Hintergrund zu einer Episode aus J. Wassermann: „Sturreganz”?

muck

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Hallo zusammen!

Wann immer ich historische Romane lese, versuche ich, den dort beschriebenen Begebenheiten auf den Grund zu gehen, wie sehr sie mit der Wirklichkeit übereinstimmen.
Bei der Erzählung Sturreganz von Jakob Wassermann wird eine unselige Sache zitiert, deren Wahrheitsgehalt ich gerne verifiziert hätte.

Nachdem das Werk die Schutzfrist verlassen hat, kann ich die entsprechende Passage in voller Länge einstellen:

[Lady Elizabeth Craven (1750-1828), Mätresse des Karl Alexander von Brandenburg-Ansbach, liest Skandalosa der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach.]

Sie erfuhr von der Markgräfin Sophie, die, so schön sie war, eine noch schönere Tochter hatte. Eben deren Schönheit erregte ihren Neid und ihre Eifersucht dermaßen, daß sie einem Junker Wobeser viertausend Dukaten versprach, wenn es ihm gelänge, die Prinzessin zu entehren. Das junge Mädchen begegnete ihm aber mit solcher Geringschätzung, daß schon die Versuche, sich ihr zu nähern, fehlschlugen. Da versteckte er sich mit Hilfe der Mutter im Schlafzimmer der Tochter; die Dienerschaft war bestochen, die Markgräfin sperrte die Kammer von außen zu, und so setzte er sich trotz Bitten, Tränen und wildem Sträuben in den Besitz des schönen Mädchens. Nachher floh der Unhold; die Prinzessin, halb im Wahnsinn, gebar Zwillinge, zwei Wesen, schwarz im Gesicht wie Tinte; die Markgräfin machte die Schande der Tochter öffentlich bekannt, so daß der Prinz von Culmbach von der Bewerbung um sie sogleich abließ; die unseligen Kinder endeten durch Mord, und die Prinzessin verweinte ihr ferneres Leben auf der Plassenburg in Gefängnishaft.

Schwarz […] wie Tinte
ist natürlich nicht im Bereich der Tatsachen zu verorten, doch die Namen, denen ich leider keine historische Person eindeutig zuordnen kann (es gab einige Markgräfinnen Sophie), suggerieren eine historische Grundlage dieser schrecklichen Geschichte. Leider enthält die mir zur Verfügung stehende Ausgabe der Geschichte einige Abweichungen in der Schreibung von Namen, was die Recherche zusätzlich erschwert.

Vielleicht ein Historiker aus der Region hier, der mir helfen kann? :)
 
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Ich vermute einmal, dass der Autor hier in dichterischer Freiheit eine Geschichte erfunden hat, die auf der Sage von der weißen Frauen von Plaßenburg beruht. Eine brauchbare Zusammenfassung findet sich auf Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fe_Frau#Plassenburg.

Außerdem könnte auch die Geschichte der Prinzessin von Ahlden eine Quelle gewesen sein, die sich zwar im Welfenhaus abgespielt hat, allerdings war die Tochter von Sophie Dorothea von Braunschweig mit dem Vater von König Friedrich II. von Preußen verheiratet, und diese Geschichte hat mehrfach Schriftsteller/innen inspiriert. (Zur Erstinformation jedenfalls brauchbar: Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_Dorothea_von_Hannover.

Daneben könnte auch der "Schneewittchen"-Stoff, der als Hausmärchen der Gebrüder Grimm und dank Walt Disney bis heute bekannt ist, den Autor inspiriert haben.
 
Habe bisher noch nichts von Jacob Wassermann gelesen.

Wenn Du nachschaust, die von Wobeser gab es allerdings.

Sollte dieser Roman in deren Zeit handeln (Vater Joachim Wocislaus oder Sohn Alexander Bogislaus), hätte Wassermann möglicherweise diesen Namen nicht erfunden und vielleicht gibt es da eine Verbindung.

Ansonsten – nach diesen Auszug zu urteilen – würde ich meinen, vielleicht stand Jacob Wassermann zu sehr mit A. Schnitzler im Kontakt. ;)
 
Danke für die Antworten! Nun komme ich mir überaus blöde vor, nach berühmten Häftlingen auf der Plassenburg zu suchen, war mir gar nicht in den Sinn gekommen. :schau:

Habe bisher noch nichts von Jacob Wassermann gelesen.
Größerenteils kann man ihn empfehlen. Wassermann hat einige historische Erzählungen geschrieben, die nach meinem Empfinden tatsächliche Begebenheiten stets umschlingern — wobei man berücksichtigen muss, dass der Autor in seiner Schaffenszeit (erstes Drittel des 20. Jhdt.) längst nicht alle Quellen erschließen konnte, die uns heute offenstehen.
„Sturreganz” ist nach meiner Ansicht sein bestes Werk, es ist mit Witz geschrieben. „Alexander in Babylon” hat ebenfalls sehr immersive Passagen. Allerdings muss sich der Leser auf eine überbordende Sprache einstellen, bilderreich und langatmig. Wassermann legt auf zehn Sätze an, wofür seine Zeitgenossen einen Satz veranschlagt hätten.
 
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