Jean-Jacques Rousseau

Inspektor

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Hallo. Also Rousseau hatte ja etwas geschrieben, wie seiner Meinung nach ein Staat regiert werden soll. Zum Beispiel: Jeder Staatsbürger soll nur für seine eigene Überzeugung eintreten, Gesellschaftsvertrag, Volksherrschaft etc. Was sind denn die Vor- und Nachteile? Ist eine Hausaufgabe. Danke an alle hilfreichen Antworten.
 
@Inspektor :winke:

Die Schrift die du meinst, heißt "Du Contract Social ou principes du droit politque".

Dort trat sein Naturmensch (der ihm als tugendhaft erschien) hinter den politischen und mündigen (Staats-)Bürger zurück. Der Einzelne nimmt sich zum Wohle der Gemeinschaft, (schließlich aber auch zu seinen eigenen Gunsten) als Individuum zurück, ordnet sich dem allgemeinen Willen (volonté générale) und erreicht dadurch Gleichheit, Sicherheit und Freiheit...

Daraus lassen sich doch nun prima die Vor- und Nachteile dieser Sichtweise ableiten wenn man sich die heutige Realität von Staaten betrachtet.
 
Dort trat sein Naturmensch (der ihm als tugendhaft erschien) hinter den politischen und mündigen (Staats-)Bürger zurück. Der Einzelne nimmt sich zum Wohle der Gemeinschaft, (schließlich aber auch zu seinen eigenen Gunsten) als Individuum zurück, ordnet sich dem allgemeinen Willen (volonté générale) und erreicht dadurch Gleichheit, Sicherheit und Freiheit...

Moment mal, ist das wirklich richtig? Es erscheint mir zumindest verkürzt. Schließlich ist Rousseau doch der erste überhaupt, der abfällig von "Bourgeoisie" spricht und sagt, dass der gegenwärtige, zivilisiert lebende Mensch innerlich zerrissen ist - als Naturmensch denkt er an sich, als Bürger an die Gemeinschaft, und da beides in ihm vorhanden ist, zerreibt er sich an diesem inneren Widerspruch der Prioritäten.

Soweit ich mich erinnere, schlägt Rousseau dann die dritte utopische Stufe JENSEITS des Bürgertums vor, die sich von der Welt entfremdet, zurück in die Natur geht und dort eine neue Gesellschaft anhand des sozialen Vertrags erschafft, die diesen Grundwiderspruch überwindet.

Übrigens, eins weiß ich ganz sicher: Rousseaus Naturmensch ist GUT, nicht TUGENDHAFT. Das sagt Rousseau ganz explizit, und er meint "gut" auch mehr so im Sinne von unschuldig, bar der Reflektion, sündenfrei - ein bisschen wie Parzival oder der Mensch vor dem Sündenfall oder so (oder Orang-Utans - Rousseau spekuliert da sehr explizit über Menschenaffen, genau um die theologischen Untertöne zu vermeiden). Tugendhaft hingegen hieße ja gerade, dass der Mensch reflektiert ist und innerhalb von gesellschaftlichen Normen richtig handelt. Aber das heißt es im Naturzustand nicht. Der Mensch im Naturzustand ist immer selbstbezogen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Dog Soup

Moment mal, ist das wirklich richtig? Es erscheint mir zumindest verkürzt. Schließlich ist Rousseau doch der erste überhaupt, der abfällig von "Bourgeoisie" spricht und sagt, dass der gegenwärtige, zivilisiert lebende Mensch innerlich zerrissen ist - als Naturmensch denkt er an sich, als Bürger an die Gemeinschaft, und da beides in ihm vorhanden ist, zerreibt er sich an diesem inneren Widerspruch der Prioritäten.

Ja - zum einen habe ich das gewaltig verkürzt und zum anderen betrachtete ich den inneren Widerspruch als Zentrum des Pro und Contra´s (Vor- und Nachteil) in der Frage des Fragestellers...

Übrigens, eins weiß ich ganz sicher: Rousseaus Naturmensch ist GUT, nicht TUGENDHAFT. Das sagt Rousseau ganz explizit, und er meint "gut" auch mehr so im Sinne von unschuldig, bar der Reflektion, sündenfrei - ein bisschen wie Parzival oder der Mensch vor dem Sündenfall oder so (oder Orang-Utans - Rousseau spekuliert da sehr explizit über Menschenaffen, genau um die theologischen Untertöne zu vermeiden). Tugendhaft hingegen hieße ja gerade, dass der Mensch reflektiert ist und innerhalb von gesellschaftlichen Normen richtig handelt. Aber das heißt es im Naturzustand nicht. Der Mensch im Naturzustand ist immer selbstbezogen.

Ich weiß leider nicht inwiefern bei Rousseau die Tugendethik nach moderner Lesart hineinspielt... Als Tugend könnte man das Verlangen sittlich gut zu handeln bezeichnen. Die Sittlichkeit aber verweist ihrerseits auf die Moral und somit auch auf die Wechselwirkung innerhalb einer Gesellschaft.

Würde sich eine Untersuchung hinsichtlich des Gedankens an den (völlig selbstbezogenen) Selbsterhaltungstrieb und der Goldenen Regel (tue mir nichts, ich tue dir auch nichts an...) zur Motivation des Willen, Gutes zu tun lohnen? Wäre dies eine (Natur-)Ethik, die sich aus dem Menschen (ohne Gesellschaft) heraus ergibt, welche ihn zum "Guten" anspornt?
 
Ja - zum einen habe ich das gewaltig verkürzt und zum anderen betrachtete ich den inneren Widerspruch als Zentrum des Pro und Contra´s (Vor- und Nachteil) in der Frage des Fragestellers...

Ah so. In deinem Post klang es erst so, als ob der Naturmensch einfach direkt vom Bürger abgelöst würde, der sich zu seiner eigenen Sicherheit unterordnet und alle möglichen Regeln des Zusammenlebens beherzigt - und das wäre ja dann Hobbes, nicht Rousseau.

Aus der eigentlichen Fragestellung werde ich allerdings auch nicht ganz schlau. Soll das heißen, was sind die Vor- und Nachteile des Gesellschaftsvertrags? Vor- und Nachteile welchem Vergleichsmodell gegenüber? Kann man das überhaupt seriös beantworten, wenn das ein streckenweise utopisches Weltmodell ist?

Ich weiß leider nicht inwiefern bei Rousseau die Tugendethik nach moderner Lesart hineinspielt... Als Tugend könnte man das Verlangen sittlich gut zu handeln bezeichnen. Die Sittlichkeit aber verweist ihrerseits auf die Moral und somit auch auf die Wechselwirkung innerhalb einer Gesellschaft.

Würde sich eine Untersuchung hinsichtlich des Gedankens an den (völlig selbstbezogenen) Selbsterhaltungstrieb und der Goldenen Regel (tue mir nichts, ich tue dir auch nichts an...) zur Motivation des Willen, Gutes zu tun lohnen? Wäre dies eine (Natur-)Ethik, die sich aus dem Menschen (ohne Gesellschaft) heraus ergibt, welche ihn zum "Guten" anspornt?

Richtig, genau so hatte ich Tugend gemeint. Ich müsste raussuchen, wo genau das steht, aber Rousseau trifft definitiv diese Unterscheidung. Andererseits ich bin mir nicht sicher, ob du verstanden hast, was ich mit "gut" gemeint habe, denn es ist eben gerade nicht gut im Sinne von "Motivation Gutes tun" (das hieße ja wieder etwas Sittliches) sondern einfach "unschuldig im Naturzustand leben."

Die Goldene Regel im Naturzustand ist auch nicht "Tu mir nichts, dann tu ich dir nichts." Die Goldene Regel des Naturzustandes ist im aufklärerischen Gedankengut allgemein - und auch bei Rousseau im Speziellen - wesentlich brutaler: "Nulla crimen sine lege" - wo kein Gesetz da kein Verbrechen. Das heißt, es kann durchaus Gewalt ausgeübt werden. Da diese aber tierisch-unschuldig ist, hat sie keine sittliche Dimension und ist daher nicht moralisch verwerflich. Das meint Rousseau mit "gut." Mehr nicht. Ist halt einfach eine ungewöhnliche und alltagsungebräuchliche Art, das Wort "gut" zu benutzen (diese Philosophen... :autsch:).

Du hast aber insofern nicht ganz unrecht, weil man einschränkend hinzufügen muss, dass Rousseau dem Menschen im Naturzustand ein grundsätzlich einzelgängerisches, freundliches Gemüt zuschreibt. Das ist neu bei ihm, und unterscheidet ihnen von seinen Vorgängern. Für Rousseau war der Mensch im Naturzustand allerdings mit dem heutigen Menschen gar nicht zu vergleichen; der Naturzustand war für ihn eine historische Größe, in der der Mensch in seinen Eigenschaften wirklich fundamental anders war - daher auch seine spekulativen Überlegungen zu den Orang-Utans.

Die Motivationsfragen, die du dir stellst, ergeben daher wesentlich mehr Sinn bei Hobbes' Naturzustand. Der hat nämlich in der Tat gesagt, dass im Naturzustand der Mensch von seinen wesentlichen Eigenschaften her genauso ist wie der heutige, und dass die menschliche Motivation zur Tat der Schlüssel sowohl für den Naturzustand als auch für das gesellschaftliches Sich-Erheben aus demselben ist. Dass er den Naturmenschen und den gesellschaftlichen Menschen nicht weiter in seinen Eigenschaften differenziert ist Hobbes auch zum Vorwurf gemacht worden, insbesondere von Rousseau.

Rousseau war statt dessen der Meinung, dass der heutige Mensch grundsätzlich nicht im Naturzustand leben könnte, einfach weil er vom Naturmenschen nicht mehr genug Eigenschaften übrig hatte. Deswegen musste auch eine dritte Stufe der Entfremdung her um eine Alternative zur Bourgeoisie zu formulieren, ein utopischer Mensch der den Gesellschaftsvertrag auch leben kann (speziell zu dieser "zweiten substanziellen Entfremdung" gibt's ein gutes Buch von Sally Howard Campbell, das 2012 rausgekommen ist). Problematisch bei Rousseau ist halt, dass bei ihm irgendwie immer der ganze Mensch transformiert und zu einem völlig anderen Wesen wird. Das heißt, irgendwie muss der heutige Mensch sich auch wieder transformieren, um den Gesellschaftsvertrag überhaupt leben zu können. Das meinte ich eben mit utopischer Dimension.
 
Die Goldene Regel im Naturzustand ist auch nicht "Tu mir nichts, dann tu ich dir nichts." Die Goldene Regel des Naturzustandes ist im aufklärerischen Gedankengut allgemein - und auch bei Rousseau im Speziellen - wesentlich brutaler: "Nulla crimen sine lege" - wo kein Gesetz da kein Verbrechen.

Kurzer Nachtrag: Das Prinzip heißt natürlich NULLUM crimen sine lege.
 
Rousseau, Geschichte – und was das soll?

Warum lese ich Rousseau? Warum beschäftige ich mich überhaupt mit Geschichte? Geht es nur darum, zu wissen, was einmal war? Oder gilt vielmehr, daß Geschichtsbetrachtung als Spiegel der Gegenwart nach den Ideen hinter den Ereignissen sucht? Kann dann die Auseinandersetzung mit der Geschichte ohne die Auseinandersetzung mit der gegenwart funktionieren? Oder anders gefragt, ist eine Idee, die ich nicht nachvollziehen kann, überhaupt existent, oder ist sie für mich gar nicht zugänglich – die Kernfrage der historischen Heuristik, nach der ich nur von dem mir Bekannten auf das Unbekannte schließen kann.

Warum also lese ich Rousseau, wenn doch all seine Ideen mir überhaupt nichts bringen, um eine Erkenntnis für mein heutiges Leben und die Gesellschaft, in der ich lebe, abzuleiten? Was kann ich aus der Geschichte lernen? Weder der von ihm propagierte Naturzustand des Menschen noch sein Entwicklungsmodell sind als Idee haltbar, und die Grundlage seines Gesellschaftsvertrages ist weder ideell noch praktisch nachzuvollziehen oder umzusetzen? Wenn es nur darum geht, zu erfahren, was ein Mensch vor langer Zeit einmal gedacht hat, ist mir das zu wenig.

Warum liest jemand Rousseau?
 
Weil er im Studium der Pädagogik dazu gezwungen wurde.

Aber das war Emile oder über die Erziehung.
 
Warum lese ich Rousseau?

Warum liest jemand Rousseau?

Anders gefragt, wozu "Verstehen" und die Welt in einen sinnvollen Kontext von sprachlich vermittelten Werten anhand von Symbolen zu ordnen, wie es Max Weber oder Habermas in ihren Theorien zentral als Anspruch formulieren.

Da es keine ursprünglich Ordnung der Dinge gegeben hat, sind es Menschen, die diese Ordnung aushandeln. Strukturen schaffen und ihrerseits in ihrem Handeln durch diese Strukturen geprägt werden.

Und sie - die Menschheit - können es unter einem humanen Vorzeichen, wie im Rahmen der "Aufklärung" geschehen und die Werte der französischen Revolution als sinnvollen gemeinsamen Rahmen als zivilisatorische Leistung interpretieren. Und damit im Prinzip die ebenso bemerkenswerte zivilisatorische Leistung der Religionen teilweise fortführen.

Oder sie - die Menschheit - kann sich für die Antithese der Aufklärung bewußt entscheiden und im Rahmen der Dialektik der Aufklärung eine irrationale Übersteigerung gegenteiliger Werte vorantreiben, die auf völkische Inklusion, der Exklusion des "nicht-völkischen", einem militanten Nationalismus, Mißtrauen und Hass aufgebaut ist. Die sich dann im Faschismus / Nationalsozialismus niedergeschlagen hat.

Das Lesen von Rousseau bietet somit die Chance, einen Teil der Entwicklung der Aufklärung nachvollziehen zu können und die Traditionsbestände seines Denkens, oder die von Condorcet oder anderen, präziser im Rahmen der Entwicklung der politischen Theoriebildung nachzeichnen zu können. Wenn ich Platon oder Aristoteles sage, dann muss ich auch Thomas von Aquin, Thomas Morus, Grotius, Hobbes, Spinoza, Locke Montesquieu und viele andere Theoretiker des Politischen erwähnen. Nur um die Klassiker zu berücksichtigen.

Oder nennen wie es einfach, es ist der Respekt vor der Leistung anderer, die sich aus "intellektuelle Redlichkeit" der Gedanken früherer Philosophen erinnert.

Aber warum sitzen manche in der Landschaft mit Hacke und Hammer und buddeln alte Steine aus? Es gibt doch viel schönere und neuere im Baumarkt?:winke:
 
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Ich denke, ich lese Rousseau, weil mich seine Ansätze interessieren. Ich lese auch zahlreiche Werke, die mir nicht gefallen, um mir eine Meinung über dieselben zu bilden. Bspw. bei Voltaire. Ich liebe seine Romane und Erzählungen, die Dramen von ihm, die ich bisher las, haben mir nicht gefallen, "Zaire" freilich ausgenommen. Aber ich wollte verstehen, warum er als Dramatiker solchen Ruhm genoss. Nun, Rousseau mag mir von seinen Ansichten her ganz und garnicht behagen, aber ich will verstehen, warum man ihn damals so emsig las und nachbetete. Viele der Philosophen sind auch heute noch relevant, auch wenn sie Zusammenhänge philosophisch erklärten, die heute naturwissenschaftlich anders und richtiger erklärt werden - dennoch wirken sie bis heute fort. Rousseau würde ich neben Voltaire und Leibniz als einen der nachhaltigsten der Epoche ansehen, selbst wenn mancher nichtmal mehr eine Anekdote über sie kennt.

"Böse Philosophen" von Philipp Blom hat mich einiges besser verstehen lassen, da es mir das Netzwerk der Philosophen näher vertraut machte. Daraus erklären sich auch die Wandel in der Gedankenwelt der Denker von damals.
 
Zunächst einmal bitte ich um Verzeihung, dieses Thema zwar wieder auf den Tisch gelegt zu haben, dann aber so lange zu warten - das Leben ist schon eine zeitfressende Angelegenheit. Und selbst wenn man mal Zeit hat, fehlen MUße oder ein freier Kopf, und man will einfach alle fünfe gerade sein lassen.

Ich denke, ich lese Rousseau, weil mich seine Ansätze interessieren.

Das persönliche Interesse steht außer Frage - deshalb habe ich ja auch damit angefangen. Aber da lese ich auch Agatha Christie oder die Peanuts von Schulz - übrigens auch Philosophie, und arg unterschätzt. Was mich umtreibt, ist der intellektuelle Mehrwert. Wenn man von dem Allgemeinplatz absieht, daß jede Lektüre etwas zur Bildung von Geist und Seele beiträgt, fragt man sich doch: Kommt aus der Rousseaulektüre ein anderer Mensch heraus, als hineinging, oder sagt man sich "och, war nett" und geht unberührt von dannen?

Anders gefragt, wozu "Verstehen" und die Welt in einen sinnvollen Kontext von sprachlich vermittelten Werten anhand von Symbolen zu ordnen, wie es Max Weber oder Habermas in ihren Theorien zentral als Anspruch formulieren.

Und sie - die Menschheit - können es unter einem humanen Vorzeichen, wie im Rahmen der "Aufklärung" geschehen und die Werte der französischen Revolution als sinnvollen gemeinsamen Rahmen als zivilisatorische Leistung interpretieren. Und damit im Prinzip die ebenso bemerkenswerte zivilisatorische Leistung der Religionen teilweise fortführen.

Oder sie - die Menschheit - kann sich für die Antithese der Aufklärung bewußt entscheiden und im Rahmen der Dialektik der Aufklärung eine irrationale Übersteigerung gegenteiliger Werte vorantreiben, die auf völkische Inklusion, der Exklusion des "nicht-völkischen", einem militanten Nationalismus, Mißtrauen und Hass aufgebaut ist. Die sich dann im Faschismus / Nationalsozialismus niedergeschlagen hat.

Die Botschaft hör' ich wohl ...

Verstehe ich denn etwas und ordne mir einen Kontext? Ich lese den Gesellschaftsvertrag und sehe natürlich, daß nahezu sämtliche historische Ausgangsbedingungen, von denen Rousseau ausgeht (äh, Stilblüte!), nicht haltbar sind, womit dann meiner Logik entsprechend auch seine Schlußfolgerungen nicht mehr hinhauen.
Aber auch allgemein - über bestimmte Details wie den Urzustand oder die negative Kulturentwicklung hinweg - ist ein Freiheitsbegriff oder die Form individueller Zustimmung zu einem Gemeinwesen, wie sie Rousseau formuliert, doch entweder nicht haltbar oder dem modernen Verständnis gar nicht mehr vermittelbar. Irre ich mich da? Es ist unter anderem gerade die Suche nach dem Freiheitsbegriff, die mich auf die Fährte des Genfers lockte.


Aber warum sitzen manche in der Landschaft mit Hacke und Hammer und buddeln alte Steine aus? Es gibt doch viel schönere und neuere im Baumarkt?:winke:

Niemals sind die aus dem Baumarkt schöner. Nie und Nein. :cry:
 
Die Botschaft hör' ich wohl ...

Verstehe ich denn etwas und ordne mir einen Kontext? Ich lese den Gesellschaftsvertrag und sehe natürlich, daß nahezu sämtliche historische Ausgangsbedingungen, von denen Rousseau ausgeht (äh, Stilblüte!), nicht haltbar sind, womit dann meiner Logik entsprechend auch seine Schlußfolgerungen nicht mehr hinhauen.....

Es ist unter anderem gerade die Suche nach dem Freiheitsbegriff, die mich auf die Fährte des Genfers lockte.

1. Ob seine historische Analyse korrekt ist, wäre am Einzelfall zu überprüfen. Insofern kann Deine Kritik zutreffen. Ich weiss aber nicht, auf was Du Dich konkret beziehst.

2. Vielleicht ist es auch interessant, sich nochmal mit Sieyes zu beschäftigen (Was ist der 3. Stand) und dort den "Naturzustand" auszuleuchten. Und es wird ein "eigentümliches" Staatsverständnis zu Tage treten.

Ich will damit eigentlich nur sagen, dass die philosophische Antithese der Aufklären im Verhältnis zum feudalen Zeitalter Annahmen treffen mußte, die richtig oder falsch sein konnten.

Und in diesem Kontext formulierte Condorcet, dass der Ort der Französichen Revolution ein Experimentierfeld war, auf dem Ideen in der praktischen Politik der "Bewährung" überlassen worden sind (vgl. Sociologica I, S. 411 ff)

Insofern ist die analytische Durchdringung vor dem Hintergrund der empirisch verifizierbaren historischen Fakten des Zeitalters von Rousseau nur eine Ebene.

Es kommt die utopische Dimension hinzu, eine Zukunft zu denken. Und vielleicht ist dabei das eine oder andere historische Detail zu utopisch geraten. Aber das müßte man an konkreten Beispielen diskutieren.

http://www.unterstein.net/su/docs/3eEtat-txt.pdf


3. Sofern Du Dich mit dem Freiheitsbegriff beschäftigst möchte ich Dir den Links-Hegelianer Axel Honneth nahelegen.

Er ist derjenige, der diesen Begriff in Anlehnung an Hegel versucht zu entwickeln. Möglicherweise ein zielführender Ansatz, sofern man für die heutige Situation Anregungen gewinnen möchte.

Honneth, Axel (2013): Das Recht der Freiheit. Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit. 1. Aufl. Berlin: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 2048).
Horkheimer, Max (1974): Sociologica I. Aufsätze Max Horkheimer zum 60. Geburtstag gewidmet. Frankfurt a.M. [u.a.]: Europ. Verl.anst (Basis Studienausgaben).
 
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Noch als Ergänzung den Hinweis, den "Dog Soup" m.E. angeführt hatte und der Rousseau in einen deutlichen Gegensatz zu Hobbes brachte (vgl. dazu auch die Synopse zu Hobbes und Rousseau bei Kiss, S. 25ff)

Die zentrale Leistung von Rousseau bestand darin, die grundsätzliche Alternative philosophisch zu formulieren zwischen dem Einfluss der "Biologie/Gene" oder der Bedeutung des Einflusses von Gesellschaft. (vgl. die gute Darstellung bei Schmidt, S. 80ff)

Zentral waren diese widersprüchlichen Ideen für die Diskussion der Rolle und der Möglichkeit von Strafe und Resozialisierung im Nachgang zur Apo. Und hat deutlich im Rousseau`schen Sinne die Möglichkeit zur Resozialisierung durch "Erziehung" betont und eine deutliche Liberalisierung der Rechtsvorstellungen unter Maihofer / Baum bewirkte (FDP)

Und an diesem Gegensatz arbeiten sich bis heute gegensätzliche Theorien ab und der Einfluss geht beispielsweise bis in die Vorstellungswelt rivalisierender Konzepte, wie "Internationale Politik" zwischen Staaten funktioniert.

Kiss, Gábor (1974): Einführung in die soziologischen Theorien I. Vergleichende Analyse soziologischer Hauptrichtungen. 2. Aufl. Opladen: Westdeutscher Verlag
Schmidt, Manfred G. (2008): Demokratietheorien. Eine Einführung. 4. überarb. u. erw. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
 
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