Aufwand bei hochadeligen Reisen im 18.Jh.

Brissotin

Aktives Mitglied
Ich will ein andermal auch auf andere Reisen des 18.Jh. kommen, hier aber erstmal den Brautzug der Erzherzogin Maria Antonia vorstellen. Wegen dem Umfang beginne ich mti einer Zusammenfassung der Vorbereitungen. Ein bisschen schöpfe ich, man möge es mir nachsehen, aus Quellen, die ich bereits in anderem Zusammenhang hier im Forum angeführt habe.

Kontext
Ersteinmal dürfte es wichtig sein, wie eine solche Reise einzuordnen ist. Gertrud Beck bezeichnet den Brautzug Maria Antonias als "letzten großartigen Hofreisezug des 18.Jahrhunderts". Wie ist das nun zu verstehen? Das Jahrhundert hatte ja noch 3 Jahrzehnte.
Einleuchtend wird es, wenn man sich vergegenwärtigt welche Formen der Reise es gab. Ich will die Reisen der Angerhörigen regierender Häuser (von souveränen Reichsgrafen bis zum Kaiserhaus) ganz grob in zwei Arten unterteilen: inoffizielle und offizielle Reisen.
Mit dem Fortschreiten des Jahrhunderts wurde Letzteres generell eher die Regel. Warum, das ersieht man aus dem Aufwand den die offiziellen Reisen und nicht nur diejenige der Dauphine von Frankreich mit sich brachten.
Was bedeutete nun eine offizielle Reise? Das bedeutete, dass man sämtlichen zeremoniellen Pflichten genügen musste. Es wurde erwartet, dass beim offiziellen Einzug Salutschüsse gelöst wurden, der Reisende sich generös zeigte und auch die Begrüßungen der Einwohner oder zumindest des Staatsoberhauptes des Gebietes, durch das man kam, entgegen nahm. Es wurde erwartet, dass man eine entsprechende Entourage dabei hatte und von ansässigem Adel eingeladen wurde. Das hieß natürlich, dass so eine Reise ungemein kostenintensiv wurde und auch weitaus längere Zeit als eine inoffizielle in Anspruch nahm. Ettliche Wagen und eine große Eskorte war dabei keineswegs dem Kaiserhaus vorbehalten. Auf offiziellen Reisen nahmen auch kleinere Souveräne einen großen Teil ihres Hofstaates mit. So reiste Herzog Carl Eugen von Württemberg 1759 nach Italien (!) mit 120 Personen seines Hofstaates.* Und selbst ein Reichsgraf von Hohenlohe-Weikersheim brachte es um die Jahrhundertmitte auf über 40 Personen (von 100) seines Hofstaates, die er mit auf eine Kurreise nahm. Da war von Hofkavalieren bis zum Kochpersonal alles dabei.** Man kann sich wahrscheinlich die damit verbunden Wagenkolonnen vorstellen und auch die Massen von Pferden, welche für solche Reisen gebraucht wurden. Gerade wenn man kleinere Territorien durchquerte vermag man sich vielleicht auch auszumalen, wie oft eigentlich Station gemacht worden sein muss, um gegen einen Potentaten keinen Affrond zu begehen.

Wenn man die Unsummen für solche Reisen sparen wollte, blieb nichts anderes übrig als inkognito zu reisen, was vom halbwegs berühmten Künstler, über den kleinen Adeligen bis hin zu gekrönten Häuptern von allen praktiziert wurde. Viele Kleinstaaten hätten sich sicher noch mehr ruiniert, wenn sie ihre Prinzen auf den Bildungsreisen (ob Grand Tour oder nur Fahrt in die nächste Universität) unter ihren echten Namen und mit entsprechenden Gepränge geschickt hätten. Friedrich II. reiste 1740 inkognito durch Deutschland, kam aber in Frankreich nicht sonderlich weit, weil er gebeten wurde, entweder sich zu erkennen zu geben oder zurück zu fahren. Dann dürften auch die Reisen Joseph II. als Graf von Falkenstein, die Gustav III. von Schweden nach Versailles und diejenigen des Zarewitsch Paul, die ihn nach Versailles führte, sehr berühmt sein. Bei diesen Reisen begleitete eine kleine Schar von Getreuen den Herrscher, oft waren es Spitzenvertreter der Hofhierachie oder Freunde. Bei den Grand Tours der Prinzen wurde diesen ein Hofmeister als Erzieher, ein etwa gleichaltriger Gefährte aus niederem Adel und eine überschaubare Zahl von Bedienten auch bisweilen Musiker mitgegeben.

Bei den Brautzügen wurde allerdings in der Regel noch immer auf großen Aufwand Wert gelegt. Mir sind mehrere Brautzüge thüringischer Fürstenhäuser sowie der große Brautzug der Queen Charlotte bekannt. Die Zwischenstationen bei Letzterem waren ähnlich feierlich begangen worden wie im Falle Maria Antonias, auch wenn Charlotte nur aus dem verhältnismäßig unbedeutenden Haus Mecklenburg-Strelitz (wohl keine 100.000 Untertanen) stammte.***


Vorbereitungen
Mit am wichtigsten war natürlich die Festlegung der Route des Brautzuges. Die Planungen setzten 1768 ein. Etwa ein halbes Jahr blieben die Vorbereitungen des Brautzuges geheim. Am 4.11.1769 fragte allerdings schon der Landvogt des Burgaus beim Fürsten Kaunitz wegen der Konkretisierung eines Streckenabschnittes an.
An der Stelle sei angemerkt, dass sich diverse Anrainer darum bemühten, dass der Brautzug nicht über ihr Gebiet ging, da sie ganz richtig schon unentgeltlichen Aufwand wie für die Instandsetzung der Straßen befürchteten. Natürlich gab man sich in offiziellen Äußerungen gegenüber dem Kaiserhaus entgegengesetzt, nämlich hoch geehrt, dass man geehrt sei... Es kam immer wieder zu Umdisponierungen vor der Reise, welche den in den Quellen immer wieder auftauchenden Hofkammerfourier Johann Georg Zinner nicht selten in Nöte brachten.
Den größten Aufwand brachten natürlich die umfangreichen Arbeiten an den Straßen für diesen Zug. Nach dem Vorbild französischer Chausseen wurden die Straßen ausgebaut und erhielten dann teilweise noch lange Zeit gültig Bezeichnungen wie Dauphine-Straße, Dauphinée oder Devotionsstraße. Nicht nur auf österreichischem Gebiet, sondern auch im schwäbischen Kreis wurde vom Kaiserhof der Straßenbau angewiesen, wozu die Pflanzung einer Reihe Bäume an jeder Seite gehörte. Dass sich der Brautzug also auch günstig für die Infrastruktur der Gegend auf lange Sicht auswirken sollte, ist eine nette Randnotiz.

In den Städten und anderen Orten auf der Route musste natürlich für eine ausreichende Versorgung mit Pferden in den Wechselstationen (2-3 pro Tag) und Lebensmitteln gesorgt werden. Das Problem war, dass zu der Jahreszeit in der Hinsicht Engpässe auftreten mussten. So mussten Obst, Gemüse und Wein aus der Bodenseegegend und Stuttgart herangeschafft werden. Auf der anderen Seite zeigte sich der Kaiserhof, der bekanntlich weite Teile des 18.Jh. chronisch pleite war, äußerst knausrig, was die Bezahlung anbelangte. Immer wieder wurde auch durch den Kaiser Joseph II. selbst betont, dass die Lebensmittel zu "billigem Preiß" zu erstehen seien.

Auf die umfangreichen Bauarbeiten in den Zwischenstationen will ich nicht weiter eingehen. Die beiden in Freiburg von Wenzinger geplanten Triumphbögen mögen als kleiner Eindruck von dem Aufwand genügen.

Auffällig ist, dass die außerhalb des österr. Territoriums gelegenen Gebiete an Engagement gegenüber den österreichischen in kaum etwas nachstanden. Besonders legte sich aber sicherlich der frisch gebackene Regierungspräsident in Freiburg, Ferdinand Carl Freiherr von Ulm, ins Zeug, der gerade erst im Dezember 1768 schleunigst eingesetzt worden war. Dies war ein seltener Augenblick, dass er entsprechend seinen Neigungen repräsentieren und seinen adeligen Vorlieben entsprechend auftreten durfte.

Es ist recht genau bekannt, was von den Einwohnern bei der Ankunft der Erzherzogin erwartet wurde: Salutschüsse, Spalierstehen der Einwohnerschaft und des Bürger- u. regulären Militärs, Aufwartung von Stadthonorationen vor der Hoheit, Glockengeläut und anschließende nächtliche Illuminationen und so weiter. Für das Bewillkommnen der Erzherzogin wurden besonders die Bürgerwehren und -garden aufpoliert, neue Uniformen ausgegeben und neue Wehren gegründet.

Die Zahl der Pferde für den Brautzug war natürlich gewaltig. Bei 2-3 Pferdewechsel pro Tag und 16 Nachtstationen kommt man auf über 10.000 Pferde, die eingespannt werden mussten. Die Anzahl der jeweils verwendeten Pferde variierte allerdings beträchtlich. Im Stift Melk sollen es 366 Pferde bei 250 Personen und 57 Wagen gewesen sein. Der Zug bei einer solchen Länge blieb natürlich nie ganz zusammen. Immer wieder eilten Geschwindreiter vorraus, um in der nächsten größeren Ortschaft das Eintreffen der hohen Besuche zu melden. Es hatte wegen der Zuständigkeiten auch einen gewissen Streit gegeben, da sich Fürst Alexander Ferdinand von Thurn und Taxis als Vorsteher der Reichspost durch den Generaloberpostmeister Fürst von Paar übergangen sah, der dann auch bei dem Brautzug persönlich mitreiste. Der Fürst von Thurn und Taxis hingegen kam mit seinen Beschwerden nicht durch, sondern konnte nur erfolgreich anbieten drei Postzüge auf den Reichspost-Stationen vorhalten zu lassen und Postoffiziere und Postillione aufzubieben. Deswegen gibt es auch unterschiedliche Angaben zu Personen- und Pferdeaufwand an den unterschiedlichen Etappen.

Die Wegeverhältnisse waren entsprechend der topographischen Verhältnisse und den Wetterumschwüngen sehr unterschiedlich. Der Beginn der Reise fiel in eine Zeit schlechten Wetters, dem die Reiter, Wagenmeister und Kutscher direkt ausgesetzt waren. Wegen des Wetters wurden auch extra Betstunden angeordnet und es erstaunt schon, dass es nicht zu noch mehr Zwischenfällen als dem Todesfall eines Zuschauers bei Lambach kam - die Erzherzogin ließ sogleich ein Geldgeschenk überbringen. Seltene Aufheiterungen des Wetters wurden in den schriftlichen Quellen deswegen auch extra vermerkt, da Stürme, Regen und Schneefälle üblich waren. In Verösterreich wurden Gottesdienste und Bittandachten für ein besseres Wetter von bischöflicher Seite anbefohlen.****

Dies soll erstmal zum Brautzug genügen und einen kleinen Einblick in den Aufand der Vorbereitungen verschaffen. Zu den Gedichten der örtl. Honorationen, die der Erzherzogin vorgetragen wurden, vielleicht einmal später.

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Eberhard Stiefel: "Schöpfer eines ganz neuen Geschmacks"
In: "Schlösser - Baden-Württemberg" 1/99 Staatsanzeigerverlag, Stuttgart, 1999
S. 32
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Anja Stangl und Jürgen Kniep: "Schloss Weikersheim in Renaissance und Barock" Staatsanzeigerverlag Baden Württemberg, Stuttgart, 2006
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Einen guten Einblick liefern die Tagebücher des Grafen Lehndorff
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Gertrud Beck: "Die Brautfahrt der Marie Antoinette durch die vorderösterreichischen Lande" in "Barock in Baden-Württemberg" Bd. 2, G.Braun, Karlsruhe, 1981, S.311-322
 
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