Apokryphen, Agrapha und Fragmente

Enkidu

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Hi, ich dachte, da ja einige Unklarheiten und Interesse an den Apokryphen und ihrer Einordnung besteht, dass es vielleicht Sinn macht einen eigenen Threat hierzu zu eröffnen.
Ich werd meine bishereigen Posts dazu mal einfach erstmal hier reinkopieren.

Als Quelle nutze ich übrigens Hans-Josef Klauck, Apokryphe Evangelien, eine Einführung, Stuttgart 2002.
Das Buch ist zwar vom Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH, aber das nutz ich als evangelischer Theologiestudent dennoch, wurde mir von Seiten eines Dozenten empfohlen ;)
 
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Fragmente:

Papyrus Egerton 2, (PEg 2)
datiert auf ca. 200 n. Chr. vereinzelt frühdatiert auf 50-60 n. Chr. (womit es dann etwa so alt wäre wie die Paulusbriefe).
Dies Fragment weist enge Parallelen zum Johannesevangelium auf.

Oxyrhynchos-Papyrus 840 (POxy 840)
Datierung unsicher, Fragment selbst stammt aus dem 3./4. Jahrhundert, passt sachlich aber in eine Auseinandersetzung des 2. oder 3. Jahrhunderts um die richtige Taufpraxis.
Behandelt ein Streitgespräch zwischen Jesus und einen Oberpriester

Der Straßburger koptische Papyrus
erhalten auf Blättern eines Kodex aus dem 5./6. Jahrhundert.
Inhalt: Abschiedsgebet Jesu mit fernen Anklängen an Joh 17 und deutlicheren Anleihen an 1. Kor 15.
Rückseite erinnert stärker an Matth.

Das "unbekannte Berliner Evangelium" (UBE=PBerol 22220)
Kodex wird aufgr. äußerer Indizien auf die Zeit zw. 4. und 7. Jahrhundert datiert mit dem Schwerpunkt auf dem 6. Jahrhundert.
Inhalt wird auf frühestens Ende des 2. Jahrhunderts, eher aber aufs 3. Jahrhundert datiert.
Inhalt behandelt Wirken Jesu und Ostergeschehen.
 
Das "Geheime Evangelium nach Markus" (gE)
Entdeckt 1958 zwischen den Seiten einer gedruckten Ausgabe der Briefe des Ignatius weist die Handschrift selbst auf das 18. Jahrhundert hin.
Inhaltlich lässt es sich, so meinten Experten, als Verfasser Clemens (von Alexandria?) vermuten.
Schwierig ist die ganze Sache, da der Finder lediglich Fotografien des Fundes freigab und niemand ausser Smith (der Finder) die Originale je zu Gesicht bekam.
Inhalt: Clemens richtet einen Brief an Theodoros in welchem er sich mit der gnostischen Gruppe der Karpokratianer auseinandersetzt.
Diese hätten eine laxe Sexualmoral. Sie beriefen sich auf eine besondere Fassung des Markusevangeliums und daher rekapituliert Clemens in diesem Fragment die Entstehung des Markusevangeliums.
Nach Clemens gäbe es 3 Fassungen: die erste verfasste Markus in Rom (die kanonische), eine erweiterte in Alexandria und eine dritte verfälschte der Gnostiker Karpokrates.
Clemens zitiert nun aus der zweiten, alexandrinischen Fassung die die Lücke zwischen Mk 10,34 und Mk 10,35 schliesst.
Hier handelt es sich um eine andere Fassung der Lazarusgeschichte (der Jünger wird hier aber nicht mit Namen genannt).
Diese Fassung wurde in diesem Threat schon zitiert, sie wird bisweilen homophil gedeutet behandelt aber wohl eher einen in der damaligen Zeit üblichen Initiationsritus in einen Mysterienkult.
Es wird von manchen Experten vermutet, dass es sich um eine ursprünglichere Fassung des Markusevangeliums handelt, die heutige Fassung also eben wegen der Gefahr der Fehldeutung durch gnostische Kreise entschärft wurde (entschärft durch die alte Kirche also).
Dennoch lässt sich, so das Fragment wirklich auf Clemens von Alexandria zurückzuführen ist, lediglich ein Alter von ca. 150 n. Chr. als gesichert feststellen.
 
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Tolle Idee, ein Extrabereich. Macht das ganze übersichtlicher.
Eine Frage die mir spontan eingefallen ist.
Weshalb sind die beiden anderen Bücher, 3. und 4. Buch der Makkabäer, eigentlich bei den Apokryphen gelandet für die Katholiken? Aufgrund des Inhaltes der nicht mehr viel erzählt über die Makkabärer? Weiß da Jemand was Genaueres?
 
Die beiden Makkabäerbücher die du nanntest gelten in der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen als kanonisch.

Die protestantischen Kirchen aber sehen alle Bücher, die nicht im jüdischen Tanach (AT) enthalten sind, bzw. von denen es keine hebräischen Originale gibt als apokryph an.
Die beiden genannten Makkabäerbücher aber liegen in ihrer ältesten Fassung nur in der Septuaginta vor, also der altgriechischen Übersetzung des Tanach, die auf hellenisierte Juden aus Alexandria zurückzuführen ist.

Luther sah die Bücher, die in der Vulgata zwar als Teil des AT gelten, von ihm aber nicht aufgenommen wurden zwar als geistlich hilfreiche aber nicht notwendige Bestandteile der Heiligen Schrift an.
In den Lutherausgaben wo "mit Apokryphen" steht sind denn auch solche Schriften im Anhang drin und nicht jene Apokryphen die auch die Vulgata oder Septuaginta nicht enthalten.
 
Die beiden Makkabäerbücher die du nanntest gelten in der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen als kanonisch.


Tatsächlich? Caecilia hat das 3. und 4. Buch der Makkabäer genannt. Ich nehme an, Du meinst das 1. und 2. Buch.
 
Oh, da hab ich meine Quelle falsch gelesen, natürlich sind die beiden letzten Makkabäerbücher nicht in der Westkirche, sondern nur in der Ostkirche kanonisch (das Dritte richtig, das vierte meist im Anhang oder vorgestellt).

Das dritte und vierte Makkabäerbuch sind vergleichsweise jung, vielleicht wurden sie daher von der Westkirche nicht anerkannt, genaues kann ich aber nun auch nicht sagen. Ich werd da mal recherchieren.
 
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So, nun weiter zu den Apokryphen.

Wie ja sicher einige wissen gab es in der Frühphase des Christentums die Judenchristen, zunächst waren das die meisten Mitglieder der Urgemeinde (abgesehen von den Hellenisten, den griechischsprachigen Juden), später gerieten sie aufgrund auch der Marginalisierung Jerusalems im Zuge der Zerstörung des Tempels und der Zerstreuung in alle Welt.

Die "Judenchristen" waren Christen welche aber noch dem jüdischen Gesetz nachfolgten, also die Speisevorschriften, Beschneidung etc.
Diese hatten natürlich auch "ihre" eigenen durch ihr Denken geprägten Evangelien.
Diese sind uns aber in keiner Form wirklich erhalten, weder in Papyri noch in anderen Fragmenten, sondern werden nur bisweilen durch Kirchenväter in ihren Schriften mehr oder minder frei zitiert.
Sie lassen sich also teilweise bedingt rekonstruieren.

a) Das Hebräerevangelium (EvHeb)
Dieses Evangelium wird von Clemens und von Origines erwähnt, seinen Ursprung scheint es in Alexandria zu haben.
Pantainos, Lehrer von Clemens und Origines sei, so die Legende, nach Indien gekommen und habe dort das Matthäusevangelium in hebräischer (!) Sprache vorgefunden. Es sei, so hieß es, von Bartholomaeus dorthin vermittelt worden.
Clemens und Origines lag das Hebräerevangelium wohl (so Klauck) in griechischer Sprache vor. Die Entstehung wird auf die ersten Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts vermutet.
Das Hebräerevangelium wurde in dieser Zeit von keiner Seite als häretisch bezeichnet, obgleich es nicht selbst in den Kanon einging, es wurde sogar gern daraus zitiert.

Ein Wort wurde zweimal von Origines, dreimal von Hieronymus erwähnt:

"Wenn aber jemand das Hebräerevangelium akzeptiert, wo der Erlöser selbst sagt:'Neulich nahm mich meine Mutter, der heilige Geist, an einem meiner Haare und trug mich fort auf den großen Berg Tabor', so muss er sich fragen, wie "Mutter" Christi der durch den Logos gewordeneheilige Geist sein kann"

Das ist in so fern interessant, weil auf eben diesen Umstand, die Weiblichkeit des heiligen Geistes auch im apokryphen Thomasevangelium hingewiesen wird, wenn dort gespottet wird, dass man noch nie gehört habe, dass eine Frau mit einer anderen Frau (heiliger Geist mit Maria) ein Kind gezeugt habe.
Im Hebräischen ist Geist wohl auch weiblich.

(später schreib ich weiter, erstmal soviel)
 
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