Absolutismus in England

Jules

Mitglied
Hi Leute,
weiß von euch zufällig jemand etwas über den Absolutismus in England? In Frankreich ist er ja durch Ludwig XIV. entstanden und irgendwie weiß auch jeder davon. Aber wie sah er denn in England aus und wann entstand er dort? Die haben doch dort schon recht früh so was ähnliches wie einen Reichstag (mit Unter- und Oberhaus und so...(?)) gehabt, so weit ich mich erinnere.... .
 
England hat niemals so weitgehende Tendenzen zum Absolutismus gehabt wie etwa das ludovizianische Frankreich - eher im Gegenteil, eine schon sehr früh entstandene ständisch-parlamentarische Mitsprache und damit einhergehend eine entsprechende Kontrolle königlicher Macht (Magna Charta 1215) haben so etwas immer verhindert.

Das, was am ehesten an einen absolutistischen Herrschaftsstil in England herankommt, ist die Epoche der Stuart-Könige im 17. Jahrhundert. Allerdings waren da die Gegensätze zwischen einer uneingeschränkten königlichen Gewalt und parlamentarischen (Adels-)Rechten ein nicht unerheblicher Grund dafür, dass Großbritannien zur Mitte dieses Jahrhunderts in einen Bürgerkrieg gerutscht ist. Spätestens mit der Glorious Revolution 1688 und der Declaration of Rights 1689 war der Absolutismus als Modell für das englische Königtum definitv unmöglich geworden.

Interessanterweise kommt aber mit Thomas Hobbes gerade der politische Theoretiker aus dem England dieser Zeit, der mit seinem "Leviathan" den unumschränkten absoluten Machtstaat am radikalsten und konsequentesten gedacht hat.
 
Zitat Herold :
...Das, was am ehesten an einen absolutistischen Herrschaftsstil in England herankommt, ist die Epoche der Stuart-Könige im 17. Jahrhundert. Allerdings waren da die Gegensätze zwischen einer uneingeschränkten königlichen Gewalt und parlamentarischen (Adels-)Rechten ein nicht unerheblicher Grund dafür, dass Großbritannien zur Mitte dieses Jahrhunderts in einen Bürgerkrieg gerutscht ist...
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Doch sollte man die Zeit des persönlichen Regiments O.Cromwells ansprechen.
Es hatte meiner Meinung nach wenigstens zeitweise Merkmale einer Militärdiktatur . Das Parlament stand grundsätzlich für die Monarchie und wollte seine siegreiche Armee entlassen,die ihr die Existenz gerettet hat. Die einflußreichen Independenten um Cromwell in der Armee wollten keinen König mehr und erklärte sich selbst zum Organ des politischen und religiösen Volkswillen. Es folgte praktisch ein Militärputsch mit z.Teil religiös begründeten
Argumenten. Der ebenfalls relig. begründete Rachefeldzug gegen Irland 1650 brachte Enteignung und Fremdbesiedelung durch engl.Offiziere und Spekulanten. Die Vergewaltigung
des irischen Volkes stellt bekanntlich bis heute eine offene Wunde in Europa dar.
Somit hat die Episode O. Cromwell doch das Gesicht Englands für lange Zeit geprägt. :teach:
 
Stimmt alles, aber dennoch sind Absolutismus und Militärdiktatur zwei ziemlich verschiedene Dinge - die Herrschaft Cromwells als Lordprotektor würde ich deshalb nicht als absolutistische Herrschaft charakterisieren.


arcimboldo schrieb:
das Parlament stand grundsätzlich für die Monarchie

Dumm nur, dass die Stuart-Monarchie nicht grundsätzlich für das Parlament einstand... ;)
 
Herold schrieb:
Stimmt alles, aber dennoch sind Absolutismus und Militärdiktatur zwei ziemlich verschiedene Dinge - die Herrschaft Cromwells als Lordprotektor würde ich deshalb nicht als absolutistische Herrschaft charakterisieren.

Absolutismus sagt doch eigentlich nur aus, dass ein Herrscher die uneingeschränkte Macht im Staat hat, ist es dann also nicht egal, wie er dass letztendlich durchsetzt?
 
Zitat Herold :

Stimmt alles, aber dennoch sind Absolutismus und Militärdiktatur zwei ziemlich verschiedene Dinge - die Herrschaft Cromwells als Lordprotektor würde ich deshalb nicht als absolutistische Herrschaft charakterisieren.
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In der Definition der Begriffe sehe ich das auch so, absolutistisch als Eigenschaft von Cromwells Regiment ? ..dem kannst Du vielleicht zustimmen. Mußte er sich nicht durch die Ideen Hobbes bestätigt sehen. Hobbes selbst, der ja Zeitgenosse und Zeitzeuge der Vorgänge war akzeptierte Cromwell schlußendlich doch und kam bewußt nach England zurück.
Ob Cromwell sich bewußt auf Theorien von Hobbes gestützt hat, wie Richelieu und Ludwig XIV. z.B. auf Bodin, weiß ich aus dem Ärmel nicht. Für Cromwell spielte wohl die puritanische
Lesart des Calvinismus die große Rolle incl. der eingesetzten Machtmittel,um den Willen Gottes, der sich ihm als siegreicher Heerführer geoffenbart hat,durchzusetzten. Insofern sehe ich es wie Jules hier anmerkt. :idee:
 
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Jules schrieb:
Absolutismus sagt doch eigentlich nur aus, dass ein Herrscher die uneingeschränkte Macht im Staat hat, ist es dann also nicht egal, wie er das letztendlich durchsetzt?

Hinter dem Begriff des Absolutismus steht ein umfangreicheres, tiefergehendes System der Herrschaftsorganisation als hinter dem Begriff der Militärdiktatur. Natürlich hat ein absolutistischer Herrscher die volle Verfügungsgewalt über die Armee, aber daneben hat er noch in vielen anderen Teilbereichen des Staatswesens eine herausgehobene Position (z.B. Politik, Kirche, Zeremoniell), die ihm eine umfassendere Bedeutung geben, als jemand, der "nur" mittels Verfügbarkeit über das Militär Macht ausübt.

Übrigens sollte man vorsichtig sein mit der Einschätzung des absolutistischen Herrschers als mit uneingeschränkter Macht ausgestatteter Person. Die moderne Absolutismus-Forschung hat gerade in letzter Zeit das Unabsolutistische im Absolutismus betont. Dazu ein Zitat aus der 12. Auflage des Fuchs/Raab, einem Wörterbuch zur Geschichte:

[...] Göttliches und menschliches Gesetz, das persönliche Gewissen, das gute alte Recht, Herkommen, Parlamente bzw. Stände, gesellschaftliche Struktur (besonders der Adel) ziehen dem Absolutismus Grenzen. Die staatsfreie Sphäre der Zeit des Absolutismus war vielfach größer als in modernen Staatswesen. [...]



Arcimboldo schrieb:
absolutistisch als Eigenschaft von Cromwells Regiment ? ..dem kannst Du vielleicht zustimmen.

Generell kenne ich mich dann doch zu wenig mit den Spezifika Cromwell'scher Herrschaft aus, als dass ich mich da auf so eine grundsätzliche Debatte einlassen könnte. Aber allein die Tatsache, dass das Parlament noch seine Macht besaß in Verbindung mit einem fehlenden königlichen Hof als politischem und gesellschaftlichem Gravitationszentrum des Staates verbietet doch eigentlich schon eine Einstufung als absolutistische Herrschaft, oder?
 
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Nach dem Tod Karls I. schaffte das Rumpfparlament,welches schon mehrheitlich aus Parteigängern Cromwells bestand,die Monarchie ,die Staatskirche und das Oberhaus ab.
Die Legislative lag bei einem Einkammerparlament mit Cromwell als Staatsratsvorsitzenden.

Das Rumpfparlament versprach freie Wahlen, aber lößte das Versprechen nicht ein,da eine
royalistische Rennaissance drohte. Das Rumpfparlament öffnete sich für gemäßigte Kräfte wieder,doch Cromwell, von erfolgreichen Schlachten aus Irland und Schottland zurück,
lößte es mit Gewalt auf und besetzte die´Regierung mit seinen Leuten ,um einen theokratischen Staat im Sinne der puritanischen Wortführer aufzubauen.
Na wenn das bis jetzt noch keine Merkmale einer absolutistischen Regierungsform sind,greift mir die Schuldefinition zu kurz. :teach:
 
Abschaffung des bestehenden Staatssystems, Auflösung eines opponierenden Parlaments und Einsetzung willfähriger Entscheidungsträger durch einen putschenden Oberbefehlshaber klingt mehr nach einem Staatsstreich in der Moderne als nach Absolutismus in der Frühneuzeit.

Der Absolutismus schaffte nämlich kein bestehendes Staatssystem ab (sondern stellte sich bewusst in dessen Tradition), löste keine Parlamente bzw. Ständevertretungen auf (sondern entzog ihnen ihre tatsächliche Macht bei gleichzeitiger Beibehaltung ihrer Existenz) und vollzog niemals einen Bruch mit traditionellen Aspekten der Herrschaft wie durch einen Putsch oder eine Revolution (sondern wuchs sich langsam zu seiner tatsächlichen Macht aus).

Außerdem fehlt mir bei Cromwell diese zentrale Konzentration auf eine monarchische Spitze mit dem (sakralen) Anspruch, in seiner Person, den gesamten Staat zu repräsentieren ("L'État, c'est moi") - Cromwell war ja gerade Lordprotektor, also der Beschützer eines republikanischen Systems, etwas, was für Ludwig XIV. und sein Selbst- und Staatsverständnis beispielsweise absolut unmöglich gewesen wäre. Außerdem fehlt in England unter Cromwell vollkommen der höfische Aspekt; Versailles im Vergleich dazu war ja nicht nur ein Gebäude, sondern das pulsierende Herz des gesamten französischen Absolutismus. Und, wie gesagt, dann noch ein Parlament mit relativ weitgehender Macht, gar als zentraler Bestandteil des Staates, das widerspricht dem Absolutismus ja nun vollkommen.

Absolutistisch war England unter Cromwell somit wohl eher nicht.
 
Herold schrieb:
Cromwell war ja gerade Lordprotektor, also der Beschützer eines republikanischen Systems.
Absolutistisch war England unter Cromwell somit wohl eher nicht.

Der Gute hat doch schon 3 oder 4 Jahre, nachdem er als Vorsitzender gewählt worden war, das Parlament abgeschafft (1653). Also regierte er danach als "Diktator" bis zu seinem Tod.
Danach wurde Karl (?) II. zum König ernannt, war allerdings wieder an das neu gegründete Parlament gebunden. Sein Nachfolger Jakob II. versuchte wieder, die absolutistische Herrschaft zu erlangen und unterstützte vor allem den Katholizismus, wurde aber 1688 gestürzt.

Bleibt nun die Frage, Absolutismus oder nicht. Der Sohn von Maria Stuart (war das nun Karl o. Jakob I. ich verwechsle die beiden immerzu) versuchte, einen absolutistischen Staat nach französ. Vorbild zu schaffen, was ihm aber nur teilweise gelang, das Parlament blieb meiner Meinung nach bestehen....sein Nachfolger wiederum wurde 1649 geköpft....also auch kein Absolutismus.........bleibt ja dann nur noch Cromwell übrig!

Das hab ich noch unter dem Link www.uni-muenster.de gefunden:

Absolutismus als Staatsform meint die Lösung des Monarchen von ständischer Mitwirkung und gesetzlichen Schranken und die Durchsetzung einheitlicher, souveräner, zentralisierter Staatsgewalt in der Hand des Königs; als exemplarisch galten Spanien, Frankreich und Preußen. In der FNZ selbst gab es den Begriff noch nicht, wohl aber die Formel legibus soluta potestas (von den Gesetzen gelöste Gewalt) und den Begriff monarchia absoluta (unumschränkte Monarchie) im Gegensatz zur monarchia mixta („Mischverfassung“ mit Teilhabe von Adel und „Volk“, Vorbild England).

Also was denn nun..... :confused: ??
 
Jules schrieb:
Der Gute hat doch schon 3 oder 4 Jahre, nachdem er als Vorsitzender gewählt worden war, das Parlament abgeschafft (1653). Also regierte er danach als "Diktator" bis zu seinem Tod.

Cromwell hatte zwar im April 1653 das Rumpfparlament aufgelöst, aber bereits im Juli desselben Jahres ein neues Parlament einberufen (das Parliament of Saints). Auch nachdem das Instrument of Governance ihn im Dezember 1653 zum Lordprotektor ernannt hatte (die ihm angetragene Königswürde hat Cromwell abgelehnt!), wurde das Parlament regelmäßig einberufen. Es kann also keine Rede davon sein, dass Cromwell ohne Parlament geherrscht hätte (das entsprach auch wohl überhaupt nicht seinen Wünschen).

Ansonsten ist das genannte Instrument of Governance auch insofern interessant, weil hier folgende Dinge klargestellt werden: Die Souveränität des Staates "ruhe auf einer Person [= der Lordprotektor Oliver Cromwell] in Gemeinschaft mit dem Volk, wie es sich im Parlament versammelt". Die Befugnisse des Lordprotektors entsprachen zumeist den früheren königlichen Prärogativen, wohl aber mit der Einschränkung, dass das Parlament ganz klassisch das Bewilligungsrecht innehatte. Das ist somit ganz klar eine adelig-ständisch-parlamentarische Mitregierung und definitiv kein absolutistisches System.

Selbst die Probleme zwischen Cromwell und dem Parlament in den folgenden Jahren bis zu seinem Tod änderten nichts Grundsätzliches an der Machtverteilung zwischen beiden Seiten.

Mit der Restauration seit 1660 verlor das Parlament gegenüber der Krone wieder einen Teil seiner Macht, verlor aber niemals seine zentrale Stellung im Herrschaftssystem.
 
In der eigentlichen Bedeutung des Wortes "Absolutismus "als Staatsform war England wohl nicht geraten durch Cromwell, einige Aspekte sehe ich als absolutistisch.
Wenn Cromwell die ihm angebotenene Krone angenommen hätte, was er nach einigem Zögern
abgelehnt hat ,wäre es möglicherweise dazu gekommen. Als Auserwählter sah er sich und brachte damit durchaus Vorraussetztung für ein Gottesgnadentum mit. Die parlamentarischen Muskeln waren aber insgesamt schon so gut entwickelt, daß eine absolutistische Monarchie für Cromwell keinen Reiz mehr haben konnte. ;)
 
Gottesgnadentum ist aber kein Spezifikum des Absolutismus. Zwar beanspruchten absolutistische Herrscher das Gottesgnadentum für ihre Herrschaft, ebenso aber auch vor- und nach-absolutistische Monarchen. Gottesgnadentum kann somit kaum als Kriterium für "absolutistische Aspekte" von Cromwells Herrschaft angesehen werden. (Zumal ich mir sehr unsicher bin, ob eine Stellung, wie sie Cromwell angenommen hat, überhaupt irgendwie mit Gottesgnadentum in Verbindung gebracht werden kann - war er doch viel eher Herrscher von des Militärs Gnaden, vielleicht noch von des Parlaments Gnaden.)

Was soll denn deiner Meinung nach sonst noch so zu den "absolutistischen Aspekten" seiner Herrschaft gehören?
 
Herold schrieb:
Gottesgnadentum ist aber kein Spezifikum des Absolutismus. Zwar beanspruchten absolutistische Herrscher das Gottesgnadentum für ihre Herrschaft, ebenso aber auch vor- und nach-absolutistische Monarchen. Gottesgnadentum kann somit kaum als Kriterium für "absolutistische Aspekte" von Cromwells Herrschaft angesehen werden. (Zumal ich mir sehr unsicher bin, ob eine Stellung, wie sie Cromwell angenommen hat, überhaupt irgendwie mit Gottesgnadentum in Verbindung gebracht werden kann - war er doch viel eher Herrscher von des Militärs Gnaden, vielleicht noch von des Parlaments Gnaden.)

Was soll denn deiner Meinung nach sonst noch so zu den "absolutistischen Aspekten" seiner Herrschaft gehören?
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Das "Gottesgnadentum" hätte möglicherweise eine Rolle gespielt,wenn Cromwell die Krone angenommen hätte. Dies ist natürlich Spekulation und gehört nicht zum Thema.
Deiner Analyse zum Absolutismus kann ich unbedingt folgen. Es handelt sich hier eher um eine
Militärdiktatur,jedenfalls zeitweise.
,Wenn die engl. Gesellschaft eine theokratische Entwicklung mitgemacht hätte, welche radikal-puristische Kreise vorgehabt haben,sähe das Land heute ganz anders aus. Cromwell selbst sah sich ja durchaus als Werkzeug Gottes,ganz im Sinne
des Calvin mit seinem theokratischen "Experiment" in Genf. Aber wie gesagt, das gehört in die Rubrik "was wäre wenn" . ;)
Ich bewundere jedenfalls die nonkonformistische Lebensweise der Engländer, die in großem Maße durch die Vorgänge um den Streit der richtigen Religion damals entstand. ;)
 
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Habe mir jetzt mal die Meinung eines Studierten eingeholt; sprich meines Geschichtslehrers:
:teach:
England war de facto NIEMALS hundertprozentig ein absolutistisches Land! Es wird oft als Absolutismus bezeichnet, so meist in Schulen, da das Parlament z.B. unter Elizabeth I. (eigentlich schon unter Heinrich VIII.) und den zwei nachfolgenden Königen nicht viel zu sagen hatte. Praktisch waren sie also Alleinherrscher.....weil das Parlament jedoch nicht aufgelöst wurde, ist der Begriff Absolutismus damit eindeutig nicht berechtigt!
 
England war doch schon immer eine Konstitutionelle Monarchie. Allerdings gab es einen König, der absolutistisch regieren wollte. Jakob I.. Der Sohn von Maria Stuart kam nach dem Tod von Elisabeth I. auf den Thron. Nach französichem Vorbild setzte er das Parlament ab und regierte absolutistisch. Allerdings nicht lange, denn nach seinem Tod übernahm sein Sohn Karl I. die Königswürde. Doch schon 1642 brach der Bürgerkrieg aus und Cromwell nimmt 1647 Karl gefangen. Karl wird dann 1649 hingerichtet. Somit war die absolutistische Zeit nach wenigen Jahren schon wieder vorüber.
 
Noch mal eine Bitte: Ich soll ein Plakat zum Thema Absolutismus in England (o auch nicht) erstellen. Hat jemand von euch einen guten Link für mich?
Danke schon mal im Voraus!
 
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