Die Fürsten lebten im Luxus, die Bauern mussten darben!

simplicissimus

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Einer der Gründe für die pralle Lebenslust des Barocks dürften die Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) sein. Zu Beginn lebten rund 21 Millionen Menschen in Deutschland, am Ende nur noch etwa 13 Millionen.
Mehr als ein Drittel der Bevölkerung des Reichs war durch Kämpfe, Hungersnöte und insbesondere durch Seuchen umgekommen.
Nach dem Westfälischen Frieden wurde aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ein "Flickenteppich" von über 300 Territorialherrschaften. Fürstentümer, Bistümer, Reichsstädte und kleinere Herrschaften gewannen Einfluss und Macht.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung.
In den den Städten und im Umkreis der Landesherren verbesserten sich allmählich die Lebensverhältnisse durch Steigerung der Produktivität und des Handels.
Das betraf jedoch nicht die große Masse der Untertanen.
Um 1700 lebten rund vier Fünftel der Menschen von der Landwirtschaft, wegen der steigenden Abgabenlast oft am Rande des Existenzminimums.
Fiel die Ernte schlecht aus, waren die Bauern kaum in der Lage, ihren Eigenbedarf zu decken und mussten sich verschulden, um neues Saatgut zu kaufen.
Not und Elend der Bevölkerungsmehrheit standen im krassen Gegensatz zum verschwenderischen Lebensstiel am Hof der Guts- oder Landesherren.


 
Ich weiß nur nicht genau, was Du uns nun damit sagen willst, aber gut, vielleicht weiß es wer anders.

Meinst Du, das Los der Untertanen habe sich im 17. und 18.Jh. verschlechtert im Vergleich zur Zeit vor dem 30-jährigen Krieg?:grübel:
 
Not und Elend der Bevölkerungsmehrheit standen im krassen Gegensatz zum verschwenderischen Lebensstiel am Hof der Guts- oder Landesherren.
Bei den Gutsherren wäre ich vorsichtig. Verschwenderisch waren vielleicht einige Fürsten aber doch nicht alle. Neben den Verschwendern gab es auch Sparer, neben den bei oberflächlicher Betrachtung "verworfenen" Gestalten auch Moralisten an oberster Stelle der Staaten. Wie knausrig konnten nicht Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. mit ihren Höfen sein?

Nach dem Warum gefragt, ein bisschen wird das ja im Eingangsbeitrag, so ist die Antwort vielschichtig. Historiker der Frühen Neuzeit betonen immer wieder, dass über den Grund des Amusements bei den großen Festlichkeiten, aber auch dem Bauwesen, immer wieder jener der Repräsentation ging. Wie die Haute-Volée nach dem Thermidor in Paris die Zeit des Schreckens überlebt zu haben feierte, sollte die Festkultur des Barock zu verstehen sein? Nun das wäre naheliegend, aber auch etwas arg verführerisch. Näher betrachtet entsprachen die Feste des späten 17.Jh. natürlich auch einer gewissen Tradition solcher Feierlichkeiten, das betrifft zum Teil die Dauer, aber auch die Inhalte wie Bälle, Gastmähler, Jagden und ritterliche Betätigungen. Neue Impulse und Maßstäbe für die Höfe auch des Reiches mag der Hof des Sonnenkönigs geliefert haben und die Notwendigkeit der gestiegenen Souveränität und Selbstbewusstseins führte zu einem erhöhten Drang nach Repräsentation, die gewonnene Stellung auch zu verdeutlichen.
 
Näher betrachtet entsprachen die Feste des späten 17.Jh. natürlich auch einer gewissen Tradition solcher Feierlichkeiten, das betrifft zum Teil die Dauer, aber auch die Inhalte wie Bälle, Gastmähler, Jagden und ritterliche Betätigungen. Neue Impulse und Maßstäbe für die Höfe auch des Reiches mag der Hof des Sonnenkönigs geliefert haben und die Notwendigkeit der gestiegenen Souveränität und Selbstbewusstseins führte zu einem erhöhten Drang nach Repräsentation, die gewonnene Stellung auch zu verdeutlichen.
Genau hier liegt die Krux, wehalb man vom verkommenen, haltlosen und verschwenderischen Adel und Großbürgertum sprach. Man dachte sich ständig neue Lustbarkeiten, Spiele und Amusements aus, weil man ja nichts sinnvolles tun durfte, sich also tagtäglich und rund um die Uhr langweilte. Große rauschende Bälle, im besonderen aufwändige Maskenbälle mit teuren Kostümen, dazu große Jagden, Turniere und sportliche Wettkämpfe sah man als einziges Mittel der Gleichförmigkeit und Stumpfsinnigkeit des Hofalltags zu entfliehen. Selbst der kleine Landadel spielte das nach seinen Möglichkeiten nach, natürlich in bescheidenerem Masse. Und doch führte die Langeweile und Antriebslosigkeit dazu, dass viele Aristokraten und sonstige Gentlemen, Chevaliers etc. Hab- und Gut verwetteten und verspielten, oder indem sie weit über ihre Verhältnisse lebten, den Gläubigern nicht mehr entsprechen konnten, und um dem Schuldturm zu entgehen, ins Ausland flohen.

Da führt schon Eins zum Anderen.
 
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Genau hier liegt die Krux, wehalb man vom verkommenen, haltlosen und verschwenderischen Adel und Großbürgertum sprach. Man dachte sich ständig neue Lustbarkeiten, Spiele und Amusements aus, weil man ja nichts sinnvolles tun durfte, sich also tagtäglich und rund um die Uhr langweilte. Große rauschende Bälle, im besonderen aufwändige Maskenbälle mit teuren Kostümen, dazu große Jagden, Turniere und sportliche Wettkämpfe sah man als einziges Mittel der Gleichförmigkeit und Stumpfsinnigkeit des Hofalltags zu entfliehen. Selbst der kleine Landadel spielte das nach seinen Möglichkeiten nach, natürlich in bescheidenerem Masse. Und doch führte die Langeweile und Antriebslosigkeit dazu, dass viele Aristokraten und sonstige Gentlemen, Chevaliers etc. Hab- und Gut verwetteten und verspielten, oder indem sie weit über ihre Verhältnisse lebten, den Gläubigern nicht mehr entsprechen konnten, und um dem Schuldturm zu entgehen, ins Ausland flohen.

Da führt schon Eins zum Anderen.
Du sprichst hier also vom Hofadel und auch hierbei v.a. von denjenigen, welche im Staat keine bedeutenden Posten hatten. Bemerkenswert ist ja, dass diejenigen die mit wichtigeren Aufgaben wie Ministerposten beauftragt waren, mit ihrer Zeit natürlich besser etwas anfangen konnten. Wie groß, das wäre mal eine gute Frage, war denn der Anteil an "adeligen Nichtstuern"? Bei den großen Festlichkeiten spielte der Zeitvertreib natürlich weniger eine Rolle als die Repräsentation. Als Feste zum reinen Zeitvertreib würde ich eher diejenigen mitten im Jahr und außerhalb des höfischen Festtagskalenders ansehen, welcher ja bestimmte Namenstage oder Geburtstage und Todestage, kirchliche Festtage, Thronjubiläen, Hochzeitstage etc. einschloss. Da gab es kleine Bälle, die nicht unbedingt die höfische Gala vorsahen und die in kleinerer Runde gegeben wurden.
 
Genau hier liegt die Krux, wehalb man vom verkommenen, haltlosen und verschwenderischen Adel und Großbürgertum sprach. Man dachte sich ständig neue Lustbarkeiten, Spiele und Amusements aus, weil man ja nichts sinnvolles tun durfte, sich also tagtäglich und rund um die Uhr langweilte.

Die verschwenderische Hofhaltung ist geradezu typisch für die Zeit des Barock und es gibt wohl kaum Landesfürsten, die sich dem entziehen konnten. Nicht umsonst florierte damals der verwerfliche Soldatenhandel, bei dem die Landesherren ihre Landeskinder für klingende Münze vor allem in britische und spanische Dienste schickten. Besonders hervor taten sich die hessischen und württembergischen Landesfürsten u.v.a.

Die Kosten der barocken Prachtentfaltung wurden zum einen durch Ausbeutung der Untertanen aufgebracht. Aber nicht nur! Die französischen Könige bestritten einen beträchtlichen Teil ihrer Ausgaben durch den Merkantilismus bzw. die Errichtung von Manufakturen, zugleich wurde die Wirtschaft belebt durch den Ausbau von Transportwegen wie z.B. den Canal du Midi: Dort arbeiteten zwischen 1667 und 1681 12 000 Bauarbeiter am Bau des 241 km langen Kanals, der das Mittelmeer mit dem Atlantik verband. Zugleich wurde der Handel belebt und der Staat gründete Akademien, um in ihnen Fachkräfte und Wissenschaftler auszubilden.

Politik und Wirtschaft bildeten in dieser Wirtschaftform eine Einheit. Der Staat förderte die Wirtschaft, um seine politische und militärische Macht zu steigern, die Wirtschaft profitierte von der staatlichen Zoll- und Steuerpolitik. Auf diese Weise konnte auch der barocke Luxus am Hof finanziert werden, ohne dass die bevölkerung flächendeckend verarmte.

Wenn Frankreich beim Tod des Sonnenkönigs dennoch pleite war, so lag das vor allem an den unablässigen Kriegen, die Ludwig XIV. geführt hatte,

Zum höfischen Zeremoniell ist folgendes zu sagen. Die Fürsten hoben sich in ihrer Lebensweise immer schon sichtbar vom Volk ab. Was sich aber im Zuge der Barockepoche an Überhöhung von fürstlicher Ehre und Würde duch besondere Verehrung des Fürsten vollzog, brachte eine bisher unbekannte Dimension von Herrschaft und Gottesgnadentum. Sie schloss nicht nur das Volk aus der öffentlichen Welt aus, sonder beraubte es seiner srlbstständigen Eigenheit und Besonderheit.

Hatte das Volk ehemals durchaus eine wesentliche Rolle in der herrschaftlichen Repräsentation gespielt, wobei der Herrscher sich nicht selten seiner unmittelbaren Kontakte zum Volk rühmte, wurden seit dem 17. Jh. alle Aktivitäten des Volks zunnehmend eingeschränkt. Soweit es überhaupt als "Beiwerk" noch zum Hof Zugang fand, wurden ihm neue "untertänige" Verhaltensweisen vorgeschrieben. Wenn der Fürst sich immer mehr in die geheimnisvolle Sphäre des Hofs zurückzog, so entsprang dies letztlich der Verachtung für das Volk.
 
Wie groß, das wäre mal eine gute Frage, war denn der Anteil an "adeligen Nichtstuern"?
Es gab aber nicht nur die adeligen Nichtstuer. Es galt als schick und erstrebenswert von seinen Zinsen und Renten leben zu können. Zum Beispiel gehörte zum Usus für einen jungen Gentleman, auch aus dem höheren Bürgertum, nach dem Studium eine sogenannte Grand(e) Tour zu unternehmen, die gern zwei bis drei Jahre dauerte und durch ganz Europa führte. Bei uns nannte man sie Junkerfahrt oder Kavaliersreise. Aus dieser Zeit kennt man ja viele mehr oder weniger negative Bezeichnungen: Bonvivant, auch Lebemann, Dandy, Tagedieb, Nichtsnutz, Müssiggänger, Taugenichts, Hallodri, Lebenskünstler. Von den delikaten und amourösen Bezeichnungen ganz zu schweigen. Ist es nicht erstaunlich, dass es so viele gibt? Das in den Tag hineinleben und keiner sinnvollen Betätigung nachgehen war also etwas, das die Köpfe der Menschen beschäftigte.
 
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Wir sollten aufpassen, daß wir hier nicht zu sehr unsere moralischen Maßstäbe anlegen.
Wir sind ja inzwischen ziemlich geprägt von einer bürgerlich-calvinistischen Arbeitsethik - es wäre nicht fair, diese den Leuten im Barock als Wertmaßstab vorzuhalten.

Man kann ja auch umgekehrt argumentieren, daß das arbeitsfreie Leben ein durchaus anzustrebendes Ideal ist - die antike Philosophie hat dazu Bedenkenswertes geschrieben.

Und es ging bei den barocken "Vergnügungen" nicht einfach um hemmungsloses Fressen und Saufen etc. - das waren im Gegenteil sehr reglementierte Veranstaltungen, deren Vergnügungswert oft eher überschaubar war.
 
Es gab aber nicht nur die adeligen Nichtstuer. Es galt als schick und erstrebenswert von seinen Zinsen und Renten leben zu können. Zum Beispiel gehörte zum Usus für einen jungen Gentleman, auch aus dem höheren Bürgertum, nach dem Studium eine sogenannte Grand(e) Tour zu unternehmen, die gern zwei bis drei Jahre dauerte und durch ganz Europa führte. Bei uns nannte man sie Junkerfahrt oder Kavaliersreise. Aus dieser Zeit kennt man ja viele mehr oder weniger negative Bezeichnungen: Bonvivant, auch Lebemann, Dandy, Tagedieb, Nichtsnutz, Müssiggänger, Taugenichts, Hallodri, Lebenskünstler. Von den delikaten und amourösen Bezeichnungen ganz zu schweigen. ist es nicht erstaunlich, dass es so viele gibt? das in den tag hineinleben und keiner sinnvollen betätigung nachgehen war also etwas, das dei Köpfe der menschen beschäftigte.
Bei der Grand Tour muss man allerdings vorsichtiger sein. Gerade bei Bürgerlichen hatte sie bisweilen eine Funktion einer Geschäftsreise, man knüpfte Kontakte usw..

Bei der Grand Tour spielte ja ein gewisser Faktor der Bildung ebenfalls eine Rolle. Bei den Kavaliersreisen eines Friedrich August I. und Friedrich August II. von Sachsen standen natürlich v.a. die Sprachen, aber auch internationale Beziehungen usw. auf dem Tagesprogramm. Zu dem Thema gibt es recht gute Literatur. Aber wenn gewünscht schriebe ich dazu eher in einem eigenen Thread.

Der junge Adelige sollte v.a. wohl Umgangsformen lernen. So gab es neben dem touristischen Engländer, der nach Italien reiste, um Schauwerte zu genießen, auch den Edelmann, den Schnabel in seinem "Der im Irrgarten der Liebe herrumtaumelnde Kavalier" (Der im Irrgarten der Liebe ... - Google Buchsuche )
der in den Diensten eines italienischen Fürsten als Kammerherr Fortbildung seiner Kenntnisse erhofft, um später um so besser Verwendung an einem Hof zu finden.
Die Engländer auf Grand Tour, die von den großen Porträtisten Italiens gemalt wurden, waren Anfang Zwanzig in aller Regel und gaben sich zumindest auf den Bildern als Herren, welche durchaus auch zu Studien ihren Aufenthalt nutzen wollten.
Was sagt denn Boswell über seine Beweggründe?
 
Man kann ja auch umgekehrt argumentieren, daß das arbeitsfreie Leben ein durchaus anzustrebendes Ideal ist - die antike Philosophie hat dazu Bedenkenswertes geschrieben.
Tja, der Philosophus erträumt sich die göttliche Theorie, allein wir leben im schnöden Alltag, sprich der unfreundlichen Praxis. :rofl:
 
Nicht umsonst florierte damals der verwerfliche Soldatenhandel, ...
Vorsicht - diese Wertung entstammt politischer Propaganda späterer Zeiten.
Es gab zwar beim "Soldatenhandel" Auswüchse, die schon bei den Zeitgenossen kritisiert wurden.
Aber im Kern war das die recht normale Ausübung des Kriegsdiensts als Beruf und auch in anderen Zeiten üblich.

Die Kosten der barocken Prachtentfaltung wurden zum einen durch Ausbeutung der Untertanen aufgebracht.
Mit dem Wort "Ausbeutung" wäre ich vorsichtig.
Immerhin war die Steuerlast deutlich niedriger als heute ...
Mir wäre jedenfalls neu, daß die Belastung der Bevölkerung in der Barockzeit höher gewesen wäre als in den Zeiten vorher und nachher - so richtig populär waren Steuern eigentlich nie ;-)

Wenn Frankreich beim Tod des Sonnenkönigs dennoch pleite war, so lag das vor allem an den unablässigen Kriegen, die Ludwig XIV. geführt hatte,
Und den Subsidienzahlungen, mit denen er Außenpolitik machte.

Wenn man dagegen die Hofhaltung mit all' ihren Kosten ganz nüchtern als außenpolitische Maßnahme sieht, könnte man sogar vermuten, die wäre für Ludwig XIV. vergleichsweise kostengünstig gewesen.
Er machte damit europaweit Eindruck, etablierte Frankreich als Vorbild und gewann damit wohl mehr Einfluß als den Einsatz einer weiteren Armee.

Sie schloss nicht nur das Volk aus der öffentlichen Welt aus, sonder beraubte es seiner srlbstständigen Eigenheit und Besonderheit.
Sehr überzeugend!
 
Wir sollten aufpassen, daß wir hier nicht zu sehr unsere moralischen Maßstäbe anlegen.
Wir sind ja inzwischen ziemlich geprägt von einer bürgerlich-calvinistischen Arbeitsethik - es wäre nicht fair, diese den Leuten im Barock als Wertmaßstab vorzuhalten.

Man kann ja auch umgekehrt argumentieren, daß das arbeitsfreie Leben ein durchaus anzustrebendes Ideal ist - die antike Philosophie hat dazu Bedenkenswertes geschrieben.
Dazu folgendes, zu den 7 Todsünden:
Todsünden in der Kirchengeschichte

Evagrius von Pontus, ein griechischer Theologe (* 346 - 399/400) stellte erstmals einen Katalog von acht Todsünden und bösen Leidenschaften zusammen:
  1. Stolz,
  2. Ruhmsucht,
  3. geistliche Faulheit,
  4. Zorn,
  5. Traurigkeit,
  6. Habgier,
  7. Völlerei,
  8. Unkeuschheit.
Eine Reihung erfolgt nach der Ichbezogenheit. Stolz ist damit die schwerste Sünde.
Eine Zusammenschau auf 7 Todsünden geht auf Papst Gregor I., den „Großen“ (590-604) zurück. Er faßte Ruhmsucht und Stolz, sowie Traurigkeit und Faulheit zusammen und fügte den Neid hinzu. Ergebnis einer neuen Reihung war ein jahrhundertelang gültiger Katalog der Todsünden:
  1. Stolz,
  2. Neid,
  3. Zorn,
  4. Traurigkeit,
  5. Habgier,
  6. Völlerei,
  7. Unkeuschheit.
Im 7. Jh. wurde die Traurigkeit durch die Trägheit ersetzt.

Gegenwärtig listet die katholische Kirche folgende sieben Tod- bzw. Hauptsünden auf :Stolz,
  1. Habsucht,
  2. Neid,
  3. Zorn,
  4. Unkeuschheit,
  5. Unmäßigkeit,
  6. Trägheit oder Überdruß.
 
Bei der Grand Tour muss man allerdings vorsichtiger sein. Gerade bei Bürgerlichen hatte sie bisweilen eine Funktion einer Geschäftsreise, man knüpfte Kontakte usw..

Bei der Grand Tour spielte ja ein gewisser Faktor der Bildung ebenfalls eine Rolle. Bei den Kavaliersreisen eines Friedrich August I. und Friedrich August II. von Sachsen standen natürlich v.a. die Sprachen, aber auch internationale Beziehungen usw. auf dem Tagesprogramm. Studien ihren Aufenthalt nutzen wollten.
Ja, vordergründig mag das stimmen. Die meisten beziehungen knüpfte man wohl mit der holden Weiblichkeit. Im Grunde war es allerdings eine Zeit des "Hörner abstossens" und sich selbst findens, bevor man sich entschloss (wenn man ein zweiter, dritter oder vierter Sohn war) ob man zur Kirche oder in den Militärdienst ging, oder sich gar in schnöde Amtsstuben setzte.
Die jungen Herren hinterliessen in jedem Land ein Liebchen (mit Sproß?) und man betrachtete die Grand Tour bzw. Kavaliersreise auch als Heiratsmarkt:

Die Grand Tour stellte ursprünglich den Abschluss der Erziehung dar und sollte der Bildung des Reisenden den „letzten Schliff“ geben. Die Adeligen suchten insbesondere bedeutende europäische Kunststädte auf und besichtigten dort Baudenkmäler , sprachen aber auch an europäischen Fürstenhöfen vor. Dabei sollten sie neue Eindrücke sammeln und für das weitere Leben nützliche Kontakte knüpfen. Gerade für adlige Reisende war es auch reizvoll, Lektionen französischer oder italienischer Fechtmeister in Anspruch zu nehmen und dadurch ihre Kenntnisse im Waffenhandwerk zu vertiefen. Unausgesprochenes weiteres Ziel war häufig die Erlangung einer gewissen Erfahrung in erotischen Dingen, manchmal auch die Anbahnung von Heiratsmöglichkeiten.
 
Aus dieser Zeit kennt man ja viele mehr oder weniger negative Bezeichnungen: Bonvivant, auch Lebemann, Dandy, Tagedieb, Nichtsnutz, Müssiggänger, Taugenichts, Hallodri, Lebenskünstler. Von den delikaten und amourösen Bezeichnungen ganz zu schweigen. Ist es nicht erstaunlich, dass es so viele gibt? Das in den Tag hineinleben und keiner sinnvollen Betätigung nachgehen war also etwas, das die Köpfe der Menschen beschäftigte.
Ich würde Dandy, Bonviavant, Lebenmann, Hallodri oder Lebenskünstler als alles andere als negativ bezeichnen. Wer von seinem Vermögen leben kann heißt in Wien bis heute "Privatier" und ein Dasein als solcher gilt durchaus als erstrebenswert.
Mich würds auch net stören ein solcher zu sein :cool:
 
Dazu folgendes, zu den 7 Todsünden
Die sind nun eben nicht unbedingt in der Tradition der antiken Philosophen ...

Und es fällt auf, daß Müßiggang wie hier der von "Privatiers" nicht automatisch als Todsünde gilt.
Denn der bedeutet ja nicht unbedingt geistige Faulheit oder allgemein Trägheit - nur die Abwesenheit von Erwerbsarbeit.
Wenn man (wie z. B. die Inhaber geistlicher Pfründen) seine Zeit statt mit schnöder Arbeit mit theologischer Lektüre füllte, war das sehr anerkannt.

Die richtige Verdammung von Müßiggang kommt erst später mit den Calvinisten - die ja unsere moderne, kapitalistische Arbeitswelt stark mitgeprägt haben.
 
Die Bezeichnung Dandy ist doch eigentlich fast ausschließlich auf das Modebewusstsein gemünzt. Natürlich gehört der Dandy immer zu den Gentlemen und stand daher auch einer gewöhnlichen Erwerbsarbeit eher fern. Viele bedeutende Romanciers, also Literaten waren Dandys, aber so negativ geprägt würde ich den Begriff nicht sehen. Klar ist ein Dandy wie in Frankreich der Incroyable der Revolutionszeit und auch der Maccaroni durch die auffällige Kleidung auf vielen Karikaturen präsent, da er einfach leicht Anlass zum Spott bot. Aber er war auch ein Vorbild in Sachen Mode und gerade darauf würde ich das Dandytum beziehen. Die meisten berühmten Dandies lebten meines Wissens aber schon im 19.Jh..

@ Caro1

Woher hast Du in Deinem Beitrag von Gestern 15:58 zitiert.


Die Kavaliersreisen des späten 17. Jh. zielten auf Weltkenntnis, jedoch gab es schon durch die Aufklärer des 18.Jh. Kritik an den Reisenden, welche einer Verschwendung, sittlichen Gefährdung und Politisierung ausgeliefert gewesen seien. Die Kavalierstour soll sich, so Katrin Keller, im Laufe des 18.Jh. zu einer Studienreise im aufgeklärten Sinne transformiert haben. Schwierig sind dabei allerdings die genauen Unterschiede zwischen den Kavalierstouren, wie sie bsw. Friedrich August I. und dann die Bildungsreisenden der zweiten Hälfte des 18.Jh. unternahmen. Auffällig ist konkret, dass die Kavalierstour des Adels zunehmend seine höfische Prägung verlor und auch die Zahl der Reisenden nahm zu, wenngleich inkognito zu reisen schon zu Zeiten Friedrich August I., in dessen Kurprinzenzeit, schon üblich war.

Haxthausen, der Hofmeister Friedrich Augusts, der ihn auf dessen Kavaliersreise begleitete, die 1687 begann, bemängelte in seinen wöchentlichen Berichten die Unlust am Erlernen der Sprachen und des Tanzes. Auf dem Programm standen nach Haxthausens Anleitung während des Parisaufenthaltes neben dem Genannten: Musik, höfische Sitten, Konversation, deren Fortschritte Friedrich August gleich bei Hofe und in hochadeliger Gesellschaft erproben durfte, Baukunst, Innenarchitektur, aber auch "Insiderinformationen" und das anknüpfen von Bekanntschaft mit dem französischen Hof nicht zuletzt.*


Schon zu Zeiten der aufgeklärten Bildungsreise empfahl die Großtante des Thomas Coke (1752-1842) ihrem Neffen 1771:
"Sir, ich hörte, Ihr hättet Eton verlassen und wolltet wahrscheinlich eine dieser Schulen des Lasters, die Universitäten besuchen. Solltet Ihr jedoch das Reisen vorziehen, so will ich Euch 500 Pfund per annum geben."
**

Das mag nun einem Empfehlung in dem Sinne von Samuel Johnsons (1709-1784) Bemerkung

"Wenn ein junger Mann wild ist und hinter Frauen und schlechter Gesellschaft herlaufen muss, dann ist es besser, wenn er dies im Ausland tut."
***

sein.

Ob der Reisende nun als der selbe Esel zurück kehrte oder noch als ein schlimmerer, als der er abgereist war, wie damals Spötter bemerkten, lassen wir mal dahin gestellt. Fakt ist wohl, dass ca. 40.000 Engländer (****) allein im Jahre 1771 Europa bereisten und sich die Grand Tour im 18.Jh. gerade bei den Engländern hoher Beliebtheit erfreute. Wer auf die Reise ging (ein Boswell als großer Literat) und dass nicht zuletzt die antiken Stätten genauso wie die großen Kunstsammlungen von Florenz oder Rom Gegenstand der Reisen waren, verdeutlicht durchaus einen hohen Bildungsanspruch. Zumindest der Geschmack konnte wohl kaum woanders so gut geschliffen werden wie in Italien, besonders in der 2. Hälfte des 18.Jh., als ein Winckelmann nicht unerheblich zu einer breiteren Bekanntheit der Reize der antiken Städte beigetragen hatte.

Um nicht zu weit auszuholen sei an die Reisen einer Wilhelmine von Bayreuth, eines Carl Eugen von Württemberg (jeweils mit Ehepartnern) und eines Carl Theodors von der Pfalz erinnert, welche allesamt Anregungen nicht zuletzt auch für ihr kulturelles Schaffen sicherlich gewannen.

* Weiter dazu in:
Dr. Katrin Keller (Uni. Leipzig): "August der Starke auf Reisen - Umstände und Folgen seiner Kavalierstour der Jahre 1687 bis 1689"
In: "Saxonia - Schriftenreihe des Vereins für sächsische Landesgeschichte e.V. Band 1 - August der Starke und seine Zeit" Sächs. Druck- und Verlagshaus, Dresden, 1995

**
***
****
Alles nach: Peter Gay (Prof. Uni. Yale) "Zeitalter der Aufklärung", Time-Life Books, Amsterdam, 1983
 
Woher hast Du in Deinem Beitrag von Gestern 15:58 zitiert.
Das war ganz normal aus Wiki zu Grand Tour.
Und das mit den Liebchen ergibt sich wohl automatisch. Ähnlich unseren Urlaubsflirts.

Vor allem dürfen wir das nicht wirklich mit den späteren Bildungsreisen des 19. Jahrhunderts verwechseln. Klar besuchte man beühmte Sehenswürdigkeiten und Denkmäler, aber darf das schon als Bildungsreise gelten? Das ist sicher eine Frage der Definition.

Und ein "Dandy" konnte nur ein Gentleman mit gewissem Geldbeutel sein. Im allgemeinen Sprachgebrauch war "Dandy" schon eher ein Schimpfwort, ähnlich dem Beau (Schönling) und dem Stutzer. Es hiess so viel wie, schöne Hülle und nix dahinter (im Kopf). Zumindest werden die Herrschaften so in der Literatur beschrieben, wenn von einem Dandy, Stutzer oder "Beau" die Rede ist. Der berühmteste Dandy war wohl Brummell, der in Armut verstarb, wie viele aus "Prinny's Set", die zumeist als Dandys galten. Das Dandytum nahm jedenfalls im Adel und gehobenen Bürgertum seinen Anfang. http://www.georgianindex.net/Prinny/prinnys_set.html
Da könnt ihr euch auch einen Begriff davon machen, wieviel die hohen Herrschaften allein für ihre Garderobe ausgaben, mit dem Vergleich der 15-20 Pfund, die in England ein Arbeiter oder Bauer per anno zur Verfügung hatte. Das wird in Frankreich und Deutschland nicht anders ausgesehen haben.

Bitte, Repräsentationspflichten sind ja gut und schön, aber das geht über das normale und damit vertretbare Maß hinaus. Brissotin, wie du selbst geschrieben hast, es gab auch sparsame Fürsten, will heissen, es ging auch anders. Und Prinnys Vater drehte im den Geldhahn zu und war nicht bereit sein maßloses Leben länger zu finanzieren, zumindest nicht in diesem Maße. Das ist Prunk und Pomb, der nicht wirklich notwendig ist. Das verliert jeden Realitätsbezug und jede wirkliche Sinnhaftigkeit.

@Brissotin
Man sollte fast beide Links zusammenführen ... wir überschneiden uns ...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
1.
Das war ganz normal aus Wiki zu Grand Tour.
Und das mit den Liebchen ergibt sich wohl automatisch. Ähnlich unseren Urlaubsflirts.

2.
Vor allem dürfen wir das nicht wirklich mit den späteren Bildungsreisen des 19. Jahrhunderts verwechseln. Klar besuchte man beühmte Sehenswürdigkeiten und Denkmäler, aber darf das schon als Bildungsreise gelten? Das ist sicher eine Frage der Definition.

3.
Bitte, Repräsentaionspflichten sind ja gut und schön, aber das geht über das normale maß hinaus. Wie du gesagt hast, es gab auch sparsame Fürsten. Und prinnys Vater drehte im den geldhanh zu und war nicht bereit sein maßloses Leben länger zu finanzieren, zumindest nicht in diesem Maße. Das ist Prunk und Pomb, der nicht wirklich notwendig ist. Das verliert jeden Realitätsbezug und jede wirkliche Sinnhaftigkeit.

4.
@Brissotin
man sollte fast beide Links zusammenführen ... wir überschneiden uns ...
1.
Egal ob aus Wiki oder woraus sonst, die Quellen sollten bei Zitaten nicht zuletzt wegen dem Urheberschutz, angegeben werden.

2.
Also ich würde mal der Historikerin einfach glauben, woher ich diese Information habe.

Zur Kavalierstour sagte Frau Dr. Karin Keller:
"Diesem Nachlassen [der Quantität der Kavalierstouren, Anm. von mir] folgte mit einiger Verzögerung in den sechziger Jahren des 17. Jh. ein errneuter Aufschwung, der bis gegen Ende des ersten Drittels des 18.Jh. anhielt und die eigentliche Blütezeit der Kavalierstour bezeichnet. Dieser schloß sich dann eine Phase des Niedergangs bzw. der Transformation an. Der gesamteuropäische Siegeszug der Aufklärung und die weitere Bürokratisierung spätfeudaler Staatsverwaltung ließen den Stellenwert systematischer, sachbezogener Ausbildung zunehmen. Auch die jungen adligen Reisenden orientierten sich in Zielsetzung und Realisierung der Tour an diesem Umstand. Mit der sukzessiven Auflösung des Absolutismus als der letzten europäischen Adelskultur verlor die Kavalierstour ihre distinktive Funktion und höfische Prägung und mutierte allmählich zur Studienreise im bürgerlichen Sinne. ..."*
Weiterhin unterstreicht sie die strukturellen Gemeinsamkeiten einer hochgelobten Bildungsreise und der Grand Tour.

3.
Was ist denn das normale Maß? Können wir heute ein "normales" Maß für eine Epoche definieren, welche wir noch immer am entschlüsseln sind?

4.
Du meinst, man solle die Threads zusammen führen?
http://www.geschichtsforum.de/f288/adel-und-b-rgertum-24680/
http://www.geschichtsforum.de/f288/die-f-rsten-lebten-im-luxus-die-bauern-mussten-darben-24753/
Oder wie?
Meinetwegen könnte man auch einen Teil von diesem hier abtrennen und zu einem eigenen über die Grand Tour machen. Wie gesagt, die Grand Tour hat ja so eigentlich mit Verschwendung kaum etwas zu tun, zumindest wenn man die Intention dieser Reise betrachtet.


* Dr. Katrin Keller (Uni. Leipzig): "August der Starke auf Reisen - Umstände und Folgen seiner Kavalierstour der Jahre 1687 bis 1689"
In: "Saxonia - Schriftenreihe des Vereins für sächsische Landesgeschichte e.V. Band 1 - August der Starke und seine Zeit" Sächs. Druck- und Verlagshaus, Dresden, 1995
S. 24

Nachschrift zu 3.:
@ Geschichtsstudenten, Historiker oder andere Kenner unter uns:
Sagt da Norbert Elias was präzises in "Die Höfische Gesellschaft" "? Ich habe mir leider bis jetzt noch nicht die Zeit genommen sein Werk zu lesen:ichdoof:, aber für Historiker ist das ja Standartliteratur.
 
Zuletzt bearbeitet:
1.
Egal ob aus Wiki oder woraus sonst, die Quellen sollten bei Zitaten nicht zuletzt wegen dem Urheberschutz, angegeben werden.
Okay, werde mich bessern.
4.
Du meinst, man solle die Threads zusammen führen?
http://www.geschichtsforum.de/f288/adel-und-b-rgertum-24680/
http://www.geschichtsforum.de/f288/die-f-rsten-lebten-im-luxus-die-bauern-mussten-darben-24753/
Oder wie?
Meinetwegen könnte man auch einen Teil von diesem hier abtrennen und zu einem eigenen über die Grand Tour machen. Wie gesagt, die Grand Tour hat ja so eigentlich mit Verschwendung kaum etwas zu tun, zumindest wenn man die Intention dieser Reise betrachtet.
Ja, weil sich die Themen überschneiden. War aber nur so eine Idee.
 
Ja, weil sich die Themen überschneiden. War aber nur so eine Idee.
Mag sein, aber um das präzise Verhältnis zwischen Adel und Bürgertum geht es hier ja nicht. Auch wenn man das Bürgertum vielleicht verleitet ist als Maßstab für das Handeln des Adels zu nehmen, d.h. um die Prachtentfaltung gerade im Zeitalter der Aufklärung in Relation zu einem um Schlichtheit bemühten Bürgertum mit wohlmöglich anderen Moralvorstellungen zu setzen.
 
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