Mir scheint, dass beides einander nicht ausschließt.
Bei einer Beschau von Truppen ließ sich so mancher zu Aussagen hinreißen, welche danach als unumstößliche Urteile in die Geschichtsbücher eingingen. Dabei konnte sich der beurteilende Zeitgenosse eben auch zu Fehlurteilen hinreißen lassen.
Dass körperliche Züchtigung in den allermeisten Armeen weit verbreitet war, schloss allerdings auch nicht aus, dass, wie mir scheint, besonders die Verhältnisse in der preußischen Armee als eine Barbarei schon von Zeitgenossen empfunden wurden. Die Gründe sehen Delbrück wie auch Thièbault in dem hohen Anteil an Ausländern in den Reihen.
Was bei den Zeitgenossen besonders übel aufstieß, war wohl weniger die exzessive Prügelkultur in der preußischen Armee, als die Übergriffe und nackte Gewalt, die selbst vor Kidnapping nicht zurückschreckte, für die besonders die Preußen berüchtigt waren, weshalb man ihnen zahlreiche deutsche Länder, darunter auch Ansbach und Kurhannover. Die Preußen waren so berüchtigt, dass ein ebenso berüchtigter Räuber, der "Lange Hoym", sich und seine Kollegen als preußische Werber tarnte, wo solche Galgenvögel offenbar gar nicht auffielen. In Friedenszeiten und in den ersten Kriegsjahren konnte das preußische Kantonatssystem, das auch in anderen Militärstaaten kopiert wurde, den Soldatenbedarf decken und durchaus Härten bei der Werbung vermeiden. Mit zunehmender Kriegsdauer und wachsendem Soldatenbedarf, sanken aber bei allen Werbern die Hemmschwellen, wie der Theologiestudent Johann Gottfried Seume im thüringischen Vacha erfuhr, wo ihm die Werber des Landgrafen sein Studienbuch zerrissen, obwohl gewaltsame Werbung vom Landgrafen verboten wurde. Der Bedarf konnte nur mit geworbenen oder gepressten Ausländern gedeckt werden, und die wurden in fast allen Armeen als unsichere Kantonisten angesehen und entsprechend behandelt. So schrieb Generalleutnant von Gohr, der Gouverneur der Festung Ziegenhain, die als Rekrutendepot diente.
"Es fällt schwer, mit wenigen Unterofficiers Ordnung unter so vielen bösen Kerls zu halten."
Die Verhältnisse in der preußischen Armee werden allerdings nicht viel den "Usancen" der Royal Navy nachgestanden haben, die in den Napoleonischen Kriegen zum großen Teil aus Iren und gepressten amerikanischen Seeleuten bestand.
Dass sie mit der berüchtigten Cat o nine gepeitscht wurden, schien die kujonierten Matrosen Ihrer britischen Majestät allerdings weniger zu stören. So machte der zu Unrecht berüchtigte William Bligh nachweislich deutlich weniger Gebrauch von der Cat, als sein Vorbild James Cook, und bei den großen Meutereien der britischen Navy vor Spithead spielten Auspeitschungen bei den Beschwerden und Forderungen der Matrosen gar keine zentrale Rolle.
Friedrich II. soll gesagt haben, dass der Soldat seine Unteroffiziere mehr fürchten sollte, als den Feind, doch gab es auch preußische Militärs wie Zieten, der bei seinen Husaren keine Prügelstrafe duldete und großes Verständnis für Vergehen seiner Leute zeigte. Bei den Husaren und den Jägern herrschte auch kein Mangel an Freiwilligen. Bei den Husaren wurde kein Wert auf Herkunft und Körpergröße gelegt, und das ungebundene leben lockte Abenteurer an.
bei den Jägern handelte es sich um Forstbedienstete und Anwärter auf den Forstdienst. Die (hessischen) Jäger waren von Schanzarbeiten und Wachdienst befreit und erhielten 1 Pfund Sterling als monatlichen Sold, doppelt soviel wie ein Grenadier.
Die hannoverschen, braunschweigischen und hessischen Söldner, die im Siebenjährigen Krieg in englischem Sold unter dem Kommando Ferdinands von Braunschweig kämpften, waren nach den Angaben von Heinrich Christian von Westphalen, Ferdinands generalstabschef, dreimal so teuer wie die Soldaten des Preußenkönigs.