Sklavenhaltung in Großbritannien

Comtesse

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Da wir neulich in unserer Diskussion über britische Kaffeehäuser darüber gestolpert waren, dass dort in den 1760er und 1770er Jahren ab und zu sogar Sklavenauktionen stattfanden, habe ich mich gefragt, inwieweit es denn in Großbritannien überhaupt üblich war, Sklaven zu halten.

In den Kolonien - vor allem natürlich in den Südstaaten und Südsee-Regionen - war das natürlich sehr verbreitet, aber das man auch in Großbritannien und im restlichen Europa zu dieser Zeit Sklaven gehalten hat, habe ich noch nirgendwo gelesen. Es ist immer nur von Dienstboten die Rede. Gab es dort so wenige Sklaven, dass das "nicht der Rede wert" war?

Weiß jemand etwas darüber? Gibt es Berichte/Bücher die darüber berichten dass auch in Großbritannien Sklaven gehalten wurden, wenn ja - für welche Arbeiten?

Auf dieser Webseite westafrikaportal.de habe ich gelesen, dass es 1772 einen Beschluss gegeben habe, nach dem die Sklaven in Großbritannien befreit werden sollten, leider steht dort nicht, wer den Beschluss eigentlich gefasst hat und ob es danach irgendwelche Konsequenzen hatte. Die eigentliche Abschaffung des Sklavenhandels fand ja von Seiten der Briten erst 1807 statt.

Also am meisten würde mich interessieren wie verbreitet die Sklavenhaltung in Großbritannien selbst war und für welche Arbeiten die Sklaven eingesetzt wurden.
 
Du könntest etwas finden, wenn Du Dich über "Zachary MacAulay" informierst. Der war ein führendes Mitglied in der Anti-Sklaverei-Bewegung in Großbritannien, er gehörte zu den Vordenkern der Gründung von Sierra Leone, einem Protektorat, das einen dezidiert Kontra-Sklaverei-Gedanken symbolisierte.
MacAulay hat ein Denkmal in der Westminster Abbey.
 
Dazu fallen mir spontan zwei Punkte ein:

1. Es müssen bei Auktionen gar keine Sklaven anwesend gewesen sein. Ich halte das sogar für unwahrscheinlich. Wichtig war, dass Interessenten mit Geld anwesend waren. Die "Ware" kann von irgendwo an ihren Bestimmungsort gebracht worden sein.

2. Wenn, dann muss die Anzahl Sklaven auf den Inseln selbst gering gewesen sein. Wofür sollte man sie auch einsetzen? Als Dienstboten eigneten sich Muttersprachler, die gewiss nicht fürstllich entlohnt wurden, besser. Das Verdrängen der englischen Arbeiterschaft, indem man Sklaven zur Arbeit in Bergwerken oder Manufakturen oder wo auch immer heranzog, hätte massive soziale Probleme zur Folge gehabt. Vorteil im Besitz von Kolonien zu sein, war ja unter anderem, Bevölkerungsüberschüsse ableiten zu können. Und dort auf den Plantagen war ja auch der Haupteinsatzort der Sklaven.
 
Kann Traklson nur zustimmen: spätestens seit der erfolglosen "Monmouth-Rebellion" 1685 wurden Rebellen, Kriminelle etc. scharenweise zur Deportation verurteilt; bevor Australien in Mode kam, waren es vor allem die Westindischen Inseln. Dort wurden Deprotierte zur Arbeit auf den Plantagen eingesetzt.
Arbeitskräftemangel kann zu jenerzeit in England nicht geherrschthaben.
 
Da wir neulich in unserer Diskussion über britische Kaffeehäuser darüber gestolpert waren, dass dort in den 1760er und 1770er Jahren ab und zu sogar Sklavenauktionen stattfanden, habe ich mich gefragt, inwieweit es denn in Großbritannien überhaupt üblich war, Sklaven zu halten.

In den Kolonien - vor allem natürlich in den Südstaaten und Südsee-Regionen - war das natürlich sehr verbreitet, aber das man auch in Großbritannien und im restlichen Europa zu dieser Zeit Sklaven gehalten hat, habe ich noch nirgendwo gelesen. Es ist immer nur von Dienstboten die Rede. Gab es dort so wenige Sklaven, dass das "nicht der Rede wert" war?

Weiß jemand etwas darüber? Gibt es Berichte/Bücher die darüber berichten dass auch in Großbritannien Sklaven gehalten wurden, wenn ja - für welche Arbeiten?

Auf dieser Webseite westafrikaportal.de habe ich gelesen, dass es 1772 einen Beschluss gegeben habe, nach dem die Sklaven in Großbritannien befreit werden sollten, leider steht dort nicht, wer den Beschluss eigentlich gefasst hat und ob es danach irgendwelche Konsequenzen hatte. Die eigentliche Abschaffung des Sklavenhandels fand ja von Seiten der Briten erst 1807 statt.

Also am meisten würde mich interessieren wie verbreitet die Sklavenhaltung in Großbritannien selbst war und für welche Arbeiten die Sklaven eingesetzt wurden.



Es gab in England oder später in Großbritannien keine Sklaverei im eigentlichen Sinne. Wenn Sklavenhalter aus Virginia, den Carolinas oder Georgia das Mutterland besuchten, brachten sie nur wenige Bedienstete mit, um keinen Anstoß zu erregen, denn England war schließlich nicht zuletzt im eigenen Bewusstsein ein "freies Land", dessen Habeas Corpus Akte persönliche Freiheit und Schutz vor Willkür bieten sollte.

Das änderte natürlich nichts daran, dass England und Großbritannien bis 1807 führend im Sklavenhandel war. Das Recht, den Asientohandel mit den lateinamerikanischen Kolonien in Monopol zu betreiben, ließen sich die Briten eigens im Frieden von Utrecht 1713 garantieren.

Von der Sklaverei zu trennen, ist die Institution der Indentureds, wobei man durchaus auch schottische und irische Jakobiten und aufständische oder aufrührerische Kleinbauern und Pächter als Indentureds in die Kolonien verbracht und gegen Gebühr an Plantagenbesitzer verkauft wurden. Dass der Status von Strafgefangenen sich in seiner Rechtlosigkeit kaum von dem versklavter Afrikaner unterschied, versteht sich von selbst, doch prinzipiell handelte es sich bei den Indentureds um eine zeitweilige Schuldknechtschaft, die üblicherweise auf 7 Jahre befristet war.

Ein Indentured war unfrei, er konnte weder heiraten, noch durfte er unerlaubt die Plantage verlassen. Er konnte ausgepeitscht werden, doch es war ein Indentured eine rechtsfähige Person, die Eigentum besitzen durfte, die Verträge unterzeichnen oder als Zeuge aussagen konnte,der man auch "Ehre" nicht prinzipiell absprechen konnte. Vor allem durfte auch ein Indentured nicht wie ein Pferd verkauft werden. Am Ende der sieben Jahre winkte in der Regel eine Ablösesumme oder ein eigenes Stück Land.


Im System der Plantagensklaverei in Westindien und den Südstaaten wurden die Indentureds durch die größere Einfuhr afrikanischer Sklaven im 18. Jahrhundert aus rassistischen Gründen aufgewertet. Ein Indentured Servant konnte gar zu leicht entwischen und fiel durch seine Hautfarbe nicht sofort auf wie ein entlaufener Schwarzer, und daher wurde es nötig sie aufzuwerten,um sie bei der Stange zu halten und sie als Aufsehr benötigte, um die Schwarzen leichter in Schach halten zu können. Aus den Indentured Servants und ihren Nachkommen rekrutierte sich die Schicht weißer Kleinbauern, die abschätzig als "white trash" von der Pflanzeraristokratie genannt wurden.

Als um 1776 ein freigelassener Schwarzer mehrere weiße Indentureds anwarb, rief das einen Enrüstungssturm hervor, und es wurde der Freigelassene gezwungen, "seine" Indentureds wieder freizulassen.
 
Sachter Widerspruch: zwar gab es keine auf Sklaverei basierende Wirtschaft in England, aber Sklaven gab es.

Oldenbourg Grundriss der Geschichte

Willi Paul Adams, Die USA vor 1900, Oldenbourg Grundriss der Geschichte

Auf S. 80 im Kapitel "c) Ende der Sklaverei im Norden, Widerstand der Sklaven, Gegner der Sklaverei" gibt es sogar eine konkrete Zahl:

Die Kolonialmacht England beschleunigte den Prozeß, als 1772 Lord Chief Justice Mansfield verkündete, das Recht Englands kenne den Rechtsstatus des Sklaven nicht (Somerset-Fall). Daraufhin erlangten die 15.000 Sklaven in England ihre Freiheit.
Die englische Wikipedia nennt eine niedriger angesetzte Zahl:

History of slavery - Wikipedia, the free encyclopedia

The Somersett's case in 1772 was generally taken at the time to have decided that the condition of slavery did not exist under English law in England. The judgment emancipated the 10,000–14,000 slaves or possible slaves in England,[83] who were mostly domestic servants.
Heward, Edmund (1979). Lord Mansfield: A Biography of William Murray 1st Earl of Mansfield 1705–1793 Lord Chief Justice for 32 years, p.141. Chichester: Barry Rose (publishers) Ltd. ISBN 978-0-85992-163-3
Genauere Zahlen sind offenbar nicht ohne Weiteres erhältlich, auch keine Informationen darüber, woher diese Sklaven kamen, also ob direkt aus Afrika oder über den 'Umweg' über Amerika bzw von amerikanischen Sklavenhaltern auf Reisen mitgebracht, oder aus anderen Kontinenten. (Gefunden habe ich zb einen Verweis auf einen ca 100 Jahre früheren Prozeß, bei dem es um einen russischen Sklaven in England ging.)

Andererseits kenne ich Einzelberichte, nach denen ebenfalls versklavte Indianer aus Nordamerika nach England gebracht wurden, so zb Tisquantum, der seine Befreiung erreichen konnte, anschließend von Spaniern erneut als Sklave nach Spanien verbracht wurde, nach England floh und von dort mit einem Handelsschiff nach Nordamerika zurückkehrte, um dort seinen Heimatort Patuxet menschenleer vorzufinden. Die Bevölkerung von Patuxet war überwiegend einer Epidemie zum Opfer gefallen.
 
Interessant. Das waren doch aber keine Arbeitskräfte, sondern vermutlich "Hofmohren".

Du meinst, diese 10-15.000 Sklaven? Laut Wiki wurden diese mehrheitlich für Haushaltsarbeiten eingesetzt:

Übersetzung:
Der Somersett-Fall von 1772 wurde seinerzeit allgemein so gesehen, daß entschieden wurde, daß es im englischen Recht den Zustand der Sklaverei nicht gab. Das Urteil befreite die 10-14.000 Sklaven oder möglichen Sklaven in England, die überwiegend häusliche Dienstboten waren.

Also auf jeden Fall Arbeitskräfte.
 
Bei der Überlegung wie ein Szenario aussehen könnte, bei dem Sklaven in London lebten, kamen mir zuerst ehemalige Kolonialbeamte in den Sinn, die Diener mit nach GB brachten.
Von einer Sklavenhaltung in dem Umfang und Sinn wie in den Kolonien kann man wohl nicht sprechen, aber in der Annahme, dass Du auch an der Situation der wenigen in GB interessiert bist:

In England seien schwarze Bedienstete üblich, seit Heinrich VIII. einen schwarzen Trompeter in seine Dienste gestellt habe. Gegen Ende des 18. Jhs sollen ein paar tausend Freie oder Sklaven im Land leben.

Ein Londoner Magistrat soll 1768 beanstandet haben, dass westindische Kaufleute Sklaven als Bedienstete mitbrachten. Diese sollen sich recht schnell akklimatisiert haben: „…Kaum sind sie hier angekommen stellen sie sich auf gleichen Fuß mit den anderen Dienern, berauschen sich an der Freiheit…“ Angeblich sollen einige, auch von Engländern beeinflusst, Lohn gefordert haben.
Auch von einem per Zeitungsannonce angebotenen 11-jährigen Mädchen ist die Rede. Die Herzogin von Kingston habe ihren Sklaven in den die Oper genommen, ein ehemaliger Kolonialbeamter nahm seinen mit auf die Jagd.

Vielleicht findest Du selbst noch Ausführlicheres:

Sprengt die Ketten: der ... - Google Bücher
 
Sachter Widerspruch: zwar gab es keine auf Sklaverei basierende Wirtschaft in England, aber Sklaven gab es.

Oldenbourg Grundriss der Geschichte

Willi Paul Adams, Die USA vor 1900, Oldenbourg Grundriss der Geschichte

Auf S. 80 im Kapitel "c) Ende der Sklaverei im Norden, Widerstand der Sklaven, Gegner der Sklaverei" gibt es sogar eine konkrete Zahl:


Die englische Wikipedia nennt eine niedriger angesetzte Zahl:

History of slavery - Wikipedia, the free encyclopedia

Genauere Zahlen sind offenbar nicht ohne Weiteres erhältlich, auch keine Informationen darüber, woher diese Sklaven kamen, also ob direkt aus Afrika oder über den 'Umweg' über Amerika bzw von amerikanischen Sklavenhaltern auf Reisen mitgebracht, oder aus anderen Kontinenten. (Gefunden habe ich zb einen Verweis auf einen ca 100 Jahre früheren Prozeß, bei dem es um einen russischen Sklaven in England ging.)

Andererseits kenne ich Einzelberichte, nach denen ebenfalls versklavte Indianer aus Nordamerika nach England gebracht wurden, so zb Tisquantum, der seine Befreiung erreichen konnte, anschließend von Spaniern erneut als Sklave nach Spanien verbracht wurde, nach England floh und von dort mit einem Handelsschiff nach Nordamerika zurückkehrte, um dort seinen Heimatort Patuxet menschenleer vorzufinden. Die Bevölkerung von Patuxet war überwiegend einer Epidemie zum Opfer gefallen.


Ich musste bei deinem Beitrag an einen weiteren interessanten Fall denken. Die Kinderbuchfigur Jim Knopf geht möglicherweise auf eine historische Persönlichkeit zurück, die im Zusammenhang mit Charles Darwin und der Fahrt der Beagle steht:

Den Patagonier Jemmy Button.

Diesen hatte einst der Kapitän der Beagle Robert Fitzroy angeblich für einen Hosenknopf gekauft, und es begleitete dieser Jemmy Button die Beagle und wurde in die alte Heimat zurückgebracht. Später wurde Button im Zusammenhang mit einem Überfall auf eine andere Expedition beschuldigt.
 
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