Hofstaat von Versailles

Prinz Eugen

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Ich hab gerade mal wieder aus Büchern kopierte Informationen gesichtet und sortiert. Hierbei bin ich hinsichtlich Ludwig XIV und seinem Hofstaat auf eine Unstimmigkeit gestoßen:

Seinen Hofstaat steigert er auf etwa 4.OOO Menschen, die alle unter eine bis ins letzte durchdachte Etikette gebeugt sind.
(1) Bis zu 20 000 Menschen bildeten den königlichen Hofstaat. Dessen Strukturen und Abläufe entsprachen bis ins Kleinste einem allgegenwärtigen Reglement, das die hierarchische Stellung jedes einzelnen Höflings ebenso festlegte wie seine Pflichten und Vorrechte.

(2) Ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Königs durfte man nichts, weder tagsüber nach Paris, noch sich gegen die Pocken impfen lassen, geschweige denn seine Kinder verheiraten.
Dass sich die zahlen nicht genau festschreiben lassen ist ja o.k. aber der Unterschied ist hier immens. Zunächst dachte ich es könne daran liegen, dass Versailles (hier meine ich jetzt nicht das Schloss sondern die außerhalb gelegene Stadt) ja im Laufe der Zeit gewachsen ist. Doch da steht ja konkret unter (2) im 2. Zitat, dass es erhebliche Kontrollen gegeben habe.

Ich frage mich jetzt wie z.B. eine solche Ein- und AusgangsKontrolle zur damaligen Zeit möglich gewesen wäre. Sie hätte doch auch so extrem keinen Sinn gemacht. In Bezug auf die Adligen ja, aber nicht vom kleinsten Diener, Lieferanten oder Handwerker aufwärts. Außerdem hatte ja das Volk relativ "freien" Zutritt zum Hof. Wurden solche Besucher registriert?

Von welcher realistischer Zahl der Menschen am Hof kann man tatsächlich ausgehen?
Wieviel passten in das Schloss von Versailles und wie wieviel Einwohner hatte Versailles etwa beim Tode Ludwigs 1715?

Wie muss man sich die alte Stadt Versailles vorstellen, lag sie direkt beim Schlloss? War Sie ummauert?

Gab es in den Schloßgarten von außerhalb freien Zutritt?
Von wieviel stationierten Soldaten konnte man ausgehen?


Wie lief die Versorgung mit Lebensmittel oder anderen Waren ab. Wurde aus Paris direkt ins Schloss geliefert oder nur in die Stadt Versailles?
 
Darf man fragen, aus welchen Büchern die beiden Informationen stammen?

Bei allem Pomp und allem Aufwand kann ich mir die 20.000 Personen nicht vorstellen. Sind damit nun Handwerker, Bauarbeiter an dem Schlosskomplex, Schneider der Adeligen etc. und auch Hofchargen, die nur den Titularien nach bei Hofe Dienst verrichteten mitgerechnet?
 
Unter wikipedia steht

Das tägliche Leben Ludwigs XIV. vollzog sich weitestgehend in der Öffentlichkeit inmitten eines großen Hofstaates, der alles in allem rund 20.000 Personen umfasste. Unter die vornehme, adelige Hofgesellschaft mischten sich in den weiträumigen Schlossanlagen Besucher, Schaulustige und zumeist eine beträchtliche Zahl von Bittstellern......

Ich glaube es nicht. Was ist mit der "Stadt" Verrsailles?
 
Die Zahl 20.000 fand ich zumindest auch bei Malettke, der zumindest als Kenner der Materie gilt.
1664 sollen auf einem Fest "Plaisirs de l'île enchantée" 600 "courtisans" anwesend gewesen sein, wobei es sich dabei scheinbar schon rein um (Hof- (?)) Adelige handelte. 1668 sollen anlässlich der Feierlichkeiten zum Aachener Frieden schon 1500 Adelige vor Ort gewesen sein und 1680 soll es schon die unglaubliche Zahl von 3000 Adligen als Dauergäste bei Hofe gegeben haben.
Nun wäre die Frage zum einen, ob das stimmen kann. Zum anderen fragt sich, ob man nun die Dienstboten jener adligen Dauergäste auch beim Hofstaat mit hineinrechnet. Madame de Maintenon soll 1678 für einen kinderlosen Hofadligen 12 Dienstboten und ein Vermögen von 12.000 Livres zur Bestreitung der jährlichen Ausgaben zum Leben veranschlagt haben. Selbst wenn wir annähmen, dass nun bei den 3000 Adligen viele Ehepaare mit Kindern eben pro Person dann eher 6 oder 7 Dienstboten hatten, da sich ein Ehepaar ohne Kinder wohl nicht dann gleich 24 geleistet hätte, kämen wir noch auf eine gewaltige Zahl von Dienstboten. Nicht zu unterschätzen ist vor allem die Entourage des Hochadels, z. B. der ersten Kammerherren des Königs, welche selber Herzöge waren und einen eigenen entsprechenden Hofstaat, vergleichbar mit Souveränen deutscher Mittelstaaten, gehabt haben dürften.

Der französische Wikipediaartikel zu Versailles gibt 30.000 Einwohner für die Stadt Versailles zum Zeitpunkt des Todes des Königs Louis XIV (1715) an. Versailles - Wikipédia
Die Frage wäre hier wiederum, ob hierbei die Bewohner des Schlosses sämtlich inklusive sind.

Im Grunde kann man ja die Hofadeligen kaum als "Bewohner" bezeichnen. Ab 1690 spätestens soll der Hof von Versailles seine Anziehungskraft für den französischen Adel eingebüßt haben, der sich wieder eher nach Paris hinzog. Von daher existiert ohnehin eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Bild vom angeblich strikt seinen (Hoch-) Adel überwachenden König in Versailles und der Tendenz im letzten Viertel seiner Herrschaft, in welchem das Leben wieder eher auf Paris und die Provinzstädte überging.
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Klaus Malettke: "Ludwig XIV." S. 205-207
in: "Die Französischen Könige und Kaiser der Neuzeit 1498-1870" beck'sche Reihe, München, 2006
 
Die Zahl 20.000 fand ich zumindest auch bei Malettke, der zumindest als Kenner der Materie gilt.
1664 sollen auf einem Fest "Plaisirs de l'île enchantée" 600 "courtisans" anwesend gewesen sein, wobei es sich dabei scheinbar schon rein um (Hof- (?)) Adelige handelte. 1668 sollen anlässlich der Feierlichkeiten zum Aachener Frieden schon 1500 Adelige vor Ort gewesen sein und 1680 soll es schon die unglaubliche Zahl von 3000 Adligen als Dauergäste bei Hofe gegeben haben.....

Der französische Wikipediaartikel zu Versailles gibt 30.000 Einwohner für die Stadt Versailles zum Zeitpunkt des Todes des Königs Louis XIV (1715) an. Versailles - Wikipédia
Die Frage wäre hier wiederum, ob hierbei die Bewohner des Schlosses sämtlich inklusive sind.

Ja, besten Dank - den Malettke (Taschenbuchausgabe) hab ich sogar hier noch vorliegen. Da wird ja auch noch konkret auf Seite 76 darauf hingewiesen dass der Zustrom der Adeligen und auch die steigende Zahl des Hofpersonals und der Dienstboten den Ausbau der 1671 gegründeten Stadt Versailles erforderlich machte.

Der Vergleich zu den Dienstboden der Maintenon ist interessant. Hierbei frag ich mich allerdings ob man mit der Maintenon als engster Vertrauter des Königs (der ihr ja wohl auch den Titel Herzogin angeboten hatte, den die Maintenon aber abgelehnt hat) Vergleiche mit anderen hochrangigen Adeligen ziehen kann. Ich stelle mir hierbei die Frage ob sie nicht eher auf "Höhe" von Maria Theresia von Spanien anzusehen wäre. Sie war immerhin eine wichtige Bezugsperson für Ludwig, auch wenn die moderne Geschichtsschreibung angeblich nicht davon ausgeht, dass die Maintenon großen Einfluss auf die Politik hatte (was ich bezweifle, da Frauen immer einen großen Einfluss haben =))

Aber jetzt schweife ich vom Thema ab, denn eine Hochrechnung von Dienstboten ist in der Tat interessant. Mir fehlt nur die Relation zu den Räumlichkeiten von Versailles. War ja noch nie dort.... und von den Gemälden und Luftansichten kann man schlecht Rückschlüsse ziehen, welche Massen das Schloss verkraften konnte. Ich sehe gerade S. 65 v. Malettke - wenn ich mir jetzt noch Stallungen für Pferde usw. in den Gebäuden vorstelle, oje wo bleibt dann der Platz für diese Massen?

Es würde mich dann auch nicht verwundern, wenn es mit sanitären Maßnahmen zu Problemen gekommen wäre.

Es fragt sich auch ob für vorübergehende Gäste "Freiräume" im Schloss vorgehalten wurden oder eher in der Stadt Versailles. Ich denke hier z.B. an Schauspielgruppen, die in großen Massen gastiert haben.
 
Soweit so klar.

Der Vergleich zu den Dienstboden der Maintenon ist interessant. Hierbei frag ich mich allerdings ob man mit der Maintenon als engster Vertrauter des Königs (der ihr ja wohl auch den Titel Herzogin angeboten hatte, den die Maintenon aber abgelehnt hat) Vergleiche mit anderen hochrangigen Adeligen ziehen kann.
Hier allerdings hast Du mich wahrscheinlich missverstanden. Ich glaube Malettke meint damit, die Maintenon ginge dabei nicht von sich selbst aus, sondern von einem x-beliebigen Adligen. Sie selber dürfte seit sie Mätresse des Königs geworden ist, wohl noch mehr Aufwand betrieben haben.
1674 erwarb die Maintenon ja schon die Besitzungen, welche zum Marquisat erhoben wurden und stieg in der Gunst des Königs.

Nein, bei den 12 Dienstboten, glaube ich, meint sie diejenigen eines mittleren Adligen - also wohlhabenden Vicomte, Comte oder sowas. Man kommt auch recht rasch auf die Zahl: 1 Leibdiener, 1 Koch, 5-6 Livreediener (Lakaien in Livree), 2 Schweizer...
Bei Herzögen würde ich eher auf 100 oder mehr Dienstboten tippen, multiplitzierbar mit einigem, wenn diese Herzöge auch noch den ersten Familien angehörten.
Am Schloss Versailles selbst sind sicherlich die großen Repräsentationsflächen abzuziehen. Ich war zweimal dort. Im Haupttrakt sind ja riesige Räume nur als Säle, Kabinette zur Arbeit des Königs usw. genutzt. Dann muss man desweiteren bedenken, dass Versailles in den 1680ern noch garnicht so riesig wie heute war. Noch in den 1680ern kam ja der große Teil von Mansard hinzu. Datei:Versailles Plan.PNG – Wikipedia

In der Stadt Versailles habe ich auch noch nicht soviele große Hôtels gesehen wie man sie aus Paris kennt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Für mich ist vor allem die Zahl von 3.000 adligen Dauergästen der Hauptknackpunkt. Wer zählte als Dauergast? Jemand der sich über die Hälfte des Jahres bei Hofe aufhielt, jemand der ein Amt bei Hofe innehatte, jemand der nur pro Forma zu erscheinen hatte bzw. de Jure ein Hofamt hatte, aber es nicht ausfüllte?:grübel:
 
Für mich ist vor allem die Zahl von 3.000 adligen Dauergästen der Hauptknackpunkt. Wer zählte als Dauergast? Jemand der sich über die Hälfte des Jahres bei Hofe aufhielt, jemand der ein Amt bei Hofe innehatte, jemand der nur pro Forma zu erscheinen hatte bzw. de Jure ein Hofamt hatte, aber es nicht ausfüllte?:grübel:

Ja das ist in der Tat ein - wenn nicht der Knackpunkt.
Fakt ist ja nunmal, dass Ludwig irgendein standardisiertes Verfahren haben musste um den Adel irgendwie auf zumindest regelmäßige Anwesenheit zu kontrollieren. Dies kann bei der Masse eigentlich nur durch Strichlisten funktionieren (so blöd sich das anhört). Es muss also im Schloss eine zentrale Anlaufstelle gegeben haben, bei der man sich zwanglos gezeigt hat um sozusagen "Strichchen" zu bekommen.
So könnte man sich erklären, dass sich der Adel zwar so oft wie möglich sehen ließ, aber in Ermangelung von Räumlichkeiten für alle, in Paris oder der Stadt Versailles unterkam.

Nur welches war dann der höhergestellte Adel? Der der in den Dachkammern von Versailles hausen "durfte" oder der, der das Vertrauen des Königs hatte und vielleicht aus diesem Grunde das Glück hatte, und außerhalb logieren konnte?

Was ist an diesem Link dran?
Die Aristokratie Aristokratie Aristokratie so sie nicht zur königlichen Familie gehörte hauste hauste hauste in engen Dachkammern. Schloss Versailles
Allerhöchster Adel in Dachkammern? Ich gehe nicht davon aus, dass diese "Dachkammern" heute zur Besichtigung offen stehen.

Wenn also - woran ich immer noch zweifeln mag - Hochadel in Dachkammern untergebracht war, wo waren dann erst
1. deren ständige Dienerschaft und
2. welchen Sinn hätte diese Heerschar an Dienerschaft noch gehabt?

Aus meiner Laienhaften Sicht heraus denke ich, dass es für die einzelnen Adeligen ja eine Strafe war auf Dauer am Hof anwesend zu sein und auf die Annehmlichkeiten auf den eigenen Adelssitzen zu verzichten. Wahrscheinlich hatten viele noch nicht einmal Ihre Frauen dabei, geschweige denn die volle Dienerschaft. Wie wir ja wissen, war die reine Anwesenheit für so manchen Adeligen in Versailles der reine Ruin (was von Ludwig mithin beabsichtigt war).

So könnte man sich vielleicht 3000 ständige Dauergäste denken, aber halt nur auf die allernotwendigste eigene Dienerschaft begrenzt.:grübel:
 
Denkbar wären wohl Zwischenstockwerke.

In Versailles sieht man zumindest bei dem üblichen Besuch nicht irgendwelche Räume des mittleren Adels, sondern eben nur die Gemächer der königlichen Familie.

Ich weiß nicht, ob Du Schloss Benrath kennst. Hier sind unter dem Dach mehrere Appartements für Gäste befindlich, übrigens neben einer Schlosskapelle. Insgesamt ist das Schloss nicht sehr groß, aber man täuscht sich innerhalb von solchen Schlössern oftmals über die Dimensionen der Säle eben durch die wahnsinnig hohen Decken. In Benrath kann man falsche Ansichten dann gut revidieren, wenn man sieht, dass oberhalb einiger weniger Räume des kurfürstlichen Paares ganze Appartements (4) inklusive Kabinette, Schlafgemächer und sogar kleine Säle Platz haben.
Es ist zwar nicht Versailles macht aber vielleicht ein bisschen die Sache einleuchtender, wo der nachgeordnete Adel beherbergt wurde. Schloss Benrath – Wikipedia (siehe unter "Grundriss und Geschosseinteilung")
 
Butter bei de Fisch ;-)

Wieso scheinen uns diese Zahlen als sehr hoch gegriffen?

Um die 3.000 Adligen einmal in eine gewisse Relation zu setzen, sollte man wohl veranschaulichen wieviele Adlige es denn im Frankreich des Ancien Régime gab.
Dabei variierten die Schätzungen der Zeitgenossen schon enorm. So schätzte der Abbé Coyer den Adel Frankreichs 1755 auf 360.000 Personen, Moheau auf 80.000 und Sieyès in seinem berühmten "Qu' est-ce que le Tiers État" von 1789 auf 100.000 bis 110.000.
*

Dabei dürfen diese selbst bei der kleinsten Menge noch gewaltigen Zahlen eben nicht dazu verleiten, nun auch den Hofadel für so zahlreich zu halten. So gab es in dem, zugegebener Maßen, Spezialfall Bretagne mancherorts 70 Prozent des Adels, welcher keine 10 Livres Kopfsteuer zahlen konnte.
**

Man kann also davon ausgehen, dass nur ein Bruchteil des französischen Adels finanziell dazu überhaupt in der Lage war, das nötige Vermögen aufzubringen, welches zu einem dauerhaften Aufenthalt bei Hofe nötig war.


Quellen:
*
Diese Zahlen finden sich auch in diesem scheinbar recht zum Thema interessanten Buch: GRIN - Der Adel im frühneuzeitlichen Frankreich - Hauptseminararbeit 
**
Pierre Serna: „Der Adlige“ S.56-57
in M.Vovelle (Herausg.): „Der Mensch der Aufklärung“ Magnus Verlag, Essen, 2004
 
Um die 3.000 Adligen einmal in eine gewisse Relation zu setzen, sollte man wohl veranschaulichen wieviele Adlige es denn im Frankreich des Ancien Régime gab.
Dabei variierten die Schätzungen der Zeitgenossen schon enorm. So schätzte der Abbé Coyer den Adel Frankreichs 1755 auf 360.000 Personen, Moheau auf 80.000 und Sieyès in seinem berühmten "Qu' est-ce que le Tiers État" von 1789 auf 100.000 bis 110.000.
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Dabei dürfen diese selbst bei der kleinsten Menge noch gewaltigen Zahlen eben nicht dazu verleiten, nun auch den Hofadel für so zahlreich zu halten. So gab es in dem, zugegebener Maßen, Spezialfall Bretagne mancherorts 70 Prozent des Adels, welcher keine 10 Livres Kopfsteuer zahlen konnte.
**

Man kann also davon ausgehen, dass nur ein Bruchteil des französischen Adels finanziell dazu überhaupt in der Lage war, das nötige Vermögen aufzubringen, welches zu einem dauerhaften Aufenthalt bei Hofe nötig war.


Quellen:
*
Diese Zahlen finden sich auch in diesem scheinbar recht zum Thema interessanten Buch: GRIN - Der Adel im frühneuzeitlichen Frankreich - HauptseminararbeitÂ*
**
Pierre Serna: „Der Adlige“ S.56-57
in M.Vovelle (Herausg.): „Der Mensch der Aufklärung“ Magnus Verlag, Essen, 2004

Gott sei Dank habe ich mich nicht ans Hochrechnen gewagt=)
Steht in dieser Quelle etwas vom Verhältnis z.B. gekaufter Adelstitel zu Blutadel? Wäre mal interessant eine ganz grobe Zahl zu haben.
Ludwig XIV. hat ja versucht die gekauften Adeligen "in Grenzen zu halten".
 
Gott sei Dank habe ich mich nicht ans Hochrechnen gewagt
Steht in dieser Quelle etwas vom Verhältnis z.B. gekaufter Adelstitel zu Blutadel? Wäre mal interessant eine ganz grobe Zahl zu haben.
Ludwig XIV. hat ja versucht die gekauften Adeligen "in Grenzen zu halten".
Für die Zeit von Louis XIV habe ich ad hoc nichts dazu, aber ich glaube, auch wenn Du der Ersteller des Threads bist, das würde hier zu weit wegführen. Neuadlige bildeten zusammen mit dem Blutadel ja zweifelsohne eine Masse des Hofstaates.
Ich glaube Louis XIV schätzte die Ergebenheit des Adels, welcher seine Nobletierung durch ihn erfahren hatte und ihm daher besonders verbunden war, während er, gerade den hohen, alten Adel auch durchaus skeptisch sah, da er von dem nunmal auch die Fronde kannte, welche ihn sicherlich stark geprägt hatte.
 
Guten Tag

In der Hoffnung, dass das Thema noch interessiert hier ein paar Details, die ich bei:
Max von Boehn: Rokoko - Frankreich im XVIII. Jahrhundert, Berlin, 1919 gefunden habe.

Versailles:

"Versailles glich einem Bienenstock, denn da jeder, der dem Hofe angehörte, den Ehrgeiz besaß, im Schlosse ein Quartier zu haben, wenn es auch nur wenige Zimmer waren, so war es buchstäblich vom Keller bis unter das Dach bewohnt. Im Jahre 1744 zählte man insgesamt 10000 Personen, die im Hautgebäude untergebracht waren. ... Das Schloß stand offen wie ein Gasthof. Auf den Treppen und in den Vorzimmern hielten fiegende Händler ihre Waren feil, Bettler trieben sich umher ... Da im Schloß keine Polizei existierte, half man sich indem man ab und zu Razzias abhielt."

Hofstaat:

"Unter Ludwig XVI. gab es 16 vollkommen eingerichtete Hofhaltungen mit hohen und niedren Chargen aller Art. Der Haushalt des Königs umfasste 4000 Bedienstete, der der Königin 500, der des Grafen von Provence 420, der des Grafen von Artois 456, der der Gräfin von Provence 256, der der Gräfin von Artois 239, der der Tanten des Königs 22 Person."

Aber:

"Je zahlreicher die Dienerschaft war, je schlechter die Bedienung. Im Hofstaat Maria Leszcynskas befanden sich 572 Personen und doch konnte die Königin nicht einmal durchsetzen, dass ihr Schlafzimmer ordentlich reingemacht wurde."

Anzahl des Adels:

"1750 veranschlagte man die Zahl der adligen Familien auf ungefähr 180000 mit 600000 Köpfen. ... 40 Jahre später beim Zusammentritt, wird ihre Anzahl weit geringer angenommen. Bouillé nimmt 80000 Familien an, Lavoisier 83000 Personen, beide nach willkürlicher Schätzung, ohne positive Unterlagen für ihre Berechnungen beizubringen. Taine hat, indem er die sicher überlieferten Zahlen einiger Provinzen des Südens zugrunde legte, für die ganze Monarchie das Vorhandensein von etwa 26000 - 28000 Familien errechnet und indem er die Familie auf etwa 5 Personen schätzte, ungefähr 130000 bis 140000 Adlige in Frankreich herausgebracht."

Kauf des Adelstitel:

"1702 kosteten den 200 Personen, die Ludwig XIV. adelte, ihre Adelsbriefe nur jeder 3000 Francs, während die 500 Personen, die 1706 geadelt wurden, schon jede 6000 Francs zahlen mussten."

Grüße
excideuil
 
Den 3.000 angeblichen adeligen Dauer"gästen" - vielleicht sollte es auch besser Bewohner heißen, hatte ich ja dies vor einiger Zeit gegenüber gestellt:

Man kann also davon ausgehen, dass nur ein Bruchteil des französischen Adels finanziell dazu überhaupt in der Lage war, das nötige Vermögen aufzubringen, welches zu einem dauerhaften Aufenthalt bei Hofe nötig war.

Chaussinand-Nogaret vertritt die Ansicht, dass im 18.Jh. eine Familie mit 10.000 bis 50.000 Livres Jahreseinkommen wohl noch bei Hofe leben konnte. Die Zahl der Familien veranschlagt er mit 3.500. Die absolute Spitze des Adels bezüglich der finanziellen Verhältnisse bildeten jene, die mehr als 50.000 Livres Einkünfte hatten, welche sich aber nur auf etwa 250 Familien beliefen. *
Der ganze Rest des Adels habe mehr oder weniger bis garnicht komfortabel in der Provinz leben können, die Anforderungen des Hofes aber mangels langem finanziellen Atem ohnehin nicht erfüllen können.

Ein paar Fragen drängen sich mir also auf:
1. Sind nicht bloß die besagten 250 Familien als wirklicher Hofadel zu werten?
2. Welche Rolle spielten die Familien mit weniger als 50.000 Livres? Auch wenn sie sich das Leben bei Hofe leisten konnten, kann ich mir fast eher eine Art Statistenrolle vorstellen.
3. Was ist mit "Familien" gemeint? Sind das: Vater, Mutter, Kinder? Oder sind das ganze Adelshäuser? Z.B.: alle, welche den Namen Mirabeau führten?

* Guy Chaussinand-Nogaret(Hrsg.): "Histoire des élites en France du XVIe au XXe siècle" Paris, 1991 S. 97
 
@Brissotin
Eines ist mir aber immer noch schleierhaft: Was bedeutet hier bei Hofe bzw am Hofe. Kam es hier vielleicht zu Übersetzungsfehlern?

Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Hof (und was bedeutet das genau, wie groß war der Hof, welche Dependancen gehörten dazu) groß genug war um 3500 Adelsfamilien als ständige "Wohnburg" zu dienen, zumal wenn sie alle Kosten selbst zu betreiten hatten, also z.B. nicht bei freier Kost und Logie waren. Außer das Wort "Hof" bezog sich eben nicht nur auf das köniliche Schloß bzw. den Hof als Wohnsitz, sondern auf den Stadtteil, in dem sich auch die übrigen Stadthäuser des Adels befanden. So wie in London mit dem Stadtteil ST. James.

Andererseits, wenn mit den genannten Kosten allein Kleidung, Equipage und ähnliches bestritten wurde, war das Leben am/beim Hof tatsächlich außerordentlich kostspielig.

Allerdings muß man hier auch zwischen del und Adligen "Bediensteten" Hofämtern etc. unterscheiden. Zählen diese in den üblichen Berechnungen hier zum Adel, oder zum Personal? :grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
1. @Brissotin
Eines ist mir aber immer noch schleierhaft: Was bedeutet hier bei Hofe bzw am Hofe. Kam es hier vielleicht zu Übersetzungsfehlern?

Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Hof (und was bedeutet das genau, wie groß war der Hof, welche Dependancen gehörten dazu) groß genug war um 3500 Adelsfamilien als ständige "Wohnburg" zu dienen, zumal wenn sie alle Kosten selbst zu betreiten hatten, also z.B. nicht bei freier Kost und Logie waren. Außer das Wort "Hof" bezog sich eben nicht nur auf das köniliche Schloß bzw. den Hof als Wohnsitz, sondern auf den Stadtteil, in dem sich auch die übrigen Stadthäuser des Adels befanden. So wie in London mit dem Stadtteil ST. James.


2.
Andererseits, wenn mit den genannten Kosten allein Kleidung, Equipage und ähnliches bestritten wurde, war das Leben am/beim Hof tatsächlich außerordentlich kostspielig.

3.
Allerdings muß man hier auch zwischen del und Adligen "Bediensteten" Hofämtern etc. unterscheiden. Zählen diese in den üblichen Berechnungen hier zum Adel, oder zum Personal?
1. Zu den 3.500, die ich angegeben habe:
Diese Zahl bezeichnet ja bloß die Anzahl, die sich quasi ein Leben bei Hofe leisten konnte.
Sie mussten deswegen aber nicht unbedingt dort auch anwesend gewesen sein.

2.
Das ist so.

3.
Das ist mir auch nicht ganz klar. Ganz oben erwähnte ich ja die Angabe von Malettke, es hätten angeblich 3.000 adelige Personen bei Hof als Dauergäste gelebt. Dabei nahm ich schon an, dass er meinte, dass diese Personen im Schlosskomklex selbst lebten.
Was ich nicht weiß, ist ob er damit die Dienstchargen (Chambellan etc.) einschloss. Andererseits waren diese Hofchargen so viele, dass wohl die Zahl, die ein solches mehr oder minder reales Amt inne hatten, zu groß wäre, um sie von den 3.000 abzuziehen.
 
Ich bin schon deshalb kritisch weil "trau keiner Statistik, die du nicht selbst erstellt hast", will sagen (Siehe Arbeitslosenberichte), die Frage ist immer welche Kriterien/Gruppen/Statu(u)s (Mehrzahl!) in Anrechnung kamen.

Egal, ob man von Gästen spricht, die die Tage im Schloß verbrachten, jedoch in ihren Stadthäusern schliefen, oder von 250 Adelsfamilien spricht, die dort beständig lebten und wohnten, es sind natürlich immer ganze Familien, die betroffen sind. Demnach müsste man natürlich die einzelne Familie als Ganzes einberechnen, nicht aber das Adelshaus an sich, denn der eine Bruder konnte bei Hofe/am Hof leben, der andere das Landleben bevorzugen, unabhängig davon, ob er sich die teurere Ausstattung des Hoflebens hätte leisten können.

Und auch wenn du die einzelnen Familien als Ganzes einbeziehst, kannst du keine verbindliche Aussage über die Anzahl der Adligen bei Hofe treffen, da sie täglich mehr oder weniger stark schwankt. Auch damals wurden Eheleute gescheiden, bzw flüchteten fremd, verstarben, hatten längere Aufenthaltsreisen etcpp. Hat man hier einen Jahres-oder anderen Mittelwert berechnet, und wenn, über welchen Zeitraum? :grübel:

Davon mal ganz abgesehen, dass es tatsächlich Adlige gabe, die getrennte Leben führten, indem der gatte seine politischen und gesellschaftlichen verpflichtungen und Ämter erfüllte, die Gattin mit den Kindern aber das ruhige Landleben bevorzugte, wenn diese nicht auf Internaten oder anderweitig untergebracht waren, wie so oft. :winke:
 
Und auch wenn du die einzelnen Familien als Ganzes einbeziehst, kannst du keine verbindliche Aussage über die Anzahl der Adligen bei Hofe treffen, da sie täglich mehr oder weniger stark schwankt. Auch damals wurden Eheleute gescheiden, bzw flüchteten fremd, verstarben, hatten längere Aufenthaltsreisen etcpp. Hat man hier einen Jahres-oder anderen Mittelwert berechnet, und wenn, über welchen Zeitraum?
ICH beziehe niemanden ein.

ICH habe nur Zahlen aus einer Quelle angegeben. Viel mehr gibt mir das Material, das ich in der Hand habe, nicht her.



ICH denke aber, dass die Vermögenswerte eher darauf hindeuten, dass die Zahlen eher für Familien im Sinne von: erwachsene Eltern + eventuell Kinder gedacht sind.
Ansonsten wäre das Vermögen zu gering. (Bei 4.000 bis 1.000 Livres gibt der gleiche Autor an, dass man sich damit maximal 1-2 Diener leisten konnte, aber wohl noch halbwegs standesgemäß leben konnte. Gerade das mit dem standesgemäß und der Dieneranzahl macht klar, dass es sich wohl um kleine Familien handelte. Wobei gerade beim französischen niederen Adel die Familien (im Sinne von Vater, Mutter + Kinder) eher klein blieben, da man das weniger Vermögen scheinbar nicht durch zuviele Köpfe auch noch verzehren wollte. Das war wohl auch eine Ursache für den prozentualen Rückgang des Adels an der Gesamtbev..)
 
Zuletzt bearbeitet:
@Brissotin
Sorry, mit du meinte ich nicht dich persönlich, sondern allgemein man/du :winke:
 
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