Archäologie der christlichen Religion

Pope

Aktives Mitglied
Ein Nebenschauplatz des Themas "Archäologie ohne Geschichtsschreibung", indem ich gerne (also auch etwas hypothetisch) darüber diskutieren möchte, wie man streng als Archäologe ohne Kenntnisse der Bibel, der Theologie und irgendwelcher historischen Dokumente die Geschichte der Kreuzreligion beschreiben würde. Bin daher auch geneigt den gleichen Jargon zu verwenden, wie er für andere altertümliche Glaubensformen und Kultpraktiken genutzt wird.

Pope schrieb:
Wie sähe man die Ausbreitung der mit Kreuzmotiven bestückten Tempel und Schreine in alle Welt? Würde man auf eine Friedensreligion schließen? Würde man eine Kultur- und Sprachgemeinschaft der "Völker des Kreuzes" vermuten?

http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=235459&postcount=1

Darauf schrieb Ashigaru:

Ashigaru schrieb:
Letzteres - vermutlich ja (tatsächlich war und ist es ja irgendwie auch eine Kulturgemeinschaft). Meiner Meinung nach würde man auch feststellen, dass es eine Priesterkaste gab. Für Erstaunen hätte der radikale religiöse Wandel gesorgt, der einheitlich die verschiedenen Religionsräume erfasste, und auch das Fakt, dass die religiösen Bauten zeitweise dei größten und prunkvollsten waren und es keine vergleichbaren öffentlichen Bauten gab.

Hoffe auf gewinnbringende Einblicke!
 
Food-for-thought für die Hobbyarchäologen:

- Wann tauchen die ersten Symbole der neuen Religion auf? Das Monogramm "XP", der Fisch, das Kreuz ...

- Welcher Ursprung lässt sich vermuten - die ersten Schriftstücke waren scheinbar Griechisch (auch wenn wir sie nicht lesen können ;))?

- Was sagen uns die Grabsitte und die Grabbeigaben?

- Wie manifestiert sich die Ausbreitung des Christentums in römischer Zeit in den archäologischen Befunden?

- Ein Kontinent, eine Religion, ein Volk?

- Welche Aussagen über Kulthandlungen, Rolle der Religion im Alltag und den Priestern lassen sich machen?

- Gottesmutter-, Geister- und Halbgötter-Verehrungen in Pilgerstätten, Reliquien und Schreine. Anzeichen für Polytheismus?

usw. usw. ...

Solche und ähnliche Fragen stellen Archäologen über die Höhlenmaler Südfrankreichs, die Megalithiker, den Stierkult der frühen anatolischen Bauern und vielen anderen religiösen Erscheinungen, über die wir keine Schriftstücke besitzen.

Wenn wir nun mal der christlichen Religion die Schriftlichkeit "entwenden" und sie nur durch's Fenster der Archäologie betrachten, erscheint sie uns möglicherweise ebenso fremd?
 
Zuletzt bearbeitet:
Kann mal jemand eine Zusammenfassung der Geschichte des Christentums aus der japanischen oder chinesischen Wikipedia hier ins Deutsche übersetzen?

Ich finde das schon mal interessant, wie man einem Japaner oder Chinesen das Christentum erklärt. Vielleicht ein erster Schritt zur "Lösung" von der kulturellen und historischen Befangenheit.
 
Zumindest in katholischen Kirchen müsste das Christentum als deutlicher Polytheismus erscheinen, mit einer Riesenmenge Götter für selbst kleine und kleinste Belange (Barbara = Göttin der Zahnärzte; ich glaube, selbst die Römer waren nicht so diversifiziert).
Dann auch noch regionale Unterschiede. Das "Heiligtum der Madonna von den Tränen" in Siracusa z. B. ist ein Musterbeispiel an Idolatrie, die Statue der Artemis von Ephesus ist nix dagegen. Ein Forscher müsste feststellen, dass dieselbe Religion in Deutschland mehr oder weniger monotheistisch um den Gekreuzigten kreist, in Italien aber eine deutliche Muttergottheit - stellenweise prominenter als ihr Sohn - beinhaltet.
 
... nicht immer ... den Funden nach zu urteilen, gab es so viele Priester und Priesterinnen, dass sie in eigenen Wohnheimen untergebracht werden mussten (Klöstern). Z. T. an unzugänglichen Orten wie die Meteora-Felsen. Und was schließen wir daraus?

Waren das nicht eher Lehr- und/oder Wirtschaftseinheiten? Im Mittelpunkt scheint wohl eine gewisse Form der Religiösität gestanden zu haben, aber die meisten Anlagen weisen ausgedehnte Wirtschaftsbereiche, Schreiberstuben und Archive auf.

Ich würde eher auf einen universitären Charakter schließen, wobei die Wirtschaftsbereiche zum Erhalt der Anstalt betrieben wurden.
 
... dazu fehlen die Infrastrukturen für Schüler- und Studierendenaustausch. Wirtschaftsbereiche zum Erhalt der Anstalt ok, aber die Wohnanlagen wandelten sich doch deutlich zum "Bewahrbereich". Allerdings gibt es auch hier Unterschiede, z. B. sehr offene und tatsächlich schulische Strukturen unterhaltende Dominikaner und sich selbst verschließfachende Karthäuser.
 
Kann mal jemand eine Zusammenfassung der Geschichte des Christentums aus der japanischen oder chinesischen Wikipedia hier ins Deutsche übersetzen?

Ich finde das schon mal interessant, wie man einem Japaner oder Chinesen das Christentum erklärt. Vielleicht ein erster Schritt zur "Lösung" von der kulturellen und historischen Befangenheit.


Sogar wenn ich Japanisch könnte oder wenigstens ein Japanisch-Wörterbuch hätte, wäre mir das ein bißchen zu viel Arbeit.

Das Inhaltsverzeichnis wäre kein Problem. Wobei eventuell der Eintrag "Christentum" (http://ja.wikipedia.org/wiki/キリスト教) noch interessanter wäre als der Eintrag "Geschichte des Christentums" (http://ja.wikipedia.org/wiki/キリスト教の歴史)
 
Barbara = Göttin der Zahnärzte; Ich dachte immer Barbara wäre die katholische Schutzgöttin der Bergleute und Artilleristen.
 
... dazu fehlen die Infrastrukturen für Schüler- und Studierendenaustausch. Wirtschaftsbereiche zum Erhalt der Anstalt ok, aber die Wohnanlagen wandelten sich doch deutlich zum "Bewahrbereich". Allerdings gibt es auch hier Unterschiede, z. B. sehr offene und tatsächlich schulische Strukturen unterhaltende Dominikaner und sich selbst verschließfachende Karthäuser.

Dominikaner? Karthäuser? Was sind das denn für welche? (Bedenke, angenommen sind keine Schriftzeugnisse!)
 
Ein Forscher müsste feststellen, dass dieselbe Religion in Deutschland mehr oder weniger monotheistisch um den Gekreuzigten kreist, in Italien aber eine deutliche Muttergottheit - stellenweise prominenter als ihr Sohn - beinhaltet.


Klar, wenn er an den falschen Orten forscht.
Noch immer ist Maria ist in der katholischen Kirche Mittelpunkt der Volksfrömmigkeit.
 
Spannender Artikel zu den Grabungen unterhalb des Petersdoms in den 1940er Jahren. Quelle ist Kath.net, Artikel ist aber sehr ausgewogen verfasst (finde ich).

Die Reliquien des heiligen Petrus


Die Angelegenheit ging in den letzten Tagen durch die Presse. Der von Rovere verlinkte Artikel ist von Hesemann, der auch dazu ein Buch verfaßt hat.

Allerdings scheinen nicht alle Archäologen den Ausführungen von Michael Hesemann zu folgen: Reliquien des heiligen Petrus: Knochen unter dem Petersdom - SPIEGEL ONLINE :grübel:
 
Der Spiegel Artikel ist ziemlich unwissenschaftlich:

1 - Ein argumentum ex silentio kann nicht begründen, dass Petrus nicht in Rom gewesen ist. Darüber hinaus: Um in diesem Fall ein argumentum ex silentio zu bekommen, muss man Quellen ignorieren, z.B. das Gaius-Zitat des Eusebius (II,25), hier aus der Bibliothek der Kirchenväter:

"Wie berichtet wird, wurde Paulus eben in Rom unter Nero enthauptet und Petrus gekreuzigt. Dieser Bericht wird bestätigt durch die noch bis heute erhaltenen Namen Petrus und Paulus in den römischen Zömeterien sowie durch einen kirchlich glaubwürdigen Mann, namens Gaius, der unter dem römischen Bischof Zephyrinus lebte und in einem schriftlich überlieferten Dialog mit Proklus,dem Haupte der phrygischen Sekte, über die Stätte, wo die heiligen Leiber der genannten Apostel ruhen, sagt: „Ich kann die Siegeszeichen der Apostel zeigen. Du magst auf den Vatikan gehen oder auf die Straße nach Ostia, du findest die Siegeszeichen der Apostel, welche diese Kirche gegründet haben.“ Daß beide Apostel zu gleicher Zeit den Martertod erlitten haben, behauptet Dionysius, Bischof von Korinth, in einem Schreiben an die Römer.Er sagt: „Durch eure große Sorgfalt habt ihr die von Petrus und Paulus in Rom und Korinth angelegte Pflanzung miteinander verbunden. Denn beide haben in unserer Stadt Korinth die Pflanzung begonnen und uns in gleicher Weise in Italien gelehrt und zu gleicher Zeit den Martertod erlitten.“ Durch dieses Zeugnis möge meine Erzählung noch mehr beglaubigt werden."

2 - Das (angenommene) 'Zwischenlager' in den Katakomben ist beschriftet. Graffiti zeigen, dass es ebenso verehrt wurde wie die Grablege im Vatikan. Es war also nicht vergessen. In der San Sebastian-Katakombe befindet sich, z.B. an entsprechender Stelle die Inschrift Domus Petri (Haus des Petrus). Allerdings gibt es mehrere mögliche Verstecke.
3 - Desweiteren wird die Baugeschichte des Platzes ignoriert. Zunächst wurde -schon zur Zeit Konstantins - das fragliche Grab mit Marmor und Porphyr (das sog. konstantinische Monument) umgeben, dann die Petersbasilika gebaut.
4 - Kein Beweis? Petr(os) en(i) ist ziemlich eindeutig. Woanders hat man geradezu darum getrauert, kein Schild mit der Inschrift "Hier haben wir Varus verscharrt." finden zu können, da ja schon die Existenz eines solchen Schildes unwahrscheinlich ist.
5 - Die Graffiti sind auch schon lange nicht mehr rätselhaft, auch wenn es aus der Warte der neuzeitlichen Entdecker noch so sein musste.

Das alles beruht natürlich darauf, dass im Spiegel, aus welchen Gründen auch immer, die tatsächlichen meist benutzten Gegenargumente nicht genannt werden, obwohl sie nicht schwer zu verstehen sind.

Zu 1 sind die Argumente wie folgt: Die Zeugnisse seien relativ spät. (Z.B.: Zephyrinus amtierte um 200, der Dialog wird erst nach dem Tod des Gaius abgefasst worden sein. Die Zeitstellung der erwähnten Inschriften kennt man nicht. Dionysius von Korinth lebte um 170 v.Chr.. Die Aedicula über dem Grab ist also älter als die schriftlichen Zeugen.) Dann könne nur 1 Apostel die römische Gemeinde gegründet haben, und dies sei Paulus. Schließlich sei dieser auch für die Heidenchristen "zuständig". Dummerweise gab es in Rom eine große Jüdische Minderheit mit mehreren Synagogen und auch zunächst mehrere christliche Gemeinden, wie schon der Dionysius-Brief zeigt. Die Apostelgeschichte bricht eben einfach ab, so dass das weitere Leben von Petrus und Paulus ca. 80 Jahre nur durch mündliche Berichte tradiert wurde. Jedenfalls, wenn man die erwähnten Inschriften in Zusammenhang mit der Aedicula sieht. Um beim Thema zu bleiben: Ohne Schriftzeugnisse würde man wohl sagen: Die besondere Verehrung eines Grabes der 2. Hälfte des 1. Jh. ist seit der Mitte des 2. Jh. durch eine Aedicula belegt. (Die Gräber um das Petrusgrab lasse ich hier beiseite. Ob sie wirklich so angelegt sind, dass sie auf eine Verehrung des Grabes zur Zeit Vespasians schließen lassen, ist meines Wissens fraglich. Erwähnt werden sollte noch, dass einige Archäologen Unregelmäßigkeiten von roter Mauer und Aedicula durch einen älteren Grabstein erklären wollen.)

Zu 2 ist die Frage, ob man wusste, welches Versteck das richtige ist, interessant. In den Katakomben findet sich der Name Petri mehrfach herausgehoben. Genau wie die Fragen, ob Petrus in Rom war und ob er dort hingerichtet wurde, ist diese Frage eine Einschätzungsfrage. Will man wissenschaftlich vorgehen, bleibt nur die Fallunterscheidung, bis man weitere Beweise hat. Ohne Schriftquellen könnte man wohl nur schließen, dass es entweder mehrere Verehrungsstätten, oder mehrere Personen des gleichen Namens gab.

Zu 3 käme man ohne Schriftquellen zu folgendem Schluss: ein ärmliches Grab, um welches andere gruppiert wurden, später evt. ein Grabstein (das ist auch unter Befürwortern umstritten), dann die Aedicula, später ein Schutzhaus aus Marmor und Porphyr, kurz darauf der Bau einer Basilika, vermutlich zu kultischen Zwecken. Vielleicht würde man auf das Grab eines Religionsgründers schließen.

Zu 4 ist festzustellen, dass die Inschrift im Extremfall auch noch zur Zeit Konstantins entstanden sein kann. Zudem ist der genaue Herkunftsort nicht mehr genauer festzustellen: Hinter oder neben der Mauer g mit den vermuteten Petrus-Reliquien? Hier hätten die Archäologen ohne Textquellen dieselben Probleme wie wir.

Zu 5 schließlich wäre es eine interessante Frage, ob die Graffiti einem Archäologen ohne weitere Kenntnisse etwas sagen könnten. Jedenfalls gibt es auch an anderen Orten Graffiti, die auf Petrus hinweisen. So jedenfalls hat M. Guarducci diese entziffert.

Von den Schriften Guarduccis ist übrigens die folgende ins Deutsche übersetzt und immer noch gut antiquarisch zu bekommen: Margherita Guarducci, Petrus - sein Tod, sein Grab, Regensburg 1976 Auch ihre Reaktion auf die Kritik ist enthalten, wie auch ein Bild der Petros-eni-Inschrift.

Hier gibt der Vatikan eine Online-Führung durch die Vatikanische Nekropole bis zum Petrusgrab. Was würden sich Archäologen ohne Schriftquellen bei der Vergesellschaftung christl. und heidnischer Funde denken? Selbst heutzutage sind christliche und heidnische Provenienz nicht immer zu unterscheiden. Die Paderborner Credo-Ausstellung zeigte dies gerade an verschiedenen Beispielen, z.B. am Lamm tragenden Hirten.
(Wenn man nach der Einleitung und dem Pompösen Vorspann bei der unterirdischen Pilgerfahrt; ja der Vatikan bietet hier eine virtuelle Pilgerfahrt an; gelandet ist, kann man bei gedrückter linker Maustaste navigieren.)
 
Zuletzt bearbeitet:
In dem von Carolus verlinkten Spiegel-online-Artikel heißt es unter anderem:
Dabei, sagen Historiker, sei Petrus vermutlich nicht einmal in Rom gewesen, nicht dort hingerichtet und folglich auch nicht dort begraben worden.

Dem guten Beitrag von Riothamus, mit seinem Hinweis auf Euseb.: hist. ecc. II 25, 5-8 (Gaius-Zitat zum Petrus-Grabmal in Rom und Zitat des Dionysius v. Kortinth zu Petrus u. Paulus als Gründer der röm. Kirche), möchte ich noch zwei ältere Quellen hinzufügen, welche als Indizien für einen Aufenthalt des Petrus und ein Martyrium in Rom angesehen oder wenigstens in diese Richtung interpretiert werden können:

Der erste Clemensbrief ist ein Schreiben der römischen Christengemeinde, welches man in die allerletzten Jahre vor 100 n. Chr. zu datieren hat (im Zweifelsfall spätestens in die Anfangszeit der Regierung Trajans). In 1. Clem. 5, 1-6, 2 (BKV) heißt es:

„[Kap 5] 1. Aber, um mit den alten Beispielen aufzuhören, wollen wir nun auf die Kämpfer der neuesten Zeit kommen; wir wollen die hervorstechendsten Beispiele unseres Zeitalters herausgreifen. 2. Wegen Eifersucht und Neid haben die größten und gerechtesten Männer, Säulen waren sie, Verfolgung und Kampf bis zum Tode getragen. 3. Stellen wir uns die guten Apostel vor Augen: 4. einen Petrus, der wegen ungerechter Eifersucht nicht ein oder zwei, sondern vielerlei Mühseligkeiten erduldet hat und, nachdem er so sein Zeugnis (für Christus) abgelegt hatte, angelangt ist an dem ihn gebührenden Orte der Herrlichkeit. 5. Wegen Eifersucht und Streit hat Paulus den Beweis seiner Ausdauer erbracht. 6. Siebenmal gefesselt, vertrieben, gesteinigt, Herold (des Evangeliums) im Osten und Westen, holte er sich den herrlichen Ruhm seines Glaubens. 7. Er hatte Gerechtigkeit der ganzen Welt gelehrt, war bis in den äußersten Westen vorgedrungen und hatte vor den Machthabern sein Zeugnis abgelegt, so wurde er weggenommen von dieser Welt und ging ein in den heiligen Ort, das größte Beispiel der Geduld.
[Kap. 6] 1. Diesen Männern, die einen heiligen Wandel geführt haben, ward zugesellt eine große Zahl Auserwählter, die wegen der Eifersucht durch viele Mißhandlungen und Prüfungen gelitten haben und so unter uns zum herrlichsten Vorbild geworden sind. 2. Frauen wurden wegen der Eifersucht verfolgt, wie Danaiden und Dirken, ertrugen fürchterliche und grauenhafte Peinen, wandelten so auf dem sicheren Pfade des Glaubens und holten sich den herrlichen Preis, obwohl sie schwach am Leibe waren.“
(Der griech. Text übrigens hier: http://www.documentacatholicaomnia.eu/01p/0088-0097,_SS_Clemens_I,_Epistola_ad_Corinthios_I,_GR.pdf)

Wenn laut Clemens bzw. laut der röm. Gemeinde den Märtyrern Petrus und Paulus eine Menge anderer Christen „zugesellt“ wurde, die „unter uns [ἐν ἡμῖν] zum herrlichsten Vorbild geworden sind“, dann kann man das durchaus so interpretieren, dass „unter uns“ = „in Rom“ heißt und dass die beiden Apostel mit vielen anderen röm. Christen hingerichtet worden sind, was wiederum an die Verfolgung der Christen zu Rom durch Nero erinnern kann, wie sie Tacitus: annales 15, 44 beschreibt.
Dazu noch eine grammatikalische Beobachtung aus Lietzmann, Hans: Petrus und Paulus in Rom, Berlin 1927, S. 231:
„[...] diese Märtyrer werden unzweideutig als die Genossen der Apostel im Tode bezeichnet. Es ist keine rhetorische Gruppierung – dann müßte im Präsens gesprochen werden: 'Diesen Männern gesellt sich eine große Schar Auserwählter' – sondern historischer Bericht im Aorist: 'Diesen Männern gesellte sich eine große Schar', damals, zu der Zeit, als sie das Martyrium erlitten“.

Ignatius, Bischof von Antiochien, schrieb auf seiner Reise als Gefangener Richtung Rom einen Brief an die röm. Gemeinde. Gefangenschaft und Briefe des Ignatius sind sehr wahrscheinlich in die Regierungszeit Trajans zu datieren. In Ign.: epist. ad Romanos 4, 3 heißt es (BKV):
„Nicht wie Petrus und Paulus befehle ich euch.“
(Griechisch wieder hier: http://www.documentacatholicaomnia.eu/20vs/103_migne_gm/0030-0100,_Ignatius_Antiochensis,_Epistolae_Genuinae_(MPG_005_0625_0728),_GM.pdf, S. 36 bzw. Spalte 689)

Daraus folgt: Der Apostel Petrus hat der römischen Gemeinde in irgendeiner Form „befohlen“. In welcher Form? In seinem Brief an die Epheser nennt Ignatius (ad Eph. 12, 2) die Epheser „Miteingeweihte des Paulus“. Petrus, der nie in Ephesus war, wird nicht genannt, Paulus, der die Gemeinde in Ephesus gründete und dort predigte, wird genannt. An die Trallianer schreibt Ignatius (ad Trall. 3, 3) mit ähnlichen Worten wie an die Römer: „[...] nicht […], daß ich als Verurteilter wie ein Apostel euch befehlen dürfte“ - hier überhaupt kein Name eines bestimmten Apostels, denn die Gemeinde in Tralles galt nicht als von einem bestimmten Apostel gegründet. Daraus kann man schließen, dass nach dem Wissensstand des Ignatius sowohl Petrus als auch Paulus einst in Rom gewesen sind und dort missionarisch und gemeinde-aufbauend gewirkt haben.

1. Clem. 5f und Ignatius: ad Rom. 4, 3 sind natürlich keine Beweise für einen Tod des Petrus in Rom, aber als Indizien dafür lassen sich die beiden Stellen, denke ich, auffassen.
_________________________________________________________________

Was die Frage nach der historischen Ruhestätte der Petrus-Gebeine anbelangt, so finde ich es interessant, dass der bereits oben genannte evangelische Kirchenhistoriker Hans Lietzmann – der ja nun wirklich nicht im Verdacht steht, ein Apologet röm.-katholischer Traditionen zu sein – bereits vor der Entdeckung des Petrus-Grabes in den 40er Jahren nach gründlichem Studium aller literarischen und archäologischen Quellen (die bis dahin bekannt waren) zu dem Schluss kam, dass sich Petrus' Überreste ziemlich wahrscheinlich irgendwo im Erdreich unter der St. Peter-Kuppel befinden.
(Das Werk: Lietzmann, Hans: Petrus und Paulus in Rom. Liturgische und archäologische Studien [= Arbeiten zur Kirchengeschichte, hrsg. v. Karl Holl], 2. Aufl., Berlin u. Leipzig, 1927)
 
Auch, wenn es nicht ganz zur Archäologie ohne Schriftzeugnisse passt, ist die Beschreibung des Petrusgrabes im Liber Pontificalis hier interessant. Da das Konstantinische Monument erst durch Gregor den Großen mit einem Altar verschlossen wurde, um die Überreste Petri vor dem Reliquienkult, dem er kritisch gegenüberstand, zu schützen, war dies in der ersten Hälfte des 6.Jh. noch bekannt. Über das Innere hingegen wird unzuverlässig berichtet. Der Sarkophag stände im Zentrum und sei mit Kupfer verkleidet. Schon M. Guarducci hat die Archäologischen Funde mit dem Bericht verglichen.

Für eine Diskussion, die sich um Luthers Aussage, selbst der Papst wisse nicht um das Petrusgrab, entwickelte, habe ich die Stelle übersetzt. Aufgrund des Vorwurfs, dass Duchesne aufgrund seines katholischen Bekenntnisses nicht zu trauen sei (!), griff ich auf die MGH-Ausgabe des Antikatholiken Mommsen zurück. Für die Kreuzinschrift griff ich - wie angegeben - auf fremde Übersetzungen zurück. Die Güterausstattung in der östl. Reichshälfte kürze ich nicht weg, vielleicht interessiert es ja jemanden:


"Zu jener Zeit fertigte Kaiser Konstantin auf Bitte des Bischofs Silvester bei dem Tempel des Apollo eine Basilika für den heiligen Apostel Petrus, dessen Sarg mit dem Körper des heiligen Petrus er auf folgende Weise verwahrte: den Sarg selbst schloss er von allen Seiten mit erzenem Kupfer ein, so daß er unbeweglich ist: am Kopf 5 Fuß; zu den Füßen 5 Fuß; zur rechten Seite 5 Fuß, zur linken Seite 5 Fuß, 5 Fuß, darunter 5 Fuß, darüber 5 Fuß; So schloss er den Körper des heiligen Apostel Petrus ein und verbarg ihn. Und weiter hinauf schmückte er [das Werk] mit Säulen aus Porphyr und anderen Säulen wie Weinranken, die er aus Griechenland herbeibrachte.


Und er fertigte sowohl der Basilika ein dreifaches Goldglänzendes Gewölbe, als auch über dem Körper des heiligen Petrus. Über dem Erz, welcher den Körper des heiligen Petrus einschloss, fertigte er nach dem Maß des Ortes ein Kreuz aus reinstem Gold, gewogen 150 Pfund, wo dies geschrieben ist:


Kaiser Konstantin und Kaiserin Helena [schmücken] dies königliche Haus [mit Gold wie so] ähnlich die Halle durch den schimmernden Glanz umgibt, [nach Rossius, nach Mommsen wie folgt:] Kaiser Konstantin und Kaiserin Helena. Die Halle umgibt dies Haus durch Königsgunst ähnlich einem schimmernden Glanz;


im Kreuz selbst mit reinen schwarzen Buchstaben geschrieben.


Er fertigte aber auch


Messingleuchter von 10 Fuß, der Anzahl nach 4, durch Silber eingeschlossen, mit silbernen Bildchen von den Handlungen der Apostel, einzeln gewogen 300 Pfund;


3 goldene Kelche mit 45 lauchgrünen und hyazintblauen Edelsteinen, einzeln gewogen 12 Pfund;
2 silberne 40-Liter-Maße, gewogen 200 Pfund;
20 silberne Kelche, einzeln gewogen 10 Pfund;
2 goldene Feuereimer, einzeln gewogen 10 Pfund;
5 silberne Feuereimer, einzeln gewogen 20 Pfund;


eine goldene Patene mit einem Turm aus reinstem Gold, mit einer Taube, mit lauchgrünen und hyazinthblauen Edelsteinen, die der Zahl 215 sind, [und] weißen Perlen verziert, gewogen 30 Pfund;


5 silberne Patenen, einzeln gewogen 15 Pfund;
eine goldene Krone vor dem Körper, der Kelch des Lichtes ist, mit 50 Delfinen, die 35 Pfund gewogen wird;
ein silbernes Licht im Schoß der Basilika mit 32 Delphinen, einzeln gewogen 10 Pfund;
zur Hilfe der Basilica 30 silberne Lichter, einzeln gewogen 8 Pfund


der Altar aus Silber selbst ist von Gold mit lauchgrünen und hyazinthblauen und weißen Edelsteinen, von allen Seiten durch eine Anzahl von 400 Edelsteinen verziert, einzeln gewogen 350 Pfund;


ein Räucherfaß aus reinstem Gold von allen Seiten mit der Anzahl nach 40 Edelsteinen geschmückt, gewogen 15 Pfund.


Ebenso bezüglich der Einkünfte ist das Geschenk, welches Kaiser Konstantin dem Apostel Petrus überreichte in der östlichen Reichshälfte:


in der Stadt Antiochia:
das Haus des Datianus, Wert 240 Solidus
ein Häuschen in Caenis, Wert 20 Solidus und tremissium?
die Keller [oder Klöster] in Afrodisia, Wert 20 Solidus
das Bad in Ceratheas Wert 42 Solidus
die Stampfmühle wie oben, Wert 23 Solidus
das Gasthaus wie oben, Wert 10 Solidus
den Garten von Maro, Wert 10 Solidus
den Garten wie oben, Wert 11 Solidus


unter der Stadt Antiochia:
der Besitz Sybille, geschenkt vom Kaiser, Wert 322 Solidus
10er Papyrosbögen 40 [Stück]
wohlriechende Gewürze 200 Pfund
Nardenöl 200 Pfund
Balsam 35 Pfund


unter der Stadt Alexandria:
der Besitz Timialica, geschenkt durch Kaiser Konstantin von Ambrosius Wert 620 S.
10er Papyrosbögen 300 [Stück]
Nardenöl 300 Pfund
Balsam 60 Pfund
wohlriechende Gewürze 150 Pfund
Isaurisches Styrax (Duftharz) 50 Pfund
der Besitz des Eutimus Wert 500 Solidus
10er Papyrosbögen 70 [Stück]


in Ägypten:
unter der Stadt Armenia:
den Besitz des Agapus, welchen Kaiser Konstantin schenkte
den Passinopolinensischen Besitz Wert 800 Solidus
10er Papyrosbögen 400 [Stück]
Pfeffer 50 Scheffel (je 52 Liter)
Safran 100 Pfund
Styrax (Duftharz) 150 Pfund
Zimt 200 Pfund
Nardenöl 300 Pfund
Balsam 100 Pfund
Leinensäcke 100 [Stück]
Kümmelblätter 150 Pfund
Zyprisches Öl 100 Pfund
gereinigtes Papyros-Obergewand [?] 1 [Stück]
den Besitz des Hybromius schenkte Kaiser Konstantin Wert 450 Solidus
10er Papyrosbögen 200 [Stück]
Zimt 50 Pfund
Nardenöl 200 Pfund
Balsam 50 Pfund


in der Provinz des Euphrat,
unter der Stadt Cyrus:
den Besitz Armanazon, Wert 380 Solidus;
den Besitz der Obaria, Wert 260 Solidus;"

Ach, ja, es wurde - ich erinnere mich nicht mehr von wem - vermutet, dass das erzene Kupfer den Porphyr bezeichnen soll, der aber im Text schon erwähnt ist. Daher halte ich es für wahrscheinlicher, dass die rote Mauer in der Erinnerung irgendwie zum Kupfer wurde. Sollte der Ausdruck anderweitig belegt sein, freue ich mich über jede Korrektur.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben