Prozess der Aufklärung und unsere und unsere heutige subjektive Einschätzung davon

Guten tag liebe Forum Mitglieder,

ich beschäftige ich mich in meiner Freizeit mit Geschichts Studien Zwecks erweiterung der Allgemein Bildung.

Als Ausgangspunkt habe ich Europa im 18Jh. (beginnend ab 1701) gewählt, um mir die damaligen Vorgänge - der Aufklärung - ausgehend von den Studien von Jean J. Rousseau und seinem Werk Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes (Abhandlung über Ursprünge und Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen) und der contact social - der Gesellschaftsvertrag nocheinmal revue passieren zu lassen.

Rousseau beschreibt in seinem Gesellschaftsvertrag eine Gesellschaft in der jeder einzelne einen Teil seines Willens abgibt und ihn in einem "general will" im Allgemeinen Willen zusammenfasst. Die bedeutung "general will" beschreibt nicht dass die Macht an Vertreter des Volkes übergeht sondern sich durch den Allgemein Willen eine nicht-personenbezogene "Souveränität" bildet. Somit wird für den Menschen keine Naturgegebene sondern eine vom Gesetz legitimierte "moralische" Freiheit geschaffen - die für alle eine gleiche Gültigkeit besitzt.

Dies bedeutet wiederum; gleiches Recht für alle - unabhängig von der Position innerhalb der Ständegesellschaft des 18 Jh.!

Roussaus Menschenbild ist insofern realistisch, dass er feststellt, dass die Menschen egoistisch der Erfüllung ihrer bedürfnisse nachgehen und nur

"Im Naturzustand als wildes Tier, welches nur um sich selbst kreist. Sein Gutsein ist keine Bravheit im moralischen Sinne, sondern eher im Sinne von „naturgehorchend“."" Quelle: wikipedia

quelle: Vorlesung von Prof. Smith Yale University
YouTube - 20 Rousseau, Social Contract, I-II part 1/4


frage: Die Aufklärung des 18Jh war vielmehr auf den Bürgertum (Kaufleute und vermögende) abgezielt als auf das gesamte Volk.

Die Tatsache dass lediglich 15% der Bevölkerung in Europa lesen und schreiben konnten zeigt auch dass die Aufklärung an den Massen vorbeigegangen sein muss - und diese in Ihrem Leben - wenn überhaupt gar nicht politisch so brisante Schriften wie oben erwähnt auch jemals zu gesicht bekommen hatten.

Tatsache ist auch dass die Machthaber, die Adligen und die Calvinisten aus Geneva einen Haftbefehl für Rousseau erwirkten da sie die göttliche Macht auf der Erde - ausgeübt durch von "Gottes Gnaden" eingesetzten König in Gefahr sahen.

Trotzdem gab es im 18Jh für die Aufklärung offene Bevölkerungs Schichten (die des Bürgertums) auch wenn dieser auch nur einen Teil der Bevölkerung ausmachte.

Nun gibt es hier ein Paradox:

Warum hatte das Bürgertum Interesse an verhetzenden Schriften der Aufklärer - zumal diese die damaligen politischen Verhältnisse hinterfragten, zumal die Ungleichheiten und der Reichtum des Bürgertums und des Adels druch politische Gesetze bereits legitimiert war?

Wieso war das Bürgertum überhaupt an der Aufklärung interessiert? Man kann ja nicht argumentieren dass viele Roussau - dem begründer des europäischen sozialismus folgen wollten und die welt für den Menschen besser machen wollten und alle ungleichheiten beseitigen wollten.

Somit hätten die meisten an der legitimität der eigenen gesellschaftlichen stellung, der legitimität des eigenen reichtums und der legimität des Eigenen besitztums zweifeln müssen ?

Wer außer der Landbevölkerung hätte überhaupt an der Aufklärung Interesse haben können, zumal es der privelegierten oberen Gesellschafts schicht es wohl nie in den Sinn gekommen wäre am "eigenen Ast zu sägen", auf dem sie "saßen" ???

d.h. die politischen Zustände zu hinterfragen in denen sie groß, satt und reich/ wohlhabend geworden sind ?

Wäre es so zu verstehen dass ohne die aufklärung die französische Revolution 1789 gar nicht möglich gewesen wäre (unabhängig von der Frage was die Revolution 1789 kurzfristig für die Menschen verbessert hat oder nicht)

danke ich hoffe weiter aufgeklärt zu werden !
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo!
Ich greife mal diesen etwas älteren Beitrag auf. Gleichwohl kann ich ihn nicht vollständig beantworten. Ich hoffe jedoch, dass er weiterhin Betrachtung finden wird.
Vielleicht kam es bis heute zu keiner Antwort auf den Beitrag von stalinordgel1984, weil er [der Beitrag] doch recht vielschichtig ist? Um etwas Klarheit hineinzubringen (und um mich selbst zu versichern, ob ich alles richtig verstanden habe...) werde ich die Fragen noch einmal aufgreifen, diese "hinterfragen", um dann eigene Überlegungen anzufügen. Du schreibst zunächst:
frage: Die Aufklärung des 18Jh war vielmehr auf den Bürgertum (Kaufleute und vermögende) abgezielt als auf das gesamte Volk.

Nun fällt es mir zunächst nicht leicht hier eine Frage zu sehen, denke jedoch, dass du darauf hinaus wolltest, ob es nicht das Ziel der Aufklärung (der Aufklärer) war, das Bürgertum zu erreichen?

Ebenfalls nachgefragt: Du beziehst dich in deinem Beitrag zunächt (ausführlich und auschließlich) auf Rousseau. Deine weiteren Fragen sind jedoch allgemeiner formuliert, sie beziehen sich auf die "Aufklärung an sich", weshalb ich für mich nicht klar habe, ob es um eine spezielle oder eher allgemeine Ebene geht.

Deine nächste Frage lautet:
Warum hatte das Bürgertum Interesse an verhetzenden Schriften der Aufklärer - zumal diese die damaligen politischen Verhältnisse hinterfragten, zumal die Ungleichheiten und der Reichtum des Bürgertums und des Adels druch politische Gesetze bereits legitimiert war?
Zuvor sprichst du von der Bevölkerung Europas, von "Machthaber, die Adligen und die Calvinisten aus Geneva" und von anderen Bevölkerungsschichten. Ich weiß nun nicht, geht es um die Bevölkerung (das Bürgertum) Frankreichs, Preußens, Europas oder "Machthaber, die Adligen und die Calvinisten aus Geneva"?

Es folgen vier Fragen:
Wieso war das Bürgertum überhaupt an der Aufklärung interessiert?
[...]hätten die meisten an der legitimität der eigenen gesellschaftlichen stellung, der legitimität des eigenen reichtums und der legimität des Eigenen besitztums zweifeln müssen ?
Wer außer der Landbevölkerung hätte überhaupt an der Aufklärung Interesse haben können, zumal es der privelegierten oberen Gesellschafts schicht es wohl nie in den Sinn gekommen wäre am "eigenen Ast zu sägen", auf dem sie "saßen" ?
Wäre es so zu verstehen dass ohne die aufklärung die französische Revolution 1789 gar nicht möglich gewesen wäre (unabhängig von der Frage was die Revolution 1789 kurzfristig für die Menschen verbessert hat oder nicht)
Zu Frage 1 anworte ich mit folgenden Gedanken, die du oder andere hier gerne aufgreifen können: Welche Intentionen verfolgten "die Aufklärer"? Für welches Publikum schrieben sie? Wer rezipierte die Schriften?

Zu Frage 2: Ich glaube man muss es umformulieren: "Hätten die meisten an der legitimität der eigenen gesellschaftlichen stellung, der legitimität des eigenen reichtums und der legimität des Eigenen besitztums zweifeln KÖNNEN?"

Zu Frage 3: Zunächst habe ich hab hier für mich klar, es geht wohl um die Bevölkerung Frankreichs. Hier wäre es, glaube ich, sinnig, sich zunächst zu vergegenwärtigen, dass die Aufklärung nichts statisches sondern ein Prozess ist. Darüber hinaus hülfe es, sich die Gesellschaftsstruktur anzuschauen (du nimmst ja schon selbst eine Differenzierung in Stadt- und Landbevölkerung vor) und diese unter dem Dualismus "Kontinuität und Wandel" anzuschauen. (Hier sind wir wieder beim Prozess)

Zu Frage 4: Ich, für meinen Teil, entnehme hieraus: du siehst die Aufklärung als wesentliche Voraussetzung für die Französische Revolution. Hier wird es nun für mich paradox. Deine Aussagen bezogen sich doch stets auf das Bürgertum. Wie kann denn die Französische Revolution dann entstanden sein, wenn die Landbevölkerung gar nicht "aufgeklärt" wurde?


Ich hoffe, dass jemand sich mit mehr Wissen über die Aufklärung deiner Fragen annimmt und dir geholfen zu haben.:winke:
 
Die Tatsache dass lediglich 15% der Bevölkerung in Europa lesen und schreiben konnten zeigt auch dass die Aufklärung an den Massen vorbeigegangen sein muss

Muß sie nicht,denn erstens waren es mehr als 15 % (wo immer Du diese Zahl her hast,die gilt eher für die Renaissance)) und zweitens fungierten diese ,zumindest soweit sie dem Bürgertum,niederen Klerus oder niederen Adel angehörten durchaus als Multiplikatoren der Ideen.
Außerdem ist m.E.das wichtigste Element nicht die Verbreitung einzelnen Ideen der Aufklärung,sondern,daß hier erstmalig auf breiter Basis die Deutungs- und Interpretationshoheit von Staat und Kirche gebrochen wurde.
 
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