Verfassungsgeschichte des Reiches

Harlequin

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Hallo liebe Community,

Ich besuche ein Proseminar zum Thema "Karl V. und seine Zeit". Mein Thema wird "Karl V. und die Reformation" sein, wobei ich konkret sein Verhältnis zu Luther in den beiden Reichstagen 1521 und 1530 ausarbeiten soll.
Für meine Arbeit möchte ich mich nur auf die Auseinandersetzung 1521 konzentrieren.

Hierfür scheinen mir aber einige gesellschaftliche und politische Fragen essentiell:

- Wie wurde denn damals mit verurteilten Häretikern verfahren?
- Welche formalrechtliche Wege hatte ein Landesfürst, wenn er Interesse an einem verurteilten Bürger hatte?
- War der Kaiser reichsrechtlich verpflichtet, über eine vom Kirchenbann betroffene Person die Reichsacht zu verhängen?
- Welche konkreten Kompetenzen hatte denn der Reichstag in Fragen der Häresie?
- Welche gesellschaftliche Bedeutung hatte es, einen verurteilten Häretiker im Reichstag anzuhören? Welche rechtlichen Konsequenzen waren hier zu befürchten?

Anders formuliert: Um den Sonderfall Luther besser einschätzen zu können, würde ich vorher gerne einmal den formal-rechtlichen Alltag verstehen lernen...der realpolitische ist dann noch einmal ein anderes Thema ;)

Welche Literatur könnt ihr zur Verfassungsgeschichte Reiches empfehlen? (am besten erstmal ein schmaleres Überblickswerk, zum Einlesen)
Hättet ihr sonst eine Buchempfehlung, welche mir bei meinen Fragen helfen könnte? :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Gut für den groben Überblick, zwar nicht das lebendigste Buch, dafür auch knapp und übersichtlich: Gerhard Oestreich, Verfassungeschichte vom Ende des Mittelalters bis zum Ende des Alten Reiches, 1978.

Sonst bin ich nicht weit genug drin im Thema, um wirkliche Details zu liefern. Eigentlich gab es keine gesamtstaatliche Strafgerichtbarkeit des Reiches; diese Fälle wurden in den unzähligen Gerichten der Landesherren abgehandelt.

Der Kaiser konnte aber natürlich die Reichsacht verhängen, die wiederum schon auch mit dem Kirchenbann verknüpft war. Da lag in den meisten Fällen der Häresie wohl die Initiative der Anklage und Verhängung des Bannes bei der Kirche. So war es ja auch bei Luther - erst verhängte der Papst den Kirchenbann, dann der Kaiser die Reichsacht.
Solche Verfahren bewegten sich ganz innerhalb der Jurisdiktion der Kirche. Dass Kirchen auch weltlicher Kontrolle unterstanden, war erst ein Ergebnis der Reformation (und dann natürlich in den protestantischen Staaten).

Ob es bei der Reichsacht die Möglichkeit einer "Berufung" gab, entzieht sich meiner Kenntnis, glaube ich aber eher nicht.
 
Gut für den groben Überblick, zwar nicht das lebendigste Buch, dafür auch knapp und übersichtlich: Gerhard Oestreich, Verfassungeschichte vom Ende des Mittelalters bis zum Ende des Alten Reiches, 1978.

Bzw. Michael Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte vom Alten Reich bis Weimar (1495-1934), Heidelberg 2008

Nach meinem unmaßgeblichen Verständnis war der Kaiser verpflichtet, dem Kirchenbann die Reichsacht folgen zu lassen, nur hatte er sich in der Wahlkapitulation eben auch verpflichtet, "die Reichsacht nur noch nach einer ordentlichen Anhörung des zu Ächtenden zu verhängen".

"... Doch auf dem Reichstag zu Worms forderten die Reichsstände von Karl die Einhaltung der in der Wahlkapitulation gemachten Zusage, derzufolge kein Reichsuntertan ohne seine Ahnörung in die Reichsacht gestellt werden durfte. Der Kaiser gestand widerstrebend die Ladung Luthers vor den Reichstag zu; allerdings nur - insoweit immer noch dem Wortlaut der Kapitulation zuwider -, als er ihm keine Gelegenheit zur Rechtfertigung seiner Lehren einräumen, sondern ihn lediglich zu deren öffentlichen Widerruf auffordern wollte."

Nachdem Luther angehört worden war und den Widerruf verweigert hatte, führte an der Reichsacht (wiederum nach meinem unmaßgeblichen Verständnis) kein Weg mehr vorbei.
 
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