Bonifatius - Thesen

Paulina

Neues Mitglied
Hallo!

Ich schreibe eine Klausur über Bonifatius. Hierzu haben wir acht Thesen bekommen. Sieben Thesen konnte ich ausarbeiten, bei einer bräuchte ich Hilfe, da fehlt mir der Überblick über das Gesamtgeschehen und ich wäre euch wirklich dankbar, wenn ihr mir helfen würdet.


Bonifatius hat die Kirche gleichgeschaltet.
Zu Gleichschaltung finde ich immer nur etwas aus der Nazi-Zeit. Ist damit gemeint, dass Bonifatius die Kirchen an Rom angliedern wollte? Aber was soll man dazu zwei Stunden lang schreiben?



Außerdem soll ich mir noch selbst eine These zum Missionsverständnis von Bonifatius überlegen. Ich weiß aber noch nicht mal, was sein Missionsverständnis war? Ich habe zwei Zitate gefunden, in denen steht, warum er missioniert hat. Aber was schreibe ich da zwei Stunden über sein "Missionsverständnis"?


Als Literatur habe ich bis jetzt
Bonifatius : Missionar und Reformer (Padberg) und
Bonifatius - Apostel der Deutschen (Felten) gelesen.

Ich habe hier einen Thread über Bonifatius gefunden. Danke für die tollen und ausführlichen Beiträge dort, die haben mir bei vielen Fragen weitergeholfen!


Liebe Grüße
Paulina
 
Bonifatius hat die Kirche gleichgeschaltet.
Zu Gleichschaltung finde ich immer nur etwas aus der Nazi-Zeit. Ist damit gemeint, dass Bonifatius die Kirchen an Rom angliedern wollte? Aber was soll man dazu zwei Stunden lang schreiben?
Zunächst einmal könntest du etwas über die Fragwürdigkeit der Begriffsübertragung eines Begriffes aus der Physik, der den meisten für die zum Teil sehr brutalen Vorgänge im Rahmen der Machtergreifung eher bekannt ist, auf die Mission im heutigen Deutschland bzw. den Niederlanden schreiben.
Ich nehme mal an, dass die These sich auf die Maßnahmen bezieht, die Bonifatius im Rahmen dessen ergriff, was wir aus seinem Briefwechsel mit Papst Zacharias (war doch Zacharias, oder?) entnehmen können. Ich sage nur: "in nomine patria et filia et spiritu sancta".
 
Ich bin leider nicht so clever, entschuldige bitte. Aber du hast da weibliche Formen draus gemacht, richtig? Meinst du den Umstand, dass in der Angelsächsischen Kirche viele Frauen die Doppelklöster geleitet haben und dort mehr kirchliche Macht hatten?
 
Hallo!

Ich schreibe eine Klausur über Bonifatius. Hierzu haben wir acht Thesen bekommen. Sieben Thesen konnte ich ausarbeiten, bei einer bräuchte ich Hilfe, da fehlt mir der Überblick über das Gesamtgeschehen und ich wäre euch wirklich dankbar, wenn ihr mir helfen würdet.


Bonifatius hat die Kirche gleichgeschaltet.
Zu Gleichschaltung finde ich immer nur etwas aus der Nazi-Zeit. Ist damit gemeint, dass Bonifatius die Kirchen an Rom angliedern wollte? Aber was soll man dazu zwei Stunden lang schreiben?



Außerdem soll ich mir noch selbst eine These zum Missionsverständnis von Bonifatius überlegen. Ich weiß aber noch nicht mal, was sein Missionsverständnis war? Ich habe zwei Zitate gefunden, in denen steht, warum er missioniert hat. Aber was schreibe ich da zwei Stunden über sein "Missionsverständnis"?


Als Literatur habe ich bis jetzt
Bonifatius : Missionar und Reformer (Padberg) und
Bonifatius - Apostel der Deutschen (Felten) gelesen.

Ich habe hier einen Thread über Bonifatius gefunden. Danke für die tollen und ausführlichen Beiträge dort, die haben mir bei vielen Fragen weitergeholfen!


Liebe Grüße
Paulina


Ich finde den Begriff "Gleichschaltung" für Bonifatius nicht ganz zutreffend. Bonifatius war im Prinzip ein Kirchenreformer. Er war starr und durchaus auch hitzköpfig. Seine Kritik richtete sich zum einen gegen die Verweltlichung der Kirche, zum anderen gegen das Nebeneinander von heidlichen und christlichen Praktiken, die wissenschaftlich als "Synkretismus" bezeichnet wurde. Bonifatius besuchte Rom im Alter von 35 Jahren und ereiferte sich darüber, dass die Wahrsagerei auch so nahe am Sitz des Heiligen Stuhls betrieben wurde.
Eine innige Gegnerschaft hatte Bonifatius mit den linksrheinischen Bischöfen in Mainz und Köln, die sich allzu weltlich verhielten. Sie missachteten den Zölibat, bildeten in ihren Bistümern dynastische Strukturen auf, und vor allem - dies kritisierte er mit am schärfsten - griffen sie zu den Waffen, gingen zur Jagd und unternahmen sogar Kriegszüge. Das entscheidende war, dass Bonifatius Gehör beim Hausmeier des Ostfrankenreiches, Karlmann, fand, der sehr fromm war und schließlich (mehr oder weniger) freiwillig zurücktrat und ins Kloster ging.
Karlmann ließ 742 das "Concilium Germanicum" als Synode zusammentreten, und die Beschlüsse waren sicher von Bonifatius Denken geprägt und beeinflussten die frühmittelalterliche Kirche in Deutschland nachhaltig. Rechts des Rheins konnte Bonifatius in den folgenden Jahren relativ nach einigen Vorstellungen die Kirche neu organisieren und gestalten, wobei nicht alle seiner Gründungen Erfolg hatten wie etwa das Bistum Büraburg, das nur für wenige Jahre existierte.
Links des Rheins bekam Bonifatius aber seine Grenzen aufgezeigt. Er wurde zwar noch Bischof von Mainz, wurde aber nie zum Erzbischof erhoben, womit er noch einflussreicher geworden wäre. Vielleicht spielt dabei auch eine Rolle, das sein Förderer Karlmann sich aus der Politik zurückgezogen hatte. So kann man nicht davon sprechen, dass Bonifatius die Kirche im Frankenreich gleich geschaltet hätte, zumal sie in dieser frühen Epoche noch stark abhängig von den Herrschern war.

Was die Mission des Bonifatius betrifft, so habe ich eine (vielleicht ganz) eigene Meinung dazu. Hier ist vor allem zu beobachten, dass er hauptsächlich in Gebieten rechts des Rheins tätig war, die schon zum Frankenreich gehörten, aber zu diesem Zeitpunkt nicht in enger Abhängigkeit waren (wie Thüringen). Überall dort gab es bereits Christen, doch waren die Religionspraktiken höchst heterogen. Eine der ersten Begegnungen Bonifatius im rechtshreinischen Raum war mit den Brüdern Dettic und Deorulf, die dem Namen nach Christen waren, aber gleichzeitig "schändliche Götzenbilder" verehrten. Der Bonifatius-Biograf Eigil teilt die Bevölkerung Hessen in drei Gruppen: Heiden, Christen mit gutem Glauben, und eine zweite Gruppe von Christen, die alle möglichen als "heidnisch" betrachteten Dinge ausüben, z.B. die Wahrsagerei. Eines der Ziele von Bonifatius war vor allem, diese heidnischen Bräuche verschwinden zu lassen. Dies hatte durchaus auch neue Züge, den Bonifatius gab sich nicht damit zufrieden, dass regionale Herrscherfamilien und ihre Untertanen pro forma Christen wurden und vielleicht auch Besitz spendeten, aber sich die Bräuche nicht veränderten. Vielmehr sollte jeder Christ glaubenstreu werden. Hier könnte man eher den Bezug zur "Gleichschaltung" ziehen, allerdings noch nicht zur Zeit des Bonifatius. Es war Karl der Große, der 782 die Verordnung "Capitulatio de partibus Saxoniae" erließ, in der drakonische Strafen für die Ausübung heidnischer Bräuche erlassen wurde und das jeden Sachsen unter Androhung der Todesstrafe zur Taufe zwang.
 
Eine innige Gegnerschaft hatte Bonifatius mit den linksrheinischen Bischöfen in Mainz und Köln, die sich allzu weltlich verhielten. Sie missachteten den Zölibat, bildeten in ihren Bistümern dynastische Strukturen auf, und vor allem - dies kritisierte er mit am schärfsten - griffen sie zu den Waffen, gingen zur Jagd und unternahmen sogar Kriegszüge.

Hier muss ich einhaken. Den Zölibat gab es doch damals noch gar nicht? Bzw. nur für Mitglieder von Ordensgemeinschaften? Oder irre ich da?
 
Dazu informiert Georg Denzler (in: Päpste und Papsttum, Bd 5.1, Das Papsttum und der Amtszölibat, Verl. A. Hiersemann, 1973 Stuttgart, S. 34)

Gregor II. verordnet in einem Schreiben vom 1. Dezember 722, mit dem er dem Missionar Bonifatius die Vollmachten eines Bischofs erteilt, keinen Kandidaten zur Weihe zuzulassen, "der in Doppelehe lebt oder nicht eine Jungfrau geheiratet hat".
[…]
Bonifatius klagt in mehreren Briefen an den Papst über "ehebrecherische und unwürdige Priester", deren hartnäckige Opposition ihm schwere Sorgen bereitete.
 
Ja.

20 Jahre später, unter Papst Zacharias, wird auf Anfrage an (zum Teil seit der Synode von Elvira) geltende Vorschriften erinnert:

Aus dem soeben angemerkten Werk, S. 36:

Die unter Zacharias' Vorsitz im Jahre 743 abgehaltene Römische Synode erneuert als Reaktion auf Anfragen aus Germanien einige schon seit langem geltende Vorschriften: "Bischöfe dürfen überhaupt nicht mit Frauen zusammenwohnen" (Kanon 1). "Presbyter und Diacone dürfen keine Frauen in geistlicher Ehe bei sich haben" (Kanon 2). "Keiner soll sich unterstehen, mit einer Presbyterin, Diakonin, Nonne oder auch einer Taufpatin eine sündhafte Ehe einzugehen. Wer solchen Eheleuten die Gemeinschaft gewährt, verliert sein Amt. Wenn sie sich aber getrennt haben, soll ihnen eine Buße auferlegt werden" (Kanon 5).
 
Ja.

20 Jahre später, unter Papst Zacharias, wird auf Anfrage an (zum Teil seit der Synode von Elvira) geltende Vorschriften erinnert:

Aus dem soeben angemerkten Werk, S. 36:

Die unter Zacharias' Vorsitz im Jahre 743 abgehaltene Römische Synode erneuert als Reaktion auf Anfragen aus Germanien einige schon seit langem geltende Vorschriften: "Bischöfe dürfen überhaupt nicht mit Frauen zusammenwohnen" (Kanon 1). "Presbyter und Diacone dürfen keine Frauen in geistlicher Ehe bei sich haben" (Kanon 2). "Keiner soll sich unterstehen, mit einer Presbyterin, Diakonin, Nonne oder auch einer Taufpatin eine sündhafte Ehe einzugehen. Wer solchen Eheleuten die Gemeinschaft gewährt, verliert sein Amt. Wenn sie sich aber getrennt haben, soll ihnen eine Buße auferlegt werden" (Kanon 5).

Ich habe es nicht parat, meine mich aber zu erinnern, dass es zwar nicht direkt verboten, aber von der Kirche auch nicht erwünscht war.
 
Ich habe es nicht parat, meine mich aber zu erinnern, dass es zwar nicht direkt verboten, aber von der Kirche auch nicht erwünscht war.

Ja. So kann man das durchaus umschreiben.

Zölibatsbestimmungen, die von allen Bischöfen gleichermaßen als Verbindlich angesehen worden wären, gab es zumindest bis ins erste Viertel des 12. Jhs nicht.

Die ältesten Entscheidungen, das sexualverhalten der Kleriker betreffend, stammen aus dem 4. Jh. Im "Denzinger" (42. Aufl. 2009, S. 60) ist dazu zu lesen:

In welchem Jahr die Synode von Elvira (heute eine Vorstadt von Granada) abgehalten wurde, ist unsicher. Nach L. Duchesne werden heute vorwiegend die Jahre 300-303 angenommen (and. 306-312, oder die Zeit Silvesters I.). Aufgrund der Akten steht nur der Eröffnungstag fest: 15. Mai. Ihr Kan. 33 scheint das älteste Zölibatsgesetz zu sein.

Kan. 27
Ein Bischof sowie jeder beliebige andere Kleriker soll nur seine Schwester oder Tochter, wenn sie Gott geweihte Jungfrau ist, bei sich haben; es wurde beschlossen, dass er keinesfalls eine Fremde (bei sich) haben (darf).

Kan. 33
Es wurde beschlossen, den Bischöfen, Priestern und Diakonen sowie allen Klerikern, die den Dienst versehen, folgendes Verbot aufzuerlegen: Sie sollen sich von ihren Ehefrauen enthalten und keine Kinder zeugen: jeder aber, der (es) tut, soll aus der Ehrenstellung des Klerikers verjagt werden. (DH 118, 119)

Am 10. Febr. 385 schreibt Siricius einen Brief (Directa ad decessorem) an Bischof Himerius von Tarragona:

Wir haben nämlich erfahren, dass sehr viele Priester Christi und Leviten lange Zeit nach ihrer Weihe sowohl aus eigenen Ehen als auch aus schändlichem Beischlaf Nachkommenschaft gezeugt haben und ihr Vergehen mit dem Vorwand verteidigen, dass man im Alten Testament lese, den Priestern und Dienern (sei) die Erlaubnis zum Zeugen zugestanden.
[…]
Daher bezeugt auch der Herr Jesus,… dass die Gestalt der Kirche, deren Bräutigam er ist, im Glanze der Keuschheit erstrahle, damit er sie am Tage des Gerichtes, wenn er wieder kommt, “ohne Makel und Runzel” [Eph 5,27] ... finden kann. Durch das unauflösliche Gesetz dieser Bestimmungen werden wir alle, Priester und Leviten, gebunden, auf dass wir vom Tage unserer Weihe an sowohl unsere Herzen als auch Leiber der Enthaltsamkeit und Keuschheit überantworten, damit wir dem Herrn, unserem Gott, in den Opfern gefallen, die wir täglich darbringen. (DH 185)

Daran wurde päpstlicherseits fallweise erinnert (so auch in Briefen an Bonifatius), ohne damit irgendwelche Veränderungen in der Lebensführung der betroffenen Kleriker herbeizuführen.

Dazu auch eine Anmerkung von H. Fuhrmann (in: Überall ist Mittelalter, C. H. Beck, S. 156):

Aus … frühmittelalterlichen Beispielen wird deutlich, dass nicht eigentlich der Zölibat - die Ehelosigkeit - gefordert wird, sondern die Enthaltsamkeit des geweihten Mannes. Verheiratete waren nach der Ordination gehalten, im Ehestand zu bleiben, jedoch ihre "Frauen fortan zu haben und zu behandeln, als hätten sie sie nicht", so das Konzil von Tours 567. Der Geschlechtsverkehr nehme dem Gottesdiener die für die sakramentalen Handlungen nötige Reinheit. Das römische Recht half den kirchlichen Verordnungen nach. Kaiser Justinian (527-565) erklärte jede nach der Amtsweihe geschlossene Ehe eines höheren Klerikers für ungültig und die daraus hervorgegangenen Kinder für illegitim, infam - d. h. jeder Rechtshandlung unfähig - und des Erbrechts verlustig.

Sicherlich sind diese Vorschriften kaum befolgt worden; wir hören auf den Konzilien und aus der Literatur von keinem Fall, dass ein Bischof, dessen Vergehen auf einer Kirchenversammlung von den Mitbischöfen hätten geahndet werden müssen, oder ein Priester samt der schuldig gesprochenen Frau in der angedrohten Weise behandelt worden wären.

An der Haltung der betroffenen Kleriker änderte sich jedenfalls bis ins beginnende Hochmittelalter kaum etwas. Vorerst auch nicht durch Beschlüsse auf den Kirchenversammlungen von Pavia (1022), Lüttich (1031) und Rom (1074).

Erst auf dem 1. u. 2. Laterankonzil (1123 bzw. 1139) sind jene Beschlüsse gefasst worden, die von Gratian in sein Regelwerk aufgenommen und nach und nach durchgesetzt wurden.

Dazu Fuhrmann (im erwähnten Buch, S. 166):

Der sogenannte "Zwangszölibat" setzte sich durch. Dass ein Bischof offen mit einer Frau zusammenlebte, die sogar an seinen Entscheidungen Anteil hatte, wie es bei Bischof Hildebrand von Florenz (ca. 1008 - ca. 1025) der Fall war, dessen "Gemahlin" Alberga sozusagen "episkopal" auftrat, solche Fälle gab es vom 12. Jahrhundert ab kaum noch.
 
Könnte mit "Gleichschaltung" nicht auch ein Alleinvertretungsanspruch der römisch-katholischen Kirche gegenüber der iro-schottischen Mission gemeint sein?
Auf dem kurzzeitigen Bischofssitz Büraburg ist die dortige Kapelle der irischen Nationalheiligen Brigida geweiht.
 
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