Städte/Stadtbefestigungen im 18. Jahrhundert

Xaver

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Kann man eigentlich davon ausgehen, dass alle Städte im 18. Jh. Stadtmauern hatten, wenn nicht sogar zusätzliche Befestigungen? Auch "Kleinstädte"?

Im Mittelalter wurden ja grundsätzlich Stadtmauern gebaut, und wenn man die in der Zwischenzeit nicht abgerissen hatte ...

Kennt jemand Literatur dazu?
 
Brissotin, vielen Dank. Hättest du vielleicht ein paar Namen für mich?

Wie waren die dann begrenzt? (Erd-)Wall? Palisaden? Gar nichts (Hausmauern)?

Gehorchte das irgendeiner Gesetzmäßigkeit, zB ab dieser Größe/in dieser Lage oä gabs Mauern, sonst nicht?
 
Im Mittelalter durfte eine Ortschaft nicht so ohne Weiteres sich mit Mauern umwehren. Dazu musste sie erst das Recht bekommen, das üblicherweise jedoch vom Landesherren zusammen mit dem Stadtrecht verliehen wurde (sonst hielten solche Städte nicht sehr lange). Wenn man keine Stadtmauern bauen durfte, dan half man sich üblicherweise mit (Dornen)Hecken und Gräben. Große Dörfer die keine Mauern haben durften, halfen sich auch gerne mit Wehrkirchen, in die bei Gefahr die Bevölkerung zuflucht fand und sich auch verteidigen konnte.

Im 18. Jahrhundert war das jedoch keine Angelegenheit der Städte selber mehr, dazu waren die Befestigungen viel zu Kostspielig geworden. Sie wurden dann vom Staat errichtet, und es bekam auch nicht jede Stadt eine, unabhängig von ihrer Größe. Meistens waren es Ortschaften in Grenznähe (zum Beispiel der französische Festungsgürtel der von Vauban für Ludwig XVI. noch im 17. Jahrhundert gebaut wurde) oder in unruhigen Gegenden, wichtige Häfen (Toulon, Portsmouth, Cartagena, Livorno) Depotstädte auf strategischen Verbindungslinien etc.

Hauptstädte waren oft unbefestigt. Paris hatte nur seine mittelalterlichen Mauern, London war über diese bereits hinausgewachsen, Madrid hatte keine, Berlin wurde im 18. Jahrhundert sogar entfestigt und konnte deshalb im 7-Jährigen Krieg zweimal ohne Widerstand besetzt werden. Friedrich der Große liess in ein paar Städten die Befestigungen schleifen weil sie nicht mehr dem Stand der Technik entsprachen (z.B. in Peitz) und im Kriegsfall nur eine Last gewesen wären.

Einige Städte hatten weiterhin ihre mittelalterlichen Mauern, die nutzten im Kriegsfall aber wenig und schützten höchstens vor Banditen. In anderen Fällen gab es zwar eine neue Mauer (z.B. in Berlin, Potsdam, Madrid und vielen anderen) diese diente aber nur polizeilichen und steuerlichen zwecken. Diese nannte man Akzisemauern da man an ihren Durchgängen die Steuern entrichten musste (ein- und Ausfuhr). Sie sollten auch das Gesindel draussen und die Soldaten drinnen halten, also vor Desertion abhalten.
 
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Muchas gracias, Bdaian! Vor allem für den Hinweis auf die Akzisemauer. Mir dämmert gerade, dass ich im Grunde ein Verwaltungsproblem habe.

Also: Kleinstadt auf dem platten Land; keine Stadtmauer (nie gehabt), keine Zollmauer (zu teuer und aufwendig) – aber wie verwaltet man so etwas? Wie hält man das Gesindel draußen und kontrolliert Warenströme? Ich kann mir einfach keine Stadt ohne Stadttore vorstellen. Oder sehe ich grade den Wald vor lauter Bäumen nicht?
 
Es begann schon im späten 16. und dann vermehrt schon im 17. Jh., dass sehr viele bis beinahe alle großen Städte, Residenzstädte, Handelszentren etc. mit "sternförmigen" bastionären wall- und Grabenanlagen umgeben wurden.
Eine Fundgrube hierfür sind alte Dürerstiche (sehr früh) und Merianstiche, auf denen man unterschiedliche Entwicklungsstadien vom Übergang von der spätmittelalterlichen Befestigung (Graben, Mauer mit Wehrgang, Türme, große Toranlagen mit Zwinger) hin zur wegen der Artillerieentwickluing nötigen bastionären Befestigung.
Selbst Städte, bei denen wir es heute gar nicht vermuten würden und wo auch nichts davon übrig ist, hatten solche Wall-Grabenanlagen mit Bastionen und Ravelins: z.B. Freudenstadt im Schwarzwald, heute ein Kurort; sogar Travemünde
Gut dokumentiert ist der Übergang von Stadtmauer zur Barockfestung in Lübeck.

Hinzu kommt, dass im 17. und frühen 18. Jh. der Festungsbau geradezu in Mode war, man zahlreiche Systeme projektionierte - all diese sternförmigen Anlagen (die Pläne sehen beinahe wie Weihnachtssterne aus) wurden viel diskutiert und sie hatten durchaus einen ästhetichen geometrischen Reiz.

Allerdings waren die Kosten solcher Anlagen, die stets modernisiertund erweitert werden mussten, sehr hoch: im 18. Jh. begann man, viele unnütz gewordene Festungsringe abzutragen, im 19. Jh. (erst gezogene Geschütze mit großer recihweite, dann die Brisanzgranatenkrise) setzte das Festungssterben ein.

Übrigens hatte auch Berlin eine barocke Wall-Grabenanlage

der Stadtplan von Braunschweig - die Innenstadt eine sternförmige insel in der Oker! - ist typisch

gut ablesbar und dokumentiert ist die Wehrbauentwicklung von der mittelalterlichen Stadtmauer zur betonierten Ringfestung des frühen 20. Jh. in Mainz, Köln, Paris (war immer auch Festung), Koblenz

die Entfestigung brachte jeder Stadt immer Erleichterung: sie war dann nicht mehr eingeengt - sogar in die Musik gelangte das: die Wiener Demolierpolka von Johann Strauß junior (Demolition = Entfestigung)
 
Brissotin, vielen Dank. Hättest du vielleicht ein paar Namen für mich?

Wie waren die dann begrenzt? (Erd-)Wall? Palisaden? Gar nichts (Hausmauern)?

Gehorchte das irgendeiner Gesetzmäßigkeit, zB ab dieser Größe/in dieser Lage oä gabs Mauern, sonst nicht?
Z.B. Freienwalde. Es gab wohl ein paar Tore aber keine Stadtmauer.

Für die neuen Residenzstädte/-orte wie Ludwigslust oder Bartenstein hatte man sowas dann erst garnicht geplant.

Bei den Reichsstädten, die ich kenne, hingegen, fällt mir auf Anhieb keine ein, die nicht noch im 18.Jh. eine neuere oder ältere Befestigung gehabt hätte. Bis in die 1760er war Heilbronn bspw. Festungsstadt mit einer modernen Festung. Andere Stadtbefestigungen blieben dann eben im Zustand des 15.Jh. und wurden maximal erhalten, nicht aber ausgebaut.

Eine einheitliche Regelung für den Umgang mit Stadtbefestigungen konnte es in Deutschland nicht geben. Manche Landesherren aber waren beinahe sowas wie Festungsnarren, die gerne an jeder Grenze die Städte zu Festungen ausgebaut hätten. Herzog Carl Alexander von Württemberg bspw. war selbst sozusagen Fachmann auf dem Gebiet, aber viele seiner Pläne blieben unausgeführt. Wer hätte auch all die Festungen besetzen sollen?
 
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Ich bins schon wieder mit meinen Stadtmauern...

Also nehmen wir an, die (mittelalterliche) Stadtmauer hat sich bei einer Stadt bis ins 18. Jh. erhalten. Wie sähe das dann aus? In welchem Zustand wären die Mauern, etc? Ich meine nicht große Residenzen oder Festungsstädte, an denen ständig gebaut und erneuert wird, sondern die "kleine Stadt um die Ecke".

Ich denke übrigens von der Gegend her an das heutige Sachsen oder Thüringen, freue mich aber auch über Allgemeines!
 
sondern die "kleine Stadt um die Ecke".

Ich denke übrigens von der Gegend her an das heutige Sachsen oder Thüringen, freue mich aber auch über Allgemeines!
da wäre Pirna an der Elbe was für dich (mittelalterliche Stadtmauer, davor dann Grabenerweiterung, angeschüttetes Glacis - über der Stadt die kleine Festung Sonnenstein)
 
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