Bestattungsriten um 700 n. Chr. bei den Merowingern

pietFFM

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Trotz den Grabungsberichten zu dem Mädchengrab im Frankfurter Kaiserdom habe ich noch offene Fragen zu den Grundlagen.


Nach Magnus Wintergerst fand die christliche Bestattung in einer offenen Ruine neben einer Kirche bzw. Kapelle statt. Welchen Grund hatte die Grablege in einer Ruine?


Die Überreste des zweiten Kindes sind nach dem verbrennen in das christliche Grab beigelegt worden und enthält heidnische Beigaben. Irgendwelche Erklärungen?



TIA
 
In Unkenntnis des archäolog. Befundes versuche ich mal einiges zu klären.
Eine heidnische Nachbestatung zu einem christlichen Begräbnis ist verwunderlich aber gut, das muss man wohl akzeptieren.
Was nun die Bestattung in der Ruine angeht, so ist die Frage: Ist gesichert, dass es sich um eine Ruine handelte, als die Bestattung vorgenommen wurde? Bzw. ist ein Wiederaufbauwille der Kirche aufgrund anderer Grabungsergebnisse auszuschließen?

Was nun die Bestattung in einer Kirchenruine angeht: Solange die im Altarbereich bestatte Reliquie eines Heiligen dort weiterhin ruhte, war die Nähe des Heiligen gegeben. Je näher am Heiligen, desto früher würde die Erlösung kommen, so die Vorstellung der Antike, die davon ausging, dass Jesus die Toten physisch aufwecken würde und als erstes bei den Heiligengräber vorbeiginge. Insofern ist die Bestattung auch in einer Kirchenruine, deren Wiederaufbau nicht geplant war allenfalls bedingt verwunderlich.
 
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Dann noch etwas mehr Infos.


Bei der Frage wann und wie viele Gebäude an der Stelle gebaut wurden, sind die Archäologen vom Denkmalamt und Archäologischen Museum unterschiedliche Meinung.


An der Stelle wurden zwei Gebäude ergraben, die sogenannten Apsidensaal und Bau I. Beide Gebäude sind wohl zeitgleich gebaut, aber eine genaue Datierung ist nicht möglich. Beim Apsidensaal wird aufgrund der Apsis eine Kirche oder Kapelle vermutet und als Ort des Konzils von 794 angenommen. Bau I., der als „Keimzelle“ des Kaiserdoms gilt, ist ein Hypokaustum vorhanden und wurde mehrmals mit Kirchen überbaut.


Das Mädchen wurde in der Nordwestlichen Ecke von Bau I um 700-730 begraben. Das Grab bildet bei den ersten Nachfolgebauten das Zentrum und auch die Pfalz richtet sich an dem Grab aus. Belegt ist das die Kleine eine christliche Merowinger war und von den Funden der Obersicht, bis hin zur einer Königstochter, angehörte. Beim Fund war die eine Seite der Kammer eingestürzt bzw. abgerutscht. Die Ausgräber (Ausgrabungen 1991–1993) sind der Meinung das der Einsturz durch den Bau des Nachfolgebaus ausgelöst wurde. Die andere Sicht (2007) auf den Ablauf ist: Da der Apsidensaal die Kirche ist, kann Bau I keine Kirche sein. Das Grab lag im Bau I nicht zentral, sondern in einer Ecke. Der Einsturz der Kammer ist ein abrutschen der Wand und erfolgte beim Bau des Grabes durch Witterungseinflüsse. Also dürfte Bau I bei Grablegung eine Ruine gewesen sein.


Bei weiteren Untersuchungen (Veröffentlich 2016) der Funde die das Mädchen selber betreffen, wurden die Überreste des zweiten Kindes entdeckt. Das Brandnest des zweiten Kindes wurde dem Mädchen in dessen Sarg beigegeben und wird als altgermanisch mit Einflüsse aus Skandinavien bewertet. Birituelle Bestattungen findet man im westthüringische und mainfränkischen Raum.


Also für die christliche Grablege in und an Ruinen werden Vergleichsfunden genannt und die birituellen Bestattungen sind mit einer ethnisch-religiösen Sonderstellung der Region und Zeit begründet, aber erklärt werden die Gründe im Zusammenhang mit den Funden nicht.
 
Anhand dem, wie es sich mir in der Aufbereitung des Museums darstellt, würde ich Bau I als Teil eines Palastgebäudes (Fußbodenheizung) deuten, nicht als Kirche. Die Kinder wären dementsprechend im Haus bestattet worden, was man in unseren Breiten häufig bei besonders alten oder besonders jungen Menschen hat. Säuglinge und Greise wurden häufig nahe der Feuerstelle als zentralem Punkt der Hausgemeinschaft und wohl auch Hauptaufenthaltsort der Person, hier nahe der Fußbodenheizung bestattet.
 
Nur eine Anmerkung: Apsiden waren an Wohnbauten bis in die Spätantike nicht derart selten, dass allein wegen einer Apsis eine Kirche zwingend angenommen werden müsste.
 
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Hat jemand eine Ahnung, wieso das Mädchen, was zuerst gefunden wurde, verstarb? Ich war im Frankfurter Dom Museum, Augenmerk war der Schmuck des Mädchens und weniger die Geschichte. Ich frage mich heute jedoch, wieso?

LG
Ron79
 
Das generelle Problem ist, dass genau zu der Zeit wenig geschichtliche Überlieferung gibt.

Ein paar Jahrzehnte später nach den Klostergründungen von Bonifatius gibt es wieder eine schriftliche Überlieferung für die Region. Das Problem das gleichzeitig auch das politische, soziale und kulturelle System des Ostfrankenreichs umgebaut wurde.

Dass es in Frankfurt eine reiche Oberschicht um 700 gab, beweist die oben genannten Grabfunde. Mehr kann man dazu nicht sagen. Wir wissen wenig über die Verhältnisse östlich des Rheins in der späten Merowingerzeit. Grafen, Könige oder Herzöge, Franken oder Thüringer ...?
Wir wissen nur, dass es ganz anders gewesen sein muss, als in der Zeit danach. Mit einer karolingischen Grafschaftsverfassung oder mächtigen Kirchenfürsten ist jedenfalls nicht zu rechnen.

Dass die Bevölkerung zumindest teilweise christlich war, ist auch klar. Das Problem ist nur, dass sich diesen Christentum, glaubt den Berichten von Bonifatius und Co, irgendwie von der reinen Lehre des Römischen Christentums unterschied.

Soll heißen: Die Geschichte der Mädchen ist völlig unbekannt.
 
Hat jemand eine Ahnung, wieso das Mädchen, was zuerst gefunden wurde, verstarb? Ich war im Frankfurter Dom Museum, Augenmerk war der Schmuck des Mädchens und weniger die Geschichte. Ich frage mich heute jedoch, wieso?
Auf der von El Quijote angegebenen Webseite des Museums (#4) findest Du paar vage Erkenntnisse zur Geschichte und kannst Dich dort weiterklicken zu einer Leseprobe aus dem Buch über die Forschungsergebnisse, inkl. Bericht zu den anthropologischen Untersuchungen.
 
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