Zeiteinteilung und Privatsphäre von Ludwig XIV.

Nergal

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Ludwig XIV. hatte ja einen ziemlich durchorganisierten und routinemäßigen Tagesablauf, damit meine ich die vielen alltäglichen Abläufe die in Versailles zu zeitaufwendigen Ritualen "veredelt" wurden zB das Aufstehen und Ankleiden des Königs, die Mahlzeiten etc.
Wie viel blieb dem König da am Tag eigentlich übrig um mal was anderes als das Alltägliche zu unternehmen (so er in Versailles war und nicht im Krieg etc.), und wann konnte er allein sein?
Die Person des Sonnenkönigs konnte ja nur wirken wenn er Publikum hatte, war Privatsphäre da überhaupt möglich, wenn selbst bei Geburten und Krankheiten eine Horde Zuschauer anwesend war?
 
Hallo Nergal,

großer Vorteil dieser Zeit war ja schon mal das Fehlen einer Paparazzi-Meute!

Zudem hatte der König doch alle Möglichkeiten die täglichen Routinen zu ändern. Oder musster sich allen Regeln willenlos beugen?

Wenn Louis allein sein wollte, so brauchte er doch nur mit dem Finger zu schnippen und schon verzogen sich die Bediensteten. Denke nicht, dass es da ein Diener wagte den König zu reglementieren!

Gruß
Andreas
 
Bei Louis XIV kenne ich kaum Phasen der Privatheit, wie Du das nennst. Wenn ich mich recht entsinne, nahm Madame de Maintenon später in den Versammlungen der Familie die Position der Gattin des Königs ein, da er sie wohl insgeheim geheiratet hatte. Allerdings waren das auch eher Zusammenkünfte, welche seperiert vom übrigen Hof stattfanden. M.E. gab es Privatleben in dem Sinne für den König nur ganz selten.
Dazu muss man aber sagen, dass Louis XIV anders als sein Nachfolger scheinbar auch nicht das sonderliche Bedürfnis nach Zurückgezogenheit hatte (Louis XV entfloh Versailles ja sehr oft und bevorzugte kleinere Sitze wie den von Marly) und evtl. auch sehr den Rummel um sich genoss. Mit Bestimmtheit lässt sich da einiges aber nicht sagen, da man gerade bei Hofe nicht immer herausfiltern kann, was die vorgelebte Fassade und was die persönliche wirkliche Vorliebe für etwas war.
 
Wahnsinn, das war ja beinhart durchgeplant.
Allerdings scheint er von 23.30-7.30 geschlafen zu haben, also einer gesunden Schlafroutine geflogt zu sein. In den Filmen scheint er ja immer die Nächte durchgemacht zu haben, auch war er wohl wirklich 16 Stunden unter "Beobachtung".

Weiß man in wie weit es stimmt das der Kammerdiener des Königs am Bettende zu schlafen hatte, falls der König mal was benötigen sollte?
 
vllt. zur Ergänzung:

Der Hofmann Primi Visconti resümiert über den Tagesablauf L.XIV.:
"In seiner Lebensführung befleißigt er sich großer Regelmäßigkeit. Er erhebt sich stets um acht Uhr morgens, bleibt von zehn bis zwölf Uhr im Rat und begibt sich dann erst zur Messe. Dieser wohnt stets auch seine Familie mit der Königin bei. Um ein Uhr mittags besucht er die Favoritin und weilt bei ihr etwa eine Stunde; danach diniert er in Gesellschaft der Königin und seiner Familie unter den Augen des Hofes. Im weiteren Tagesverlauf fallen Promenaden vor, mitunter auch eine kurze Jagd, oft aber begibt er sich noch einmal in den Rat. Sobald die Dämmerung einbricht, scheint der Arbeitstag zu Ende. Seine Majestät unterhält sich mit den Damen, beteiligt sich an einem Spiel oder geht in die Komödie oder zum Ball. Um elf Uhr abends, nach einem Souper, begibt sich der König abermals in die Gemächer seiner Favoriti, schläft aber schließlich im gleichen Gemach wie die Königin. Diese Aufteilung der der Tages- und Nachtstunden auf Geschäfte, Vergnügungen ist im wesentlichen konstant." [1]

Der Tagesablauf des König war eingebettet in eine alles am Hof regelnde Etikette.
Diese Etikette wurde vom Valois-König Heinrich III. eingeführt. "Er hatte in Polen, Wien und Venedig viel offiziellen Prunk kennengelernt, ehe er den Thron Frankreichs bestieg, und hatte am 2. Januar 1585 den ersten Zeremonienmeister des französischen Hofes bestellt, "damit künftig alle Dinge bei Hofe mit jener besonderen Ordnung durchgeführt und beibehalten würden, die geeignet ist, Würde und Glanz der königlichen Größe deutlich werden zu lassen."" [1]

Die Kardinäle Richelieu und Mazarin hatten die Macht des König gestärkt, ein Großteil der Adligen wurden an den Hof des Königs gebunden und waren direkt von der Gnade des Monarchen abhängig.

Ludwig XIV. erkannte die Notwendigkeit dieser Etikette, die das Leben am Hofe minutiös regelte und allen beteiligten Personen ihren Platz und ihre Rolle zuwies:
"Die Völker, über die wir herrschen, vermögen den Dingen nicht auf den Grund zu gehen und urteilen eben darum im allgemeinen nach jenen Äußerlichkeiten, die sie sehen, und fast stes machen sie Respekt und Gehorsam gegenüber Höherstehenden von diesen Eindrücken abhängig. So wie es für das Volk wichtig ist, dass es nur von einem Einzigen beherrscht wurde, so muss es auch erkennen können, dass dieser Einzige deutlich über alle anderen erhoben ist, dass niemand anderer mit ihm verwechselt werden könne. Es würde dem ganzen Staatswesen schaden, seinem Haupt auch nur das kleinste Zeichen seiner Überlegenheit zu entziehen."" [1]

Es täuscht nicht, dass Ludwig XIV. eine sehr öffentliche Person war, er unterwarf sich selbst dieser Etikette, denn "bei solchen Belastungsproben, in der Giftaffäre, aber auch beim Einbruch der Pocken in die bourbonische Erbfolge, erweist sich sich die Etikette, erweist sich das ganze strenge Reglement als ein Stützkorsett für eine moralisch aus den Fugen geratene Gesellschaft - aber nicht nur für sie: Auch als die furchtbare Seuche dem König nacheinander zwei Thronfolgerpaare weggenommen hatte, auch als er sah, dass auf sein strenges Regime eine lockere Regentschaft für den kleinen Urenkel folgen würde müssen, auch da blieb Ludwig XIV. starr und aufrecht, hielt seine Arbeitszeiten ein und gestattete sich selbst kein Nachgeben. Der Hof, den er zu einer Hofburg des Adels mit einem ganzen Geflecht von Wehrgängen und Falltüren ausgebaut hatte, hielt nun ihn selbst und wurde zum dauerhaftesten Instrument auch der Königsmacht." [1]

Auch heute ist die Etikette nicht ganz verschwunden, nur nennt es sich nicht mehr "Zeremonie" sondern "Protokoll".

Grüße
excideuil

[1] Prof. Dr. Hermann Schreiber: Frankreich im Zeitalter Ludwig XIV. - Der Hof und das große Jahrhundert, in: Damals 6/82, Seiten 499-515
 
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