Truppenorganisation im Dreißigjährigen Krieg

Burghard

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Hallo beisammen,

ich bin gerade dabei, einen historischen Roman zu verfassen, der im Dreißigjährigen Krieg angesiedelt ist. Dazu bräuchte ich noch ein paar Informationen zur Truppenorganisation, die ich weder aus meinen Büchern noch aus Anrufen bei Leuten, die es eigentlich wissen sollten, erhalten konnten. Die Internetrecherche führte teilweise zu noch mehr Verwirrung, zumal ich als KDV nicht so sehr mit den Organisationsstrukturen einer Armee vertraut bin.

Vielleicht könnt ihr mir ja helfen und einige meiner Fragen beantworten, es geht mir vor allem um die Zeit um 1630 herum:

1. Welche Rolle hatte der Hauptmann im DK?
Vorher, zur Zeit der Landsknechte, war der Hauptmann ja noch der Kriegsunternehmer. Diese Rolle fiel später mehr und mehr dem Regimentschef zu. War der Hauptmann seinerseits ein Subunternehmer, oder wurde er vom Regimentschef ernannt, und falls letzteres zutrifft, aufgrund welcher Kriterien?

2. Wie waren die Regimenter organisiert?
Gab es damals eine strikte Trennung zwischen Infanterie- und Kavallerieregimentern, oder war das eher gemischt? Und wurden die Soldaten innerhalb der Lager, z. B. innerhalb eines Fähnleins, nach Waffenarten getrennt?

3. Wer war für die Ausbildung der Truppen zuständig?

4. Wie war das mit den Dragonern?
Dragoner waren ja eine berittene Infanterietruppe. Wie sah das organisatorisch aus, wurden sie von den "normalen" Fußtruppen getrennt geführt? Oder konnte es z. B. jedem Musketier passieren, dass er irgendwann zu den Dragonern kam?

Ich danke euch schon mal im voraus für eure Mühe.
 
1. Welche Rolle hatte der Hauptmann im DK?
Vorher, zur Zeit der Landsknechte, war der Hauptmann ja noch der Kriegsunternehmer. Diese Rolle fiel später mehr und mehr dem Regimentschef zu. War der Hauptmann seinerseits ein Subunternehmer, oder wurde er vom Regimentschef ernannt, und falls letzteres zutrifft, aufgrund welcher Kriterien?

Die regulären Hauptleute waren Subunternehmer, die die Kompanie selbst unterhielten. Allerdings waren die Regimentschefs und ihre Stabsoffiziere (Oberstleutnant und Major) auch Inhaber einer Kompanie. Diese wurde dann von einem Stabshauptmann geführt (keine Gemeinsamkeit mit dem modernen Dienstgrad), der ein besoldeter Offizier (ähnlich wie ein Leutnant) war. Er stand vom Ansehen und zumeist vom Wohlstand unter den regulären Hauptleuten.

2. Wie waren die Regimenter organisiert?
Gab es damals eine strikte Trennung zwischen Infanterie- und Kavallerieregimentern, oder war das eher gemischt? Und wurden die Soldaten innerhalb der Lager, z. B. innerhalb eines Fähnleins, nach Waffenarten getrennt?

Grundsätzlich bestanden Regimenter jeweils aus einer Waffengattung. Ein Fähnlein (anderer Begriff für Kompanie) bestand dabei aus einer Mischung aus Musketieren und Pikenieren. Wie es im Feldlager aussah kann ich nicht direkt sagen.

3. Wer war für die Ausbildung der Truppen zuständig?

Die Kompanie bzw. das Regiment des Soldaten. Innerhalb einer Kompanie war der Feldwebel zuständig für die Leitung der Ausbildung. Diese warb die Soldaten auch an und teilte sie in Klassen ein. So waren unerfahrene Rekruten teilweise zunächst mit einer Pike bewaffnet und wurden später zu Musketieren ausgebildet (daher auch das Sprichwort "von der Pike auf gelernt").

4. Wie war das mit den Dragonern?
Dragoner waren ja eine berittene Infanterietruppe. Wie sah das organisatorisch aus, wurden sie von den "normalen" Fußtruppen getrennt geführt? Oder konnte es z. B. jedem Musketier passieren, dass er irgendwann zu den Dragonern kam?

Jedem sicherlich nicht, aber einige Infanterieeinheiten wurden im 30-Jährigen Krieg zu Dragonereinheiten gemacht, sobald ausreichend Pferde zur Verfügung standen.
 
Ah ja, danke, das ist doch schon mal ein Anfang.

Die regulären Hauptleute waren Subunternehmer, die die Kompanie selbst unterhielten. Allerdings waren die Regimentschefs und ihre Stabsoffiziere (Oberstleutnant und Major) auch Inhaber einer Kompanie. Diese wurde dann von einem Stabshauptmann geführt (keine Gemeinsamkeit mit dem modernen Dienstgrad), der ein besoldeter Offizier (ähnlich wie ein Leutnant) war. Er stand vom Ansehen und zumeist vom Wohlstand unter den regulären Hauptleuten.
Angenommen, ich bin durch eine reiche Heirat, durch Erbschaft oder dubiose Geschäfte zu etwas Geld gekommen. Nun erfahre ich, dass der Kaiser Kriegsvolk braucht. Läuft es dann so, dass ich selbstständig Soldaten werbe, diese dann unter das Kommando meines Obristen stelle und jener wiederum sie dem Kriegsherrn zur Verfügung stellt?

Grundsätzlich bestanden Regimenter jeweils aus einer Waffengattung. Ein Fähnlein (anderer Begriff für Kompanie) bestand dabei aus einer Mischung aus Musketieren und Pikenieren. Wie es im Feldlager aussah kann ich nicht direkt sagen.
Wenn auch Infanterie und Artillerie in verschiedene Regimenter eingeteilt waren, dann mussten sie sich aber doch trotzdem irgendwie zusammen bewegen, um für eventuelle Kämpfe verfügbar zu sein?

Jedem sicherlich nicht, aber einige Infanterieeinheiten wurden im 30-Jährigen Krieg zu Dragonereinheiten gemacht, sobald ausreichend Pferde zur Verfügung standen.
Dazu mussten sie im Grunde lediglich gerade auf dem Gaul sitzen können, oder?
 
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Angenommen, ich bin durch eine reiche Heirat, durch Erbschaft oder dubiose Geschäfte zu etwas Geld gekommen. Nun erfahre ich, dass der Kaiser Kriegsvolk braucht. Läuft es dann so, dass ich selbstständig Soldaten werbe, diese dann unter das Kommando meines Obristen stelle und jener wiederum sie dem Kriegsherrn zur Verfügung stellt?

Im Prinzip ja, üblicherweise bekamen die Obristen jedoch das Geld von ihrem Auftraggeber vorgestreckt. Wenn jemand es auf eigene Kosten machte, konnte es sehr schnell passieren dass er dieses Geld nicht wiedersah und ihm die Truppe davonlief. Es sind auch komplette Regimenter zum Feind übergelaufen oder haben die von ihnen gehaltenen Städte oder Festungen an den Feind verkauft (mehrfach in den Niederlanden geschehen).

Es hat aber definitiv Leute gegeben die dieses Risiko eingingen. Wallenstein war z.B. reich genug um sich dieses Risiko erlauben zu können.

Wenn auch Infanterie und Artillerie in verschiedene Regimenter eingeteilt waren, dann mussten sie sich aber doch trotzdem irgendwie zusammen bewegen, um für eventuelle Kämpfe verfügbar zu sein?
Es gab damals noch nicht eine eigene Waffengattung der Artillerie. Die Geschützmeister und die Fuhrknechte waren oft eigentlich Zivillisten (wenn man diese Unterscheidung damals überhaupt stellen kann) und mehr Handwerker als Soldaten. Kleinere Feldstücke wurden direkt von den Regimentern mitgenommen und bedient, große Kanonen und Mörser wurden vom Feldherrn mitgeführt, z.B. als Belagerungstrain, ohne in eigene Regimenter organisiert zu sein. Städte hatten oft einen beeindruckenden Artilleriepark (z.B. Nürnberg), den sie auch gelegentlich mit oder ohne Bedienung vermieten konnten.
 
Im Prinzip ja, üblicherweise bekamen die Obristen jedoch das Geld von ihrem Auftraggeber vorgestreckt. Wenn jemand es auf eigene Kosten machte, konnte es sehr schnell passieren dass er dieses Geld nicht wiedersah und ihm die Truppe davonlief. Es sind auch komplette Regimenter zum Feind übergelaufen oder haben die von ihnen gehaltenen Städte oder Festungen an den Feind verkauft (mehrfach in den Niederlanden geschehen).

Es hat aber definitiv Leute gegeben die dieses Risiko eingingen. Wallenstein war z.B. reich genug um sich dieses Risiko erlauben zu können.
Nun ja, das ist schon klar; und schließlich haben die das ja nicht aus Vaterlandsliebe gemacht, sondern um des Reibachs willen. Aber es konnte ja auch nicht jeder einfach so zum Kriegsunternehmer werden - dazu war schon ein gewisser Background notwendig, oder täusche ich mich da?

Es gab damals noch nicht eine eigene Waffengattung der Artillerie....
Ich hatte mich verschrieben, ich meinte Kavallerie. Aber der Rest deiner Ausführungen ist sehr interessant, danke dafür.
 
Angenommen, ich bin durch eine reiche Heirat, durch Erbschaft oder dubiose Geschäfte zu etwas Geld gekommen. Nun erfahre ich, dass der Kaiser Kriegsvolk braucht. Läuft es dann so, dass ich selbstständig Soldaten werbe, diese dann unter das Kommando meines Obristen stelle und jener wiederum sie dem Kriegsherrn zur Verfügung stellt?

Das wäre eher selten. Viele Söldnerhauptleute in der Anfangszeit des Krieges waren Adelige, häufig jüngere Söhne ohne Erbanspruch, die bereits an den Höfen und in den Armeen dienten. So war Wallenstein vor seiner Zeit als Oberst und später General schon Fähnrich in einem Landsknechtregiment. Auf protestantischer Seite hatte z.B. Christian von Braunschweig eine solche Biographie. Andere waren Bürgerliche, die es schafften genug vom Sold zu sparen, dass sie als Stabshauptmann sich eine eigene Kompanie einkaufen konnten. Völlig ohne militärischen Hintergrund war es schwer den benötigten Vorschuss zur Aufstellung einer Armee zu bekommen.

Wenn auch Infanterie und Artillerie in verschiedene Regimenter eingeteilt waren, dann mussten sie sich aber doch trotzdem irgendwie zusammen bewegen, um für eventuelle Kämpfe verfügbar zu sein?
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Ich hatte mich verschrieben, ich meinte Kavallerie.

Ein Heer bestand aus mehreren Regimentern, die einem General oder Marschall unterstellt waren. Diese koordinierten ihre Einheiten. Natürlich bewegten diese sich dann gemeinsam. Kavallerie ritt ja auch nicht die ganze Zeit durch die Gegend, sondern zog mit den anderen Truppen.
 
2. Wie waren die Regimenter organisiert?
Gab es damals eine strikte Trennung zwischen Infanterie- und Kavallerieregimentern, oder war das eher gemischt? Und wurden die Soldaten innerhalb der Lager, z. B. innerhalb eines Fähnleins, nach Waffenarten getrennt?.


Im siebzehnten Jahrhuntert fand der Übergang von der "Pike" zur "Muskete" statt. Deutlich sieht man es an der Veränderung in der französischen Armee unter Ludwig XIV.

Die Veränderung wird an der Zusammensetzung der Einheiten deutlich und ist Teil der "revolution in military affairs (RMA)

1622: 10 Reihen tief, 3 Piken für 2 Musketen
1630: 8 Reihen tief, 1 P für 1 M
1650: 6 Reihen tief, 1 P für 2 M
1680: 5 Reihen tief, 1 P für 3 M
1695: 5 Reihen tief, 1 P für 4 M bzw. Füsiliere
1705: 4 Reihen tief, nur Füsiliere (relativ großer Abstand)
1750: 3 Reihen tief, nur Füsieliere (veringerter Abstand)
(vgl. Knox, Figure 3.1 und bezieht sich auf Lynn, S. 476)

The Dynamics of Military Revolution, 1300-2050 - Google Books


Giant of the Grand Siècle: The French Army, 1610-1715 - John A. Lynn - Google Books

Der Übergang erklärt sich zum einen aus der Industrialisierung des Krieges und der damit zusammenhängenden Standardisierung der Waffen und auch des Einsatzse und somit auch der Art des Trainings der Soldaten.

Der Druck zur Vereinheitlichung der Kriegsführung ergibt sich, so Knox, aus dem sehr komplizierten Zusammenspiel der Pikeniere mit den Musketieren, die während des Gefechts relativ komplizierte Manöver bis zur "endgültigen" Gefechtsaufstellung durchführen mußten.

Insgesamt sehr informativ ist zudem das Buch von Baumann zu dem Thema Landsknechte. Es beantwortet eine Vielzahl Deiner Probleme sehr differenziert zumindest für das 16.te Jahrhundert, in dem diese oben beschriebenen Veränderungen sich erst rudimentär abzeichneten.

Landsknechte: Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum ... - Reinhard Baumann - Google Books
 
Das wäre eher selten. Viele Söldnerhauptleute in der Anfangszeit des Krieges waren Adelige, häufig jüngere Söhne ohne Erbanspruch, die bereits an den Höfen und in den Armeen dienten. So war Wallenstein vor seiner Zeit als Oberst und später General schon Fähnrich in einem Landsknechtregiment. Auf protestantischer Seite hatte z.B. Christian von Braunschweig eine solche Biographie. Andere waren Bürgerliche, die es schafften genug vom Sold zu sparen, dass sie als Stabshauptmann sich eine eigene Kompanie einkaufen konnten. Völlig ohne militärischen Hintergrund war es schwer den benötigten Vorschuss zur Aufstellung einer Armee zu bekommen.
Wallensteins Biographie ist mir gut bekannt, mir geht es eher um die "kleinen" Leute, und da finden sich leider wenige Quellen. Was du schreibst, habe ich mir so ähnlich schon gedacht, vielen Dank für die Bestätigung.
 
Insgesamt sehr informativ ist zudem das Buch von Baumann zu dem Thema Landsknechte. Es beantwortet eine Vielzahl Deiner Probleme sehr differenziert zumindest für das 16.te Jahrhundert, in dem diese oben beschriebenen Veränderungen sich erst rudimentär abzeichneten.

Landsknechte: Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum ... - Reinhard Baumann - Google Books
Vielen Dank für den Tip, das werde ich mir mal ansehen. Ich denke im übrigen, dass gerade die alltäglichen Dinge sich im Vergleich zur Landsknechtszeit nicht so wesentlich verändert haben dürften. Auf jeden Fall nicht im gleichen Maß wie die strategische Kriegsführung und die große Politik.
 
»Ich denke im übrigen, dass gerade die alltäglichen Dinge sich im Vergleich zur Landsknechtszeit nicht so wesentlich verändert haben dürften«

Aber ja. Ein altgedienter Landsknecht aus dem 16. Jahrhundert hätte eine jungen Drillmeister aus dem 17. Jahrhundert nur sehr schlecht oder gar nicht verstanden. Die hätten einfach aneinander vorbei geredet oder der Alte hätte den Kopf geschüttelt, nach dem Motto: »Wat issden jetz schon widder alles alla Mode?«

Allein die Oranische Heeresreform brachte einen gewaltig frischen Wind in die Organisation des Militärs. Tilly war noch der festen Überzeugung, dass ein Heer von mehr als 40.000 Mann nicht zu lenken sei. Er wurde noch zu Lebzeiten eines Besseren belehrt.

Denkt man nun noch über die Veränderungen von Technik, Kunst, Mode, Umgangston und Verhalten der Menschen etc. nach, so zeichnet sich ein deutlich differenziertes Bild des Alltages zur Zeit der »Landsknechthaufen« ab.
 
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