Reisedauer mit Segelschiffen

Comtesse

Mitglied
Kennt sich jemand ein wenig mit den durchschnittlichen Reisezeiten auf See aus? (2. Hälfte 18. Jahrhundert)

A) Vor allem würde mich interessieren die Überfahrt durch den Kanal, also z.B. Le Havre - London

B) Was auch interessant wäre: z.B. Plymouth - Boston (MA)

Ich habe mal gelesen, dass die Atlantiküberquerung im besten Fall in 6 Wochen geschafft werden konnte aber durchaus auch 10 Wochen in Anspruch nehmen konnte, wenn Strömung/Winde nicht so mitspielten.

Kennt jemand da konkretere Quellen mit denen man arbeiten könnte?

C) Ist es wahr, dass zwischen November und Januar gar keine Schiffe über den Atlantik gingen, weil die Witterung da so mies war, dass keiner das Risiko eingehen wollte? Ich meine so etwas mal gelesen zu haben, weiß aber nicht mehr wo. :-(

D) Ist es richtig, dass die Hinfahrt etwa zwei Wochen kürzer dauerte als die Rückfahrt, oder umgekehrt? Ich meine dass einmal in einer Dokumentation auf ARTE gehört zu haben (da ging es um das Sklavendreieck). Dieser Umstand sollte auch mit der Strömung zusammenhängen, aber ich bekomme das nicht mehr so genau zusammengesetzt...
 
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Kennt sich jemand ein wenig mit den durchschnittlichen Reisezeiten auf See aus? (2. Hälfte 18. Jahrhundert)

A) Vor allem würde mich interessieren die Überfahrt durch den Kanal, also z.B. Le Havre - London

B) Was auch interessant wäre: z.B. Plymouth - Boston (MA)

Ich habe mal gelesen, dass die Atlantiküberquerung im besten Fall in 6 Wochen geschafft werden konnte aber durchaus auch 10 Wochen in Anspruch nehmen konnte, wenn Strömung/Winde nicht so mitspielten.

Kennt jemand da konkretere Quellen mit denen man arbeiten könnte?

C) Ist es wahr, dass zwischen November und Januar gar keine Schiffe über den Atlantik gingen, weil die Witterung da so mies war, dass keiner das Risiko eingehen wollte? Ich meine so etwas mal gelesen zu haben, weiß aber nicht mehr wo. :-(

D) Ist es richtig, dass die Hinfahrt etwa zwei Wochen kürzer dauerte als die Rückfahrt, oder umgekehrt? Ich meine dass einmal in einer Dokumentation auf ARTE gehört zu haben (da ging es um das Sklavendreieck). Dieser Umstand sollte auch mit der Strömung zusammenhängen, aber ich bekomme das nicht mehr so genau zusammengesetzt...

Das hing sehr stark vom Wind ab. Eine Kanaldurchquerung dauerte im günstigsten Fall ein bis zwei Tage, wenn man Pech hatte, konnte man jedoch ein paar Wochen kreuzen bevor man rüber kam.

Der Atlantik konnte, den Passatwind folgend, (also südlich über die Kanaren in die Karibik, die Route von Kolumbus) in drei bis vier Wochen überquert werden. Das ist von den Kanaren bis in die Karibik, die Anreise käme noch dazu.

Die Nordatlantikroute konnte länger in Anspruch nehmen, da man da meistens gegen den Wind kreuzen muss, der überwiegend nach Westen bläst. Sechs wochen dürften keine Übertreibung sein.Die Mayflower hat ganze 66 Tage gebraucht, das zweite Schiff der Pilger noch länger. Das war zwar noch im 17. Jahrhundert, die Schiffe sind aber erst im 19. Jahrhundert wesentlich schneller geworden. Von Amerika nach Europa ging es dank der vorherrschende Winde deutlich schneller. Da hilft auch die Strömung etwas (der Golfstrom fliesst nördlich richtung Europa) das hat aber deutlich weniger Einfluss als der Wind.

Das mit November bis Januar gilt nur für den Nordatlantik. Die Route über die Karibik wurde auch im Winter befahren. Sie war in der Tat im Sommer gefährlicher da dann die Saison der Hurricanes ist.
 
Das französische Expeditionskorps des Marquis de Rochambeau brauchte 1780 von Brest nach Newport 10 Wochen. Während der Überfahrt gab es eine ganze Reihe von Todesfällen. Das Expeditionskorps wurde außerdem durch Krankheiten sehr geschwächt. Interessanterweise wurde die Überfahrt selbst weder als besonders gut, noch als besonders schlecht wahrgenommen, sondern als normal.
 
A) Vor allem würde mich interessieren die Überfahrt durch den Kanal, also z.B. Le Havre - London

B) Was auch interessant wäre: z.B. Plymouth - Boston (MA)

Ich habe mal gelesen, dass die Atlantiküberquerung im besten Fall in 6 Wochen geschafft werden konnte aber durchaus auch 10 Wochen in Anspruch nehmen konnte, wenn Strömung/Winde nicht so mitspielten.

Kennt jemand da konkretere Quellen mit denen man arbeiten könnte?

C) Ist es wahr, dass zwischen November und Januar gar keine Schiffe über den Atlantik gingen, weil die Witterung da so mies war, dass keiner das Risiko eingehen wollte? Ich meine so etwas mal gelesen zu haben, weiß aber nicht mehr wo. :-(

D) Ist es richtig, dass die Hinfahrt etwa zwei Wochen kürzer dauerte als die Rückfahrt, oder umgekehrt? Ich meine dass einmal in einer Dokumentation auf ARTE gehört zu haben (da ging es um das Sklavendreieck). Dieser Umstand sollte auch mit der Strömung zusammenhängen, aber ich bekomme das nicht mehr so genau zusammengesetzt...

Tu, was auch Napoleon hätte tun sollen - mach Dich mit der Physik der Seefahrt unter Segeln vertraut. Die Bewegungsrichtung von Segelschiffen ist in erster Linie von den Windverhältnissen, den Strömungsverhältnissen, der Takelung und der Rumpfform des jeweiligen Schiffes abhängig. Dazu kommen das Können und die Risikofreude der Besatzung. Dazu gibt es auch Unterschiede, die von der Organisation, die das entsprechende Schiff betreibt, abhängig sind. Einzelnes Schiff oder Konvoi? Das ist ein sehr weites Feld, das Du da auftust.

Anbei eine Karte, die das nordatlantische Strömungssystem zeigt. Für die Planung einer Reise sind Richtung und Stärke der Meeresströmungen fast noch wichtiger als das tägliche Wetter. Es ist für die Dauer einer Passage wie Du siehst durchaus relevant, in welcher Richtung man unterwegs ist:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/16/Ocean_current_2004.jpg

zu A) Eine KanalÜBERquerung geht gemeinhin auf kurzer Strecke z. B. von Dover nach Calais. Das sind bummelig 21 Seemeilen. Ein Segler, der irgendwo zwischen 3 und 10 Knoten (Seemeilen pro Stunde läuft, braucht 2-7 Stunden. Gerade in stark tidenabhängigen Gewässern versucht Hein Seemann, mit dem Tidenstrom zu laufen, nicht gegen ihn.
Read the ebook Annals of Dover. by John Bavington Jones

Gemeinhin ist man im in der Westwindzone gelegenen Kanal von West nach Ost im Schnitt zügiger unterwegs als von Ost nach West. Problematisch wird Deine Strecke: Während der Stropp von Le Havre bis zur Themsemündung recht zügig gehen konnte, musste das Schiff dann erst in den Downs warten, bis der Wind günstig stand, um in die Themse zu gehen: Stromaufwärts - man benötigte Winde aus östlicher Richtung. Ein Schratsegler konnte dabei mehr aus dem Wind herausholen als ein Rahsegler.

B) Plymouth-Boston kann schweinelang dauern und ggf. auch daran scheitern, dass das Schiff bei Stürmen aus Westen noch nicht mal aus dem Kanal rauskommt. Minimum dürften 6-8 Wochen gewesen sein - zu den besten aller Bedingungen. 10-12 eher wahrscheinlich.

Konkrete Quellen: 1. Die in jedem guten Archiv gelegenen Schiffstagebücher derjenigen Schiffe, die auf dieser Reise unterwegs waren.:friends:2. Jedes gute Buch über die Auswandererschiffe bzw. über die Operationen der der auf Plymouth gestützten Verbände der Royal Navy im Siebenjährigen Krieg, im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg oder im Krieg von 1812. 3. Jedes gute Buch über Design und Konstruktion von Rigg und Rumpf der zeitgenössischen Segelschiffe.

C) Risiko ist immer eine Frage des erhofften Gegenwertes. Sicherlich gab es im Winter weniger Schiffe auf der Route als im Sommer. Auch wurde - wegen Eises - dann gerne eine südlichere Route eingeschlagen. Im Winter war es halt stürmischer, das konnte aber in West-Ost Richtung eine sehr schnelle Passage bedeuten, von Ost-nach West einen Albtraum.

D) siehe A). Triangular trade - Wikipedia, the free encyclopedia Atlantischer Dreieckshandel ? Wikipedia
Wenn Du die in den wiki-Artikeln abgebildeten Routen über die Strömungskarte aus A) legst, wirst Du eine bemerkenswerte Entdeckung machen.


Schreibst Du immer noch an Deinem Roman? Falls ja, zwei Ratschläge. Wenn Deine Protagonisten die von Dir oben genannten Routen befahren haben sollten, dann kopiere möglichst das historische Vorbild der entsprechenden Reise, das schützt vor Peinlichkeiten (von denen die Bücherregale, Abt. historischer Roman rappelvoll sind). Dazu wird der Gang in Archive oder auch der Blick in zeitgenössische Zeitungen unumgänglich sein. Thematisiere Dinge, bei denen Du Dich nicht auskennst nur so tief, wie Du es wirklich plausibel machen kannst. (Oder lass Dich bei den Passagen von jemandem vom Fach beraten - für einen Roman ist das legitim. Nur in diesem Fall müsstest Du auch konkrete Angaben machen. In jeder der von Dir genannten Hafenstädte gibt es mit Sicherheit ein Museum, das sich mit der lokalen und regionalen Seefahrtsgeschichte auseinandersetzt und die können - und werden Dir in der Regel auch - gern helfen. Wenn's nur um die Typen an Bord geht, dann lass sie "per Schiff von Pleimünde nach Boston übersetzen" und gut ist. Bei Manon Lescaut hat das auch gereicht...
 
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Ich kann nur mit einem Einzelbeispiel dienen:

Talleyrand war 1794 - 1796 in Amerika im Exil.

Die Hinreise fand mit der in Philadelphia gebauten "William Penn" statt, einem "1791 gebauten Dreimaster von 356 1/2 tons, 100 Fuß und 6 Zoll Länge, 28 Fuß 6 Zoll Breite und 14 Fuß 3 Zoll Tiefgang. ...
Widrige Winde verzögerten die Abfahrt (aus London, Exci) ... Erst Anfang März kann sie die Anker lichten, nach mehr als zwei Wochen Liegezeit im Hafen. Aber noch im Kanal findet die Reise ein vorläufiges Ende Das Schiff gerät vor der Küste von Cornwall in einen schweren Sturm, havariert und muss in den Hafen von Falmouth geschleppt werden. [1a]

Die Reparatur dauerte über 14 Tage. Am 20. März konnte das Schiff die Reise fortsetzen und "nach 38 Tagen lief die "William Penn" schließlich in den Hafen von Philadelphia ein." [1b]

Die Rückreise 1796 fand mit einer dänischen Brigg (280 t) mit dem Namen "Den Nye Prøve" ("Die neue Prüfung" - Im Zusammenhang mit Talleyrand wohl mehr als ein Vorzeichen ) statt.
"Eine Brigg besitzt ... nur zwei Masten, Groß- und Fockmast, sie hat weniger Segelfläche und ist deshalb langsamer."
Das Schiff erfüllte die wichtigsten Wünsche T. (neutrales Herkunftsland, Bestimmungsort Hamburg) und so buchte er für sich und seinen Diener Courtiade und stellte am 31. Mai einen Scheck über 50 Dollar auf die Bank von Pennsylvania für die Passage aus. [1c]

Vielleicht auch interessant:
"Außer Talleyrand und seinem Diener Courtiade sind noch 2 Passagiere an Bord. Die Fracht besteht aus etwa 65 Zentnern Kaffee." [1d]

Die Reise fand in der zweiten Hälfte des Juni und im Juli 1796 statt.
Nach der Ankunft in Hamburg, macht er sich daran, "seinem Freund Moreau (de St.-Méry, exci) über den Verlauf der Seereise ... zu berichten: "Von Land zu Land vierzig Tage, kein einziger Pirat ..., alle Tage Regen, Lebensmittel im Überfluss, zuviel Wein ..."" [1e]

Sorry, wenn ich ein wenig ausführlicher war, aber die Angabe von 38/40 Tagen schien mir zu einfach, zumal es oft die Details daneben sind, die wieder einen anderen interessieren könnten.

Grüße
excideuil

[1] Ernst, Eberhard: „Talleyrand in Amerika 1794 – 1796“ Ein Emigrantenschicksal zur Zeit der Französischen Revolution, Peter Lang, Frankfurt am Main, 2000, a) Seiten 31-32, b) Seite 37, c) vergl. Seiten 131-133, d) Seite 137, e) Seite 138
 
Wow, danke für euren schnellen - teils sehr ausführlichen - Antworten. Das hat mich schon erheblich weiter gebracht.

Mit dem Dreieckshandel und den übereinstimmenden Strömungen, das war mir auch schon aufgefallen

Wenn Deine Protagonisten die von Dir oben genannten Routen befahren haben sollten, dann kopiere möglichst das historische Vorbild der entsprechenden Reise, das schützt vor Peinlichkeiten

@Neddy: Ja, ich schreibe immer noch an meinem Roman. Danke für deinen Rat. Genauso mache ich es auch ohnehin schon. Wenn es für die Handlung nicht erheblich ist, erspare ich mir die Details, wenn ich einer Sache nicht richtig auf den Grund gehen konnte.

Du scheinst ja über mächtig viel nautisches Wissen zu verfügen. Alle Achtung. Mit Winden und Strömungen hatte ich mich natürlich bereits auseinandergesetzt, aber als absoluter Laie ist es schwierig aus der Fülle der Informationen genau das zu finden, was man konkret wissen muss und ich kann unmöglich Fachmann in allen Bereichen werden, die in meinem Roman vorkommen. (Seufz, leider - vieles was man so erfährt ist echt spannend)
 
Kaum ein großer Staatsmann wird den Atlantik öfter als La Fayette zu seiner Zeit überquert haben. Hier gibt es auch ein paar Angaben zu den Reisen: Marie Joseph Paul Yves Roch Gilbert du Motier marquis de LAFAYETTE ( 1757-1834)

Ich hatte das schonmal woanders aufgeführt, wenn ich mich recht entsinne. Im "Journal des Luxus und der Moden" wurde erwähnt, was allerdings wohl sehr ironisch gemeint war, dass die Briten den Kanal während des kurzen Friedens 1802/1803 (zwar nicht mehr 18.Jh., aber wohl mit kaum anderen Reisegeschwindigkeiten) nur für einen Kurztripp überquert hätten, um dann am Abend daheim wieder ihr Roastbeef zu verzehren. Wenn man nur um die 7 Stunden nach Calais brauchte, wie Neddy sagte, ist das also garnicht so arg übertrieben. =)
 
Das französische Expeditionskorps des Marquis de Rochambeau brauchte 1780 von Brest nach Newport 10 Wochen. Während der Überfahrt gab es eine ganze Reihe von Todesfällen. Das Expeditionskorps wurde außerdem durch Krankheiten sehr geschwächt. Interessanterweise wurde die Überfahrt selbst weder als besonders gut, noch als besonders schlecht wahrgenommen, sondern als normal.


Genau das Gleiche könnte man auch von einem anderen Schiff, der Lord Ligonier sagen. Diese Schonerbrigg brach am 5. Juli 1767 von Juffure an der Gambiamündung auf und erreichte unter dem Kommando von Kapitän Davies am 29. September 1767 Annapolis in Maryland. Die Lord Ligonier nahm 140 Sklaven an Bord, von denen 98 die Überfahrt überstanden. Weder die Fahrtdauer, noch die Verluste waren aufsehenerregend, ""all buiseness as usual".

Nach den Recherchen des afro-amerikanischen Autors Alex Haley befand sich dessen Vorfahre Kunta Kinte unter der Fracht. Das schicksal Kunta Kintes und seiner nachfahren beschreibt Haley eindringlich in seinem mit dem Pulitzer Preis ausgezeichneten Roman "Roots".
 
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