Der britische Raum ist ebenso willkommen wie Frankreich oder Deutschland.
Was den Alltag von Soldaten des 18. Jahrhunderts betrifft, so gibt dieses Werk darüber eine Menge von Informationen.
Stephan Schwenke
ie gezähmte Bellona? Bürger und Soldaten in den hessischen Festungs- und Garnisonsstädten Marburg und Ziegenhain im 17. und 18. Jahrhundert.
Schwenkes Arbeit wurde in einigen Rezensionen verrisssen, und es wurde moniert, der Autor habe seine Ausgangsthesen und Fragen nicht entschieden genug verfolgt. Ich habe das Buch aber trotzdem mit Vergnügen gelesen, nicht nur deshalb, weil ich beide Städte gut kenne. Der verfasser hat viele Archivalien verarbeitet, die doch eine ganze Reihe von Schlaglichtern auf alltags- und sozialgeschichtliche Verhältnisse in einer Garnisonsstadt werfen.
Der Aufenthalt in der Universitätsstadt Marburg muss jedenfalls weitaus angenehmer gewesen sein, als in der Wasserfestung Ziegenhain, die seit 1777 als Rekrutendepot für die "Hessians" diente.
In Ziegenhain, wo auch das Staatsarchiv und zeitweise auch der Staatsschatz untergebracht war, gab es keine Kaserne, und man brachte die Soldaten bei privaten Quartierwirten unter. Das mochte bei normaler Besatzung noch funktionieren, wurde aber zu einer erheblichen Belastung für Soldaten und Bürger, als dann 600- 700 rekruten in Ziegenhain stationiert wurden, bei denen es sich nicht um "Landeskinder", sondern "geworbene Ausländer" handelte, denen die Offiziere nicht so recht trauten und von denen der Festungskommandant von Gohr sagte:
Es fällt schwer, mit wenigen Unterofficiers Ordnung unter so vielen bösen Kerls zu halten."
Die "bösen Kerls" hatten sich auch noch "liederliche Frauenzimmer" und "Beyhalterinnen" mitgebracht, die das Sittenleben in der hessischen Provinz gefährdeten, was immer wieder den Metropolitan und den 2. Pfarrer zu Beschwerden veranlasste.
Um den "bösen Kerls" die Flucht zu erschweren, war Ziegenhain mit 2 Wassergräben bestens geeignet, und nachdem im Winter 1777 drei Deserteure im Wallgraben ertranken, ordnete von Gohr an, dass die Gräben täglich enteist werden mussten. Die Festung verfügte eigens dafür über einen Eisbrecher, der getreidelt werden musste. Dafür Hand- und Spanndienste leisten zu müssen, war natürlich besonders unbeliebt, obwohl von Gohr mit gutem Beispiel voran ging und seine reitpferde dafür zur Verfügung stellte.
Ein Zeitzeuge, der selbst 1781 in Ziegenhain stationiert war, war übrigens Gottfried Seume, der Ziegenhain "ein teufelsnest" nannte, wo vormals eine Öffnung zum Styx gewesen sein muss".
Seume wusste auch von einer Meuterei zu berichten, bei dem ihm das Kommando angetragen wurde. Lange war man unsicher, ob es sich dabei um eine tatsächliches Ereignis handelte.
Tatsächlich fassten Rekruten den Entschluss für einen kühnen Ausbruch. Es sollte die ganze Garnison gemeinsam ausbrechen, nachdem man die Unteroffiziere durch einen Schlaftrunk ausschalten wollte.
Es war aber schon damals schwer, dort etwas geheim zu halten, und eines Tages schnappte ein Fähnrich ein Gerücht auf, das der landgräfliche Hoffischer erzählt hatte. Darauf hin ließ von Gohr die Prinz Carl Dragoner mobilisieren und eine Kanone vor das Lüdertor stellen, worauf die Verschwörer den Plan aussetzten. der Plan war verraten, man wusste nur noch nicht, wer die Rädelsführer waren.
Bei diesen handelte es sich um zwei junge Männer, ein Sachse und ein Brandenburger, der eine Sohn eines Försters, der andere Sohn eines Pfarrers, die sich offenbar aus Abenteuerlust von den hessischen Werbern blenden ließen. Als einer einen Kassiber in das Schloss schmuggeln wollte, hatte man sie.
Der reformierte 2. Pfarrer bereitete die lutheranischen Delinquenten auf den Tod vor, vor der Hauptwache auf dem Paradeplatz wurde ein Galgen aufgebaut, und das Urteil war bereits aus Kassel bestätigt. Doch in letzter Minute kam das Pardon des Landgrafen, es handelte sich um eine Scheinhinrichtung, und mit dieser Inszenierung war der Widerstand gebrochen.
Die "bösen Kerls" ruckten nach Amerika ab und wurden durch andere ersetzt, denen man noch weniger traute, aber der Krieg in Amerika war ohnehin verloren.