochen. Warum steht das denn zur Diskussion?

Nachtrag: ich hab eine Stelle gefunden, die beides verbindet.
# Nero Claudius Drusus, geboren 38 v.u.Zr., als Sohn der Livia, der Frau des späteren Kaisers Augustus. Drusus stirbt mit 30 Jahren im Jahr 9 v.u.Z.r. durch einen Sturz vom Pferd an Wundbrand, innerhalb von 4 Wochen. Germanicus der Sohn des Drusus übernimmt den Posten als Feldherr in Germanien. Tiberius der Bruder von Drusus nimmt an Feldzüge gegen Arminius den Cheruskerfürsten teil.
Aus http://www.germanenstamm-sugambrer.de/Intern.html

Das klingt doch medizinisch sehr wahrscheinlich. Ein offener Bruch, der sich entzündete.​
 
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Ich glaube zur Diskussion hat Mitglied Drusus die Anrede des historischen Drusus durch eine Frau gestellt, nicht den Reitunfall. Da die Quelle hierfür Cassius ist und dieser von einer Göttin spricht, die Drusus in übermenschlicher Größe begegnete, können wir wohl durch unser empirisches Wissen von der Welt davon ausgehen, dass dies so nicht stattfand.
 
Da die Quelle hierfür Cassius ist und dieser von einer Göttin spricht, die Drusus in übermenschlicher Größe begegnete, können wir wohl durch unser empirisches Wissen von der Welt davon ausgehen, dass dies so nicht stattfand.
Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen, die wohl im reitunfall selbst und seiner Auswirkungen begründet liegen.

1. man wollte nicht schreiben, Drusus hätte ein Loch übersehen, oder sein Pferd habe gescheut, und er habe es nicht im Griff gehabt. Also überlegt man sich eine "göttliche" Erklärung.

2. ist (vom medizinischen Standpunkt) noch plausibler. Wundbrand und Fieberwahn gehen Hand in Hand, zumindest wenn der Tod schon kurz bevorsteht. Es ist ganz normal und wird häufiger berichtet, dass Menschen im Fieber Engel sehen oder irgendwelche Götter. Möglich, dass man Drusus selbst befragt hat, und er sagte, es wäre ihm eine Göttin erschienen.

Möglich auch, dass es eine Mischung aus beidem war. :)
 
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Bei Deiner eifrigen Interpretiererei übersiehst Du, dass diese Legende erst über 200 Jahre später berichtet wird, während die Zeitgenossen das Ereignis recht nüchtern schildern.
 
Nachtrag: ich hab eine Stelle gefunden, die beides verbindet.
# Nero Claudius Drusus, geboren 38 v.u.Zr., als Sohn der Livia, der Frau des späteren Kaisers Augustus. Drusus stirbt mit 30 Jahren im Jahr 9 v.u.Z.r. durch einen Sturz vom Pferd an Wundbrand, innerhalb von 4 Wochen. Germanicus der Sohn des Drusus übernimmt den Posten als Feldherr in Germanien. Tiberius der Bruder von Drusus nimmt an Feldzüge gegen Arminius den Cheruskerfürsten teil.
Aus http://www.germanenstamm-sugambrer.de/Intern.html


Ich sehe Deinen Nachtrag erst jetzt: Der von Dir zitiert Text verkürzt die Geschichte ziemlich - euphemistisch ausgedrückt. Hätte etwa Germanicus den Posten seines Vaters übernommen, wäre er mit sechs Jahren Feldherr geworden. Auch Tiberius' Teilnahme an Feldzügen gegen die von Arminius geführten Cherusker waren erst sehr viel später - nach der Varusschlacht. Vorher haben wir von Arminius keine Nachrichten.
 
Der zeitgenössische Bericht des Livius:
"Bellum adversus Germanorum trans Rhenum civitates gestum a Druso refertur. Ipse ex fractura, equo super crus eius conlapso XXX die quam id acciderat, mortuus. Corpus a Nerone fratre, qui nuntio valetudinis evocatus raptim adcucurrerat, Romam pervectum et in tumulo C. Iuli reconditum. Laudatus est a Caesare Augusto vitrico. Et supremis eius plures honores dati."
Übersetzung: "Es wird berichtet über den Krieg des Drusus gegen die Germanenstämme jenseits des Rhein. Er selbst starb wegen eines Bruches des Unterschenkels, dreißig Tage nachdem er vom Pferd gefallen war.
Sein Körper wurde von seinem Bruder Nero (das ist Tiberius!), welcher von einem Boten aufgrund der Krankheit herbeigerufen herbeigeilt war, nach Rom gebracht und in Rom im Grab des C. Julius verborgen (also beerdigt).
Von seinem Stiefvater Cäsar Augustus wurde ihm eine Lobhymne gehalten und zu seiner Bestattung wurden viele Ehren dargebracht."

Kann man also sagen, dass Drusus wahrscheinlich an der Elbe verunglückt ist und sich das Bein brach, dann aber noch 30 Tage Zeit hatte, in Richtung Rhein zurückzukehren? In dem Fall hätte Tiberius auch nicht ganz Germanien durchqueren müssen, um Drusus aufzusuchen, sondern er hätte Drusus schon in relativer Nähe zum Rhein getroffen.
 
Die Stelle im Vergleich zeigt meines Erachtens sehr schön exemplarisch, wie sehr Cassius Dio zum fabulieren neigt. Was ja immer in den Varusschlachtdiskussionen zu schwersten Auseinandersetzungen führt, wo er eben derjenige ist, der am weitesten ausschweift und zudem der einzige ist, der von Bergen und Tälern berichtet und den Wetterbericht des Varus kennt.

Es könnte aber auch sein, dass Dio einfach alles aufgeschrieben hat, was er an Quellen bezgl. eines bestimmten Ereignisses recherchieren konnte. Im Fall Drusus den offensichtlichen Quatsch mit der Gespensterfrau, im Fall Varus vielleicht einen lange unter Verschluss gehaltenen Augenzeugenbericht eines Legionärs, inkl. Wetterbericht. Wenn dieser Legionär beim Verfassen des Berichts noch ganz im Bann der Ereignisse der Schlacht war, wird der Bericht an der ein oder anderen Stelle wohl auch nicht haargenau der Realität entsprochen haben. Dio würde ich auf jeden Fall nicht pauschal des Übertreibens bezichtigen, sondern allenfalls einer unkritischen Quellenübernahme. D. h., ein wenig seltsam kommt Dio die Geschichte mit der Geisterfrau ja auch vor, wie er selbst sagt: "Es ist in der Tat wundersam, ..."
 
Eigentlich muss Dio zu Gute gehalten werden, dass er nicht alles, was ihm seltsam an seinen Informationen vorkommt, einfach weglässt.

Dio war schließlich kein Zeitgenosse, für ihn gilt somit das Problem einer Überlieferung, die vielleicht für die Zeitgenossen des Drusus noch ganz plausibel gewesen ist, zu der seine Generation jedoch keinen Bezug mehr hatte, weil vielleicht gewisse Informationen nicht mehr vorhanden waren oder nicht überliefert wurden. (Wenn für Zeitgenossen etwas selbstverständlich war, besteht durchaus die Gefahr, dass sie eine Erklärung / Überlieferung für unnötig hielten.)
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Abgesehen davon:
Wenn Prominente, noch dazu in einem noch recht jungen Alter sterben, dann ist es doch heute auch noch so, dass bald darauf die ersten Gerüchte / Legenden zu einem solchen Tod auftauchen. (Beispiele wären z. B. Grazia Patricia von Monace (Grace Kelly) und ihr Unfallstod oder bei Princess Diana).

Als Stiefsohn von Kaiser Augustus, erfolgreicher (und vielleicht auch beliebter) Feldherr, möglicher Nachfolger des Kaisers, war Drusus für seine Zeit auch ein Prominenter. Er stirbt an den Folgen eines Unfalls, zudem fern der Heimat (also von Rom) und was sein Alter betrifft, so war er zum Zeitpunkt seines Todes doch noch jung.
Wirklich nur ein simpler Unfall, schon die Zeitgenossen mögen sich überlegt haben, ob nicht mehr dahinter steckt, also gab es eine gute Voraussetzung für die Legendenbildung um seinen Tod.

Für spätere Generationen mag noch hinzugekommen sein, dass dem frühverstorbene Drusus (was auch für andere frühverstorbene Nachfolger von Herrschern zu beobachten ist) der Nimbus des "Heilbringers" umgab. (Wäre er doch am Leben geblieben und Kaiser Augustus nachgefolgt, dann wäre alles viel besser geworden ...)
 
Drusus war nie an der Elbe. Weder ein Velleius Paterculus, noch ein Strabo wissen was von Drusus an der Elbe. Beide waren bekanntlich Zeitzeugen. Letzterer berichtet sogar von Kämpfen des Drusus zwischen Saale und Rhein.
 
Was die "Göttliche" angeht, so habe ich dazu meine eigene Meinung. Götter sind bekanntlich unsterblich. Die Göttin der Unsterblichkeit bei den Germanen war Idunn.

Bekanntlich erinnerte die "Göttliche" Drusus daran, dass er sterblich ist und seine Tage gezählt sind.
 
Idun war die Göttin der Unsterblichkeit und Jugend in der nordischen Mythologie, wie sie uns in den Eddas präsentiert wird. Ob mehr als 1000 Jahre früher auch die Kontinentalgermanen diese Göttin verehrten, ist unbekannt.
Davon abgesehen gibt es keinen Grund anzunehmen, dass Cassius Dio Experte für germanische Religion gewesen sei.
 
Idun war die Göttin der Unsterblichkeit und Jugend in der nordischen Mythologie, wie sie uns in den Eddas präsentiert wird. Ob mehr als 1000 Jahre früher auch die Kontinentalgermanen diese Göttin verehrten, ist unbekannt.
Davon abgesehen gibt es keinen Grund anzunehmen, dass Cassius Dio Experte für germanische Religion gewesen sei.

Morgen Ravenik,

ich habe nicht behauptet das Cassius Dio Experte für germanische Mythologie ist. Es ging lediglich um den sterblichen Drusus. Was Idun angeht, so gibt es viel ältere Zeugnisse als die Edda. Thüringer Runen aus Weimar z.B. Die Germanen glaubten an die 'Erneuernde'.
 

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Man wird sich wohl kaum auf die Aussage eines im Fieberwahn Befindlichen gestützt haben.
Ausschließen würde ich das nicht. Wie balticbirdy schon richtig bemerkt hat, waren die Römer extrem abergläubisch und ganz auf Vorzeichen fixiert. Cassius Dio berichtete fleißig über Wundererscheinungen, und Iulius Obsequens schrieb sogar ein Werk, das nur aus einer Auflistung von Wundern und Vorzeichen in Zusammenhang mit bedeutenden Ereignissen der römischen Geschichte bestand. Kritische Geister wie Cicero, der, obwohl selbst Augur, von alldem nichts hielt, waren die Ausnahme. Auch dass Götter den Menschen erscheinen können, dürfte für die meisten eine Tatsache gewesen sein. (Z. B. erzählte Livius, dass dem Hannibal im Vorfeld des 2. Punischen Krieges ein Gott im Traum erschienen sei und ihm verkündet habe, er werde ihn im Auftrag Iupiters nach Italien führen. Zwar merkte Livius an, dass das nur ein Gerücht sei, er schloss es aber auch nicht aus.) Was wir heute als Halluzinationen bezeichnen würden, konnte durchaus als göttliche Eingebung betrachtet werden.
Wenn also ein bedeutender und hochrangiger römischer Heerführer und obendrein Stiefsohn des Kaisers, der nicht im Verdacht stand, wahnsinnig zu sein (wie Caligula mit seinen "Götter"kontakten), erzählt hätte, dass ihm eine Göttin erschienen sei, hätte man das vermutlich nicht a priori verworfen. Zumindest nicht Cassius Dio, der besonders wundergläubig war.
Trotzdem ist die Deutung, dass Cassius Dios Dämoninerscheinungsgeschichte auf eine Aussage des im Fieberwahn liegenden Drusus zurückgeht, natürlich nur Spekulation.

Drusus stirbt mit 30 Jahren im Jahr 9 v.u.Z.r. durch einen Sturz vom Pferd an Wundbrand, innerhalb von 4 Wochen. [...] Das klingt doch medizinisch sehr wahrscheinlich. Ein offener Bruch, der sich entzündete.
Plausibel, aber nicht direkt belegt.

Drusus war nie an der Elbe. Weder ein Velleius Paterculus, noch ein Strabo wissen was von Drusus an der Elbe. Beide waren bekanntlich Zeitzeugen. Letzterer berichtet sogar von Kämpfen des Drusus zwischen Saale und Rhein.
Velleius gibt aber nur einen ganz knappen Bericht über Drusus' Taten, der überhaupt keine Einzeleinheiten enthält, auch nicht über seinen Tod, sondern konzentriert sich lieber auf die nachfolgenden Erfolge des Tiberius. Strabon wiederum betätigt sich überhaupt nicht als Historiker, sondern flicht nur hie und da historische Informationen in seine Erdbeschreibung ein. Einen zusammenhängenden Feldzugsbericht gibt er nicht. Dass beide keine genauen Angaben darüber machen, wie weit Drusus kam, hat somit gar nichts zu besagen.

Was Idun angeht, so gibt es viel ältere Zeugnisse als die Edda. Thüringer Runen aus Weimar z.B. Die Germanen glaubten an die 'Erneuernde'.
Das "Idun" in dieser Inschrift wird normalerweise als Dativ von "Ida" interpretiert. Ida wäre dann wohl die Besitzerin bzw. Empfängerin.
 
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