Als Quelle habe ich zunächst kurz in einem von
jschmidt einst empfohlenen Lehrbuch der Geschichtsphilosophie des Rickert Schülers Mehlis (
http://www.geschichtsforum.de/489142-post4.html) nachgeschaut.
Zumindest was Kant betrifft, vermittelt seine Geschichtsphilosophie höchstens eine Spur "religiösen Heilsversprechens"; "religös" würde ich gar ganz streichen - allerdings lassen sich da auch Gegenargumente finden (siehe unten), wohl nicht nur, wenn man die Metapher des Sündenfalls im theologischen Kontext interpretiert; "-versprechen" stimmt eigentlich auch nicht; eigentlich würde ich nur sagen, daß vielleicht die Idee eines gewissen "Heils" des zu erlösenden Menschengeschlechts als Hoffnung impliziert wird; die Fortschrittsidee dabei wäre auch eher ein Projekt in einem existentialistischen Sinne.
Wie es sich auch mit meiner spontanen Interpretation verhält (ich muß zugeben, daß ich gewiß viel zu wenig Kant gelesen habe als daß ich behaupten würde, ich hätte etwas verstanden), sei dahingestellt. Daher habe ich mich denn doch entschieden, noch ein paar Minuten in Eugen Drewermanns Habilitationsschrift
Strukturen des Bösen (Bd. III) reinzuschauen. Drewermann schreibt z. B. auf Seite 7: "Es bedarf das empirische Subjekt einer unendlichen Anstrengung in der Vervollkommnung seines emprischen Charakters den Forderungen des Sittengesetzes zu entsprechen" - er verweist auf Kants
Metaphysik der Sitten (VIII) sowie auf die
Kritik der praktischen Vernunft (VII), worin deutlich werde, daß das empirische Subjekt "diese unendliche Aufgabe" aber nicht lösen könne; es könne "aber auch nicht sein, daß die Forderung des Sittengesetzes sinnvoll gedacht werden kann, solange sie als schlechthin unerfüllbar gelten muß." Drewermann stellt daher dezidiert fest, daß die "Forderung des Sittengesetzes" notwendigerweise nur im Hinblick auf die Annahme eines "unendlichen Progressus" sinnvoll bleibe, in dem das Subjekt dem Sittengesetz entsprechen könne bzw. "m. a. W. wir müssen als Träger dieses unendlichen Progressus die Unsterblichkeit der Seele postulieren, deren objektive Realität wir theoretisch nicht zu erkennen vermögen."
Man muß bei Drewermanns Argumentation allerdings berücksichtigen, daß er Kant mehr oder weniger explizit in einem moraltheologischen Kontext reinterpretiert; oder gar polemisch formuliert: daß er Kant in seinen "dogmatischen Schlummer" (Prolegomena V) zurückversetzt!